Projekt Clownswohnung: „Mein Nachbar, der Clown“

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Ein Projekt kultureller Bildung im sozialen Brennpunkt Roderbruch


Kontakt:

Spendenkonto: Bürgergemeinschaft Roderbruch, Konto Nr. 785 369, BLZ 250 501 80 / Sparkasse Hannover


1. Wer steckt dahinter?

Projektträger: Kulturtreff Roderbruch / Bürgergemeinschaft Roderbruch e.V.
Die Bürgergemeinschaft Roderbruch e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und wurde 1982 im Hochhausviertel Hannover-Roderbruch gegründet. Ziel des Vereins war und ist, im neu entstandenen Quartier die Interessen der Bewohner/-innen zu vertreten sowie Kommunikation und Lebensqualität im Stadtteil zu fördern.
Seit 1984 trägt der Verein in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Hannover ein Stadtteilkulturzentrum, den Kulturtreff Roderbruch. Im Laufe der Jahre wurde mit viel ehrenamtlichem Engagement eine lebendige Stadtteilkulturarbeit aufgebaut.

Ein besonderes Anliegen der Bürgergemeinschaft ist es, die sozial benachteiligten Menschen im Stadtteil zu fördern und zu unterstützen. Da diese Bevölkerungsgruppe nicht so leicht den Weg in Kulturinstitutionen findet, werden vom Kulturtreff Veranstaltungen und Projekte auf Straßen, Plätzen und im Grünzug initiiert (z.B. Stadtteilfeste, Lesungen auf Spielplätzen, eine Internationale Kinderstadt). Der Verein unternimmt große Anstrengungen, um Kindern aus finanziell bedürftigen Familien eine Teilnahme in Kursen (Musik, Theater, Tanz, Kreativität) und Gruppen des Kulturtreffs zu ermöglichen. Es werden Spenden gesammelt und Förderungen eingeworben.


2. Eine ungewöhnliche Projektidee: die Clownswohnung

2004 wurde gemeinsam mit Anne und Horst Schneider (Ben Guri Theater) die Idee entwickelt, im Hochhausblock am Osterfelddamm eine Clownswohnung einzurichten. Dieser Wohnblock umfasst ca. 600 Wohneinheiten, bei denen das Amt für Wohnungswesen über Jahrzehnte das Belegrecht hatte. Dort wohnen viele Familien mit Kindern, viele Bewohner/-innen sind ausländischer Herkunft, viele Menschen dort haben große persönliche Probleme (z.B. Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch) und sind gesellschaftlich ausgegrenzt. Das Gebiet ist als sozialer Brennpunkt anerkannt. Die Wahl- und Zugangsmöglichkeiten der Menschen zur kulturellen Teilhabe und Beteiligung sind eingeschränkt.
Um in diese graue Betonwüste einen Farbtupfer zu setzen und das Wohnumfeld der Familien und Kinder anregender zu gestalten, haben die Projekt-Initiatoren den Eigentümer gebeten, eine leer stehende Wohnung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Bewilligt wurde eine Drei-Zimmer-Wohnung in der 3. Etage am Osterfelddamm 49, für die bis heute nur die Nebenkosten zu bezahlen sind.

In dieser Wohnung „wohnt“ nun also Clown Fidolo, eine in Hannover recht bekannte Figur, gespielt von dem Schauspieler und Erzieher Horst Schneider.
Das Klingelschild an der Haustür weist ihn als Bewohner aus!
Ein Clown wohnt natürlich nicht so wie andere Leute. Um eine Wohnung nach den Bedürfnissen eines Clowns einzurichten, waren Ideen gefragt. Die wurden mit einem Architekten gemeinsam entwickelt und umgesetzt.
Übrigens ist es so, dass sich die Wohnbedürfnisse eines Clowns mit den Spielbedürfnissen von Kindern decken.

