Flüchtlinge in Nachbarschaften
Flüchtlinge in Nachbarschaften, eine systematische Skizze zur integrativen Kraft der Stadtteilarbeit
Prof. Dr. Gaby Straßburger, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB)
Was unternehmen Stadtteilzentren, Nachbarschaftshäuser oder Bürgerhäuser derzeit (Herbst 2015), um mit ihren Ressourcen die Teilhabe geflüchteter Menschen zu fördern? Wie sorgen sie dafür, dass sich die Neuankömmlinge in ihrer Nachbarschaft wohlfühlen und sich in Bildungs-, Sozial- und Kultureinrichtungen integrieren können? Dieser Artikel[1]skizziert, welche Aufgaben die Stadtteileinrichtungen typischerweise übernehmen bzw. übernehmen können, um Integration zu fördern und wie sie sich dabei an professionellen Standards orientieren.
Die idealtypische Betrachtung stützt sich in erster Linie auf Gespräche mit hauptamtlichen Fachkräften und Freiwilligen, die sich in Stadtteileinrichtungen, Flüchtlingsunterkünften und Initiativgruppen engagieren, um geflüchteten Menschen das Ankommen zu erleichtern.[2] Auch wenn gerade die Vielfalt der Aktivitäten beeindruckend ist, scheint es hilfreich, sie auf fünf zentrale Aufgaben zu reduzieren, um einen systematischen Überblick zu geben.[3]
Abbildung 1Typische Aufgaben integrierender Flüchtlingsarbeit durch Stadtteilzentren
Die erste Aufgabe, die Stadtteileinrichtungen im Rahmen der integrierenden Flüchtlingsarbeit übernehmen, liegt im Informationsmanagement und der Öffentlichkeitsarbeit. Die zweite Aufgabe besteht darin, Initiativen zu begleiten und Projekte zu koordinieren. Drittens gilt es, Begegnung zu ermöglichen und Begleitung zu organisieren. Die vierte Aufgabe, die sich identifizieren lässt, besteht darin, Kräfte zu bündeln und Zugänge zu schaffen. Die fünfte Aufgabe schwingt bei den anderen Aufgaben bereits mit und wird die Arbeit der Stadtteilzentren vor allem in der Zukunft prägen: die Ermöglichung von Teilhabe und Teilgabe.[4]
Im Folgenden wird gezeigt, wie Stadtteileinrichtungen diese Aufgaben erfüllen und wie es ihnen gelingt, auch unter schwierigen Bedingungen und hohem Zeitdruck professionelle Standards zu wahren.
1. Informationsmanagement & Öffentlichkeitsarbeit
Stadtteilzentren sind oft wahre Informationsbroker im Hinblick auf die lokale Situation geflüchteter Menschen. Kontinuierlich sammeln und verteilen sie Informationen, strukturieren Informationsflüsse und nutzen ihre vertrauten Kontakte, um herauszufinden, was geplant ist oder gebraucht wird und um entsprechendes Wissen an diejenigen weiterzugeben, die davon erfahren müssen oder wollen. Das alles unter hohem Zeitdruck, der das ganze Geschehen derzeit prägt.
Vor Ort informieren
Vielen fällt die Aufgabe zu, die Nachbarschaft darüber zu informieren, dass in ihrer Umgebung eine Unterkunft geplant ist. Auch wenn sie selbst manchmal erst aus den Medien erfahren, dass demnächst geflüchtete Menschen in der Nachbarschaft untergebracht werden, kümmern sie sich darum, schnell nähere Informationen zu bekommen und dafür zu sorgen, dass die Nachbarschaft weiß, was geplant ist und sich darauf einstellen kann. Schließlich zeigt sich immer wieder, wie rasch die Stimmung kippt, wenn nicht kontinuierlich informiert und transparent gehandelt wird. Undurchsichtige Situationen machen Angst und können leicht von rechten und xenophoben Gruppen genutzt und instrumentalisiert werden.
