Konzeptionelle Entwicklung der interkulturellen Arbeit in der Düttmann-Siedlung


Kurze Einführung in die Geschichte und die Entwicklung der Siedlung, sowie Beginn und Entwicklung der GWA in der Siedlung

Die Anfang der 80er Jahre im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus entstandene Siedlung ist ein in sich relativ abgeschlossenes Gebiet umgeben überwiegend von Altbauten bis auf einen Neubau im Süden der Siedlung. Eine 4 bzw. 5 Stockwerke hohe insgesamt recht lockere Bebauung mit vielen Innenhöfen im Innenstadtbereich Berlins mit guter Verkehrsanbindung und guten Einkaufsmöglichkeiten in der näheren Umgebung beschreibt die Ausgangslage der Siedlung nach ihrer Fertigstellung.
Als mit der Stadtteilarbeit durch das Nachbarschaftshaus in diesem Gebiet begonnen wurde, war der allgemeine Sprachgebrauch für die Siedlung noch Block 202 – die korrekte Erfassung als statistisches Gebiet, gleichzeitig aber eine Aussage für die Unfähigkeit, dieses Gebiet mit seinen menschlichen Kompetenzen, Problemen und Defiziten ansprechbar, identifizierbar zu erfassen.
Wir griffen den Namen des inmitten der Siedlung befindlichen Platzes auf – benannt nach dem Berliner Architekten Werner-Düttmann - und begannen gemeinsam mit engagierten und interessierten BewohnerInnen von der Düttmann-Siedlung zu sprechen. Bei den Kindern heißt der Platz oft einfach nur Werner.
Eigentümer der privaten Wohnanlage sind insgesamt sechs Kommanditgesellschaften. Diese haben ein Hausverwaltung für das gesamte Gebiet eingesetzt.
1994 gab es sogenannte Bürgermeistergespräche mit den Anwohnern, die im Nachbarschaftshaus stattfanden und zur Gründung einer MieterInteressenGemeinschaft (MIG) führten. Das NHU erklärte sich bereit, unterstützend, beratend und begleitend tätig zu werden. Die MIG umfasste in ihrer Gründungsphase ausschließlich Bewohner deutscher Nationalität, die sich in der Siedlung eingemietet hatten und mit den Zuständen im Wohnumfeld zunehmend unzufriedener wurden. Im Vordergrund standen:

  • die Befreiung der Wohnanlage von Sozialbindung und Fehlbelegungsabgabe
  • die Erarbeitung und Umsetzung eines Müllkonzeptes (MIG-Hausverwaltung-BSR-DASS)
  • die Einführung eines Hauswartsystems
  • eine wenigstens fünfjährige Einstellung der jährlichen Mieterhöhungen
  • die Beseitigung aller Schäden innerhalb der Wohnanlage und Gestaltung dieser mit Bewohnerbeteiligung
  • die Kopplung der Aktivitäten mit beschäftigungs- u. ausbildungswirksamen Maßnahmen
  • die Bereitstellung von Räumen für die MIG und für Bewohneraktivitäten und Beratungs- und Bildungsangebote (z.B. Sprachkurse) mit dem Ziel der Verbesserung der Kommunikation zwischen den Menschen verschiedener Nationalitäten
  • die Schaffung von sinnvollen Angeboten für die zahlreichen Kinder der Wohnanlage sowie die Wiederinstandsetzung der Spielplätze in der Wohnanlage

Jedoch gab es verschiedene Faktoren, die Erfolge in der Gemeinwesenarbeit bis hin zur Verhinderung erschwerten und überwiegend bestimmten:

  • Es gab eine an der sozialverträglichen Entwicklung der Siedlung prinzipiell desinteressierte Hausverwaltung. Die Hausverwaltung sah mehr oder weniger offenen Auges zu, wie das Gebiet nach und nach zu einem ausgesprochenen Brennpunkt wurde (Vandalismus, Vermüllung, mafiöse Gruppenbildungen usw.)
  • Die Politik war nur sehr kleinteilig zu bewegen, sich zu engagieren, da das Gebiet insbesondere von seiner Größenordnung her sich in keines der Förderprogramme einordnen ließ, z. B. Quartiersmanagement, Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen usw.
  • Da nachvollziehbare Verbesserungen kaum zustande kamen oder nur in Absichtserklärungen formuliert wurden, erfolgte eine zunehmende, bis heute fast umfassende Abwanderung deutscher Anwohner und insbesondere auch aller aktiver Mitglieder deutscher Nationalität aus der MieterInteressenGemeinschaft.

Derzeitige BewohnerInnenstruktur der Düttmann-Siedlung

(ca. 2 800 BewohnerInnen)
Heute leben in der Düttmann-Siedlung ca. 90 % MigrantInnen und Flüchtlinge aus verschiedenen Herkunftsländern (Türkei, arabische Länder, Albanien, Serbien, Sinti und Roma, Palästina, Kurdistan etc.) mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus:

  • teilweise mit deutscher Staatsbürgerschaft,
  • viele mit Aufenthaltsbefugnis (meistens 2 Jahre),
  • unbefristetetem Aufenthalt, und anerkannten Flüchtlinge,
  • jedoch auch viele Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus (Duldung),
  • und vielleicht noch 10 % BürgerInnen deutscher Herkunft.