Clown Fidolo ist in der kalten Jahreszeit (von September bis April) an zwei Tagen in der Woche mit seinem Clownspartner Hokey Pokey oder anderen Helferinnen und Helfern „zu Hause“ und freut sich auf Besuch.
Zielgruppe sind Kinder im Alter von 5 – 12 Jahren. Sie kommen vormittags mit Erzieher/-innen oder Lehrkräften aus Kindertagesstätten und Schulen und nachmittags aus der Nachbarschaft, um mit Fidolo zu spielen.


3. Und hier sind viele gute Ziele…

Die Clownswohnung schafft Raum für interkulturelle Begegnung und hilft, soziale Grenzen zu überwinden. Hier begegnen sich Kinder und Erwachsene unterschiedlicher kultureller Prägung und Herkunft in einem kreativen Prozess. Das Angebot ist vielfältig und inhaltlich so gestaltet, dass jede(r) dazu leicht einen Zugang findet. Es fokussiert sich im Freizeitbereich auf kulturpädagogisch vernachlässigte Kinder. Jeder kann kommen, aktiv dabei sein und sich mit seinen Interessen, Bedürfnissen und Talenten einbringen.
Die Begegnung in der Clownswohnung führt zur wechselseitigen Wahrnehmung und wirkt der Anonymität entgegen. Hier lernen sich oftmals Kinder kennen, die schon seit längerer Zeit im selben Häuserblock wohnen, aber noch nie Kontakt miteinander hatten. Die gemeinsamen Erlebnisse fördern das Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl und den Respekt vor den kulturellen Unterschieden. Das Angebot setzt dem Negativimage des Wohnquartiers etwas Positives entgegen. Es unterstützt die Aufwertung des Quartiers und das Recht der Kinder auf „kulturelle Teilhabe“ und „kulturelle Bildung“.

Ziele im Hinblick auf die Förderung der Kinder:

  • Stärkung und Erweiterung der Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Kommunikationsfähigkeit.
  • Auf – und Ausbau von Empathie, Sensibilität, Toleranz
  • Entdeckung und Entwicklung des eigenen kreativen Potenzials/Zugang zu den eigenen Ressourcen.
  • Lernen mit allen Sinnen in künstlerischen und sozialen Prozessen
  • Auf- und Ausbau von Kreativität, Spontaneität, Flexibilität, Phantasie
  • Kultur selber machen/Aktive Teilnahme am kulturellen Leben
  • Erleben eigener Produktivität und Selbstwirksamkeit
  • Spaß haben und genießen können
  • Anerkennung erfahren
  • Steigerung von Selbstbewusstseins/Selbstvertrauen/Selbstwertgefühl
  • Kennen lernen und erproben verschiedener künstlerischer Ausdrucksformen im interkulturellen Kontext (Clownsspiele/Tanz/Gesang/Theater/Kunst..)
  • Anerkennung eigener Stärken und Schwächen
  • Spielkontakt zu anderen Kindern
  • Entwicklung von Teamfähigkeit – Konfliktfähigkeit - Frustrationstoleranz
  • Willkommen, anerkannt und geliebt sein um seiner selbst willen
  • Die eigene kulturelle Identität erkennen, erleben und durch Darstellung für andere erfahrbar machen

4. Thron und Waschbrett: so wohnt Clown Fidolo

Da gibt es Stühle, die beim Draufsetzen hupen, Tische, die lebendig werden, einen begehbaren Fernseher zur Programmgestaltung, schiefe Ebenen, ein Energiefahrrad zur Stromerzeugung, einen Tigerkäfig für das Haustier und wenn man aus neuen Perspektiven schaut, kann man sogar an der Zimmerdecke spazieren gehen.

