Bewohner ermutigen, aktivieren, organisieren.
Methoden und Strukturen für ein effektives Quartiermanagement
Prof. Dr. Wolfgang Hinte (Brüderstr. 22, 46145 Oberhausen, eMail: w.hinte@uni-essen.de), geboren 1952, Hochschullehrer am “Institut für Stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung” der Universität Essen; berufliche Erfahrungen in der Beratung von Organisationen der Jugend- und Sozialhilfe; Arbeitsschwerpunkte: Quartiermanagement / Gemeinwesenarbeit, Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe, Verwaltungsreform und Personalqualifizierung; zahlreiche Publikationen zu o. g. Themenbereichen.
Inhalt
- Beteiligung durch Verfahren und Kundenorientierung: zwei Irrwege
- Quartiermanagement: Aktivierende Arbeit im Wohnquartier
- Den Menschen nahetreten, ohne ihnen auf die Füße zu treten
- Zum Aufbau aktivierungsunterstützender Strukturen
- Beispiel Essen
- Literatur
Bürgerbeteiligung hat Hochkonjunktur. StadtplanerInnen, PolitikerInnen, Jugendhilfe- und SozialplanerInnen, Verwaltungsleute aus dem Grünflächen-, Gesundheits-, Stadtentwicklungs-, Hochbau- und Tiefbauamt, Wohnungsbaugesellschaften und die lokale Wirtschaftsförderung, AutorInnen aus Wissenschaft und Praxis quer durch die Disziplinen - sie überschlagen sich geradezu mit Hinweisen auf den demokratiestützenden und legitimationsfördernden Wert von Bürgerbeteiligung: ein wehrloser Begriff, den jede/r beliebig nutzen kann, um programmatisch Qualität zu signalisieren. Angesichts dieser Inflation von Bürgerbeteiligungs-Beschwörung stimmt es indes nachdenklich, wenn man sich die Praxis in vielen deutschen Kommunen anschaut.
- Die öffentlichen Verwaltungen sind - unter Stichworten wie "Kundenfreundlichkeit" und "Outputorientierung" - hochgradig mit sich selbst beschäftigt und pflegen eine gehobene Form der Binnenorientierung, die wir indiesem Ausmaß weder im Westen noch im Osten dieses Landes jemals erlebt haben.
- Im Zuge kommunaler Konsolidierungsprozesse ("Management by Rasenmäher") stehen auch diejenigen ("freiwilligen") Leistungen zur Streichung an, die zur systematischen Anregung und Unterstützung von Bürgerbeteiligung beitragen.
- Politik und Verwaltung verhalten sich oftmals trotz ihrer bürgerfreundlichen Formeln eher ungelenk oderallenfalls antrainiert-freundlich im Umgang mit nachdrücklich artikuliertem Bürgerwillen.
Ist das mit der Bürgerbeteiligung vielleicht gar nicht so ernst gemeint? Oder ist man zwar verbal dafür, aber hilflos in der Ausführung oder zu sehr beschäftigt mit internen Bürokratie- und Finanzproblemen? Startet man wieder mal einen großangelegten Trick zur Befriedung der Massen? Oder wird gar über Leerformeln eine Praxis schön geschrieben, die sich im Grunde nicht von derjenigen aus den letzten 30 Jahren unterscheidet?
Was Bürgeraktivierung angeht, können wir in Deutschland auf eine interessante - von aktuellen Partizipations-AutorInnen (s. etwa Alisch, 1997; Froessler u.a., 1994) indes gar nicht oder allenfalls widerwillig wahrgenommene - Tradition zurückgreifen. In den 70er Jahren entwickelte sich in der alten Bundesrepublik unter dem Etikett "Gemeinwesenarbeit" (GWA) eine damals insbesondere von fortschrittlichen SozialarbeiterInnen getragene, von der konventionellen Planung geradezu gefürchtete und von wenigen WissenschaftlerInnen (z.B. Ortmann, 1976) konstruktiv begleitete Praxis, durch die Menschen in zahlreichen Stadtteilen über aktivierende Arbeit angeregt wurden, sich für ihre Belange einzusetzen, Widerstand zu entwickeln und selbst zur Gestaltung ihrer Lebenswelt beizutragen (s. dazu etwa Hauser, 1971 und Hinte/Karas, 1989). Einige dieser Projekte sind ausgezeichnet dokumentiert und beforscht worden (etwa Bahr/Gronemeyer, 1974; Seippel, 1976; Dressel/Wagner, 1981; Hubbertz, 1984). Die damals entwickelten, z. T. aus den USA adaptierten Methoden heben sich in Vielfalt und Wirkung durchaus von heute propagierten "Verfahren" ab und waren insbesondere viel stärker ausgerichtet auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Viele dieser Methoden werden auch heute noch praktiziert und weiterentwickelt, u. a. in langjährig bestehenden Stadtteilprojekten in Essen (s. dazu ISSAB, 1990). Wenn heute - ohne Bezug auf diese GWA-Tradition - gelegentlich der Eindruck erweckt wird, man habe - auf relativ niedrigem Niveau - Bürgeraktivierung ("Empowerment") oder Stadtteilarbeit neu erfunden, ist das ziemlich daneben: Willkommen im Club, aber erweckt bitte nicht den Eindruck, Ihr hättet ihn gegründet!
Aktivierung war in den 70er Jahren - ohnehin mühsam genug - in gewissem Sinne einfacher. Vorrangig ging es darum, Macht zu erlangen bzw. Gegenmacht zu entwickeln gegen große bürokratische Apparate, die sich damals keineswegs in einer Krise erlebten, sondern geradezu aufblühten und sich perfektionierten. Die Fronten waren scheinbar klar - platt gesagt: hier die Unterdrückten, dort das Establishment. Bürgeraktivierung geschieht heute jedoch unter anderen Vorzeichen. Sie ist vielerorts ausdrücklich von der Bürokratie erwünscht, man schreit geradezu nach aktiven BürgerInnen, und Partizipationsschleifen gelten gar als Ausweis für ein qualitativ hochwertiges Verfahren. Doch die Signale sind widersprüchlich. Denn gleichzeitig werden die Ressourcen knapper, die großen Apparate sind komplexer geworden, die Verwaltungsreform verstärkt die Binnenorientierung der Beschäftigten, und subversive, laute, skandalisierende Aktionen sind vielerorts eher nicht erwünscht. Beteiligung soll doch - bitte schön - geordnet, in klaren Verfahrensschritten und übersichtlich, also richtig deutsch, ablaufen. Die gestylten PartizipationstechnologInnen von heute agieren mit Moderationskoffer und geordneter Sitzungsleitung - in den 70er Jahren (Nostalgie hat manchmal auch was Gutes!) war es wichtig, eine laute Stimme, ein Herz für die Leute, eine gehörige Portion Frechheit und einen klaren Kopf zu besitzen. Damals mußten die BürgerInnen sich die Macht erkämpfen - heute wird so getan, als hätten sie sie bereits ("Sie können ja, wenn sie nur wollen."), doch in Wirklichkeit weiß keiner genau, wer was wann entscheiden kann. Die Gemengelage ist unübersichtlich, widersprüchlich, schnell wechselnd und durch eine krisenhafte Sozialstaatsentwicklung geprägt.
