Die Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadteilökonomie BEST in Pankow

 Kontakt:

Heike Birkhölzer, Dipl. Ing. für Stadt- und Regionalplanung, Projektmanagerin der Berliner Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie BEST in Pankow c/o Technologie-Netzwerk Berlin e.V., Wiesenstraße 29, 13357 Berlin, Tel.: 0049 30 46 98 82 27, Email: best@technet-berlin.de, Internet: www.soziale-oekonomie.de


Die Berliner Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie BEST in Pankow ist eine Unterstützungsstruktur, die das Ziel hat, Soziale Unternehmensgründungen in den einzelnen Ortsteilen des Bezirks zu fördern und damit gleichzeitig unterversorgte Bedarfslagen abzudecken. Ziel ist die Schaffung von neuen zusätzlichen Arbeitsplätzen, insbesondere in benachteiligten Stadtgebieten des Bezirks.

BEST ist ein Projekt des Bezirksamtes Pankow von Berlin, Abt. Kultur, Wirtschaft und Stadtentwicklung und wird derzeit aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung EFRE sowie dem Programm wirtschaftsdienliche Maßnahmen gefördert und vom Bezirk kofinanziert.

Das Konzept der Entwicklungsagentur BEST wurde von Technologie-Netzwerk Berlin e.V. entwickelt und gemeinsam mit der Senatverwaltung für Stadtentwicklung, Referat Soziale Stadt in den Jahren 2002–2004 bereits erfolgreich in drei ausgewählten Quartiersmanagement-Gebieten erprobt.

BEST richtet sich vorrangig an alle vom Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personengruppen. Durch soziale Unternehmen soll der lokale Bedarf vor Ort abgedeckt werden. Insofern leistet der Ansatz der Berliner Entwicklungsagentur für Soziale Unternehmen und Stadtteilökonomie BEST einen nachhaltigen Beitrag zum Thema Lokale Ökonomie in Gebieten der Sozialen Stadt.

 Vorrangiges Ziel von BEST ist die Förderung der Stadtteilökonomie durch die Gründung und den Ausbau sozialer Unternehmen. Diesen Prozess unterstützt die Entwicklungsagentur im Wesentlichen durch Wissenstransfer, Qualifizierung und Ressourcenvermittlung mit Hilfe projektbezogener Kooperationen zwischen Partnern/innen, Ideenträgern/innen, Experten/innen und Klienten/innen. Mittels der Identifizierung von Ressourcen und Defiziten können zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und gleichzeitig unterversorgte Bedürfnisse in den Quartieren abgedeckt werden.

Im öffentlichen wie im privatem Sektor ist derzeit wenig Beschäftigungswachstum zu erwarten. Die internationale Johns-Hopkins-Studie bescheinigt dem Dritten Sektor hingegen die höchsten Wachstumsraten der Beschäftigung. Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative "Third System and Employment" für Europa etwa 8,6 Mill. Arbeitsplätze in diesem Sektor geschätzt, weshalb wir gerade in Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf ein Potential für zusätzliche Beschäftigung sehen.

Der Aufbau sozialer Unternehmen funktioniert anders als die Gründung herkömmlicher Unternehmen. Er beginnt mit der Ermittlung der Bedarfslage und knüpft an diese an. Sieben Schritte sind bei der Gründung von sozialen Unternehmen notwendig - die sieben Schritte sind:

  1. Mobilisierung der Betroffenen in den benachteiligten Stadtquartieren
  2. Aufbau eines organisatorischen Kerns von Gründern in Arbeitsgruppen
  3. Formelle Gründung der sozialen Unternehmen
  4. Bestimmung der Geschäftsbereiche und Aufnahme von Geschäftstätigkeiten
  5. Aufbau und Entwicklung der Geschäftsbereiche
  6. Akquisition von Aufträgen und Kapital
  7. Aufbau der Holding bzw. des Stadtteilbetriebs

Der Bezirk Pankow ist mit seinen ca. 353. 000 Einwohnern der einwohnerreichste Bezirk Berlins mit sehr unterschiedlich geprägten Ortsteilen - wie zum Beispiel die dicht bebauten Altbauquartiere im Prenzlauer Berg, Siedlungen in Plattenbauweise in Buch bis hin zu ländlich geprägten Ortslagen in Blankenfelde. Zwei Gebiete im Ortsteil Prenzlauer Berg befinden sich in der Kulisse des Programms Soziale Stadt.