Selbst wenn oft wenig Zeit bleibt, Bürgerversammlungen zu organisieren, ist das Echo meist gewaltig: 1000 Einladungen verteilt und 300 Menschen drängen sich im Saal – ein Verhältnis, das man bei noch so aufwändig gestalteten aktivierenden Befragungen selten erzielt und das zeigt, dass hier der Nerv getroffen wird.
Dabei sind die Meinungen der Besucher durchaus kontrovers, von wohlwollend über verängstigt zu kritisch und bisweilen durchaus feindselig. Mehrere Stadtteilzentren betonen, dass sie sehr darauf achten, die Diskussion durch ausgewogene Informationen zu versachlichen. Ihnen ist es wichtig, alle zu informieren, jedem Raum für Fragen zu geben und Ängste ernst zu nehmen. So hoffen sie, präventiv den Einfluss von Gruppierungen zu begrenzen, die durch einseitige und tendenziöse Informationen Ängste schüren.
Einige Stadtteilzentren richten darüber hinaus regelmäßige Anwohnerdialoge oder Bürgersprechstunden ein. Damit signalisieren sie, dass sie sich nicht nur um geflüchtete Menschen kümmern, sondern die ganze Bevölkerung des Stadtteils im Blick haben. Jeder kann kommen, auf Probleme hinweisen, Befürchtungen offen aussprechen oder sich näher informieren.
Dass ein hoher Gesprächs- und Informationsbedarf besteht, zeigen u.a. Berichte aus verschiedenen Patenschaftsprojekten. Bei ihnen melden sich keineswegs nur Menschen, die sich konkret für das jeweilige Projekt interessieren, sondern auch viele, die mehr über die Flüchtlingslage erfahren oder ihrem Ärger Luft machen wollen. In aufklärenden Gesprächen gelingt es dann mitunter diffuse Ängste zu zerstreuen, aber es kostet natürlich auch Zeit und Energie, die dem eigentlichen Projekt fehlt. Umso wichtiger sind Bürgersprechstunden, Anwohnerdialoge und ähnliche Angebote, die niedrigschwellig Informationen bieten.
Unterstützung durch Informationsmanagement begleiten
Sobald die Unterbringung geflüchteter Menschen in der Nachbarschaft bekannt wird und Stadtteilzentren als Organisatoren von Informationsveranstaltungen oder durch einen Aufruf zur Mitgestaltung in Erscheinung treten, sind sie Anlaufstelle für zahlreiche Menschen, die helfen oder sich engagieren wollen. Dieses hohe Engagement gilt es durch professionelle Unterstützung gewinnbringend zu bündeln, effektiv zu organisieren und kontinuierlich zu begleiten. Dabei ist gutes Informationsmanagement das A & O.
Die wichtigste Basis, die Stadtteilzentren dafür nutzen, sind die bereits bestehenden Kontakte: über Jahre aufgebaute persönliche Beziehungen zu engagierten Schlüsselpersonen aus der Nachbarschaft und dem Vereinswesen, aus sozialen Einrichtungen, Kitas und Schulen sowie aus dem lokalen Gewerbe. Sie alle tragen dazu bei, dass Informationen rasch an die richtigen Stellen fließen und Bedarfe zeitnah ermittelt werden.
Daneben ist die Vernetzung mit Politik, Verwaltung und sozialen Einrichtungen eine wichtige Grundlage, um sich zeitnah über aktuelle Ereignisse und Planungen auszutauschen. Sei es, indem in bestehenden Runden darüber informiert wird, sei es, indem Gremien und Netzwerke ins Leben gerufen werden, die sich speziell damit befassen, wie man auf die neue Situation im Stadtteil reagiert. Stadtteilzentren haben in solchen Runden oft die Funktion eines „Sozialraum-Seismografen“: sie berichten, was vor Ort gerade passiert, funktioniert oder fehlt.