Clown Fidolo hat seine Wohnung folgendermaßen eingerichtet:

Wohnzimmer

Im Wohnzimmer befindet sich ein großer Manegenteppich. Er eignet sich für Zirkusvorstellungen und als Versammlungsort.
Außerdem wurde eine schiefe Ebene eingebaut. Auf dieser Ebene befinden sich ein Tisch und fünf Stühle. Natürlich muss man aufpassen, dass man nicht vom Stuhl fällt, denn die Stühle stehen ja schief. Der Tisch hat eine Vorrichtung, mit der man Jonglierbälle in einen Eimer katapultieren kann.
Einige Stühle sehen lustig aus: sie sind wie große Puppen gestaltet und wenn man sich auf die Sitzfläche (den Schoß) setzt, passieren überraschende Dinge, z.B. bläst sich ein Luftballon auf oder eine Tröte ertönt.
Das große, blaue Sofa in Fidolos Wohnzimmer ist so umgebaut, dass man damit herrlich schaukeln kann.
Außerdem hat Fidolo einen großen Schrank mit vielen Schubladen, in denen viele interessante und überraschende Dinge zum Spielen und Staunen versteckt sind.

Flur

Im Flur hat Fidolo eine lange Wäscheleine gespannt und seine große Hose und Hemden aufgehängt. In zwei sich gegenüber angebrachten Spiegeln kann man sich unendlich oft betrachten. Wenn man die Besenkammer öffnet, hört man ein lautes Fauchen und man sieht Fidolos Tiger. Nur für Mutige!

Küche

Fidolo hat eine sehr gemütliche kleine Küche. Die Lampe ist ein Wasserkessel, die Waschmaschine besteht aus einem Waschbrett mit Zuber.
In der Küche hängt ein Waffelrezept und es ist alles da, um leckere Waffeln zu backen. Am Küchentisch können die Kinder auch malen oder basteln.

Fernsehzimmer / Verkleidungsraum

Fidolos Fernseher ist riesengroß. Man kann reingehen und sein eigenes Programm machen. Mikrofone für Interviews sind vorhanden. Wer nicht fernsehen möchte, kann auf der kleinen Bühne eine Vorstellung geben oder Karaoke singen. Außerdem kann man im Fernsehzimmer an der Decke entlang spazieren. Dadurch ist man dann augenblicklich am Meer. Das geht so: man nimmt einen Spiegel und hält ihn wagerecht an die Nase, so dass man hineinschauen kann und sieht, was an der Decke ist. Die Decke ist bunt angemalt: blaues Wasser, gelber Strand. Auf der blauen Fläche wurden gelbe Entchen und ein Rettungsring befestigt, auf der gelben Fläche kleben Eimer, Schaufeln, Spielsachen.
Wenn man nun mit dem Spiegel unter der Nase durch den Raum geht, ist man am Meer und muss aufpassen, dass man nicht auf die Eimer und Schaufeln tritt. Alles klar?
Fidolo hat schöne Kostüme, Schminksachen und Hüte. Natürlich dürfen sich hier die Kinder bedienen und sich verkleiden.

Schwarzlichttheater

Clown Fidolo hat im Frühjahr 2009 einen Raum als Schwarzlichttheater ausgebaut. Ein toller Raum zum Experimentieren mit leuchtenden Objekten und für fantasievolle Geschichten.

Badezimmer

Hier erwartet alle eine wirkliche Überraschung. Im Badezimmer steht ein wunderschöner Thron. Mit Rücken- und Armlehnen, eine kleine Treppe führt nach oben (mit Geländer). Über dem Thron schwebt ein Dach aus Samt. Wenn man auf der Sitzfläche des Throns den Deckel öffnet, kann man das erledigen, wofür man hergekommen ist. Wenn es etwas länger dauert, kann man die Angel nehmen und versuchen, die (Plastik)-Fische in der Badewanne zu fangen.


