Schöpfwerk-Farmer: Aufzucht von Fischen und Pflanzen mittels "Aquaponic"


Kontakt:

Stadtteilzentrum Bassena, Am Schöpfwerk 29/14, A-1120 Wien, www.bassena.at
Das Stadtteilzentrum Bassena ist eine Einrichtung des Vereins Wiener Jugendzentren (www.jugendzentren.at)


Eine "Soziale Inszenierung" im Stadtteilzentrum Bassena Am Schöpfwerk, Wien

Städtische Freiräume beeinflussen - neben der Architektur und der Verkehrsplanung - das Stadtbild und die "Wohnlichkeit" der Städte. Oft werden Freiräume aber nur unter dem Aspekt der Pflegeleichtigkeit oder der Ästhetik monofunktional gestaltet, wodurch sie ihr Nutzungspotential nicht ausschöpfen. Angesichts der knappen Flächen- und sonstigen Ressourcen ist es aber angebracht, diese möglichst effektiv und nachhaltig zu nutzen.

Auf der Suche nach Ressourcen, nach Erde, nach ungenützten Grünflächen und potenziellen Gartennutzungen stößt man im Stadtraum durchaus auf spannende Möglichkeiten. Und auch auf Interesse von einigen BewohnerInnen.

Es gibt einige Gründe für diese Form der Flächennutzung auch in unseren Städten:

Einerseits kann die Erlebnis- und Nutzungsvielfalt bewusst wahrgenommen und genossen werden. Andererseits können StadtbewohnerInnen sich intensiver beschäftigen mit ihren Abhängigkeiten von natürlichen Lebensgrundlagen, von natürlichen Kreisläufen, mit der Saisonalität von Nahrungsmitteln, was auch zu einer anderen Einstellung zu Lebensmitteln führen kann (weg von "fast food" und Fertiggerichten).

Ein ganz wesentlicher Grund für die Nutzung von Anbauflächen in der Stadt ist, dass durch partielle Selbstversorgung/Subsistenzwirtschaft auch Geld gespart werden kann. Das schlägt sich auch in der Reduzierung von Transporten, Lagerung und Verpackungskosten und -müll wider.

Es ist nicht zu hoffen, dass es soweit kommt, aber diese ansatzweise "Subsitenzwirtschaft" – vor allem auch die Netzwerkbildung der Menschen in einem gemeinsamen Siedlungsgebiet – könnte ein Beitrag zur Minderung möglicher Versorgungskrisen sein.

Wie der Aquaponic-Kreislauf funktioniert

Der Tilapia-Fisch, auch bekannt als Petrus-Fisch, soll ja schon in biblischen Zeiten Wunder bewirkt und unzählige hungernde Jesus-Anhänger gesättigt haben. Die Gattung Tilapia zählt zur Familie der Buntbarsche aus den warmen Gewässern Afrikas und des Jordans. Der Tilapia ist vermehrungsfreudig, robust, schnellwüchsig und anpassungsfähig. Der hervorragende Speisefisch hat ein Fanggewicht von 0,3 bis 1 kg.

Die Fische kamen in eine Badewanne des Stadtteilzentrums und sind Leihgaben des Tiergartens Schönbrunn – allerdings mit der Auflage, dass sie nicht verspeist werden. Ein mal pro Woche wird die Wasserqualität in der Badewanne gemessen. Wenn die Pumpe einwandfrei funktioniert, ist das Wasser in Ordnung und die Badewanne veralgt nicht.

Soziale Inszenierung

Dieser Begriff von Konrad Mayer (Freistadt) trifft auf die Badewanne und die Fische im Stadtteilzentrum zu. Das Ambiente ist eine Attraktion für die BesucherInnen und auch für die Medien. Die Fische wurden in einem feierlichen öffentlichen Akt getauft und zwar vom zoologischen Leiter des Tiergartens Schönbrunn, der für dieses Projekt zu begeistern war. Ist doch diese Methode in Ländern mit Wassermangel erfolgreich erprobt worden und nützt Mensch, Pflanze und Tier. Das Modell im Stadtteilzentrum hatte übrigens auch die angenehme Wirkung eines plätschernden Zimmerbrunnens. Die Fische, die ja alle einen Namen hatten, wurden von den BewohnerInnen gut gepflegt und gemocht. Derzeit sind sie wieder im Tiergarten.