Nicht zu vergessen ist natürlich auch die Information der Geflüchteten selbst. Welche Möglichkeiten bieten sich ihnen im Stadtteil, welche Anlaufstellen und Dienstleistungen gibt es in der Umgebung? Viele Stadtteilzentren kümmern sich zusammen mit anderen Institutionen und Initiativen darum, einen Flyer oder Kiezatlas zu erstellen, der Anlaufstellen auf einem Umgebungsplan zeigt und in den wichtigsten Herkunftssprachen über Angebote informiert.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Stadtteilzentren betreiben außerdem intensive Öffentlichkeitsarbeit und nutzen unterschiedliche Medien, um zeitnah zu informieren, über Aktivitäten zu berichten oder für Engagement zu werben. Das Spektrum reicht von themenspezifischen Rubriken in der eigenen Stadtteilzeitung oder auf der homepage, bis zur Einrichtung von Internet-Blogs und Mitteilungen in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, Google+ etc.), die auch jüngere Menschen erreichen und zu Engagement einladen.
Soviel zum Informationsmanagement. Welch breiten Raum es einnimmt und wie herausfordernd es ist, zeigt die Feststellung einer Stadtteilkoordinatorin: „Im Bezirk eine extra Stelle für das Informationsmanagement zu haben, steht bei mir ganz oben auf dem Wunschzettel.“
2. Initiativen begleiten & Projekte koordinieren
Andere Aufgaben, die Stadtteilzentren im Rahmen ihrer integrierenden Flüchtlingsarbeit übernehmen, lassen sich dem Freiwilligen- und Spendenmanagement und der Projektkoordination zuordnen.
Engagementbereitschaft aufgreifen und steuern
Stadtteilzentren sind Anlaufstellen für Menschen, die sich im Rahmen der Flüchtlingsarbeit neu engagieren wollen, sie sind aber auch „Heimat“ von Menschen, die schon viel Erfahrung mit Engagement im Stadtteil haben. So kann es nicht erstaunen, dass in den Stadtteilzentren mannigfaltige Projekte starten, um geflüchtete Menschen willkommen zu heißen, sie zu unterstützen und sozial zu integrieren. Zahlreiche Initiativen und Arbeitsgruppen werden von den Fachkräften dabei unterstützt, entsprechend ihrer jeweiligen Interessen und Ressourcen Angebote für und mit Geflüchteten zu entwickeln. Die Stadtteilzentren bieten fachlichen Rat, Räume und Materialien und auch immer wieder Fortbildungen, beispielsweise zur komplizierten Rechtslage oder zum Umgang mit traumatisierten Menschen.
Und auch hier lässt sich feststellen: die Breite und die hohe Qualität des zivilgesellschaftlichen Engagements resultieren aus der aktivierenden Arbeit, die im Lauf der letzten Jahre geleistet wurde. Wo – wie eine Gesprächspartnerin mitteilte – mehr als 100 Ehrenamtliche einen eigenen Schlüssel für das Stadtteilzentrum haben und positive Erfahrungen damit machen, aktiv zu sein, entsteht – wie sie sagt - ein „Klima der Offenheit, des Machens und des Gestaltens“, das sich nun auch im Engagement für geflüchtete Menschen niederschlägt. So entwickeln sich aus einer ersten Initiative rasch weitere AG’s und Projekte, teils durch das Stadtteilzentrum unterstützt, teils alleine aktiv. Diesen Initiativen bringt die Mitarbeiterin des Stadtteilzentrums bewusst einen Vertrauensvorschuss entgegen, um das Engagement nicht durch zu viel Bürokratie zu schwächen. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass Sicherheitsstandards eingehalten werden - vor allem im Kinder- und Jugendbereich, wo ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden muss.
Bedarfsklärung und Spendenmanagement
Eine wichtige Aufgabe von Stadtteilzentren besteht darin, die Spenden- und Hilfsbereitschaft im Stadtteil zu kanalisieren und Strukturen zu schaffen, die dafür sorgen, dass bei den Geflüchteten genau das ankommt, was sie brauchen, und dass es zu einem passenden Zeitpunkt und in einer angemessenen Form übergeben wird. Bedarfsklärung, Akquise zielgerichteter Spenden und ggf. Bereitstellung und Organisation von Lager- und Sortierungsflächen für Sachspenden sowie Vermittlung von Ehrenamtlichen für diese Arbeiten … das sind aktuell typische Aktivitäten von Professionellen und Ehrenamtlichen in Stadtteilzentren.
