Quartiersmanagement durch Wohnungsunternehmen

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Prof. Dr. Peter Hansen (Gundlach Wohnungsunternehmen, BFW-Vorstand, Hon.Prof. Raumplanung, Uni Dortmund)
Adresse: Röhrichtweg 32, 30559 Hannover, Tel: 0511-9584300; E-mail: prof.p.hansen@t-online.de


Paradigmenwechsel erreicht auch die Wohnwelt

Unsere Nachkriegsvergangenheit war bis jetzt bestimmt von der Überwindung der Wohnungsnot. Quantität des Angebots, Baukosten, Grundstücksausnutzung, Subventionstechniken – all dies bestimmte die Diskussionen der Wohnungspolitik, der Planer und Bauherren. Dem Produkt, weniger den Nutzerwünschen galt alle Aufmerksamkeit. Erst seit etwa fünf Jahren setzt sich zunächst im östlichen, inzwischen aber auch im westlichen Deutschland die Einsicht in das weithin verbreitete Wohnungsüberangebot durch. Der sich verschärfende Wettbewerb in der Wohnungswirtschaft bringt den "Wechsel von einer rationalistischen zu einer ganzheitlichen Weltsicht" des Wohnens (Duden-Definition zum Paradigmenwechsel) – den Wechsel von der Quantität zur Qualität des Wohnens. Daraus entsteht das Streben, ökonomische, soziale, kulturelle und ökologische Ziele gleichzeitig beim Planen, Bauen und Bewirtschaften umzusetzen: Leerstand als Lehrstand für die Bedeutung und Komplexität der Qualitäten des Wohnens und urbaner Nachbarschaften.
In der städtebaulichen Planung und bei den Unternehmen wird inzwischen registriert, dass die Wohnwelt durch Neub au nur in einprozentigen Jahresschritten verändert werden kann und dass "Raumpflege" in 99 Prozent des Bestandes längst überfällig ist. Und damit ist eben nicht nur die bautechnische Sanierung der einzelnen Wohnung, sondern vielmehr auch die sozialtechnische Reparatur des Wohnumfeldes im Rahmen des Quartiersmanagements gemeint.


Quartiere als Fokus für Raumplaner, Raumwirtschaft und Raumnutzer

Wettbewerb und Marktorientierung hat nicht nur die Wohnungswirtschaft, sondern ebenso die Kommunalverwaltungen erfasst. Es ist nicht der Raum als solcher, sondern seine Nutzungsqualität, alle Beteiligten interessieren muss. Der Raumnutzer steht im Zentrum des Marketingdenkens für Unternehmen und Verwaltungen gleichermaßen. Dabei ist Kleinteiligkeit angesagt, da mehr noch als das städtische Ganze das Leben in den Stadtteilen oder die Nachbarschaft in großen Wohnanlagen von den Bewohnern wahrgenommen wird. Neue Medien im Haus, Arbeitszeitverkürzung oder gar Arbeitslosigkeit, sinkende Einkommen u.a.m. machen das Leben in der Wohnung und ihrem Umfeld tendenziell wichtiger als früher.
Eine Befragung der Zeitschriften stern und mosaik (bei 35.000 Lesern) hat ergeben, dass die wenigsten "mit ihrer Wohnung, ihrem Haus oder gar ihrem Wohnumfeld wirklich zufrieden" sind (10%), aber sie würden gern citynah wohnen – allerdings nur "wenn die Nachbarschaft stimmt: mehr als 90% der Befragten wünschen sich aktive Nachbarschaften und die meisten würden sich auch daran beteiligen" (aus sternstadt – Eine Aktion von stern und Schwäbisch Hall: Wohnlandschaft und Städtebauwettbewerb). Und dies ist eine gute Chance gerade für das Quartiersmanagement.
Das hochentwickelte Marketing von Industrie und Dienstleistern hat längst sog. Nachkaufmarketing, Beziehungspflege, Beschwerdeabteilungen, Imagebefragungen und –maßnahmen entstehen lassen. Kommunen und Wohnungsunternehmen haben angesichts der verbreiteten Bürokratie und Subventionsverwöhnung darin Nachholbedarf. Bürger wünschen sich eine Dezentralisierung und Querschnittsorientierung der Verwaltung von der Stadt und Mieter oder Käufer gute Vorort-Betreuung und Nachbarschaftsangebote von Wohnungsunternehmen und Bauträgern.
Durch das Stadtreparatur-Programm "Soziale Stadt" haben die Kommunalverwaltungen einen auch finanziell geförderten Impuls für das Quartiersmanagement bekommen. Schon seit längerem haben marktwirtschaftlich aufmerksame Wohnungsunternehmen im Fall konzentrierter größerer Wohnungsbestände auf den Wunsch ihrer Kunden nach einer Nachbarschaftsförderung reagiert, indem sie dezentrale Mieterbüros für Wohnumfeldverbesserung vor Ort oder betreute Gemeinschaftshäuser geschaffen haben. Je nach örtlicher Problemlage und Engagement sollte das Quartiersmanagement von der Kommune und/oder den Wohnungsunternehmen gemeinsam in public private partnership gestaltet werden.