5. Das pädagogische Team: Clown Fidolo und andere Spaßmacher

Horst Schneider/ Clown Fidolo (Schauspieler/Erzieher/Gestaltpädagoge) ist seit 1983 mit zahlreichen Gastspielen, Projekten und dem Theatermobil (Straßenkulturarbeit) in ganz Deutschland unterwegs.
In der Clownswohnung ist er „sesshaft“ geworden! Hier entwickelt und baut er mit einem befreundeten Architekten und Künstlerfreunden immer wieder neue Spielstationen für die Clownswohnung. Die wichtigsten Impulsgeber hierfür sind die Kinder mit ihren Interessen, Bedürfnissen und Wünschen. Kinder lieben Veränderung und suchen immer wieder neue Herausforderungen. So ist das Raumangebot variabel und wird in jeder Saison verändert oder erweitert: im letzten Jahr ist eine Karaoke -Tanz – Bühne hinzugekommen; aus Fidolos Erfinderwerkstatt wurde ein Schwarzlichttheater.

Clown Fidolo braucht in der Clownswohnung Unterstützung. In der 3-Zimmer-Wohnung ist schon aus Gründen der Aufsicht Hilfe notwendig; das schafft eine Person nicht allein. Horst Schneider arbeitet mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zusammen, die für ihren Aufwand eine Übungsleiterpauschale erhalten. Die Helfer/-innen werden von Horst Schneider in ihr Aufgabenfeld eingewiesen. Einige sind bereit, sich als Clown zu verkleiden und in der Clownsrolle den Kindern zu begegnen. Dafür sind Spielfreude und Improvisationsfähigkeit nötig. So ist Clown Hokey Pokey ein mittlerweile gut eingespielter Partner von Clown Fidolo und bei den Kindern als „unartiger“ Clown sehr beliebt. Bei der Ausbildung der Helfer/-innen als Clown ist Horst Schneider ein humorvoller Lehrmeister. Nicht jede(r) Freiwillige kann und will selber Clown sein und so arbeiten auch unverkleidete Erwachsene mit, die mit ihrer Begeisterung für dieses Projekt und mit ihrer Freude an der Arbeit mit Kindern eine wertvolle Stütze sind.


6. Was ist los in der Clownswohnung?

- Vormittagsprogramm und Nachmittagsangebot -

Das Programm in der Clownswohnung teilt sich in ein Vormittags- und ein Nachmittagsprogramm.

Das Vormittagsprogramm

Vormittags kommen angemeldete Kindergartengruppen oder Schulklassen aus dem gesamten Stadtgebiet und der Region Hannover. Clown Fidolo und Clown Hokey Pokey veranstalten ein buntes Mitmach-Programm von 10.00 -12.00 Uhr. Das Vormittagsangebot kostet € 3,- Eintritt. Die Nachfrage ist immens hoch, die Termine immer schnell ausgebucht.
Die Gruppe wird von Clown Fidolo und Clown Hokey Pokey im Wohnzimmer, dem Forum der Clownswohnung, mit einer witzigen Clownsnummer begrüßt. Dort treten die Kinder dann später mit dem Clown Fidolo gemeinsam auf und erleben sich als Akteure. Im Mittelpunkt steht das Lachen, das Herz und Kopf bewegt, verbindet, befreit, ansteckt und Lust macht, die Dinge auf den Kopf zu stellen und nach „Clownsart“ zu lösen.
Im Schwarzlichttheater zeigen die Clowns eine zweisprachige kleine Inszenierung mit Puppen.
In einem Entdeckerspiel (Kärtchen mit Detailfotos) lernen die Kinder die Wohnung kennen.
Viele verkleiden und schminken sich, werden Mitglieder der Clownsfamilie, oder schlüpfen in andere Rollen. Danach wählen die Kinder, in welchem Raum sie aktiv werden möchten und vertiefen sich für ca. 30 Minuten in einem der folgenden Bereiche. Dabei werden die Erzieher/-innen und Lehrkräfte aktiv in das Geschehen einbezogen.