Beteiligung durch Verfahren und Kundenorientierung: zwei Irrwege
Als problematisch erweist sich in dieser Situation die naive Praktizierung von geordneten Beteiligungsverfahren. Über die klassischen Formen kommunaler Beteiligungspraxis werden genau diejenigen Bevölkerungsgruppen bevorzugt, die ohnehin auf der Sonnenseite dieser Gesellschaft stehen. Denn derlei Verfahren, selbst wenn sie methodisch sauber durchgeführt werden, orientieren sich fast immer an klassischen bürgerlichen Mittelschichtsstandards. Angebote zur Information der Bürgerschaft über Broschüren oder etwa Aufrufe zu Unmutsäußerungen, Bürgersprechstunden, Aufforderungen zu Bürgereingaben usw. werden in der Regel von den Menschen wahrgenommen, die es gewohnt sind oder gelernt haben, sich in genau diesen Formen zu äußern. Geordnete Bürgerversammlungen oder Runde Tische, methodisch sauber moderiert, grenzen jedoch diejenigen Bevölkerungsgruppen aus, die sich eher ungeordnet, lautstark und anarchisch äußern und bei denen der Unterschied zwischen guter Laune und Randale nicht immer so genau zu erkennen ist. So sprechen zahlreiche Bürgerbeteiligungsverfahren in ihrem "heimlichen Lehrplan" gezielt die privilegierte Mittelschicht an (so etwa Bischoff u.a., 1996); den Benachteiligten stehen die Foren selbstverständlich offen, und man wünscht sich sogar, daß sie kommen. Doch wenn sie einmal da sind, entziehen sie sich jeder geordneten Moderation und sind partout nicht bereit, ihre Bedürfnisse auf Kärtchen zu schreiben. So degeneriert Bürgerbeteiligung vielerorts zu einer neuen Form, das Bildungsbürgertum artgerecht bei Laune und ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen auf Distanz zu halten.
Ähnliche Mechanismen werden gefördert durch die verbale Karriere der BürgerInnen zu KundInnen. Sicherlich ist der Kundenbegriff für einige Bereiche der öffentlichen Verwaltung in Grenzen zutreffend. Doch für den Bereich der gestaltenden Arbeit in einer Kommune führt er geradewegs in die Irre: er ist im Kern kein demokratiefördernder Begriff. Ein Kunde wird bedient - er wird nicht angeregt zur Beteiligung und zum Engagement. Die wesentliche Aktivität eines Kunden liegt darin, sein Bedürfnis wahrzunehmen und auf dem Markt zu äußern. Wenn sich also die HausbesitzerInnen in der gehobenen Wohnlage durch randalierende Jugendliche in ihrer Sicherheit gestört fühlen, werden sie als KundInnen bei der Stadtverwaltung auftreten und mehr Polizei oder ähnliche Maßnahmen fordern. Ist das die Beteiligung, die wir uns wünschen? Benachteiligte Bevölkerungsgruppen, die sich mehr durch Randale und weniger bürgerlich-geordnet artikulieren, werden als KundInnen auf dem Markt nicht wahrgenommen - eher als Störenfriede, durch die der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet ist. Eine zivile Demokratie lebt auch davon, daß Menschen sich engagieren, selbst ihre Belange in die Hand nehmen und ihre Lebenswelt gestalten; sie lebt von Beteiligung, Ehrenamt und bürgerschaftlichem Handeln. Wenn Menschen jedoch nicht mehr aktiviert, sondern statt dessen bedient werden, erhalten sie keinen Impuls mehr, eigenverantwortlich tätig zu werden und ihre Lebenswelt selbst zu gestalten. Zudem sind BürgerInnen - im Gegensatz zu KundInnen - im Rahmen von kommunalen Gestaltungsprojekten immer Ko-Produzenten: gute Arbeit in einem Beteiligungs-Projekt geschieht immer mit den und durch die BürgerInnen. Der Kundenbegriff fördert die Illusion einer klassisch bürgerlich geprägten Realität, die nur wenig zu tun hat mit der Brüchigkeit, Sprunghaftigkeit und dem Chaos der Lebenswelt in benachteiligten Stadtteilen. Ein aktiver Sozialstaat muß immer auch aktivierend sein und kann sich nicht darauf zurückziehen, optimale Dienstleistungen zu erbringen und darauf zu warten, daß BürgerInnen sich geordnet äußern und die für die KundInnen vorgesehenen Sprechzeiten nutzen (s. dazu Hinte, 1996 a und b; 1997).
Quartiermanagement: Aktivierende Arbeit im Wohnquartier
Zahlreiche Inhalte und Prinzipien aus der Gemeinwesenarbeit (GWA) finden sich mittlerweile auch in Bereichen außerhalb der sozialen Arbeit, inbesondere in integrierten Konzepten der Stadt(teil)entwicklung. So werden derzeit etwa im Bundesprogramm "Soziale Stadt" geradezu inflationär, terminologisch unscharf und methodisch irgendwo angesiedelt zwischen Engagement und Chaos Erfahrungen und Methoden aus der GWA bzw. der Stadtteilbezogenen Sozialen Arbeit diskutiert und praktiziert. Sicherlich trifft es zu, dass GWA "ihre Einwirkungschancen auf die Stadtplanung weitgehend verschlafen" (Oelschlägel 2000, S. 590) hat, und zwar insbesondere wegen ihrer "Beschränkung auf soziale Arbeit" (ebd.), aber dennoch wurden insbesondere die Stadtplaner recht fündig bei ihrem hilfesuchenden Blick auf die aktivierenden Spielarten sozialer Arbeit und nutzten diese - in der Regel, ohne das genauer kenntlich zu machen (s. etwa Froessler 1994; positives Beispiel: Lüttringhaus 2000) - als Bausteine für Konzepte zur integrierten Gestaltung von Wohnquartieren. Dabei fällt ein enormer Wildwuchs an Begrifflichkeiten, unterschiedlicher Praxis, gleichen Bezeichnungen für verschiedene Dinge usw. auf. So wird immer wieder etwa die bloße Anwendung bestimmter Methoden, die die Beteiligung von Bürgern unterstützen (Planungszelle, Stadtteil-Workshops, Bürgerversammlungen usw.), proklamiert als GWA. Ähnliches gilt auch für die Durchführung von Einzelprojekten, etwa der Errichtung eines Spielplatzes unter der Beteiligung von Kindern oder einer Begrünungsaktion unter Beteiligung von Bewohnern: Dies sei - so ist vielerorts der Sprachgebrauch - Gemeinwesenarbeit oder (wahlweise) Stadtteilbezogene Soziale Arbeit. Um das klarzustellen: Stadtteilbezogene Arbeit in der Tradition von GWA bezeichnet einen projekt- und themenunspezifischen Prozess einer (in der Regel) mehrjährigen Aktivierung der Wohnbevölkerung, der zwar einzelne Leuchtturm-Projekte nicht ausschließt, sich jedoch vornehmlich über eine Vielzahl kleinerer Aktivierungsaktionen darauf richtet, anhand direkt geäußerter und durchaus häufig wechselnder Interessen der Wohnbevölkerung gleichsam eine "Grundmobilisierung" eines Wohnquartiers zu bewirken, die dann den Humus für größere Einzelprojekte darstellt. Die Konzentration auf Einzelprojekte ohne diese grundständige Mobilisierung gleicht eher einer "Aktivierung ohne Unterleib", die in der Regel keine nachhaltigen Wirkungen auf das "unsichtbare Gemeinwesen", also auf das soziale Klima eines Wohnquartiers sowie den alltäglichen Umgang der Menschen untereinander zeitigt. Isolierte Einzelprojekte bleiben oberflächlich, sie schaffen allenfalls vorzeigbare materielle Veränderungen (was nicht zu verachten ist), doch diese bleiben für den Stadtteil eher fremdkörperhaft, wenn sie nicht unterfüttert sind durch eine systematisch angelegte Aktivierungsarbeit.