Die Entwicklungsagentur hat in den unterschiedlichen Ortsteilen Kooperationspartner gewonnen und dort bei bestehenden Einrichtungen wie Nachbarschaftshäusern, Selbsthilfekontaktstellen usw. niedrigschwellige Anlaufstellen eingerichtet. BEST unterstützt bereits bestehende soziale Unternehmen im Bezirk und mobilisiert darüber hinaus Bewohner für neue Gründungsinitiativen. Innerhalb der letzten 1 1/2 Jahre hat BEST über 250 Beratungen durchgeführt. Begleitet und unterstützt werden u.a. (Auswahl):

Bestehende Soziale Unternehmen:

  • z.B. Gesellschaft für nachhaltige Stadtkultur e.V. – pro agora:
    Die Gesellschaft konzipiert und realisiert modellhaft sozial und ökologisch orientierte Projekte, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen sollen. Die Projekte wenden sich vor allem an Kinder und Jugendliche sowie an Personen, die an der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich beteiligt sind. Mit dieser Zielrichtung betreibt der Verein u.a. einen Catering-Betrieb, der ausschließlich Bio-Produkte verarbeitet, und schafft damit dauerhafte Arbeitsplätze.

Start-ups:

  •  z.B. Förderverein Botanischer Volkspark Blankenfelde i.Gr:
    Der Förderverein setzt sich für eine nachhaltige Sicherung, Entwicklung und Modernisierung der Botanischen Anlage in Blankenfelde ein. Die Attraktivität des Botanischen Volksparks soll erhöht und Bürgerinnen und Bürger, Sponsoren und Investoren sollen für die Unterstützung des Botanischen Volksparks aktiviert werden. Ziel ist der Aufbau eines Sozialen Unternehmens, welches in Kooperation eine Biogasanlage, ein Infozentrum für regenerative Energien und für traditionelle und innovative Biotechnologie und innovatives Kompostmanagement und Humuswirtschaft betreibt. Der öffentliche Charakter der Anlage soll dabei erhalten bleiben; es sollen aber auch Räume für Umweltkommunikation und für eine gastronomische Nutzung geschaffen werden.

Mobilisierung von Gründungsinitiativen:

  • z.B. Generationentreff PUNKT in Buch IV:
    Buch IV ist ein Plattenbaugebiet mit besonderem Entwicklungsbedarf und sozialen Problemlagen, hoher Arbeitslosigkeit, niedrigem Bildungsniveau etc. Es liegt jedoch nicht im Programm Soziale Stadt. Hier besteht der Bedarf auch aus Sicht des Jugendamtes, einen Treffpunkt im Gebiet einzurichten, damit Eltern u.a. niedrigschwellig mit speziellen Beratungs- und Hilfeangeboten erreicht werden können. BEST hat eine Gruppe von Anwohnern im Stadtteil mobilisiert, die nun gemeinsam mit Trägern der Jugendhilfe, dem Jugendamt, den Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, Senioren und anderen Anwohnern einen Generationentreffpunkt aufbauen mit dem Ziel, weitere Bedarfslagen im Stadtteil zu identifizieren und ein Stadtteilzentrum mit vielfältigen Angeboten und Dienstleistungen zu entwickeln.

Neben den o.g. Beispielen berät und unterstützt BEST viele weitere soziale Unternehmen und Gründungsinitiativen wie zum Beispiel: StadtGut Blankenfelde e.V. (Initiative zum Erhalt und  Entwicklung eines ehemaligen Rittergutes), SHIA e.V. (Selbsthilfeinitiative für alleinerziehende Eltern), Inno-Netz eG (Erfindergenossenschaft), Frei-Zeit Haus Weißensee e.V. (Nachbarschaftshaus), Erste Pankower Wohnungsbaugenossenschaft eG (Wohnungsbaugenossenschaft, die zusätzliche Dienstleistungen für ihre Mitglieder anbieten will), Bürgersteig e.V.(Stadtteilbetrieb Prenzlauer Berg mit dem Kinderrestaurant Hans Dampf und dem Pflege- und Instandsetzungsbetrieb für den Mauerpark), eine Leerstandsinitiative in Weißensee und zahlreiche andere Unternehmen aus den Bereichen Pflege- und Betreuungsdienstleistungen und –produkte für Senioren, aus dem Bildungsbereich usw.

Neben der Beratungs- und Entwicklungsarbeit werden von BEST regelmäßige Qualifizierungsworkshops durchgeführt z.B. zu folgenden Themen:

  • Wirtschaftsweise von sozialen Unternehmen, u. a. zu sozialem Marketing und Management
  • Unterstützungsstrukturen
  • Kooperation und Vernetzung
  • Buchhaltung
  • Finanzierung
  • Rechtsformen.