Schätzungsweise können nur noch 20 % der BewohnerInnen einer stabilen Mittelschicht zugeordnet werden. Ca. 80 % erhalten Sozialhilfe. Es wohnen dort viele Großfamilien, einige Kleinfamilien, wenig Alleinstehende. 36% der BewohnerInnen sind Jugendliche und Kinder.
Aufgrund dieser unterschiedlichsten Biografien, Sprachen, Privilegien im Aufnahmeland, kulturellen Hintergründe, Religionszugehörigkeiten, der verschiedenen Schichten und der vielfach unsicheren und unklaren Perspektiven können wir ein Konzept von klassischer Gemeinwesenarbeit nicht anwenden. Dies beruht auf der Förderung bürgerschaftlichem Engagements und geht von prinzipiell integrierten, sich mit ihrer Nachbarschaft und ihrem Wohnumfeld identifizierenden BewohnerInnen aus. - Wie können sich Menschen mit ihrem Wohnumfeld identifizieren, wenn Sie rechtlich nicht Teil dieser Gesellschaft sind?
Auch die Segregation unter den BewohnerInnen ist sehr hoch. Die Hierarchie und Ausgrenzung läuft entlang von Integrationsmaßstäben, Schichtzugehörigkeit und patriarchalen Strukturen (Ausgrenzung von Frauen) sowie nationaler und religiöser Identitäten. Unterschiedliche Sprachen sind eine Kommunikationsbarriere.

MieterInteressenGemeinschaft

Die bisherige Unterstützung einer Mieterinteressengemeinschaft, die sich überwiegend aus BewohnerInnen mit deutscher Staatsbürgerschaft zusammensetzte entsprach nicht mehr wesentlichen Zielen, die Voraussetzung für eine Gemeinwesenarbeit sind. Wir wollen mit unserer Arbeit ein breites Spektrum von BewohnerInnen und deren Interessen in der Siedlung ansprechen. Die MieterInteressenGemeinschaft war in ihrer Zusammensetzung keine Plattform für MigrantInnen. Durch Wegzug aktiver BürgerInnen und aufkommender Frustration der Übriggebliebenen, die immer mehr vorurteilsbeladen MigrantInnengruppen für die Verschmutzung und desolate Situation der Siedlung verantwortlich machten, nahm das Engagement der Mitglieder ab.


Konzeptionelle Entwicklung

Aufgrund der zahlreichen Problemlagen der BewohnerInnen entschlossen wir uns,

  1. unterstützende Angebote im Bereich Beratung und Qualifikation in der Siedlung zu etablieren, um auch durch permanente AnsprechpartnerInnen eine Kontinuität im Kontakt mit MieterInnen und deren Bedürfnissen zu erhalten.
  2. ein vom Nachbarschaftshaus initiiertes Netzwerk von freien und kommunalen Trägern aus dem Kinder- und Jugendbereich um interkulturelle Erwachsenen- und Familienarbeit zu erweitern und die Arbeit ausschließlich auf die Siedlung zu fokussieren. Durch gezielte Vernetzung soll die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Träger verstärkt werden. Somit wollen wir unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven eine Bündelung von Ressourcen erreichen, indem Angebote aufeinander abgestimmt werden. Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit soll auf die Siedlung aufmerksam gemacht werden.
  3. nach integrativen Methoden im Bereich Wohnumfeldverbesserung zu suchen

Bei unserem "interkulturellen" Ansatz - BewohnerInnen in die Gemeinwesenarbeit mit einzubinden - gab es kein vorgefertigtes Konzept.
Unser Anliegen war und ist:

  • einen Rahmen für öffentliche Nachbarschaftsstruktur zu schaffen, in dem Bedürfnisse, Potenziale und Interessen von AnwohnerInnen ihren Platz finden.
  • uns selbst als Lernende - im Dialog mit BewohnerInnen - in diesem Prozess zu verstehen und Raum für Auseinandersetzungen zu schaffen.
  • Partizipation zu ermöglichen, in dem wir offen sind, an den Ideen, Interessen und Bedürfnissen der BewohnerInnen anknüpfend eine Gemeinwesen-Entwicklung in Gang zu setzen.

Als Basis hatten wir:

  • den Mietertreff inmitten der Siedlung, zwei Räume, die für und von BewohnerInnen genutzt werden können.
  • das Nachbarschaftshaus außerhalb der Siedlung
  • als Ort für Kommunikation und Unterstützung von Initiativen
  • mit dem Arbeitsbereich GEKKO (20-Std. Stelle für Gemeinwesenarbeit in der Düttmann-Siedlung)
  • mit ehrenamtliche Strukturen des Nachbarschaftshauses
  • mit dem Potenzial unterschiedlicher PraktikantInnen
  • mit der Förderung durch eine Stiftung, die die Ausstattung des Mietertreffs und zwei Honorarstellen für insg. 3 Jahre finanzierte
  • mit dem Geschäftsführer, der in seiner Person 10 Jahre die Entwicklung in der Siedlung mitverfolgte und ein kontinuierliches Interesse an der Gemeinwesenarbeit in der Düttmann-Siedlung hat und die Öffentlichkeitsarbeit auf kommunaler Ebene forciert/e.