Gemeinwesenarbeit, stadtteilbezogene soziale Arbeit, Quartiermanagement - über diese Stationen hat sich in ca. 25 Jahren ein sozialräumlichen Arbeitsansatz entwickelt, der heute in zahlreichen Arbeitsfeldern praktiziert, gelegentlich unter anderen Etiketten adaptiert und an manchen Stellen relativ verwaschen und inhaltsleer schlecht kopiert wird: Nicht überall, wo Quartiermanagement draufsteht, ist auch Quartiermanagement drin. Ziel dieses Konzepts ist die Verbesserung von Lebensbedingungen, vornehmlich in benachteiligten Wohnquartieren, einerseits durch Aktivierung, Organisation und Training von Betrofffenen(-Gruppen), andererseits durch Akquirierung, Bündelung und Management von Ressourcen innerhalb der Verwaltung und bei anderen Institutionen zur Entwicklung spezifischer, auf die Bedürfnislagen der Wohnbevölkerung bezogener Projekte.
Quartiermanagement wurde entwickelt in konsequenter Fortführung des "Arbeitsprinzips Gemeinwesenarbeit" (Boulet u.a., 1980), der auf dieser Grundlage entwickelten "stadtteilbezogenen sozialen Arbeit" (Hinte, 1985) und der in derlei Projekten gewonnenen Erkenntnis, daß der enge Bereich des Sozialen nur ein Teilsegment ganzheitlicher Stadtteilarbeit darstellt, so daß die in den 70er Jahren entwickelten Theorien und Prinzipien eine Fortentwicklung zum "Quartiermanagement" nahelegten. Heute gibt es nur noch wenige Versprengte, die, verfangen im Geiste der 70er Jahre, mit einem entsprechend biederen methodischen Instrumentarium ihre notorische Erfolglosigkeit kultivieren, die grundsätzlich "die anderen" zu verantworten haben (s. etwa Projektgruppe Gemeinwesenarbeit, 1997). Wirkungsvolle QuartiermanagerInnen dagegen sind Instanzen, die zwischen der Bürokratie (im weitesten Sinne) und der Lebenswelt der Menschen in den Wohnquartieren angesiedelt sind und in beide Welten hineinwirken. Auf der Seite des Wohnquartiers geht es darum, kollektive Aspekte individueller Betroffenheit zu organisieren, Menschen an einen Tisch zu bringen, Nachbarschaften zu stärken, lokale Potentiale zu mobilisieren - schlagwortartig gesagt: um Kommunikation, Ideenproduktion sowie Organisation von Menschen und Ressourcen. Auf der Seite von Politik, Verwaltung und Institutionen geht es darum, Ressourcen zu bündeln und nutzbar zu machen für die Arbeit im Stadtteil. So konfrontiert Quartiermanagement politische und Verwaltungsinstanzen kontinuierlich respektvoll, aber deutlich mit den Lebens- und Wohnbedingungen der Bevölkerung, von der sachlichen Darstellung in Gremien über die Organisation von Foren zum Dialog zwischen Lebenswelt und Bürokratie bis hin zu skandalisierenden Aktionen mit allen Elementen nachdrücklicher Öffentlichkeitsarbeit. QuartiermanagerInnen agieren als "intermediäre Instanzen", die zwischen Lebenswelt und Bürokratie angesiedelt sind und sich in beiden Welten kompetent bewegen (s. dazu Hinte, 1994). Sie erkunden die Pfade in Politik und Verwaltung und beschaffen sich Sachkompetenz etwa in den Bereichen von Beschäftigungspolitik, Wohnungspolitik, Jugend- und Sozialhilfe sowie den laufenden Bemühungen zur Verwaltungsreform; auf der anderen Seite sind sie präsent an den Treffpunkten im Stadtteil und in den Wohnzimmern der Menschen, sie nähern sich respektvoll ihrem Alltag, fragen nach Betroffenheit, Interessen und Ärgernissen und organisieren immer wieder Dialoge (gelegentlich auch recht konflikthafte) innerhalb der Lebenswelt, zwischen Lebenswelt und Bürokratie sowie auch innerhalb der Bürokratie.
"Quartiermanagement" bezeichnet den gesamten, sektorenübergreifenden Prozeß der Gestaltung von Wohnquartieren, der auf drei miteinander verschränkten Aktionsebenen abläuft (s. dazu Grimm/Hinte/Löhr 2000):
Stadtteilarbeit/GWA
zur projektunspezifischen Aktivierung der Wohnbevölkerung, zur Begleitung von Gruppen und Initiativen, zur Vernetzung von formellen und informellen Ressourcen in einem Quartier oder auch zur Leitung eines Stadtteilbüros. Kernstück der Tätigkeit auf dieser Ebene ist die Aktivierung der Wohnbevölkerung. Dieser gern gebrauchte Begriff der Aktivierung führt indes leicht in die Irre. Er suggeriert nämlich, Menschen seien nicht aktiv und müßten erst durch eine professionelle Motivationsinstanz zu irgendwelchen Tätigkeiten angeregt werden. Doch tatsächlich sind Menschen in einem Wohnquartier auf vielfältige Weise aktiv. Sie feiern Feste, sie regeln den Krach im Treppenhaus, sie zerstören Telefonzellen, waschen ihre Autos, schlagen nicht nur die Zeit, sondern sich gelegentlich auch untereinander tot oder organisieren den lokalen Drogenhandel und vertreiben asylsuchende Ausländer. Menschen sind also durchaus aktiv, jedoch nicht immer auf die Art und Weise, wie sich Professionelle das vorstellen, die von einer geordneten Basisdemokratie und dem damit kompatiblen artikulationsfähigen Bürgertum träumen. Der klassische Aktivierungsbegriff beruht auf einer bürgerlichen, von listiger Pädagogik geprägten Philosophie, auf deren Grundlage man ein Bild von einem wünschenswerten Menschen konstruiert, den es über saubere methodische Verfahren zu schaffen gilt. Das ist ähnlich wie in den 70er Jahren: Schon damals versuchten Motivationstechnologen die Menschen, vornehmlich aber Kinder und Jugendliche in Schulen, zu angeblich sinnvollen Taten zu motivieren, die sie als emanzipierte Individuen ausweisen sollten, die indes den Kids so was von egal waren, daß sie die motivationsbeflissene Pädagogenschaft möglichst ignorierten. Nicht nur seitens der GWA wurde damals darauf hingewiesen, daß es darum geht, Motivation bei Menschen zu suchen, also an vorhandene Interessen, Aktivitäten und Bedürfnislagen anzuknüpfen und diese für das Zusammenleben im Gemeinwesen nutzbar zu machen. Denn Motivation kann nicht von außen "gemacht" werden, sie ist vorhanden, und die Erfahrung in zahlreichen Projekten zeigt, daß Menschen sich am ehesten um Kristallisationspunkte und Themen herum organisieren, die mit Betroffenheit oder Neugierde besetzt, naheliegend, anschaulich, greifbar und erfolgversprechend sind.