Konkret unterstützt und begleitet BEST bestehende soziale Unternehmen und Gründungsinitiativen bei:

  • der Erstellung von Machbarkeitsstudien zur Überprüfung der Bedarfslagen
  • hinsichtlich möglicher Rechtsformen sozialer Unternehmen
  • dem Aufbau von Kooperationsbeziehungen
  • hinsichtlich der inhaltlichen und organisatorischen Struktur
  • der Erstellung der business plans
  • der Akquise von Aufträgen und Kapital.

Soziale Unternehmen benötigen spezielle betriebswirtschaftliche Instrumente. Damit kommt auch den Business Plans eine andere Funktion als die der Finanzakquisition allein zu. Da die Geschäftspläne auf der Bedarfslage im Stadtteil aufbauen, ist hier das soziale Marketing von besonderer Bedeutung. Der Prozess der Unternehmensentwicklung und auch des Marketing unterscheidet sich bei einem sozialen Unternehmen von einem klassischen Unternehmensmarketing. Hier geht es darum, ein neues Verhältnis zwischen Auftraggeber/innen, Nutzern/innen und Unternehmen aufzubauen und weiterzuentwickeln. Die anonyme Marktbeziehung wird aufgehoben und durch konkrete Vereinbarungen ersetzt. Durch den direkten Kontakt mit den potentiellen Kunden und Einrichtungen kann das Angebot auf den konkreten Bedarf abgestellt werden. Zudem werden freiwillige Mitarbeiter/innen mobilisiert. Auch die Kapitalbedarfsprobleme müssen anders gelöst werden, weil soziale Unternehmen in der Regel weder über ausreichendes Finanzkapital noch andere Sicherheiten verfügen, weshalb Kredite nur unter bestimmten Bedingungen aufgenommen werden können.

Zur Finanzierung der einzelnen sozialen Unternehmen werden folgende Einnahmen- und Finanzierungsquellen sukzessive erschlossen:

  • Aufträge der öffentlichen Hand
  • Einnahmen durch Tätigkeiten am Markt (private Kaufkraft)
  • und durch soziales Kapital: dazu gehören Stiftungsgelder, freiwillige unbezahlte Arbeit Arbeit (auf Gegenseitigkeit), Spenden usw.

 Die Entwicklungsagentur BEST in Pankow ist erfolgreich. Der Bedarf an Beratung, Unterstützung und Entwicklung ist riesengroß. Die Ressourcen von BEST Pankow sind begrenzt. Es stehen 1½ Personen für den ganzen Bezirk zur Verfügung. Alle Anschubfinanzierungen und Ausstattungen werden mit Unterstützung von BEST eingeworben. Die Prozesse der Unternehmensgründung dauern länger als bei privaten Unternehmensgründungen. Dies liegt an verschiedenen Rahmenbedingungen:

  1. Es bestehen nach wie vor Akzeptanzprobleme:
    Vereine, die schrittweise und sehr langsam wirtschaftlich tätig werden, werden nicht als Unternehmen anerkannt; die Bereiche in denen sie (meistens) wirtschaften, sind nicht lukrativ, da eben soziale Zielsetzungen und/oder ein konkreter Bedarf vor Ort Ausgangspunkt des Handelns sind, und somit ist der Weg, Einkommen zu generieren besonders schwer und langwierig; der erwirtschaftete Mehrwert wird durch die Kommune selten erkannt.
  2. Die vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Programme (z.B. MAE) wirken kontraproduktiv.
    So werden durch verfehlte Arbeitsmarkt-Programme aus den Gründungsinitiativen und den Gründungsprozessen Personen abgezogen und kurzfristigen Maßnahmen zugewiesen.
  3. Soziale Unternehmen werden bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht ausreichend berücksichtigt mit der zweifelhaften Berufung auf ein restriktives Ausschreibungsrecht.
  4. Den Gründungsinitiativen fehlt oft der Zugang zu Ressourcen (wie Räume, Flächen, da u.a. kein Geld vorhanden ist).
  5. Gründungsinitiativen fehlt i.d.R. Kapital für eine Grundausstattung (Start-Kapital / Seed Capital).

Um die Probleme und Hemmnisse zu überwinden, ist es aus der Sicht von BEST einerseits notwendig, dass der Sektor der Sozialen Ökonomie mit seinen Leistungen und Potentialen sichtbarer wird und dass andererseits mehr Unterstützungseinrichtungen auch und gerade im Bereich der Sozialen Stadt etabliert werden. Dazu müssen sich die Akteure und Unternehmen auf lokaler und regionaler Ebene selbst verständigen. Das genannte Akzeptanzproblem besteht nach außen, wie nach innen, also auch bei den Unternehmen selbst. Das Verständnis und die Sichtbarkeit dieses Sektors versucht BEST unter anderem auf der Berliner Ebene als auch auf der bezirklichen Ebene mit einem Bündnis für Soziale Unternehmen und Genossenschaften anzuschieben.