Faktische Entwicklung:

1.  unterstützende Angebote im Bereich Beratung und Qualifizierung

1.1 Deutschkurse für Bewohnerinnen (Qualifizierung)

Eine aktive Bewohnerin/Migrantin, die sich in der MIG engagierte und viel Kontakte zu anderen Frauen aus der Nachbarschaft hatte, brachte das Bedürfnis von Migrantinnen auf den Tisch, einen Deutschkurs im Mietertreff zu konstituieren.
Der Kurs sollte nur für Frauen sein, da sie durch ihre Rolle als Mutter und Hausfrau, benachteiligt durch die Migration (oft Heiratsmigration) einen erschwerten Zugang zur hiesigen Gesellschaft / Öffentlichkeit haben. Ein Kurs in ihrer unmittelbaren Umgebung erleichtert ihnen die Teilnahme. Das NHU suchte einen Träger, der Deutschkurse mit Kinderbetreuung anbietet.
Die Kurse finden seit 3 1/2 Jahren im Mietertreff und im Nachbarschaftshaus statt. Der Zulauf ist immer noch sehr groß. Jedoch ist aus den bisherigen Erfahrungen auch deutlich geworden, wie schwer es vielen Frauen durch ihre Vielfachbelastung fällt, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen. Es wird auch immer wieder ersichtlich, das besonders ältere Frauen Alphabetisierungskurse benötigen, da sie nie eine Schulbildung genossen haben.

1.2 Frauen- und Müttergruppe (Selbsthilfegruppe mit Anleiterin)

Aus dem Deutschkurs heraus entstand mit Initiative einer Praktikantin eine Gruppe von hauptsächlich arabischsprachigen Migrantinnen, die sich einen Frauenraum im Mietertreff schaffen wollten. Ihr Interesse war, sich außerhalb der Familie in einem nachbarschaftlichen Rahmen über Familie auszutauschen, gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, ihr Potential und Selbstvertrauen im öffentlichen Leben zu stärken, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, gemeinsam zu feiern und sich gegenseitig zu entlasten.
Die Praktikantin, die das Vertrauen der Frauen gewonnen hatte, sollte die Anleitung übernehmen. Eine Frau aus der Siedlung war für die Kinderbetreuung zuständig.
Die Frauengruppe, die als nachbarschaftliches Pflänzchen vor 2 1/2 Jahren begonnen hatte, trägt inzwischen Früchte und hat deutliche Wirkung in die Siedlung hinein und über die Siedlung hinaus.

  • Ein großes Interesse besteht an erweiterter Gebietskompetenz. Gemeinsam überwanden sie Hemmschwellen, machten sich mit dem Stadtplan vertraut, suchten Bibliotheken und die Volkshochschule auf, wodurch sich zwei Frauen für Deutschkurse (Mittelstufe) anmeldeten. Sie unternehmen Ausflüge, Stadterkundungen etc.
  • Der Austausch über die Familie ist ein wichtiges Thema in der Frauengruppe. Dadurch enstand das Bedürfnis nach einem professionellen arabisch/deutschsprachigen Berater, der alle zwei Wochen in die Frauengruppe kommt und Beratung sowie Gesprächskreise anbietet.
  • Gemeinsam kochen und feiern ist immer beliebt. Die Frauengruppe organisiert im Jahr 2003 das dritte Ramadanfest für Anwohnerinnen.
  • Die Frauengruppe beteiligt sich mit einem Essenstand an den jährlich stattfindenden Sommerfesten auf dem Düttmann-Platz und bekocht auch mal an Aktionstagen freiwillige HelferInnen, die den Müll aus den Grünanlagen einsammeln und brachliegende Stellen bepflanzen.
  • Zwei mal wurden Auseinandersetzungen in der Gruppe in Form von Veranstaltungen öffentlich gemacht. Sie organisierten Diskussionsabende zum Palästinakonflikt und zum Sicherheitsdienst in der Siedlung.
  • Arabischsprachige Frauen mit guten Deutschkenntnissen übernehmen ehrenamtlich Übersetzungen (mündl. und schriftlich) für Ankündigungen, Flyer, Veranstaltungen etc. Die Frauen gewinnen dadurch Selbstbewusstsein und das Nachbarschaftshaus gewinnt Zugang zu weiteren arabischsprachigen BewohnerInnen.
  • Das Interesse an Qualifizierung/Ausbildung wird immer größer in der Gruppe.
  • Eine engagierte AnwohnerIn z.B. brachte den Mut auf, sich für eine Qualifizierung als Gemeindedolmetscherin zu bewerben. Dies hätte sie, laut ihrer Aussage, ohne die ehrenamtlichen Übersetzungstätigkeiten, durch die sie mit ihren Fähigkeiten an die Öffentlichkeit ging, nicht gewagt. Vor einem Monat hat sie die Abschlußprüfung bestanden.
  • Drei Frauen aus der Gruppe nehmen bei einer Basisqualifikation für Migrantinnen teil (Ètappe), bei der es um Berufswegorientierung, –planung und -qualifizierung geht.
  • Eine Näherin aus der Frauengruppe bot im September 2002 einen Nähkurs für Frauen in der Schneiderwerkstatt des Nachbarschaftshauses an (10 x 3 Std.). Die sechs Frauen, die an dem Nähkurs teilnahmen, bezahlten einen Eigenbeitrag von 20,- Euro und das NHU ein ergänzendes Honorar. Aufgrund der großen Nachfrage und dem Engagement der Anleiterin wurde der Kurs 2003 wiederholt.
  • Die Frauengruppe wandte sich im November 2002 an das NHU mit der Idee, Flohmärkte für Kinderkleidung zu organisieren. Diese Initiative griffen wir auf und unterstützten die Frauen in Organisation und Durchführung. Die Flohmärkte wurden vier mal im Nachbarschaftshaus veranstaltet und zwei mal in Zusammenarbeit mit einer Gewerbetreibendeninitiative aus dem benachbarten Graefe-Kiez (Brückeprojekt). Die aktiven Frauen bildeten eine Art Kooperative, zahlten in eine Kasse, kauften gemeinsam ein, kochten und verkauften zusammen und teilten den Erlös untereinander auf.