Zunächst geht es also darum, herauszufinden, in welchen Bereichen die Menschen überhaupt schon aktiv sind. Es geht also um die Suche nach den Themen im Stadtteil, nach den Dingen, die die Menschen beschäftigen, über die sie sich aufregen, über die sie sich freuen, die "im Gespräch" sind oder die Volksseele zum Kochen bringen. Diese Themen liegen nur selten auf der Straße, häufiger sind sie verborgen, gelegentlich nur relevant für kleinere lokale Einheiten oder bestimmte Bevölkerungsgruppen, sie werden nicht immer eindeutig benannt und konturieren sich bisweilen erst im Laufe zahlreicher Gespräche oder anderer Zugangsformen. In diesem Zusammenhang erweist sich auch der allseits geschätzte sozialarbeiterische Merksatz: "Die Menschen da abholen, wo sie stehen." als trickreich gelegte Pädagogenfalle: Zwar geht es darum, dort anwesend zu sein, "wo die Menschen stehen", doch wer sie dort umgehend wieder abholen will, respektiert eben nicht ihre Eigenwilligkeit, ihre Art zu leben und ihre je individuelle Entscheidung, ihr Leben zu gestalten. Es geht nicht darum, die Menschen abzuholen, sondern mit ihnen gemeinsam eine Lebenswelt zu gestalten, die von den Menschen selbst als unzumutbar, erdrückend, einengend oder anregungsarm empfunden wird. Dass Menschen dabei eine Menge lernen, sich verändern, sich persönlich weiterentwickeln und ihr Verhaltensrepertoire erweitern, ist erfreulich; es handelt sich jedoch in der GWA nicht um gesteuerte Prozesse, die dazu dienen, Menschen zu verändern, sondern um vielschichtige Interventionen, die zum Ziel haben, durch die Gestaltung von Lebenswelten zu mehr Gerechtigkeit in Wohnquartieren beizutragen, und das unter aktiver Mithilfe der dort lebenden Menschen.
Die Formen der Bewohneraktivierung sind vielfältig und werden jeweils situationsangemessen entwickelt. Sie reichen vom klassischen Einstieg durch eine aktivierende Befragung (Hinte/Karas, 1989; Höhr/Kempkes, 1979) über räumliche oder auf Themen bzw. Zielgruppen bezogene Versammlungen, spezifische Einzelaktionen wie Stadtteilfeste, kulturelle Veranstaltungen oder Skandalisierungsaktionen bis hin zu regelmäßig tagenden Gruppen und Initiativen wie etwa Mieterbeiräten, Geschichtskreisen, Stadtteilorganisationen oder Bürger-Komitees. Darüber hinaus werden Zugangsmöglichkeiten über bestehende Gruppierungen genutzt wie etwa Bürgervereine, Elternbeiräte, lokale Politikgremien, Pfarrgemeinderäte oder Presbyterien. Und selbstverständlich gibt es regelmäßig Befragungen, Haustürgespräche, vielfältige Gruppenaktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit über Flugblätter, Unterschriftensammlungen oder Plakate, Wettbewerbe und Stadtteilkonferenzen. Als wenig hilfreich erweist sich dabei eine nach Rezepten heischende Einstellung, die sich häufig in der Frage äußert: "Wie aktiviert man eigentlich Menschen?" Es gibt eben nicht die gültige Regel, den immer funktionierenden Trick, das bewährte Setting oder das Aktivierungs-Feuerwerk aus dem Lehrbuch. "Mal so, mal so" lautet eine zentrale Devise in unseren Projekten, und damit ist gemeint, daß es zwar einen Instrumentenkoffer gibt, in den ich greifen kann, dessen Einsatz jedoch abhängig ist von den jeweiligen spezifischen Gegebenheiten im Wohnquartier, den oft widersprüchlichen und unberechenbaren Anforderungen der Situation, der Persönlichkeit und Kompetenz der QuartiermanagerInnen und vielen anderen Rahmendaten, die nur situationsspezifisch zu beschreiben sind. Dennoch gibt es in Ansätzen generalisierbare Erfahrungen und Blickrichtungen, die die Wahrnehmung für die jeweiligen Besonderheiten der Situation schärfen. Ziel von Quartiermanagement ist es u.a., Interessen herauszufinden und zu organisieren, unterschiedliche und gelegentlich auch gegensätzliche Bedürfnisse zu benennen und sie, falls möglich, abzustimmen, zwischen Konfliktparteien zu vermitteln, und dies immer mit Blick auf die Verbesserung der Lebensbedingungen in dem jeweiligen Wohnquartier.
Abschiednehmen heißt es dabei von der Illusion und dem Ideal vieler Professioneller, Gruppen müßten sich kontinuierlich und möglichst langfristig treffen. Häufig kommen Gruppen lediglich situativ zusammen, sind auf wenige Treffen hin angelegt oder entstehen zufällig, ungeplant und nicht vorhersehbar. Solche Situationen weniger wertzuschätzen und sie möglichst schnell in langfristig angelegte und methodisch geplante Situationen umzudefinieren wird weder den Bedingungen der BewohnerInnen im Stadtteil gerecht noch der je subjektiven Art vieler Menschen, ihr Leben zu gestalten. Gleichwohl oder vielleicht gerade deshalb bieten solche Situationen kurzfristiger Art vielfältige Aktivitätsanlässe.
Intermediäre Instanzen
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als Bindeglied zwischen der Lebenswelt im Stadtteil und der nach Sektoren geordneten Bürokratie, Institutionen und Unternehmen zur Entwicklung spezifischer Einzelprojekte und zur systematischen Zusammenführung von Geld, Menschen, Bedarfen und Ideen. Intermediäre kennen die Pfade in Politik und Verwaltung und beschaffen sich nach Bedarf Kenntnisse etwa in Wohnungs- oder Beschäftigungspolitik, lokaler Ökonomie sowie den laufenden Bemühungen zur Verwaltungsreform. Sie sind aber auch präsent im Stadtteil, sie fragen respektvoll nach Betroffenheit, Interessen und Ärgernissen der Menschen und organisieren immer wieder Dialoge (gelegentlich auch recht konflikthafte) innerhalb der Lebenswelt, zwischen Lebenswelt und Bürokratie sowie auch innerhalb der Bürokratie.
Ebenso wichtig wie die oft gestellte Frage: "Wie kann Verwaltung die BürgerInnen an der Planung beteiligen?" ist es, zu fragen: "Wie können BürgerInnen die Verwaltung an dem beteiligen, was im Stadtteil läuft?" Es geht also nicht darum, daß die eine Seite die andere großzügig an etwas Bedeutsamem beteiligt, sondern darum, daß die wechselseitige Angewiesenheit deutlich wird und über Brückeninstanzen die Verzahnung der Welten geschieht. Dabei ist der Stadtteil nicht grundsätzlich die heile Welt, ebenso wie die Verwaltung nicht grundsätzlich den Part des bösen Buben innehat. Nichts ist fein sortiert nach Gut und Böse. Denn es gibt weder "die Verwaltung" noch "den Stadtteil". Es gibt sehr komplexe, nicht immer durchschaubare, irgendwie miteinander (aber dann doch wieder nicht) verwobene Interessen innerhalb einer Lebenswelt: Ein Stadtteil ist eine nur lose verkoppelte Anarchie. Er funktioniert irgendwie, aber keiner kann eigentlich genau sagen, wie denn wirklich. Häufig suchen die Menschen nicht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern nach dem größten gemeinsamen Zankapfel. Der noch gelegentlich in wirren Publikationen auftauchende Hang zur naiven Solidarität mit den Benachteiligten (s. dazu May, 1997) wird etwa auf eine harte Probe gestellt, wenn die Entrechteten innerhalb einer Familie auf eine zum Teil gar unrechtmäßige Art und Weise miteinander umgehen. Wenn etwa türkische Männer darauf bestehen, daß ihre Frauen sich an vorgegebene Kleidungs- und Moralvorschriften halten, und wenn die Frauen bzw. Mädchen sich dadurch unterdrückt fühlen, letztlich aber wenig Möglichkeiten haben, sich der Macht der Männer zu entziehen, und wenn gleichzeitig diese Männer wichtige Mitarbeiter sind etwa in Gruppen zur Gestaltung des Wohnumfeldes oder gar in Mietergruppen, die sich gegen die Willkür von Vermietern wehren - wie hilft dann das Gerede von Parteilichkeit mit den Betroffenen weiter? Die kommunikative Kompliziertheit einer solchen Situation sowie die sich daraus ergebenden strategischen Schritte sind von einer Komplexität, die eher ordnende und moderierende Fähigkeiten erfordern als fäusteschwingende Drohgebärden in Richtung Establishment. Derlei Schattierungen sind tägliche Realität - im Stadtteil wie in der Verwaltung.