Hinzu kommt die nicht minder wichtige, aber zeitaufwändige Akquise von Finanzmitteln: durch Anträge bei staatlichen Institutionen, Stiftungen oder anderen Geldgebern und/oder durch gezielte Fundraising- und Spendenaktionen.
Um zu klären, was aktuell gebraucht wird, wenden sich Stadtteilzentren direkt an die Flüchtlingsunterkünfte. Der engen Abstimmung mit den Unterkünften kommt nicht nur bei der Bedarfsklärung, sondern auch bei der Entwicklung von Angeboten und Projekten große Bedeutung zu. Viele Unterkünfte sehen sich mit einer Spenden- und Engagementbereitschaft konfrontiert, die sie zwar im Interesse der Bewohner gern aufgreifen wollen, aber selbst gar nicht managen können. In solchen Fällen kann die koordinierende Tätigkeit von Stadtteilzentren den entscheidenden link darstellen und dazu beitragen, dass passgenaue Unterstützung möglich wird.
Solange geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften leben – was angesichts des zunehmend angespannten Wohnungsmarktes mittelfristig die Regel sein dürfte – fungieren die Fachkräfte in den Unterkünften als Sprachrohr für die Bewohner und als gatekeeper gegenüber Einzelnen und Initiativen, die dort Projekte ansiedeln wollen. Daher ist es zentral, sie dafür zu gewinnen, an den Koordinierungsrunden teilzunehmen, in denen der Austausch über aktuelle Bedarfe und laufende Projekte erfolgt. Wo das nicht möglich ist, gilt es andere Strukturen zu entwickeln, um miteinander kooperieren zu können.
Insgesamt wird angesichts der aktuellen Entwicklung, die kurzfristiges Handeln erfordert, immer wieder deutlich, dass zivilgesellschaftliches Engagement nicht von allein gut funktioniert, sondern organisiert und koordiniert werden muss. Diese Aufgabe übernehmen an vielen Orten die Stadtteilzentren. Als „Erstanlaufstelle für Partizipation im Stadtteil“ haben sie Kontakt zu vielen, die Erfahrung mit Beteiligung haben und nun auch im Bereich der Flüchtlingsarbeit Verantwortung übernehmen wollen und können.
3. Begegnung ermöglichen & Begleitung organisieren
Für die soziale Integration ist die persönliche Begegnung zwischen alten und neuen Bewohnern des Stadtteils zentral. „Wenn sich Menschen erst einmal direkt begegnen, gelingt es meist, Brücken zu schlagen“ resümiert die Mitarbeiterin eines Stadtteilzentrums ihre Erfahrung, wie sich Bedenken am schnellsten auflösen.
Eine Gelegenheit, sich unverbindlich kennenzulernen, bieten Feste oder regelmäßige Begegnungstage – wenn möglich von Geflüchteten und Willkommensinitiativen gemeinsam organisiert und vom Stadtteilzentrum logistisch begleitet und finanziell unterstützt. Auch die Einladung zu konkreten Aktivitäten kann ein Anfang sein. Wenn beispielsweise Mitglieder einer Gartengruppe auf die neuen Nachbarn zugehen und sie einladen, gemeinsam zu gärtnern, finden sie schnell auch über Sprachgrenzen hinweg zueinander.
Oft erfolgt der Kontakt über Personen, die direkt mit Geflüchteten arbeiten, z.B. über Fachkräfte im Bildungsbereich. Wer in Kindertagesstätten, Schulen oder Sprachkursen tätig ist, kann in der Regel ziemlich gut einschätzen, welche Kontakte gewünscht sind und wie sie sich herstellen lassen. Immer wieder ist zu erfahren, dass vor allem „Zeitspenden“ gefragt sind: Beratung im Alltag, um sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, Begleitung zu Behörden und Ärzten, Hausaufgabenhilfe für die Kinder, Deutschpraxis für die Erwachsenen. Stadtteilzentren geben solche Informationen weiter und sprechen geeignete Personen an.