Balance zwischen Wunsch und Realität

  • Obwohl die Frauengruppe offen für alle Bewohnerinnen der Siedlung (interkulturell) angelegt war und ist, nehmen nur Frauen an der Gruppe teil, die sich in der arabischen Sprache zuhause fühlen. Die Gruppe verbindet nicht nur die gemeinsame Sprache, sondern auch Religionszusammengehörigkeit (fast alle Frauen tragen Kopftuch) und die dadurch vermittelten Werte, sowie ihr Mutter- und Ehefrau sein.
    Das Niveau der Deutschkenntnisse der teilnehmenden Migrantinnen ist sehr unterschiedlich. Es ist deutlich, je besser die Deutschkenntnisse der Frauen sind, desto größer die aktive Anbindung an das Nachbarschaftshaus. Jedoch suchen auch Anwohnerinnen mit wenig Deutschkenntnissen Rat im NHU (Sozialberatung/Kontakt zur Sozialarbeiterin).
  • Der Wunsch des Nachbarschaftshauses, die Frauengruppe für alle Frauen der Siedlung zugänglich zu präsentieren, um Segregation entgegenzuwirken und der Auseinandersetzung Raum zu geben, bleibt bestehen. Wenn die Frauengruppe offiziell als geschlossen für arabisch-sprechende Frauen definiert wird, gibt es keine Auseinandersetzung mehr.
    Inzwischen bilden sich weitere Interessengruppen, die den Mietertreff als gemeinsamen Treffpunkt nutzen möchten (Kreativwerkstatt für Erwachsene).
  • Es ist äußerst schwer, eine Kontinuität der Mitarbeit der Frauen zu schaffen. Es zeigt sich, dass ihre familiären Aufgaben und Rollen kaum Freiräume für eigene Kreativität außerhalb der Familie gestatten.
    Wenig Frauen erhalten Unterstützung seitens des Ehemannes, so dass es für sie ein harter Kampf ist, einen Freiraum zu schaffen. Dies gilt auch für die Frauen, die den Deutschkurs besuchen.

1.3 Entwicklung von Beratungsangeboten

Sozialberatung
Ein wichtiger Schritt für die Gemeinwesenarbeiterin war, Sozialberatung im Mietertreff anzubieten. Dadurch ist sie zu einer unmittelbaren Bezugsperson für MieterInnen geworden.
Mit ehrenamtlichem Engagement eines Psychologen und BewohnerInnen, die Übersetzungs- und Vermittlungstätigkeiten übernehmen, können wir einen Raum des "Rat suchens" schaffen, den inzwischen viele wahrnehmen. Wir legten den Zeitpunkt der Beratung parallel zur MieterInnensprechstunde der Hausverwaltung die hoch frequentiert ist. Zu Beginn sprachen wir AnwohnerInnen, die in der Schlange zur Sprechstunde standen direkt auf unser Angebot an und mittlerweile nutzen viele die Sozialberatung um Probleme mit der Hausverwaltung zu besprechen, bzw. zum Verfassen ihrer Korrespondenz mit der Verwaltung.
Einen Termin machen wenige. Die meisten kommen einfach vorbei. Da wir Terminabsprachen nicht zur Voraussetzung für eine Beratung machen, kommen wir der Kommunikationskultur vieler AnwohnerInnen entgegen, denn Terminvereinbarung wird oft mit Bürokratie gleichgesetzt.
Da die Sozialarbeiterin des NHU Ansprechpartnerin für alle Gruppen im Mietertreff ist und das Nachbarschaftshaus vertritt, kommen auch immer wieder Frauen vorbei, um ihre neuen Pläne zu besprechen oder auch einfach nur zum Reden. Aufgrund dieser Erfahrung haben wir einen Raum für die Beratung und einen weiteren Raum für gegenseitigen Austausch geschaffen. Im Sommer stellten wir zu diesem Zweck einen Tisch und zwei Bänke vor die Tür. Wir schaffen eine gemütliche Atmosphäre, indem wir den Gästen Tee anbieten.

Familienberatung
Nicht wenige Frauen aus der Siedlung haben familiäre Probleme, z.B. in der Kindererziehung. So sprachen wir einen interkulturell kompetenten Verein an, ob sie Familienberatung in der Siedlung anbieten können. Wie schon erwähnt kommt ein arabisch sprachiger Familienberater alle zwei Wochen in die Frauengruppe und eine türkisch sprachige Familienberaterin bietet gemeinsam mit der Sozialberatung im zweiwöchigen Turnus Familienberatung an.
Durch den regelmäßigen Kontakt des Familienberaters mit einer festen Gruppe hat er das Vertrauen der Frauen gewonnen. Dass er Mann ist, störte wider Erwarten die Frauen nicht, da er in der Funktion als Berater kommt.
Die türkischsprachige Familienberaterin hatte anfangs Schwierigkeiten, da ihre Sprechstunde wenig besucht war, obwohl sie diese direkt in der Kita der Siedlung anbot. Die Hemmschwelle schien den Frauen zu groß zu sein. So entschieden wir uns, die Familienberatung mit der Sozialberatung zu verknüpfen. Dieses Konzept hatte mehr Erfolg, denn durch den Umweg über die Sozialberatung werden auch immer wieder Probleme mit Kindererziehung angesprochen.