Ein Stadtteil hat auch nicht "die" Bedürfnisse. Untersuchungen, bei denen die BürgerInnen nach ihren Bedürfnissen gefragt werden, sind eher kritisch zu betrachten: Ein Stadtteil als Ganzes artikuliert sich nicht, sondern vielfältige Interessen zeigen sich auf sehr unterschiedlichen Wegen, die es aufeinander abzustimmen oder zumindest für Klarheit zu sorgen gilt, damit jede/r weiß, über welche Interessen geredet wird. Auch dies ist im Stadtteil nicht anders als in der Verwaltung: Die Mechanismen ähneln sich, die Austragungsformen indes gehorchen den jeweiligen milieubedingten Eigenarten. Und bei konfligierenden Interessenlagen verbietet sich eine grundsätzliche Positionierung: nicht immer haben die benachteiligten Betroffenen recht, nicht immer liegt die Verwaltung mit ihren Vorstellungen völlig daneben. Oft geht es eher darum, die zum Teil widerstreitenden Interessen zu benennen, diskussionsfähig zu machen, die Menschen an einen Tisch zu bringen, ohne dass sie aufeinander einschlagen: Kommunikation als Grundlage einer zivilen Gesellschaft zur Entwicklung und Klärung von Regeln, Ideen, Bedeutungen und Gesetzen ( s. dazu Luhmann 1997). Intermediäre Instanzen sind in ihrer Funktion und Wirkungsweise oft von mir dargestellt worden (etwa Hinte 1994) - was so manche Autorin nicht daran hindert, meine Position naiv mißzuverstehen (etwa Elsen 2000, S. 110).
Gebietsbeauftragte innerhalb der Verwaltung
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zur Bündelung der Ressourcen innerhalb der Kommunalverwaltung etwa durch begrenzte Zugriffsmöglichkeiten auf andere Ressorts, aber auch zur Federführung bei Einzelprojekten bis hin zum Management komplexerer längerfristiger Programme. Über diese Aktionsebene werden aktiv(ierte) Bewohner, Verwaltungsressourcen, lokale und regionale Marktstrukturen sowie öffentliche Programme aufeinander bezogen, abgestimmt und gebündelt sowie die jeweilige Stadtteilentwicklung in die gesamtstädtische Politik eingebunden (s. dazu auch Grimm/Hinte 2000).
Dass es zur Ausübung dieser Tätigkeiten breitgefächerter kommunikativer, organisatorischer und methodischer Kompetenzen bedarf, liegt auf der Hand: "Management mit Charme" (Hinte, 1997) kann nur von hochqualifiziertem Personal betrieben werden, mit dessen Qualität so manches Projekt steht oder fällt.
Quartiermanagement ist eine kommunale Strategie zur Verbesserung der Lebensbedingungen, insbesondere in benachteiligten Wohnquartieren, und zwar vorrangig durch Aktivierung und Organisation der materiellen und personellen Ressourcen eines Stadtteils. Es muß dauerhaft installiert werden, damit ein Klima wächst, in dem Beteiligung gewünscht und selbstverständlich ist. Beteiligung als gutgemeinte Überfall-Aktion erweckt den Eindruck, dass lediglich einmal im Jahr Aktivierung angesagt ist und führt nicht zu einem dauerhaften Ermutigungs-Klima. Bürgerbeteiligung braucht Struktur, aber sie kann nicht verordnet werden, sie muß sich im Quartier entwickeln und zwar auch durch öffentliche Unterstützung. Die Umsetzung eines integrierten Handlungskonzepts (Stadt Essen 1997) ist auf ein Planungs- und Organisationsmodell angewiesen, das nicht linear von "oben" oder "unten" dominiert wird. Es ist angelegt auf die optimale Nutzung der Fähigkeiten und Mittel aller Beteiligten und auf einen kooperativen Austausch sowohl derer, die planen, Geld vergeben, Maßnahmen einleiten oder investieren als auch derer, die im Stadtteil wohnen, Freizeit verbringen oder professionell tätig sind. Hilfreich sind flexible Strukturen, die den AkteurInnen viel Spielraum lassen und der Eigenwilligkeit der Menschen und der Dynamik der Prozesse gerecht werden. Problematisch sind komplizierte Verfahren, protzige Institutionen im Stadtteil oder klassische Bürgervereine: tendenziell grenzen sie aus oder erschlagen Aktivität. Situativ gestaltete, lebensweltangemessene, flexible und gelegentlich etwas anarchisch anmutende Strukturen lassen Raum für Unvorhergesehenes und fördern Kreativität - sie müssen indes so beschaffen sein, daß sie an Verwaltungshandeln andocken können. Dies leistet ein klug gesteuertes Quartiermanagement mit Akteuren auf den drei o.g. Aktionsebenen, die mit hoher Autonomie auf der Grundlage stabiler, verläßlicher, fairer und vertrauensvoller Beziehungen im Stadtteil und in der Verwaltung agieren.
Dazu bedarf es einer Mischung geregelter und ungeregelter Formen des Austausches, bei der sich die Beteiligten wechselseitig anregen, informieren, Beschlüsse fassen und Vorhaben durchführen. Dem öffentlichen Träger obliegt dabei die "Regiekompetenz": er verfügt über einen großen Teil der Ressourcen und kann aufgrund seiner breiten Zuständigkeit Arrangements schaffen, in denen die Akteure dann ihren Part selbsttätig spielen. Er darf jedoch nicht anordnen, über die Köpfe der anderen Beteiligten hinweg planen oder bestimmte Wege (etwa über bestimmte Ämter, Firmen oder politische Gremien) einseitig bevorzugen.
Den Menschen nahetreten, ohne ihnen auf die Füße zu treten
Nun ist das mit den aktiven BürgerInnen eine zweischneidige Sache. Irgendwie sind viele Leute schnell davon überzeugt, daß etwas getan werden muß, aber wenn es los geht, steckt der Teufel im Detail.
- "Mit der da setz' ich mich doch nicht an einen Tisch, die hat doch vorige Woche meine Kinder so angeschrien."
- "Heute geht's nicht, heute spielt HSV gegen St. Pauli."
- "Ich will ja schon, aber die anderen tun ja nichts."
- "Der Typ da ist doch ein Rechter, der hat in unserer Gruppe nichts zu suchen."