Unternehmerische Überlegungen aus der Sicht der Wohnungswirtschaft

Quartiersmanagement für mehr Kundennähe:

Wohnungsunternehmen hatten früher eher Verteilungsfunktionen für das knappe Gut Wohnung, wobei die Versorgten Wartezeiten, Mängel und Unfreundlichkeiten in Kauf nahmen. Diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei. Öffentliche, genossenschaftliche und private Vermieter sind mit steigendem Leerstand, schneller Fluktuation, Zahlungsrückständen und –ausfällen, vernachlässigten Nebenleistungen, Vandalismus in den Wohnungen und Außenlagen oder Mieterstreitigkeiten untereinander konfrontiert. Diese Problemfelder lösen organisatorische Verbesserungen und neue Marketing-Bemühungen in den Unternehmen aus; sie reichen von mehr Werbung, Kundenzeitschriften, Personalverstärkungen, neuen Dienstleistungsangeboten, Wohnungsmodernisierungen, Mietminderungen u. a. m. Diese Maßnahmen sind oft gerichtet auf die Schaffung von mehr Kundennähe im ideellen und im räumlichen Sinne. Beides kann durch ein eigenes Quartiersmanagement erreicht werden, wenn Wohnungsunternehmen Gemeinschaftsräume und Nachbarschaftsservice für große Wohnanlagen in problematischen Stadtteilen anbieten.

Quartiersmanagement als sozialtechnische Bestandssicherung:

Einer alten Branchenregel entsprechend ist die Wohnungswahl bzw. –treue im wesentlichen von drei Gründen bestimmt: Standort, Standort, Standort. Wie die Beurteilung der potentiellen oder vorhandenen Bewohner ausfällt, ist von kommunalen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren außerhalb der Vermietersphäre abhängig. Durch bautechnische Maßnahmen kann das schlechte Image eines zum sozialen Brennpunkt abgewirtschafteten Quartiers oft nicht kompensiert werden. Wohnungsbestände verlieren ihren Wert in dem Maße, in dem es das Umfeld tut; deshalb ist eine sozialtechnische Fürsorge für die Nachbarschaft und den Ruf des Stadtteils auch durch Wohnungsunternehmen ökonomisch vernünftig. Privatwirtschaftliches Quartiersmanagement ist aus diesen Zusammenhängen aber falsch disponiert, wenn es sich ausschließlich auf die eigene Mieterschaft konzentriert; ein Gemeinwesenbezug ist nötig, wozu sich eine public private partnership mit der Kommunalverwaltung empfiehlt.

Empowerment und Quartiersreparaturen:

Zu den inhaltlichen Aufgaben des wohnwirtschaftlichen Quartiersmanagement gehört identitätsstiftende Animation mit eigenentwickelten Angeboten und Quartiersfesten. Wirkungsvoller ist aber eine Konzeption der Selbsthilfe-Förderung bei den Stadtteilbewohnern, eine Moderation für Nachbarschaft, Selbstverwaltung und gemeinsame Quartiers-Reparaturen i.w.S.; Ziel ist "empowerment" der Bewohner sowie Imagekorrekturen für das Quartier. Die Erfahrung zeigt, dass die Frauen die besseren und kooperativeren Ansprechpartner dafür sind, da sie das Umfeld und seine Probleme besser kennen, sich stärker für die Kinder und Jugendlichen verantwortlich zeigen und oft unkomplizierter und pragmatischer zusammenarbeiten.