Lernprozess des Nachbarschaftshauses

  • Grundsätzlich Beratung ohne Terminvereinbarung anbieten
  • gemütliche Atmosphäre schaffen
  • Raum geben für Kommunikation außerhalb der Beratung
  • Mündliche Werbung ist effektiver als schriftliche Mitteilungen.
  • Grenzen unserer Kompetenz erkennen. Beratungskompass erstellt mit qualifizierten Beratungsstellen zum Thema Rechtsberatung, Asylberatung, Schuldnerberatung, Mieterberatung (Ort, Beratungszeiten, Übersetzung)
  • Familienberatung benötigt besonderes Vertrauen / Raum schaffen, in dem dieses Vertrauen entwickelt werden kann.
  • Kompetenzen der BewohnerInnen mit einbeziehen (Übersetzung sowie ihre praktischen Erfahrungen mit dem Sozialamt und der Ausländerbehörde)
  • Beteiligung ehrenamtlicher MitarbeiterInnen und PraktikantInnen je nach Eigeninteresse und Kompetenz

1.4 Arbeit mit den Kindern

Hausaufgabenhilfe für Grundschulkinder
Aufgrund vieler Grossfamilien, die in der Siedlung wohnen, tummeln sich auf dem Werner-Düttmann-Platz tagsüber zahlreiche Kinder, die viel Aufmerksamkeit einfordern, jedoch wenig Unterstützung von ihrem Elternhaus erhalten. Einige Gründe sind, dass Familien oft in zu kleinen Wohnungen leben, so dass die Kinder keinen Spielraum haben und auf die Straße angewiesen sind. Viele Eltern vernachlässigen die Begleitung ihrer Kinder in der Schule und bei den Hausaufgaben. Häufige Ursache ist, dass sie selbst wenig bis gar keinen Bezug zum (deutschen) Bildungssystem haben und ohne oder mit wenig Schulbildung aufgewachsen sind. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus ist desmotivierend für eine Zukunftsplanung ihrer Kinder.
Im Oktober 2000 ergab sich durch einen Mitarbeiter des Nachbarschaftshauses ein halbjähriges Kooperationsprojekt mit einer Fachhochschule, deren StudentInnen neben anderen Aktivitäten in der Siedlung auch Hausaufgabenhilfe im Mietertreff anboten.
Einige wollten die Hausaufgabenhilfe nach dem Projektende weiterführen und entwarfen in Zusammenarbeit mit dem Nachbarschaftshaus einen Antrag nach § 13 KJHG, der vorsah, dass verantwortliche StudentInnen über Honorare die Kontinuität sicherten und weitere im Rahmen von Praktika die Hausaufgabenhilfe durchführten. Der Antrag wurde beim Jugendamt eingereicht, brauchte jedoch (bedingt durch kommunalpolitische Wahlen u. Neuzusammensetzung des Bezirksamtes, Neustrukturierung des Jugendamtes, Neubesetzung der Jugendamtsdirektorenstelle usw.) eine sehr lange Bearbeitungszeit, so dass die Rahmenbedingungen nach einem Jahr nicht mehr gegeben waren. Die Nachfrage nach Hausaufgabenhilfe blieb sehr groß.
2002 konnte die Hausaufgabenhilfe durch zwei Honorarkräfte wieder aufgenommen werden. Eine engagierte BewohnerIn und eine Studentin türkischer Herkunft, die im Sprachkurs die Kinder betreut, übernahmen diese Aufgabe. Beide Frauen sind durch den Mietertreff in der Siedlung bei Eltern bekannt. Durch unzureichende Finanzierung ist die Stundenzahl für die bestehende Nachfrage viel zu gering und die Kontinuität bis dato nicht gesichert. Aufgrund dessen suchen wir über die im NHU ansässige Freiwilligenagentur und Anschläge an Universitäten kontinuierlich nach ehrenamtlichen HelferInnen.
Um der Überforderung der Betreuerin entgegenzuwirken und ihre Motivation und Kreativität in der Arbeit mit den Kinder zu fördern, bemühte sich das NHU um eine Fortbildung für die Honorarkräfte. Beide nehmen an einer kostenlosen Schulung teil, durch die sie sich Kenntnisse über Lernmethoden mit zweisprachigen Kindern aneignen. In regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen mit der Sozialpädagogin des NHU wird ein Austausch gewährleistet, Probleme erörtert und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.

Kreativwerkstatt mit Kindern
2002 suchte ein kürzlich zugezogener Bewohner der Siedlung, der von der Arbeit im Mietertreff gehört hatte, das Nachbarschaftshaus auf. Sein Anliegen war, mehr über unsere Arbeit zu erfahren, um sich freiwillig zu engagieren. Nach einem ersten Gespräch war das Interesse von beiden Seiten für eine Zusammenarbeit sehr groß. Herr Mansoor, geborener Iraker, bot an, mit Kindern der Siedlung eine Kreativwerkstatt aufzubauen und mit seinen zahlreichen Sprachkenntnissen (kurdisch, arabisch, türkisch, persisch, deutsch) die Kommunikation mit den BewohnerInnen zu fördern. Zuvor hatte er mit Kindern in Flüchtlingsheimen gearbeitet, dort bei Beratungen übersetzt und ist in vielen Bereichen ein engagierter Mensch.
Die Kinder sind begeistert von ihm. Er schenkt ihnen Aufmerksamkeit, spricht mit ihnen in ihrer Muttersprache, zeigt Ideen auf, wie sie mit Farbe umgehen können und fördert ihre Kreativität und Auseinandersetzung.
Da Herr Mansoor Künstler ist, organisierten wir eine Ausstellung für und mit ihm im Nachbarschaftshaus. Durch die Vorbereitungen entstand eine gute Zusammenarbeit und auch ein interkultureller Dialog, bei dem besonders wir als hauptamtliche MitarbeiterInnen des NHU viel lernen.
Wir erstellten für ihn ein Arbeitsprofil, mit dem er sich beim Sozialamt um eine BSHG-Stelle bemühte, die er vor ein paar Monaten antrat. In Zusammenarbeit mit Herr Mansoor entstanden viele Ideen und eine große Breitenwirkung in die Siedlung hinein. Er übernimmt regelmäßig Übersetzungen in der Sozialberatung und ist inzwischen eine Vertrauensperson für viele BewohnerInnen geworden.