Patenschafts- und Mentorenprojekte
Eine besonders intensive Möglichkeit zwischenmenschlicher Begegnung und Begleitung im Alltag bieten Patenschafts- oder Mentorenprojekte, die auf individuell abgestimmten und professionell begleiteten 1-zu-1-Beziehungen beruhen. Hier ist ein Knackpunkt die gemeinsame Sprache, wobei die Suche nach passenden Freiwilligen umso leichter fällt, je intensiver Stadtteilzentren bereits mit Menschen kooperieren, die aus den gleichen Regionen wie die Geflüchteten stammen und ihnen Ansprache, Zuspruch und Trost in der Muttersprache bieten können.
Einige Stadtteilzentren arbeiten mit semiprofessionellen Integrationslotsen, die über das Jobcenter gefördert und entsprechend qualifiziert werden. Idealerweise stammen sie aus dem Stadtteil, haben selbst einen Migrationshintergrund und beherrschen eine der relevanten Herkunftssprachen. Ihre Aufgabe besteht darin, einen persönlichen Kontakt aufzubauen und als Sprach- und Kulturmittler zu fungieren. Sie begleiten Geflüchtete zu Ämtern oder Ärzten, informieren über diverse Unterstützungs-, Freizeit- oder Bildungsangebote und helfen ihnen, Zugang zu bekommen.
Selbstverständlich kann man nicht davon ausgehen, dass jemand die persönliche Begleitung und Unterstützung von geflüchteten Menschen übernehmen kann ohne selbst qualifiziert und begleitet zu werden. Die Fachkräfte der Stadtteilzentren sind daher immer als Ansprechpartner gefragt, wenn Freiwillige an ihre Grenzen stoßen, Informationen und Weiterbildung brauchen oder es zwischenmenschlich nicht funktioniert.
4. Kräfte bündeln & Zugänge schaffen
Beim Aufbau einer verlässlichen Struktur zur Koordinierung des zivilgesellschaftlichen Engagements und der professionellen Unterstützung hilft die über Jahre hinweg geleistete aktivierende und vernetzende Arbeit der Stadtteilzentren.
Die Situation der Neuankömmlinge und die Herausforderungen, die sich im Zuge ihrer kurz- und mittelfristigen Integration stellen, stehen regelmäßig auf der Agenda der Vernetzungsrunden der Einrichtungen und Träger im Sozialraum. Über diese etablierten Strukturen können Schulen, Kitas, Jugendhilfe-, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen erreicht und eingebunden werden. Gewachsene kollegiale Beziehungen erleichtern es, bürokratische Verfahren zu beschleunigen, strukturelle Mängel zu erkennen und Lösungen dafür zu finden oder mit vereinter Kraft auf Missstände hinzuweisen.
Willkommensbündnisse der organisierten Zivilgesellschaft
Darüber hinaus kommt der organisierten Zivilgesellschaft eine bedeutende Rolle zu. In vielen Stadtteilen schließen sich mit Hilfe von Stadtteilzentren Kirchen, Moscheegemeinden, Freizeitgruppen, antirassistische Initiativen, Sportvereine, Ärzte, Schulen, Hochschulen und lokale Unternehmen etc. zu einem überparteilichen Willkommensbündnis zusammen. Sie machen sich gemeinsam für eine gute Nachbarschaft stark und weisen beharrlich auf Missstände hin. Ihre Erfolgschancen sind umso größer, je vielfältiger der Hintergrund der Akteure ist, die sich daran beteiligen und je besser es gelingt, Netzwerke und Schlüsselpersonen einzubinden, die im Stadtteil verankert sind und viele Menschen mobilisieren können.
Solche von Vielfalt geprägten zivilgesellschaftlichen Willkommensbündnisse haben eine wichtige Funktion für die Integration im Stadtteil. Sie können niedrigschwellige Zugänge zu zahlreichen lokalen Netzwerken und Institutionen schaffen und damit Geflüchteten Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Teilhabe eröffnen. So ließ sich beispielsweise beobachten, dass beim Treffen einer Willkommensinitiative die Frage nach einem Buchhaltungspraktikum für einen 20-jährigen aus Syrien sofort auf positive Resonanz stieß.