  • In der Clownsküche arbeiten die Clownsbäcker, es werden nach einer Rezeptzeichnung Waffeln gebacken.
  • Clown Fidolo spielt mit einer Kleingruppe Clownstheater auf dem Manegenteppich im Wohnzimmer.
  • Im Schwarzlichttheaterraum“ weiht Clown Hokey-Pockey die Kinder in die Geheimnisse des Schwarzlichttheaters ein und lässt sie mit den Objekten und ihren eigenen Ideen und Geschichten experimentieren.
  • Im Schmink- und Verkleidungsraum inspiriert eine kleine Bühne, eine Musik- und Gesangsanlage und ein begehbarer Fernseher zu vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen.

Zum Schluss präsentieren Kinder, die es wollen, ihre Werkstattergebnisse und es gibt frisch gebackene Waffeln, serviert von kleinen Clowns.
Erzieher/-innen und Lehrer/-innen sind oft vollkommen überrascht und erstaunt von den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Kinder und deren Konzentrations- und Disziplinierungsfähigkeit.

Im Vormittagsbereich gibt es häufiger Begegnungen zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern. Durch den handlungsorientierten Ansatz und das Zusammenspiel von Kind und Clown können alle Kinder mitspielen und eine wertschätzende und begeisterte Resonanz im Publikum finden.
Es fällt auf, dass sich behinderte und schüchterne Kinder in der Clownsimprovisation öffnen und im Zusammenspiel zu ungewöhnlichen Lösungen und witzigen Handlungsstrategien finden.

Das Nachmittagsangebot

Das Nachmittagsangebot ist ein offenes, kostenfreies Angebot und bedarf keiner Anmeldung. Es richtet sich an Kinder im Alter von 5 -12 Jahren. Jüngere Geschwisterkinder werden oftmals mitgebracht. Die Kinder können in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr kommen und gehen. Aus den vorliegenden Besucherzahlen geht hervor, dass nachmittags gleichzeitig bis zu 30 Kinder vorrangig aus der Nachbarschaft den Clown besuchen. Die Besucher und Besucherinnen sind international - ca. 90 % der Kinder haben einen Migrationshintergrund.
Einmal wöchentlich gibt es die „Clownsschule“ als verbindliches Kleingruppenangebot. Hier treffen sich z. Zt. 5 Kinder, die ihr Clownstalent unter fachlicher Anleitung erproben, entwickeln und verfeinern wollen.