Die kleinen Verwerfungen im Alltag erschweren (nicht anders als innerhalb der Verwaltung) das gemeinsame Handeln - und da braucht man Leute, die die BürgerInnen an die Hand nehmen, ihnen Mut machen, Streit schlichten, sie nachhaltig an Zusagen erinnern und immer wieder Einladungen aussprechen. Denn die Menschen sind eigenwillig und eigenartig, sie haben Ecken und Kanten. Der Vielredner, die ewig Klagende, der Träumer mit seinen verrückten Ideen, der Schwätzer, der nichts tut - aber auch: die engagierte Nachbarin, der im Wohnquartier geschätzte informelle Führer, die zuverlässige Sprecherin der Mieterinitiative oder der immer gut gelaunte Rentner. Mit all diesen "Typen" in Kontakt zu kommen, sie um Themen herum an einen Tisch zu bringen und sie immer wieder zu organisieren: das ist die Aufgabe von Quartiermanagement. Die Kunst besteht darin, den Menschen nahezutreten, ohne ihnen auf die Füße zu treten.
Die aktivierungsrelevanten Themen eines Stadtteils findet man nur in Ausnahmefällen durch klassische Analysen. Was die Menschen den ForscherInnen sagen, ist oft nicht das, was die Menschen bedrückt. Selbst wenn wir etwa wissen, daß 70% der Leute in einem Stadtteil sagen, das größte Problem sei der Dreck in den Vorgärten, dann muß es nicht unbedingt das sein, wofür oder wogegen die Menschen sich engagieren würden. Wenn man sie fragt, worüber sie sich ärgern oder wo sie der Schuh drückt, dann sind das häufig "banale" Dinge wie:
- "Mich ärgert, daß die Nachbarin nicht die Treppe putzt."
- "Ich finde es unmöglich, daß der Nachbar seinen Hund immer vor die Türe scheißen läßt."
- "Die Kinder unten im Haus, die machen immer Krach."
- "Meine Heizkostenabrechnung ist völlig unverständlich."
- "Mein Kind wird auf dem Spielplatz immer von diesen dunkelhäutigen Jugendlichen angemacht."
Aktivierung setzt auch an derlei Themen an. Wenn Menschen sich - wie das oft vorschnell gesagt wird - nicht beteiligen wollen, so kann man die vermeintlichen Defizite der Menschen nicht durch irgendwelche Qualifizierungs- oder Bildungsprogramme beseitigen. Oft geht es mehr um die Defizite derer, die fragen: sie nehmen die Bedürfnislagen in einem Wohnquartier nicht korrekt wahr und stehen mit den Menschen nur unzureichend in Kontakt.
So interessieren sich etwa klassische Planungsinstanzen nicht dafür, daß eine Mutter ihre Sozialhilferate nicht bekommen hat, weil sie vor lauter Streß mit den Kindern versäumt hat, sich rechtzeitig beim Sozialamt zu melden. Sie interessieren sich auch nicht für die Konflikte im Treppenhaus, wo irgendjemand angeblich nicht sauber geputzt hat. Doch genau diese Themen nimmt Stadtteilarbeit ernst. Ein hoher Grad von Betroffenheit bildet den Anknüpfspunkt für Kontaktaufnahme und Aktivierung im Rahmen von Quartiermanagement - für planende Instanzen dagegen muß häufig eine extern definierte Notwendigkeit (Mangel an ...) als Anknüpfungspunkt für Aktvierungsversuche herhalten, die dann meistens schiefgehen, weil sich die Menschen von dem erhobenen Mangel eben nicht emotional betroffen fühlen. Die Themen der Menschen in einem Stadtteil sind in der Regel nicht die Themen der staatlichen Programme.
Die mühselige Kleinarbeit in der Lebenswelt der Betroffenen, das Herumtasten im Nebel des Stadtteils wird von vielen Instanzen gescheut und gelegentlich kurzerhand schlichtweg als Aufgabe wegdefiniert. Manche Planungsbüros, Stadtteilläden oder andere ausgelagerte Instanzen orientieren sich nach einiger Zeit im Zweifelsfalle entweder auf ihre internen Probleme gruppendynamischer Art oder aber auf ihre Vorgesetzten, Hochglanzbroschüren, Geldgeber oder Kontrolleure in Politik und Verwaltung. Nun ist es in der Tat auch wichtig, auf diesen Ebenen zu agieren; doch zu leicht verfängt man sich in ihrem Gestrüpp und verliert dabei die Bodenhaftung und den Blick für die Dynamik der Lebenswelt. So sind etwa langwierige Entscheidungsprozesse in der Kommunalverwaltung oder bei Wohnungsbauunternehmen für die betroffenen BürgerInnen nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Menschen im Stadtteil sind häufig auf konkrete, machbare und rasch zu realisierende Maßnahmen orientiert, während bürokratische Organisationen vornehmlich in mehrjährigen Prozessen, sauber geführten Akten und korrekt eingeholten Auftragsvergaben denken. Viele BürgerInnen sind zwar schnell bereit, mit einem Eimer Farbe einen Hausflur zu renovieren, tun sich aber schwer, wenn sie für diesen Eimer Farbe einen Planungsworkshop über sich ergehen lassen müssen und dann einen Antrag stellen sollen, der erst nach Behandlung in zwei Gremien und durch einen schriftlichen Bescheid der zuständigen Stelle genehmigt wird. Und auch die engagierte, schriftlich geführte Klage etwa von AnwaltsplanerInnen oder des Schreibens kundiger (privilegierter) Bürgergruppen führt in der Regel nur zu einem ausufernden Schriftverkehr und zu einem umfangreichen Zeitungsarchiv: daran haben nach einer bestimmten Zeit nur solche Leute Interesse, die zu ihrer persönlichen Weiterqualifikation darüber eine Diplom-Arbeit schreiben wollen. Die MieterInnen sind in dieser Phase des Unterfangens längst ausgestiegen bzw. umgezogen.
Quartiermanagement arbeitet deshalb in verschiedenen Phasen:
- kurzfristige Aktivierung, Organisation und Ermutigung der BewohnerInnen: integrierte Planung funktioniert, wenn möglichst alles, was geschieht, regelmäßig an den Stadtteil rückgekoppelt wird und die BürgerInnen auch bei Bedarf "auf der Matte" der Institutionen stehen. QuartiermanagerInnen beziehen ihre Einflußmöglichkeiten hauptsächlich durch den steten Hinweis auf die Bürgermacht. Wenn diese Rückbindung gewährleistet ist, ist es auch nicht anrüchig, mit allen möglichen Unternehmen Vereinbarungen zu treffen oder in den Dienstzimmern der Verwaltungsspitzen zu sitzen.
- Initiierung und Begleitung von mittel- und langfristigen Prozessen: hier sind die BürgerInnen nur bedingt einbeziehbar, da die konkrete Betroffenheit oft noch gar nicht zu erkennen und deshalb nicht organisierbar ist. Dennoch gilt auch hier: es muß ständig versucht werden, möglichst breit im Stadtteil über derlei Vorhaben zu informieren.
- Jeweils situativ vorzunehmende Ankopplung der organisierten Bürgeraktivität an die o.g. mittel- und langfristig angelegten Projekte: wenn endlich die Mittel für die Wohnumfeldverbesserung, die Qualifizierungsmaßnahme oder die Sanierung bewilligt sind, braucht es eine gut organisierte Bürgerbasis, die den Segen von oben mit Leben von unten füllt.
