Migrantenunternehmen und Stadtteilentwicklung

Kontakt:

TIAD e.V., Mevlüt Kurban, Kaiser-Wilhelm-Str. 295, 47169 Duisburg-Marxloh, Tel.: 0203 47 97 030, e-mail: info@tiad-ev.de, web: www.tiad-ev.de


1.  Einleitung

Die ersten Gastarbeiter aus der Türkei kamen 1961 nach Deutschland. Sie wollten nach ein bis zwei Jahren mit dem Ersparten zurückkehren, um sich eine Existenz aufzubauen. Sie haben gespart, eine Existenz aufgebaut, aber nicht in ihren Heimatländern sondern hier in Deutschland. Sie haben investiert, Häuser gekauft und Unternehmen gegründet.
Die Migrantenunternehmen sind zu einem bedeutenden Bestandteil der Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur geworden. Das trifft insbesondere auf NRW zu, bis hin zu Städten und Stadtteilen.
Die türkischen Unternehmen bilden die größte Gruppe unter den Migranten.
Die Bedeutung der türkischen Selbstständigen spiegelt sich unter anderem in ihrer Wirtschaftsleistung wieder.
Nach Zahlen des Zentrums für Türkeistudien gibt es in Deutschland 56,800 türkischstämmige Selbstständige, mit ein Gesamtinvestitionsvolumen von 6,5 Mrd. EUR und einem Jahresumsatz von 26 Mrd. EUR und 290 00 Beschäftigte.
Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt immer noch im Einzelhandel, mit 34,9 % und Gastronomie, mit 23%, Dienstleistungsbereich 22,2 % im Jahr 2002.
Während die Zahl der Unternehmen im Dienstleistungsbereich wächst, nimmt sie in anderen Bereichen ab.
Im Laufe der Zeit wurden aus Lebensmittelläden Supermärkte, aus Imbissbuden Restaurants, aus Dönerbuden Dönerproduktionen, so dass inzwischen die türkischen Selbstständigen in über 100 Branchen vertreten sind. Der Branchenvielfalt der Migrantenunternehmen bedeutet eine enorme Bereicherung für die lokale Ökonomie und somit auch für den Standort Duisburg und NRW insgesamt.
Am Beispiel der Stadt Duisburg und des Vereins Türkischer Geschäftsleute TIAD e.V. wird deutlich, dass die türkischen Geschäftsleute für die Stadtentwicklung einen wesentlichen Faktor darstellen. Ohne das persönliche Engagement der heute etwa 2500 türkischen Unternehmer in Duisburg wären einige Stadtteile durch soziale Missstände geprägt.
Viele Wohnungen und Geschäfte wären leer, der Stadtteil ausgestorben.
Im Folgenden wird die Beteiligung der Migrantenunternehmen an der Stadtteilentwicklung am Beispiel der Gründung, des Aufbaus und der Aktivitäten des TIAD dargestellt.


2.  TIAD - Verein Türkischer Geschäftsleute in Duisburg und Umgebung

2.1.  Gründung

Der Verein türkischer Geschäftsleute ist im Juni 1996 in Duisburg – Marxloh gegründet worden. Anlass war der Umbau der Weselerstr. und die Befragung der Geschäftsleute auf dieser Straße.
Die Geschäftsleute hatten erkannt, dass sie bei Gesprächen mit den Verantwortlichen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, mehr erreichen konnten, ihre Forderungen mehr Durchsetzen konnten, wenn sie sich als ein Einheit und nicht als Einzelperson präsentierten.
Durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch konnte man aus Erfahrungen der Anderen lernen, neue Informationen austauschen und unnötige Fehler, verbunden mit finanziellen Verlusten vermeiden.
Um diese Vorteile allen zugänglich zu machen gründeten sie den Verein mit den Zielen:

2.2.  Ziele

  • Unterstützung der Geschäftsleute im Umgang mit den Behörden
  • Beratung der Geschäftsleute in Fragen der unternehmerischen Tätigkeit
  • Hilfestellung bei Existenzgründungen
  • Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen
  • Information der Mitglieder über wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland und in der Türkei
  • Stärkung der Kooperation zwischen den Mitgliedern selbst und anderen Unternehmen
  • Information der Geschäftsleute über lokale Entwicklungen und Projekte

2.3.  Mitgliederstruktur

55 Mitglieder, davon 4 Unternehmerinnen. Aufteilung nach Branchen: 

  • Unternehmungsberater
  • Steuerberater
  • Anwälte
  • Internet
  • Bauingenieur
  • Versicherungen
  • Immobilien
  • Druckerei
  • Werbeagenturen
  • Textil-Sportbekleidung
  • Juwelier
  • Friseurgeschäfte
  • Festsaalbetreiber
  • Lebensmittel/Supermärkte
  • Restaurant / Imbiss

Diese Aufteilung zeigt, dass die Migrantenunternehmen nicht mehr in Nischenbereichen arbeiten sondern in allen geschäftlichen Bereichen vertreten sind.
Das heißt wiederum, dass die neue Generation der Geschäftsleute hier in Deutschland ihre Ausbildung gemacht hat oder sie hat hier studiert.

2.4.  Organe des Vereins: Mitgliederversammlung, Vorstand

Die Mitgliederversammlung ist das höchste Organ des Vereins und besteht aus allen Mitgliedern. Sie wählt den Vorstand. Der Vorstand besteht aus 9 Personen und 2 Ersatzmitgliedern.
Der Vorstand des TIAD setzt sich zurzeit wie folgt zusammen:

1. Vorsitzender : Selgün Calisir (Lohnsteuerhilfeverein)
2. Vorsitzender : Ersoy Arik (Tankstellenpächter)
2. Vorsitzender : Sevki Kaya (Druckerei)

Beisitzer : 

  • Erol Yildiz (TamTürk-Fleischerzeugnisse)
  • Taskin Kayman (Rechtsanwalt)
  • Mehmet Yildirim (Bistro)
  • Semih Yildirim (Festsaalbetreiber)
  • Atila Barut (Finanzagentur)
  • Ercan Idik

Ersatzmitglieder: 

  • Zihni Öztürk (Dönerproduktion)
  • Yavuz Calisir (Lohnsteuerhilfeverein)

Wichtig ist bei den Mitgliedern und natürlich auch im Vorstand, dass man darauf achtet, dass alle Branchen und Gruppierungen (religiöse, politische) vertreten sind. Durch hohe Mitgliederzahl im Vorstand wird das leichter gewährleistet und die Aufgaben können auf mehrere verteilt werden.


3.  Aktivitäten / Projekte

Um die Aktivitäten in Duisburg zu koordinieren und gemeinsame Projekte zu initiieren, wurde mit der Entwicklungsgesellschaft Duisburg und der Regionalen Transferstelle des Zentrums für Türkeistudien ein Netzwerk der Migrantenökonomie gegründet.

3.1.  Durchführung von Unternehmertreffs

TIAD führt in enger Zusammenarbeit mit der EG-DU und der Regionalen Transferstelle des Zentrums für Türkeistudien Unternehmertreffs durch. Hier treffen sich Unternehmer mit Migrationshintergrund, um sich regelmäßig über aktuelle Themen auszutauschen.
Fachleute vermitteln relevante Informationen und Kenntnisse.

3.2.  Durchführung von Wochenendseminaren

Zusätzlich zu den Unternehmertreffs führt TIAD Wochenendseminare durch, um einige Themen intensiver miteinander zu erörtern. Bisherige Themen waren z.B. "Die Möglichkeiten einer Beteiligung in der Stadtteilentwicklung", "Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Migranten", und "Probleme und Chancen familiengeführter KMU, "Mitgliedergewinnung und –aktivierung".