7. Ein-Blick in das bunte Treiben

14.00 Uhr Es klingelt an der Tür – drei Clownsschüler und eine Clownsschülerin kommen zur Probe. Fiona fehlt noch. Sie wohnt im gleichen Haus und kann sich noch nicht in der Zeit orientieren. Fidolo holt sie ab. Alle sind verkleidet – es geht los mit Bewegungsübung, Körpersprache, Clownshandwerk. Danach kommt das Clownsspiel: Ahmet hat sich zu Hause eine Nummer ausgedacht und möchte sie mit Markus proben. Sie ziehen sich in den Nebenraum zurück. Fidolo improvisiert mit den anderen Schülern und Schülerinnen eine kleine Szene. Nach einiger Zeit präsentieren sie sich gegenseitig ihre Arbeitsergebnisse. Lachen - Applaus – es gibt viele gute Ideen. Einiges kann noch deutlicher gemacht, verfeinert werden. Die wertschätzende Resonanz der Zuschauenden ist ein guter Maßstab. Durch die Selbstwahrnehmung, Beobachtung der anderen Clowns und Selbstreflexion wächst die Spielfreude, die Fähigkeit, sich selbst einzuschätzen und durch üben und proben sein Repertoire zu erweitern, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
15.00 Uhr - Das Publikum trifft ein: Kinder aus der nahe liegenden Kita Löwenzahn und einige Kinder aus dem Haus erwarten freudig die Aufführung der Clowns.
Es gibt viel Applaus und Gedränge auf dem Manegenteppich: „Ich – ich“
Die Zuschauer möchten selbst aktiv werden, am liebsten das Gesehene gleich nachspielen. Die Wohnung füllt sich, immer mehr Kinder kommen dazu – die Kinder, Mitarbeiter und Erzieherinnen der Kita verteilen sich auf die Räume und probieren sich aus. Wenn Kinder etwas zeigen möchten, laden sie die anderen zu einer Vorführung ein. Es gibt immer genug Zuschauende. Um 15.45 Uhr gehen die Kita-Kinder zurück in die Kita – es wird etwas ruhiger. Suana ist ganz allein in einem Raum. Sie steht auf der Bühne mit 2 Mikros in der Hand und experimentiert mit ihrer Stimme – laut – leise – mit Hall – ohne Hall, mit Sprache, Gesang, Imitation von Tierstimmen. Ali und Ahmet kommen dazu “Oh, cool - dürfen wir auch mal?“
Suana überlässt die Bühne den Jungs. Sie greifen ihre Idee auf – Imitation von Tierstimmen. Ali steht auf der Bühne und imitiert mit dem Mikro Tierstimmen; Ahmet übt im Fernseher ein Handpuppenspiel. Nach ca. 10 Minuten werden alle zu einer Vorstellung eingeladen:“ Wir spielen euch eine Geschichte gegen das Klauen“:
Der Hase und die Ente beschließen, sich einen Garten anzulegen. Sie graben, säen, pflegen und gießen, doch ein Hummer klaut ihr Gemüse und – landet im Gefängnis.
Fazit – „Klaut lieber nicht, sonst ergeht es euch so, wie dem Hummer“.
Für die Bühne gibt es schon die nächsten Anwärterinnen. Vier Mädchen, ca. 12 J. wollen Bauchtanz üben. Die Musik haben sie auf ihren Handys, Zuschauer sind noch nicht erwünscht.
Im Schwarzlichtraum proben 3 Jungen (ca.12J.). Ihr Thema: “Der große Zauberer“.
Sie bitten Hokey Pokey ihnen zu zeigen, wie man Dinge im Schwarzlicht verschwinden lassen kann und benutzen die Technik für ihre Inszenierung.
Es klingelt an der Tür. Ein Mädchen(7J.) kommt mit ihren 4 Geschwistern (3-6 J.) zu Besuch. Die Kleinen gehen zielstrebig ins Wohnzimmer. Sie wollen mit Fidolo eine Clownsnummer spielen und sie wissen auch schon welche: „Die, mit dem Nassspritzen. “Ein wenig Geduld brauchen sie, denn es spielen gerade einige Kinder. Das Zuschauen macht ihnen auch viel Freude. Bald sind sie dran!
Die große Schwester gesellt sich zu einigen Mädchen in der Küche, die am Tisch sitzen und malen. „Ich kann gut malen“ verkündet sie stolz und zeigt auf einige Bilder, die in der Clownsküche aufgehängt sind „Alle von mir!“
„Kannst du mir einen Fisch malen“ fragt ein kleines Mädchen schüchtern. Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin wird überlegt, welche Form ein Fisch hat. Dann schafft sie es, ihn allein zu malen.
Hokey Pokey schaut um die Ecke „Alles okay?“
„Heute ja, aber gestern bin ich total ausgerastet, da wollte ich nie mehr in die Clownswohnung kommen – Esma hat mich so geärgert!“ antwortet die Siebenjährige. Die Kinder diskutieren über den Streit vom Vortag.
Wenn es dann so richtig kracht, wird der Manegenteppich zum Schlichtungsort und der Clown zum Streitschlichter. Die Kinder kennen die Regeln in der Clownswohnung. Positive Formen der Konfliktlösung wurden mit den Kindern gemeinsam erarbeitet und erprobt, Regeln und Konsequenzen bei Regel- und Grenzverletzung besprochen.
Die Kinder lernen, leichtere Streitigkeiten selbständig zu lösen und auch Verantwortung für ein harmonisches Miteinander zu übernehmen.
Nur selten lässt sich der Konflikt in der Situation nicht klären und ein Kind/eine Gruppe muss für den Rest des Tages die Wohnung verlassen.
Heute hat es keine „Ausraster“ gegeben. Die Zeit nähert sich dem Ende. Im Schwarzlichtraum gibt es eine spannende Aufführung vom „großen Zauberer“ und dann die Abschlussrunde auf dem Manegenteppich. Wer beim Aufräumen helfen möchte, kann bleiben; die anderen Kinder gehen nach Hause.
Mary (10J.) wartet in der Küche auf Hokey Pokey „Du sprichst doch englisch – ich habe in Englisch eine 6 – kannst du mir helfen?“ Hokey Pokey weiß, wie schwer es ist, eine Fremdsprache zu lernen. Er lernt gerade Deutsch. Sie sitzen in der Küche und tauschen sich aus. Wie funktioniert eigentlich ein Wörterbuch?; sie schauen gemeinsam in Hokey Pokeys. Zwei Etagen tiefer befindet sich das Projekt „Hallo Einstein“. Dort kann Mary kostenlos zur Hausaufgabenhilfe gehen. Die Clowns kennen die Angebote im Stadtteil und vermitteln bei Bedarf.