Zum Aufbau aktivierungsunterstützender Strukturen
Aktivierungs- und Beteiligungsstrukturen müssen dauerhaft installiert werden, damit ein Klima wächst, in dem Beteiligung gewünscht und selbstverständlich ist. Beteiligung als gutgemeinte Überfall-Aktion erweckt den Eindruck, daß lediglich einmal im Jahr Aktivierung angesagt ist und führt nicht zu einem dauerhaften Ermutigungs-Klima. Bürgerbeteiligung braucht Struktur, aber sie darf nicht von oben gesetzt werden, sie muß sich von unten entwickeln und zwar auch durch kommunale Unterstützung. Konventionelle Organisations- und Projektstrukturen sind sektoral organisiert und verlaufen von oben nach unten: konzeptionierende, planende und durchführende Instanzen in verschiedenen Verwaltungsbereichen konzipieren Maßnahmen, legen Ressourcen fest, verabschieden Zeitpläne und organisieren möglichst zielgerichtet einen - im Idealfall - in vorgedachten Teilschritten durchgeführten Prozeß. Das Ergebnis sind bisweilen durchaus vorzeigbare bauliche oder strukturelle Veränderungen - nachteilig wirkt sich indes häufig aus, daß die Institutionen im Stadtteil und speziell die BewohnerInnen lediglich als EmpfängerInnen, AdressatInnen oder - günstigstenfalls - als KritisiererInnen von Maßnahmen fungieren und die dann entstandenen Strukturen entweder gar nicht mit Leben füllen oder mit einer Art von Leben, die in der Planung nicht vorgesehen war. Der - ebenso einseitige - Gegenentwurf zu einem solchen Verfahren wäre ein Modell, bei dem "von unten nach oben" abgefragte Informationen transportiert werden: BürgerInnen werden befragt, Bedarfe werden erhoben, Vorschläge abgefragt und Interessen geordnet. Damit genügt man zumindest formal dem Anspruch an Bürgerbeteiligung - nachteilig wirkt sich häufig aus, daß die erhobenen Bedarfe entweder in den Programmen "nicht unterzukriegen sind" oder aber in der geäußerten Form oder von den Inhalten her nicht der formalen und inhaltlichen Dynamik eines geordneten Verwaltungshandelns entsprechen. Die Umsetzung eines integrierten Handlungskonzepts dagegen ist auf ein Planungs- und Organisationsmodell angewiesen, das nicht linear von "oben" oder "unten" dominiert wird. Es ist angelegt auf die optimale Nutzung der Fähigkeiten und Mittel aller Beteiligten und auf einen kooperativen Austausch sowohl derer, die planen, Geld vergeben, Maßnahmen einleiten oder investieren als auch derer, die im Stadtteil wohnen, Freizeit verbringen oder professionell tätig sind.
Hilfreich sind also flexible Strukturen, die den AkteurInnen viel Spielraum lassen und der Eigenwilligkeit der Menschen und der Dynamik der Prozesse gerecht werden. Problematisch sind komplizierte Verfahren, protzige Institutionen im Stadtteil oder klassische Bürgervereine: tendenziell grenzen sie aus oder erschlagen Aktivität. Situativ gestaltete, lebensweltangemessene, flexible und gelegentlich etwas anarchisch anmutende Strukturen lassen mehr Raum für Unvorhergesehenes und fördern Kreativität - sie müssen indes so beschaffen sein, daß sie an Verwaltungshandeln andocken können, und das geht am besten über Personen in der Funktion intermediärer Instanzen, die mit hoher Autonomie auf der Grundlage stabiler, verläßlicher, fairer und vertrauensvoller Beziehungen im Stadtteil arbeiten. Entscheidend ist, daß eine Kommune versteht, daß Resultate wichtiger sind als Regeln und die Problemlösung sich nicht den Zuständigkeitsfragen unterzuordnen hat. Grandiose SelbstbeweihräuchererInnen, eitle KlugschwätzerInnen, korrekte ChefideologInnen oder penible ZuständigkeitsfanatikerInnen verhindern eher, daß Ressourcen auf bestimmte Projekte hin konzentriert werden. Doch bezieht kluges Quartiermanagement auch solche Personen mit ein: Konsens herzustellen ist immer wichtig, aber er ist auch zerbrechlich und bedarf regelmäßiger Vitaminzuführung.
Denn bei jeder noch so kleinen Maßnahme in einem Stadtteil haben ja viele Menschen und Institutionen "ihre Finger im Spiel". Bei der Umgestaltung eines Schulhofs etwa sind direkt betroffen die SchülerInnen und die LehrerInnen sowie die Hausmeister, außerdem noch weitere StadtteilbewohnerInnen, die den Schulhof nutzen wollen. Die Finanzierung hängt von Geldern des Landes und der Kommune ab (sowie der Bereitschaft eines Amtes, die Verwaltung der Gelder zu übernehmen); offiziell beauftragt mit der Koordinierung ist vielleicht ein Querschnittsamt, beteiligt sind aber auch das Grünflächenamt und das Schulverwaltungsamt. Wenn das Vorhaben außerdem noch kombiniert ist mit einem Qualifizierungs- oder Beschäftigungsprojekt, bedarf es der Kooperation mit dem Arbeitsamt und einem Beschäftigungsträger. Erschwerend kommt hinzu, daß die in unterschiedlicher Intensität beteiligten Menschen und Institutionen ansonsten nicht viel oder gar nichts miteinander zu tun haben, häufig räumlich voneinander entfernt sitzen und zudem noch der Logik des je eigenen Apparats gehorchen, in den sie eingebunden sind. Die Schule ist in weiten Bereichen abhängig von Entscheidungen des Schulverwaltungsamtes, dieses wiederum ist, um kompetent entscheiden zu können, angewiesen auf Impulse und Anregungen aus der jeweiligen Schule. Die BewohnerInnen eines Stadtteils haben häufig nicht viel mit der Schule zu tun, die SchülerInnen selbst stehen ihrer Schule häufig kritisch gegenüber. Zwischen SchülerInnen und LehrerInnen gibt es gelegentlich ein recht angespanntes Verhältnis. Die Bezirksvertretung kennt sich im Dschungel der Verwaltungszuständigkeiten nicht so recht aus, dort sind Zuständigkeiten und Kompetenz ohnehin unklar, Dienstwege sind oft lang und ergebnislos, manche Ämter planen eher traditionell, und einige weigern sich gar, die notwendigen Ressourcen einzubringen.
Will man diese Unübersichtlichkeit ordnen und dabei den Eigenarten und Stärken der jeweils Beteiligten gerecht werden, bedarf es einer Organisationsform, die nicht geradlinig von oben nach unten und von unten nach oben läuft. Die Kontakte zwischen den Beteiligten lassen sich nicht nach traditionellen Vorstellungen ausschließlich über routinisierte Verfahren durch Gremien, Arbeitsgruppen oder per Anweisung oder Zuständigkeit regeln. Vielmehr bedarf es einer Mischung geregelter und ungeregelter Formen des Austausches, bei der sich die Beteiligten wechselseitig anregen, informieren, Beschlüsse fassen und Vorhaben durchführen. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, daß dem öffentlichen Träger die "Regiekompetenz" zukommt: ihm obliegt die Verfügung über einen Teil der Ressourcen, also des Geldes und des Personals, und er kann aufgrund seiner breiten Zuständigkeit Arrangements schaffen, in denen die DarstellerInnen dann ihren Part selbsttätig spielen. Er darf jedoch nicht anordnen, über die Köpfe der anderen Beteiligten hinweg planen oder bestimmte Wege (etwa über bestimmte Ämter, Firmen oder politische Gremien) einseitig bevorzugen. Um diese Regiekompetenz konstruktiv und folgenreich zu nutzen, bedarf es eines intelligenten, auf Kooperation und Austausch angelegten Organisationsmodells.