3.3.  Qualifizierung im Verbund

Gemeinsam mit einer Unternehmungsberatungsfirma wurde im Rahmen eines Verbundprojektes mit finanzieller Unterstützung durch den Europäischen Sozialfonds und das Land Nordrhein Westfalen eine Qualifizierungsmaßnahme für TIAD-Mitglieder durchgeführt. Ziel dieses Projektes waren die Einrichtung einer Internetplattform und der Einsatz neuer Medien in den Unternehmen. Seit zwei Jahren ist TIAD im Internet unter der Adresse: www.tiad-ev.de zu finden, mit Links zu den Mitgliedsunternehmen, die auch ihre eigene Internetseiten haben.
Ein weiterer Bestandteil dieses Projektes war die Organisationsberatung des Tiads mit der Absicht, die Vereinsarbeit zu professionalisieren. Seit Anfang 2003 führt TIAD selbst ein Verbundprojekt durch. Im Rahmen dieses Projektes konnte ein Mitarbeiter eingestellt werden, der das Projekt leitet und den Vorstand bei seinen Aufgaben entlastet.

3.4.  Durchführung von Veranstaltungen zu aktuellen Themen

TIAD übernimmt gesellschaftliche Verantwortung indem zu aktuellen Themen Stellungnahmen abgegeben und Aktionen durchgeführt werden.
Zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze wird jedes Jahr mit dem Arbeitsamt und IHK ein Aktionstag durchgeführt, wo die Mitglieder, die einen Arbeits- und Ausbildungsplatz anbieten, sich mit den Vertretern vom Arbeitsamt und IHK zusammensetzen.
Dieses Jahr wurden an diesem Aktionstag von TIAD-Mitgliedern 35 neue Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt.
Ein Höhepunkt war in diesem Zusammenhang im Jahr 1999 der Besuch des Ministerpräsidenten Clement im Betrieb von Herrn Ersoy Arik, stellvertretender Vorsitzender des TIAD. Im Rahmen seiner Ausbildungstour verlieh er Herrn Arik das Landesverdienstkreuz für sein außerordentliches Engagement im Bereich Ausbildung.

3.5.  Unterstützung besonderer Stadtteilprojekte

TIAD engagiert sich in Duisburg in verschiedenen Stadtteilen in unterschiedlichen Projekten.
Seit seiner Gründung nimmt TIAD am Stadtteilfest in Marxloh aktiv teil. So organisierte der Verein 1998 den Markt auf der Kaiser-Wilhelm-Str, gestaltete 1999 den Schaufenster-Wettbewerb, beteiligte sich im Jahr 2000 an der Vorbereitung des Gesamtfestes mit und übernahm ab 2001 die komplette Organisation des Festes auf dem August-Bebel-Platz.
Das Bühnenprogramm wird von uns (international) zusammengestellt und moderiert, Plakate und Handzettel werden hergestellt und verteilt, Anträge an die Stadt gestellt, Schilder für Verkehrsumleitung und Absperrungen aufgestellt.
Neben der Bühne findet ein Basar mit internationalem Händlerangebot statt.
Die Gastronomie bietet eine Auswahl von Döner und Pizza bis chinesisches Essen.
Die Planung, Organisation, Durchführung bis das Saubermachen nachher nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.
Im Rahmen des Projektes Kaiser-Wilhelm-Str., zur Entwicklung der KWS gründete TIAD mit der Ideenwerkstatt, in der deutsche Geschäftsleute, Vermieter und Mieter von der Kaiser-Wilhelm-Str. organisiert sind, die Entwicklungspartnerschaft GbR, die das Projekt KWS leitet.