Die Wohnung weckt die Lust der Kinder, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Jede(r) findet hier seinen Platz, für jede(n) gibt es etwas zu tun.
Durch die Vielfalt, die die Räume bieten, können Kinder mit ganz unterschiedlichen Interessen und Talenten künstlerisch aktiv sein und kreativ ihren Eindrücken einen Ausdruck geben. Jede(r) hat die Möglichkeit sich in einem geschützten Rahmen mit seinem Talent/seiner Idee/Inszenierung zu zeigen und diesem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Selbstdarstellung Raum zu geben. Die Resonanz des Publikums vermittelt das Bewusstsein eigener Stärken und damit Selbstbewusstsein und Lebensfreude.


8. Clowns und Kinder: eine kulturpädagogische Begegnung mit unkalkulierbarem Ergebnis

Clowns sind Meister des Spielens, deren Kunst es ist, Menschen zu erstaunen und so zum Nachdenken und auch zum Lachen zu bringen.
Der Clown ist aber nicht nur eine lustige Figur; er ist gleichzeitig Methode: er hinterfragt, verdreht, löst Zusammenhänge und Denkmuster auf, schenkt neuen Ansichten und Ideen Leben.
Clowns sprechen das kreative Potenzial der Kinder an. Die Neugierde auf das Leben, die Lust am Experiment, die Spielfreude und die heilsame Kraft des Lachens verbindet und hilft den Clowns, zu den Kindern Beziehungen aufzubauen. Ihre Körpersprache ist eine Sprache, die Kinder auf Anhieb verstehen. Ihr offener Umgang mit Gefühlen weckt bei den Kindern oft Mitgefühl. Auch ihre Themen sind vielen Kindern nicht unbekannt:
Clowns gehen davon aus, dass sie nicht kompetent sind, tun aber ihr Bestes, um eine Aufgabe zu lösen. Sie sind das Scheitern gewohnt; die Krise ist ihr täglich Brot, in ihr liegt der Witz. Oft stellen sie die Dinge auf den Kopf, um sie aus einer anderen Perspektive anzuschauen. So finden sie unerwartete Lösungen, die Situation zu meistern und mit den Tücken des Alltags umzugehen.

Clown Fidolo und sein Clownspartner begeistern durch ihre anregende und faszinierende Persönlichkeit. Man spürt, dass sie ihre Arbeit mit Überzeugung und Begeisterung tun.
„Ohne Liebe geht gar nichts – man muss einen Zugang zu den Herzen der Kinder finden“ wissen Clown Fidolo und Clown Hokey Pokey.