Elternarbeit
Ein wichtiges Ziel, die Eltern mit in die Arbeit einzubeziehen, erweist sich als besondere Herausforderung und kann nur Schritt für Schritt, Kontakt für Kontakt umgesetzt werden. Obwohl wir immer wieder zu Elternabenden einluden, zeigten nur wenige Interesse an der Teilnahme.
Viele Eltern scheuen aufgrund ihrer eigenen Bildungsdistanz und Sprachprobleme den Kontakt mit der Schule ihrer Kinder. Inzwischen kommen einzelne Eltern zur Sozialberatung und holen sich Rat bei Einschulungsproblemen.
Um Sprach- und Kontaktbarrieren der Eltern zu überwinden, bieten die Honorarkräfte und Herr Mansoor bei Bedarf Begleitung in die Schule an.
Auch die Kreativwerkstatt erhält von den Eltern immer mehr Anerkennung, da die Kinder zuhause begeistert ihre Kunstwerke präsentieren und von ihrem Anleiter erzählen. Neugierig kommen Eltern in den Mietertreff, um ihn und seine Arbeit kennenzulernen. Ein großer Erfolg für die Elternarbeit war eine Ausstellung mit den Bildern der kleinen Künstlerinnen im Nachbarschaftshaus, zu der wir die Familien einluden. Einige Mütter kamen sogar zur Vorbereitung der Ausstellungseröffnung. Die Kinder erhielten viel Anerkennung der Eltern und die Eltern wiederum waren stolz auf ihre Kinder. Einige Mütter wurden durch die Ausstellung motiviert selbst kreativ tätig zu werden und gründeten zeitgleich zur Kreativwerkstatt der Kinder eine Kreativwerkstatt für Erwachsene. Dies ist ein erster Schritt, die Eltern mit in die Arbeit einzubinden. Ein anderer Schritt ist die Vernetzung mit der Schule. Durch die Zusammenarbeit mit der Schulstation entstanden gemeinsame Projekte und inzwischen kommen auch LehrerInnen mit ihren SchülerInnen in den Mietertreff.

Lernprozess des Nachbarschaftshauses

  • Kinder brauchen geschützte Räume und Bezugspersonen außerhalb der Familie
  • Die Arbeit mit den Kindern ist ein Grundbaustein, die Eltern zu aktivieren. Durch die Kontinuität und Präsenz der BetreuerInnen (sie gehören zur Nachbarschaft, übernehmen Übersetzungen, führen Aktionen mit Kindern durch), wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, so dass diese immer mehr zu Ansprechpersonen der Eltern werden.
  • Die Kombination von Hausaufgabenhilfe, Kreativwerkstatt und Sozialberatung öffnet den Eltern viele Zugänge zu AnsprechpartnerInnen. Dieser Kontakt ist weitaus effektiver als unpersönlich beschriebenes Papier, welches oftmals nicht gelesen wird.
  • Bei der personellen Belegung der Hausaufgabenbetreuung haben wir darauf geachtet, dass möglichst kompetente BewohnerInnen der Siedlung diese Aufgaben übernehmen. Indem wir nach Fortbildungen für die BetreuuerInnen suchen, fördern wir die Motivation mit den Kindern zu arbeiten, da die praktischen Erfahrungen in einen theoretischen Kontext gebettet werden und somit Spielraum aufgezeigt wird, die Arbeit kreativer zu gestalten.

2. Bündelung von Ressourcen durch Netzwerkarbeit

Netzwerk Trägerrunde
Die Arbeit im Mietertreff ist die eine Seite der Medaille, die die Gemeinwesenarbeit in der Siedlung stärkt. Die andere Seite ist die kontinuierliche Arbeit der Träger, die ein Netzwerk bilden, um ihre Angebote an BewohnerInnen aus unterschiedlichen Perspektiven und Aufgabenprofilen aufeinander abzustimmen.
Seit 1998 hat das Nachbarschaftshaus ein Netzwerk von Kinder- und Jugendträgern (frei und kommunal) konstituiert, dass sich zur Aufgabe gemacht hat, die Situation der Kinder- und Jugendlichen in der Siedlung zu verbessern.
Durch die inhaltliche Auseinandersetzung wurde jedoch immer deutlicher, dass die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an unüberwindliche Grenzen stößt, wenn die Situation des Elternhauses und in der Schule sowie unterschiedliche Migrationshintergründe, Schichtzugehörigkeiten etc. nicht mit berücksichtigt werden.
Seit 2001 vergrößerte sich das Netzwerk und u.a. kamen interkulturelle Träger aus der Erwachsenenarbeit hinzu (Interkulturelle Familienberatung, Türkischer Frauenverein, Jugendaufbauwerk, Jugendgesundheitdienst, Schulstation Lemgo-Schule). Inzwischen sind auch AnwohnervertreterInnen im Netzwerk tätig.