Was ist das KWS-Projekt?
Ziel ist die KWS zu einem internationalen Dienstleistungs-, Handels- und Erlebnisstrasse zu machen. So sollen neue Geschäfte eingesiedelt werden. Die ersten Geschäfte, die im Rahmen dieses Projektes eröffnet haben waren: Teppichgeschäft Atlantic, Farben, Lacke und Malerzubehör und ein Musikhaus, wo Musikinstrumente verkauft und Kurse angeboten werden.
Alle drei Investoren waren Migranten. Das vierte Geschäft, das jetzt eröffnet hat, ist ein Schmuckgeschäft von einer türkischen Frau.
Auf der Strasse ist eine Bühne der Kulturen geplant mit ringsherum internationaler Gastronomie. In der Kunst- und Kulturmeile soll für internationale Künstler Arbeitsraum geschaffen werden, wo sie arbeiten und ausstellen können.
In Oktober ist mit 15 Mitgliedern auch die TIAD GmbH gegründet, in der die türkischen Unternehmer gemeinsame Investitionen tätigen. Ein Büroraum, in dem später ein Dienstleistungszentrum entstehen soll, ist schon käuflich erworben worden.
Im Stadtteil Hochfeld unterstützt TIAD die Herausgabe eines Gastronomieführers. Dabei ist der Inhaber des Kulturzentrums efendi aktiv. Er spricht alle Gastronomen an, und sorgt dafür dass sie in diesem Gastronomieführer platziert werden. In Hochfeld sind 120 gastronomische Betriebe, von Stehcafes, Imbissbuden, Restaurants bis hin zu Bars.
TIAD setzt sich ein bei der Umgestaltung der alten Feuerwache, die seit 1995 freisteht, für das Projekt "Kultur und Stadtteilzentrum Alte Feuerwache". Hier soll eine interkulturelle Bühne entstehen auf der Theaterstücke in deutscher und türkischer Sprache aufgeführt werden soll.
In Kooperation mit Schulen und Jugendzentren sind auch Theater-Kurse geplant.
Die Gastronomie rundet das Angebot ab.
Die Räumlichkeiten in anderen Etagen können von Hochfelder Initiativen zu günstigen Preisen gemietet werden.
Nach zwei Jahren Diskussion fand dieses Projekt Zustimmung auf breiter Basis und der "Verein Alte Feuerwache" wurde im letzten Monat Oktober 2003 gegründet, mit TIAD als Gründungsmitglied. Mit den potentiellen Mietern wurden die vorläufigen Mietverträge geschlossen.
Als Mieter stehen fest: Theater, Gastronomie, Herr Tacettin Binici, TIAD, Dialog e.V., Farbklecks, (Künstlerbedarf), DUP-Agentur (türkisches Anzeigenblatt), Gründerzentrum für Künstler (Klaus Wagener). 
Im Vorstand sind Herr Tacettin Binici (Er führt schon ein Theater in Mönchengladbach und wird das Theater und andere Veranstaltungen planen und leiten), Asli Sevindim für Terminplanungen, Constanze Thelen (das Geschäft für Künstlerbedarf) und Klaus Wagener (Leiter Gründungszentrum).
Die erste Veranstaltung des Vereins wurde auch direkt nach der Gründung durchgeführt. Es wurde Saz und Gitarre gespielt, auf Türkisch und Deutsch gesungen, Gedichte und Geschichten vorgelesen.
Die Zusammensetzung des Vorstandes mit zwei Frauen und zwei Männern, deutsch und türkisch, zeigt, dass man, wenn man zusammenarbeitet auch große Projekte verwirklichen kann, zeigt, dass die Migrantenunternehmen sich mit ihren Stadtteilen identifizieren. Sie wirken aktiv an der Gestaltung mit und setzen sich für die Belebung ihrer Stadtteile ein.

(Zur Kaiser-Wilhelm-Straße siehe auch den Bericht: » Lenkungskreis Kaiser-Wilhelm-Straße: Die Kaiser-Wilhelm-Straße ist international! Planung und Konzeption zur Aufwertung einer Straße)


4.  Fazit

Die Aktivitäten von TIAD sind beispielhaft und empfehlenswert auch für andere Städte und Stadtteile und wir als Tiad sind bereit unsere Erfahrungen weiterzugeben.