In der Clownswohnung stehen die Kinder im Mittelpunkt.
Die Clowns machen aus „Kultur“ Spiel und öffnen sie damit zur Teilhabe:
Clownsspiele machen Freude. Sie fördern die Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Kommunikationsfähigkeit. Die Akteure wissen nie genau, was auf sie zukommt. Nichtalltäglichkeiten und unkalkulierbare Ereignisse erfordern von allen Beteiligten Mut, Spontaneität, Risikobereitschaft und Improvisationstalent. Ein spannungsreiches Erlebnis, in dem das herzhafte Lachen über uns selbst und über andere eine menschliche Stärke entwickelt: den Humor.


9. Was kostet der Spaß?

Die Clownswohnung hat einen jährlichen Zuschussbedarf von ca. € 17.000,- für Personal-, Neben- und Materialkosten. Für diese Summe hat sie 50 x im Jahr geöffnet und wird von 50 – 70 Kindergruppen aus dem gesamten Stadtgebiet und aus der Region Hannover besucht; zusätzlich kommen nachmittags die Nachbarskinder in die Wohnung und so profitieren mehr als 2.200 kleine Besucher/-innen von dem Angebot, das schwerpunktmäßig in der kalten Jahreszeit stattfindet, wenn die Kinder kaum draußen spielen können (Ende September bis Ende April).
Das ergibt einen Zuschussbedarf von € 7,50 pro Kind.
Das Clownsprojekt wird seit Jahren von wechselnden Förderern, Spendern und Zuschussgebern finanziert.
Besonderer Dank gebührt:

  • Candlepower N.V. für die kostenlose Überlassung der 3-Zimmerwohnung
  • Gesellschaft für Bauen und Wohnen (GBH) für regelmäßige Spenden
  • Landeshauptstadt Hannover für die finanzielle Unterstützung durch verschiedene Fachbereiche bei denen Anträge gestellt wurden (Planen und Stadtentwicklung, Jugend und Familie, Bildung und Qualifizierung)

In der Vergangenheit haben „Aktion Mensch“ und das Land Niedersachsen / Region Hannover die Clownswohnung gefördert. Auch dafür herzlichen Dank.


10. Zum Schluss: Träume, Wirklichkeit und witzige Ideen

Die Clownswohnung ist ein Erfolgsmodell kultureller Bildung im sozialen Brennpunkt und wir freuen uns, dass sie im Sommer 2009 den Förderpreis der TUI Stiftung gewonnen hat (3. Preis). Natürlich sollte das Projekt in den nächsten Jahren fortgeführt werden. Davon träumen die Clowns und das wünschen sich die Kinder.

Die Wirklichkeit sieht so aus, dass es für die Bürgergemeinschaft Roderbruch mit den Jahren immer schwieriger wird, die Mittel für das Clownsprojekt einzuwerben. Die meisten Projektförderer fördern nur einmalig und damit wird nach 4 Jahren Clownwohnung die Luft reichlich dünn, was die Finanzierung angeht. Um Nachhaltigkeit gewährleisten zu können, braucht der Bürgerverein Beratung und Unterstützung. Also: Rat und Tat sowie Spenden sind willkommen.
Witzige Ideen ebenfalls.
So wurde z.B. vorgeschlagen, rote Clownsnasen für € 10,- pro Stück zu verkaufen und den Erlös für die Clownswohnung zu verwenden. Wer € 100,- stiftet, kann natürlich auch eine goldene Clownsnase bekommen……

Wenn Sie Fragen, Anregungen oder Ideen haben, sprechen Sie uns an.

Und wenn Sie eine Clownsnase für € 10,- kaufen wollen, kommen Sie vorbei. Wir haben Vorräte!

 

Hannover, im August 2009
Ben Guri Theater, Anne und Horst Schneider
Kulturtreff Roderbruch, Petra Volk