Anlagentechnik

Die Anlage besteht also aus der Badewanne, die über einen simplen Schlauch mit einem Biofilter Wasser austauscht. Der Filter ist ein Gefäß mit etwa dem halben Volumen der Badewanne und ist mit Muschelsand, Hydrokugeln, Bioerde und Walderde schichtweise, getrennt mit Flies, angefüllt. In ihm wird das Fischwasser gesäubert, bevor es ins Pflanzbecken gepumpt wird. In der Nähe der Badewanne wird dieses Pflanzbecken aufgestellt, das mit dem gesäuberten Fischwasser geflutet wird. Bei Bedarf wird die Wärmelampe zugeschaltet, die jedoch sehr viel Strom verbraucht. Hier sollte auf Solarenergie umgestellt werden.

Ziele für eine Saison

  • eine möglichst große Anzahl von Salat-, Tomaten- und Tabakpflanzen auf einer begrenzten Fläche zu züchten
  • eine ökologisch wertvolle Aufzucht ohne chemische Zusätze zu schaffen
  • eine innovative und umweltschonende Anbautechnik zu erproben
  • eine Möglichkeit der Selbstversorgung durchzuspielen und somit Haushaltskosten zu sparen

Ernte

Über 80 Tomatensetzlinge wurden über der Badewanne großgezogen und an die BewohnerInnen bei einem Pflanzentauschmarkt weiter gegeben. Das Stadtteilzentrum stellte einer Gruppe von Frauen den Vorgarten für Gemüseanbau zur Verfügung, wo sie die Robustheit der Pflanzen und der Anlage erprobten. Großes Interesse haben Frauen aus andern Ländern, die in ihrer Heimat noch selber Gärten bewirtschaftet hatten, während die Wienerinnen als Stadtkinder über Pflanzenanbau keinerlei Wissen mehr hatten. In diesem urbanen Garten mitten in der Wohnanlage konnten Rucculasalat, Tomaten, Kartoffeln, Radieschen und Tabak geerntet werden.

Außerdem existieren Am Schöpfwerk ca. 1.500 Beton-Balkontröge mit einem enormen Fassungsvermögen und bis zu einem Meter Tiefe. Das ergibt eine stattliche Nutzfläche, die nicht nur für Blumen und Sträucher, sondern auch für Gemüse verwendet werden kann. So kann sich eine Familie Am Schöpfwerk Kosten sparend mit frischem Gemüse und Kräutern versorgen.

Es war ein Wunsch einiger Menschen, die Sozialhilfe empfangen und mit diesem Geld nur schwer durchkommen, vor allem dann, wenn sie rauchen, dass im Garten Tabak angebaut wird. Die erste Tabakernte wird derzeit im Stadtteilzentrum getrocknet, wo allerdings inzwischen Rauchverbot herrscht.

Perspektiven

Die Badewanne im Stadtteilzentrum animierte zu vielen Gesprächen mit den Menschen, die vorbei kamen. Sie ist als "soziale Inszenierung" zwar aufwändig (es musste der Kampf mit der Pumpe wöchentlich ausgefochten und viel aufgewischt werden), aber wirkungsvoll.

Es ist vorstellbar, dass im nächsten Jahr auf einer ersten Grünfläche in einem der Höfe des Gemeindebaus, derzeit mit unerwünschten Emissionen und Konflikten besetzt (Fußballlärm und Hundekot), großflächig Kukuruz, Kartoffeln, Sonnenblumen und Tabak angebaut wird.