Aufgrund der Netzwerkarbeit entstanden folgende Initiativen:

  • Organisation eines jährlichen Sommerfestes in der Siedlung mit Informationsständen, Spielangeboten für Kinder, Bühnenauftritten etc.
  • Erstellung eines dreisprachigen (türkisch, arabisch, deutsch) Kompasses für BewohnerInnen, der Anlaufstellen zur Kinder- und Jugendarbeit, Beratungsangebote und Gemeinwesenarbeit aufzeigt.
  • gegenseitige zur Verfügungstellung von Räumen und gemeinsame Durchführung von Aktionen
  • Versuch der Akquise von Spendengeldern für die Arbeit im Mietertreff - Gründung eines Spendenkontos: Düttmann-Siedlung
  • Verstärkte Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung im Interesse der BewohnerInnen
  • Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines kommunalpolitischen Runden Tisches, an dem Zielvereinbarungen in Form eines Aufgabenprofils für alle Beteiligte erstellt wurden. (TeilnehmerInnen: Bezirksbürgermeisterin, StadträtInnen, Amtsleitung der Jugendförderung, alle Mitglieder der Trägerrunde und BewohnerInnen der Siedlung, Fondverwalter der Hauseigentümer, Hausverwaltung und Sicherheitsdienst. Von Seiten der Hausverwaltung wurde zusätzlich die Abschnittsleitung des Landespolizeihauptamtes und einen Vertreter der Investitionsbank Berlin eingeladen).
    Ergebnisse des Runden Tisches waren:
    • Grünes Licht seitens des Bezirksamtes (Sozialamt), für die Finanzierung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (FKZ) für Sozialhilfeempfänger im Bereich Wohnumfeldverbesserung
    • Einen Antrag zum § 13 KJHG für die Arbeit mit jungen Erwachsenen wurde beim Jugendamt eingereicht.
    • Jahresplanung der Trägerrunde für 2003: Einbeziehung des Sozialamtes, der Migrationsbeauftragten des Bezirkes, Planung von erweiterter Beratungsvernetzung, von Fundraising etc.

3. Wohnumfeldverbesserung / Gemeinwesenarbeit

Die in der Vergangenheit vielfach durchgeführten Aktionen im Wohnumfeld mit längerfristiger Verantwortungsübernahme durch BewohnerInnen (Patenschaften für Sperrmüllkeller, Grünbereiche) waren immer weniger erfolgreich (fast nur noch Kinder nahmen z.B. an Pflanzaktionen teil).
Als die neue Hausverwaltung die desolaten Spielplätze erneuerte, konnten wir sie leider nicht davon überzeugen, die Eltern bei der Konzeption und Durchführung mit einzubeziehen. Die Frauengruppe schrieb jedoch ein anerkennendes Dankeschön an die Hausverwaltung, da sie zuvor Unterschriftenlisten der Eltern sammelten, die auf den gefährlichen Zustand der Spielplätze aufmerksam machten und die Sanierung der Spielplätze einforderten.

Integrative Methoden der Wohnumfeldverbesserung

Seit August 2003 konnte die am Runden Tisch von der Stadträtin und dem Sozialamt, sowie der Hausverwaltung befürwortete Arbeitsintegrationsmaßnahme (FKZ-Festkostenzuschuss) für Männer, die Sozialhilfeleistungen erhalten im Bereich Wohnumfeldverbesserung (Pflege der Grünanlagen, Gartenarbeit, Müllbeseitigung, Renovierung von Hauseingängen) in der Siedlung beginnen. Das Nachbarschaftshaus kümmerte sich um einen kompetenten Träger, der diese Maßnahme durchführt, um den Kontakt mit dem Sozialamt und um die Unterstützung durch die Hausverwaltung, die finanziell an der Maßnahme beteiligt ist. Ein Ziel der Maßnahme ist, dass Bewohner der Siedlung daran teilnehmen (Qualifizierung) verbunden mit der Hoffnung, dass sich dadurch eine höhere Identifizierung der BewohnerInnen mit der Wohnanlage entwickelt. Insgesamt nehmen 14 Männer an der Maßnahme teil, wobei fünf Teilnehmer aus der Siedlung kommen. In Gesprächen mit potentiell interessierten Teilnehmern, stellte sich jedoch auch heraus, dass viele interessierte und auch qualifizierte BewohnerInnen durch fehlende Arbeitsgenehmigung keinen Zugang zur Maßnahme hatten. Die Hausverwaltung nahm kontrollierenden Einfluss auf die Teilnahme, indem sie Mietern mit Mietschulden den Zugang verwehrte.
Die Aufgaben des Nachbarschaftshauses während der Durchführung der Maßnahme besteht hauptsächlich in einer konstruktiven Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den BewohnerInnen, so dass z.B. eine Wertschätzung der Arbeit der Männer erreicht wird. Wir verfassen Mitteilungen an die Mieter in mehreren Sprachen über die Neuerungen in der Grünanlage und deren Bedeutung. (z.B. sind viele BewohnerInnen darüber entsetzt, daß die seit 10 Jahren nicht beschnittenen Hecken radikal beschnitten werden müssen, besonders wenn auch die Privatsphäre der Vorgärten dadurch beeinflusst wird.)
Wir führten in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern der Maßnahme und mit 40 Kindern der Siedlung eine Müllsammel- und Aufklärungsaktion durch. Kinder sammelten selbst mit Greifern den Müll auf. Spielerisch wurden sie mit dem Konzept von Mülltrennung und der Bedeutung von Verschmutzung vertraut gemacht.
Voraussetzung für die sich neu entwickelnden ganzheitlicheren Methoden der Wohnumfeldverbesserung war die Kooperationsbereitschaft der Hausverwaltung
2001 wechselte die Hausverwaltung und nahm Kontakt mit dem Nachbarschaftshaus auf. In gemeinsamen Gesprächen wurden gemeinsame Interessen formuliert, die eine Basis für die weitere Zusammenarbeit bildeten.