Schwierige Kosten-Nutzen-Zuordnung:

Grafitti und Vandalismus an und in den Häusern können analysiert werden als handgreifliche, wortlose Kommunikation mit einem anonymen, entfernten Eigentümer, der für die Probleme vor Ort nicht erreichbar ist. Diesbezügliche Beseitigungskosten und viele andere Vermietungsprobleme können die Investitionen und laufenden Kosten des Quartiersmanagements (ab 300 bis 400 Wohnungen des Unternehmens je Stadtteil) finanziell vertretbar erscheinen lassen (ca. 30 bis 50.000 €). Für eine penible Kosten-Nutzen -Berechnung fehlen oft die betriebswirtschaftlichen Daten – wie bei vielen anderen Marketinginvestitionen auch. Quartiersmanagement ist nicht aus Altruismus und Sozialromantik entstanden, sondern funktioniert als Teil einer langfristig angelegten, kundenorientierten Unternehmensstrategie.

Kommunales und unternehmerisches Quartiersmanagement:

Das Quartiersmanagement hat durch das Bundesprogramm des "Sozialen Stadt" neue Impulse für eine kommunal bestimmte Reparatur städtebaulicher, sozialplanerischer oder wohnwirtschaftlicher Fehler bekommen. Dies kommt manchmal erst, wenn es fast schon zu spät ist. Ein wohnwirtschaftliches Engagement für ein eigenes Quartiersmanagement kann als Abwertungs-Prävention verstanden werden kann, damit aus größeren Wohnanlagen keine sozialen Brennpunkte werden. Erfolgreich wird dies insbesondere dann sein, wenn eine gute, langfristige Kooperationsstruktur mit den kommunalen Verwaltungen und anderen Stadtteilakteuren aufgebaut wird. Quartiermanagement definiert sich für alle aus den Vorteilen für die Bewohner und deren Standortbindung als Raumnutzer.


Konkrete Quartiersmanagement-Erfahrungen beim Wohnungsunternehmen Gundlach

Seit 1978 unterhält das mittelständische Wohnungsunternehmen Gundlach im problemreichen Stadtteil Hannover-Roderbruch nach dem Umbau einer ebenerdigen Tiefgaragen-Reihe von 14 früheren Einstellplätzen für die 500 Wohnungen ein privatwirtschaftliches Quartiersmanagement. Eine kommunal nicht subventionierte Sozialarbeiterin betreibt in Zusammenarbeit mit den Bewohnern einen 240 m2 großen Nachbarschaftstreff "Spielarkaden" (Mutter-Kind-Gruppen, Frühstücksgruppe, Bastelnachmittage, Kurse, Familienfeiern, Flohmärkte, Bewohnerfeste, Schreibbüro, Mädchentreff, Lebensberatung und Bürokratie-Hilfe). In Kooperation mit einer Bürgerinitiative und der Kulturverwaltung wurde ein selbstverwalteter Kulturtreff initiiert, ein Straßencafé gebaut und betrieben sowie ein "Stadtteilgespräch" aller kommunalen und privaten Sozial- und Kultureinrichtungen gefördert und kooperativ moderiert. So konnte dazu beigetragen werden, den Stadtteil trotz einer bis zu 20-geschossigen Anhäufung von Sozialwohnungen nicht zu einem sozialen Brennpunkt werden zu lassen. Das Wohnungsunternehmen unterhält in drei anderen kleineren Neubaugebieten weitere Nachbarschaftshäuser mit differenzierten Angeboten eines nebenberuflichen Quartiersmanagements. Es hat zur Kundenbindung, zum Stadtteilengagement und zur Erleichterung der Wohnungsverwaltung sowie zur Imageaufbesserung beigetragen und kann so zugleich Marketing und Mithilfe zu kleinteiliger Stadtentwicklung sein.