Beispiel Essen
In Essen wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags zwischen der Stadt Essen und der Universität (und zwar dem Institut für Stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung (ISSAB)) zur Förderung eines systematischen Quartiermanagements seit über 15 Jahren ein systemisches, kreis- bzw. spiralförmig angelegtes Organisationsmodell praktiziert, das vom Essener Amt für Entwicklungsplanung und dem ISSAB entwickelt wurde. Beteiligt sind dabei vier verschiedene Einflußsphären:
- die Ebene der sektoral organisierten Stadtverwaltung und Politik
- die Ebene der übrigen zentral angesiedelten Institutionen und Unternehmen
- die im Ortsteil ansässigen Organisationen und Unternehmen, die zum Teil von zentralen Entscheidungen abhängen
- die Ebene der Lebenswelt der BewohnerInnen.
Diese Ebenen sind untereinander vernetzt und verändern sich auch in ihrer internen Organisation und Funktionsweise ständig. Zwischen ihnen gibt es vielfältig strukturierte, komplexe, gelegentlich formalisierte, aber auch sehr informelle und unstrukturierte Kontakte. Diese zu organisieren, zu optimieren und jeweils projektbezogen in Gang zu halten ist zentraler Bestandteil der Projekt-Organisation. Dabei fungieren QuartiermanagerInnen als kontaktschaffende und kontakthaltende Instanzen zwischen den beteiligten Ebenen, quasi als "Schmieröl" beim Ineinandergreifen der Räder oder als Fluidum für die Elementarteile mit ihrer unterschiedlichen Konsistenz, Ausdifferenzierung, Energie und Bewegungsrichtung . Sie schaffen auf allen Ebenen und zwischen den Beteiligten jeweils themenbezogen Kontakte, Austauschforen, Gesprächskreise und Arbeitsgruppen, die wiederum von dem Engagement der beteiligten Personen und Institutionen leben, aber auch von der Qualität der Binnenorganisation der beteiligten Instanzen, die möglichst flexibel, offen und effektiv sein muß.
Diese kreisförmig angelegte Projektorganisation ruht auf drei Säulen:
- Verträge, die einerseits finanzielle Zuweisungen regeln und andererseits die Verfahren zur Absprache undzur Konfliktregelung benennen. Diese Säule dient der internen und externen Legitimation der Organisation, der finanziellen und kooperativen Absicherung sowie der Institutionalisierung von Rahmenbedingungen und Mindestvereinbarungen von Verfahrensregeln.
- Konzept und Programmatik: hierzu zählt insbesondere die grundsätzliche Übereinstimmung in konzeptionellen Orientierungen wie flexibler Bürgerbeteiligung, aktivierender Arbeitsansatz, Lenkung von Ressourcen in benachteiligte Stadtteile, integriertes Vorgehen sektoral organisierter Instanzen usw.. Dieseund andere programmatische Aussagen dienen der jeweiligen Orientierung bei der Entwicklung von Handlungsschritten.
- "Emotionales Klima" zwischen den AkteurInnen: neben vertraglichen Regelungen und konzeptioneller Übereinstimmung ist eine bestimmte Qualität der Kooperation unabdingbar, zu der der Respekt vor denbeteiligten Personen und ihren Funktionen, eine grundsätzlich vertrauensvolle Umgangsweise, die wechselseitige Zuschreibung von Kompetenz und Loyalität sowie die Bereitschaft gehören, auch schwierige Konflikte in einem kooperativen Klima zu benennen und zu regeln. Diese klimatischen Faktoren dienen grundlegend der Arbeitsfähigkeit insbesondere auch in schwierigen Situationen, verursacht etwa durch organisatorisch-strukturelle Aspekte oder durch Unstimmigkeiten zwischen den Personen.
- Die gemeinsameProgrammatik wird zudem getragen von dem Willen der AkteurInnen, gemeinsam zu handeln und eine Idee bzw. ein Projekt in überschaubarer Zeit und in konkreten Schritten vorwärts zu bringen.
Bei einem kreisförmig angelegten Modell wird die entscheidende Qualität durch die gemeinsame Abstimmung aller Beteiligten hergestellt. Dabei werden die formalen Wege (Verfahren, Zuständigkeiten usw.) selbstverständlich geachtet und für das Vorwärtskommen der Einzelprojekte genutzt, sie dienen aber letztlich der oft nicht planbaren und nicht vorhersehbaren, jedoch auf ein Ergebnis orientierten Ablaufstruktur. Im Grunde wird die Qualität der formalen Struktur verbessert durch die darüber gelegte Struktur des zirkulären Verlaufs. Dieser Kreislauf wird in Bewegung gehalten durch die Arbeit in Gremien, Interventionen von außen und verschiedene Anlässe. Konkrete Impulse für die Einrichtung von Projekten und das Zustandekommen von Aktivitäten sind:
- Bedürfnisse von BewohnerInnen
- gesellschaftlich definierte, statistisch erhobene Bedarfe, Problemlagen, Nachfragen sowie "Märkte"
- lokale, regionale und überregionale Programme und Finanzquellen
- politische Großwetterlage auf kommunaler, Landes-, Bundesebene (politische Rahmenbedingungen, programmatische Vorgaben, politische Konzeptionen, unterstützende kommunale Ressourcen).
Ausgehend von solchen Impulsen entwickeln sich Prozesse, die in die dafür vorgesehenen Strukturen überführt werden. Damit aus solchen Prozessen Greifbares herauskommt, bedarf es einer Vielzahl von Faktoren, die die Abläufe in Gang halten und somit eine vergleichbare Funktion erfüllen wie etwa das Schmieröl bei einem Motor:
- ideenreiche und engagierte ProjektentwicklerInnen bzw. ProjektmanagerInnen, die einerseits selbst Ideen entwickeln, andererseits aber auch Impulse (s.o.) aufgreifen
- eine effektive Einzel-Projektorganisation
- Öffentlichkeit
- Unterstützung durch relevante Gremien
- institutionsimmanente Interessen (z.B. Konkurrenz unter verschiedenen Beteiligten, Legitimationsabsichten,Finanzierungsinteressen)
- geklärte Verantwortlichkeiten
- potente Akteure mit entsprechenden Ressourcen
- einflußreiche und übergreifend denkende IdeenträgerInnen
- eine erprobte und akzeptierte Kooperationsstruktur.
Und grundsätzlich bedarf es des gemeinsamen Willens aller Beteiligten (den man gar nicht oft genug bekräftigen kann), die Lebensbedingungen des Stadtteils im Sinne der dort lebenden Menschen zu verbessern.
Derlei Organisationsformen sind in ihrer Komplexität nur schwer zu erfassen. So ist es geradezu rührend, mit welch bemühter Hilflosigkeit sich manche ForscherInnen daran versuchen, Handlungskonzept und Organisationsstrukturen von Projekten zu beschreiben, die auf der Grundlage eines systematischen Quartiermanagements angelegt sind. Allenfalls referieren sie korrekt einige Gedanken aus Konzeptionspapieren, aber wenn es um die Beschreibung von Wirkungsweisen geht, versagen Vorstellungskraft und empirische Werkzeuge (s. etwa Strohmeier, 1997, S. 158f). Die prozessuale Struktur beim Zusammenwirken einer Kommunalverwaltung mit einer intermediären Instanz wie auch die Funktionsweise einer intermediären Instanz bei ihrem Tanz in Lebenswelt und Bürokratie scheinen nur bedingt über Papier vermittelbar zu sein.
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