  • Die Hausverwaltung war davon überzeugt, dass sie die Hauseigentümer zu Reinvestitionen veranlassen muss, damit die Siedlung auch langfristig wieder für BewohnerInnen aus der Mittelschicht attraktiv wird. Dazu kam die Einsicht, dass parallel zu Reinvestitionen in die Wohnumfeldverbesserung Maßnahmen notwendig sind, die zur Identifizierung der BewohnerInnen mit ihrem Wohnumfeld beitragen, um nachhaltig zu wirken.
  • Wichtig war die Einbeziehung der Hausverwaltung in die Trägerrunde. Durch die Vorbereitung des kommunalpolitischen Runden Tisches, an dem die Hausverwaltung großes Interesse hatte, denn auch sie wollte die Kommunalpolitik in die Verantwortung nehmen, entstand eine Zusammenarbeit auf der Basis gemeinsamer Interessen.
  • Die Hausverwaltung entwickelt die Weitsicht, dass auch für die Wohnungswirtschaft Strategien zur sozialen Stabilisierung der BewohnerInnen wichtig sind.

Kein Konsens besteht zwischen der Hausverwaltung und dem Nachbarschaftshaus hinsichtlich der Einschätzung der Sicherheit und der Notwendigkeit der Installation eines Sicherheitsdienstes sowie der Position und dem Umgang mit dem informellen Arbeitsmarkt. GWA betont die Hintergründe der Situation der BewohnerInnen. Viele MigrantInnen sind aufgrund von Armut in den Herkunftsländer in Deutschland. Durch ihre Migration sind sie unterqualifiziert und viele haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Aufgrund dessen entstand in der Siedlung partiell ein informeller Arbeitsmarkt, um somit wenigstens ansatzweise Teilhabe an kapitalistischen Werten und Statussymbol (wenn auch auf ungesetzlicher Basis) zu haben.


Fazit interkultureller Gemeinwesenarbeit in der Düttmann-Siedlung

Globale Abhängigkeitsverhältnisse und somit Strukturen durch die Migration entsteht spiegeln sich im Mikrokosmos der Düttmann-Siedlung wieder.

Viele Menschen, mit denen wir es zu tun haben, kamen (nicht freiwillig) mit dem Wunsch hierher, ein Teil dieser Gesellschaft zu werden, um somit auch auf der Gewinnerseite der Globalisierung zu stehen. Viele stehen in der Verantwortung, ihre Familien in ihrem Herkunftsland finanziell zu unterstützen. Sie merken jedoch, dass die Grenzen, auf denen Globalisierung beruht auch in ihren Körpern festgeschrieben sind.

  • Interkulturelle Arbeit in der Düttmann-Siedlung ist faktisch Integrationsarbeit, nicht Vereinnahmung, sondern Unterstützung handelnder Subjekte (Interessensgruppen), um Türen zu dieser Gesellschaft zu öffnen und Auseinandersetzung zu fördern.
  • der Dialog zwischen Nachbarschaftshaus und BewohnerInnen ist ein gegenseitiger Lernprozeß und benötigt einen hohen Grad an Sensibilisierung, kontinuierliche Arbeit und Ansprechpersonen.
  • Interkulturelle Arbeit bedeutet in der Praxis ein Konglomerat von Beratung, Qualifizierung, Selbsthilfe, Eigenengagement, Feste feiern, soziale und politische Auseinandersetzungen und Wohnumfeldverbesserung.

Zukunftsperspektiven

  • Einen Schwerpunkt werden wir über die Arbeit mit den Kindern zukünftig auf die Elternarbeit legen. Dies bedeutet für uns verstärkt, die Vernetzung mit der Schule zu fördern und durch die Arbeit mit den Kindern die Eltern zu motivieren, ein Teil des Prozesses in der Förderung ihrer Kinder zu werden.
    Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen reichten wir bei "Aktion Mensch" einen Antrag ein, der den Fokus auf die Einbeziehung der Eltern in die Arbeit mit den Kindern hat. Eltern sollen zum einen Beratung und Unterstützung erfahren und zum anderen soll ihre Kompetenz und ihr Interesse bei der Mitarbeit durch Qualifizierung gefördert werden. Somit soll auf unterschiedlichen Ebenen ein Selbsthilfenetzwerk der Eltern entstehen mit fachlicher Begleitung. Wenn Eltern in dieser Arbeit Schlüsselrollen übernehmen, soll ihre Arbeit auch finanziell honoriert werden.
  • Während der drei Jahre, in denen die Räume des Mietertreffs mit Leben gefüllt wurden, entstand eine starke Identifizierung mit dem Ort. Immer mehr BewohnerInnen möchten diesen Ort mit Aktivitäten füllen. Wir möchten in Verhandlung mit der Hausverwaltung neue Räume öffnen, um unterschiedlichen Interessengruppen Raum zu geben. Ein Wunschziel ist, einen interkulturellen selbstverwalteten Treffpunkt in der Siedlung aufzubauen.
  • Wir streben in der Trägerrunde eine weitere Vernetzung mit Schulen und Bildungseinrichtungen an, wie auch mit MigrantInnenvereinen. Durch einen zweiten Runden Tisch soll die Kommunalpolitik weiterhin in die Verantwortung genommen werden. Die Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung aufgrund der gemeinsamen Interessen und im Sinne der BewohnerInnen muss intensiviert werden. Dies bedeutet auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Hausverwaltung.
  • Um die Qualifikation von Frauen und Männern zu fördern, werden wir zukünftig verstärkt kooperieren mit bzw. weitervermitteln an kompetente interkulturelle Vereine und Projekte.