Integrationsangebote unter dem Dach der Stadtteilzentren
Auch in den Stadtteilzentren selbst gibt es zahlreiche Ansatzpunkte zur Integration der neuen Nachbarn. Zunächst einmal bieten Stadtteilzentren ein Haus mit offenen Türen und Räumen, die allen in der Nachbarschaft zur Verfügung stehen und Gelegenheit geben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Einen solchen Ort zu haben, ist gerade für Menschen essentiell, die unter extrem beengten Verhältnissen leben, die in ihrem Alltag auf zahlreiche Zugangsbarrieren stoßen oder die als Neuankömmlinge Anschluss in einer neuen Umgebung suchen.
Zudem werden in den Stadtteilzentren derzeit viele Angebote geschaffen, die gezielt auf geänderte Bedarfe reagieren, Begegnung ermöglichen oder gegenseitige Unterstützung fördern. Beispiele hierfür sind kostenfreier Zugang zum Internet, Sozial- und Rechtsberatung, psychologische Beratung für traumatisierte Menschen, Sprachkurse und Tandemprojekte, Praktikums- und Hospitationsmöglichkeiten oder Begegnungs-, Tanz- und Theaterprojekte.
Daneben bieten aber auch bereits bestehende Strukturen in den Stadtteilzentren zahlreiche Möglichkeiten der Integration. Das gilt sowohl für die Einrichtungen in ihrer eigenen Trägerschaft befinden, als auch für die vielfältigen sozialen und kulturellen Angebote, die unter ihrem Dach beheimatet sind. Sie alle sind gefragt, sich bewusst für die neuen Bewohner des Stadtteils zu öffnen: indem sie Geflüchtete auf ihr Angebot aufmerksam machen, sie einladen und evt. persönlich dorthin begleiten und indem sie ganz generell dafür sorgen, dass mögliche Zugangsbarrieren beseitigt werden und eine Atmosphäre des Willkommen Seins entsteht.[5]
Die Erfahrung zeigt, dass geflüchtete Menschen sich selten aus eigener Initiative an Stadtteilzentren wenden, um von der Angebotsvielfalt zu profitieren, die dort zu finden ist. Nicht nur, weil sie sich im Deutschen noch unsicher fühlen, sondern auch weil die wenigsten in ihrem Herkunftsland Stadtteil- oder Nachbarschaftsarbeit kennengelernt haben. Daher gilt es, sie ausdrücklich einzuladen, ihnen Wege zu öffnen und aufmerksam zu beobachten, ob es etwas gibt, was die Teilnahme erschwert und darauf flexibel zu reagieren.[6]
Viele der beschriebenen Aktivitäten bieten Ansatzpunkte für ein Miteinander, das über bloße Begegnung und das Nutzen von Angeboten hinausreicht. Sie bergen auch die Chance zu Teilhabe und Teilgabe und damit zu gesellschaftlicher Integration.
5. Teilhabe & Teilgabe
Barbara John hat in einem Essay vom 22. August diesen Jahres eindringlich beschrieben, wie wichtig Teilhabe ist, um über den Status eines Flüchtlings, der der Gesellschaft zur Last fällt, hinwegzukommen: „Flüchtling zu sein ist eine kaum erträgliche Bürde. Ich weiß noch aus meiner Kindheit, wie meine Mutter darunter gelitten hat. Aber über viele Jahre wie ein Flüchtling leben zu müssen, selbst in einem sicheren Aufnahmeland, ist eine menschliche Katastrophe. Es entwurzelt und tötet das Selbstwertgefühl. Nicht mehr dazuzugehören, immer abhängig zu sein, nichts mehr eigenverantwortlich auf die Beine zu stellen. In dieser Situation leben Flüchtlinge auch bei uns oft jahrelang.“[7]
Hier Abhilfe zu schaffen, ist eine Aufgabe, der sich die Stadtteilzentren bewusst stellen. In den Gesprächen mit den Fachkräften wurde immer wieder betont, dass sie paternalistische Formen der Hilfe vermeiden oder rasch überwinden wollen.[8]
Statt paternalistischer Fürsorge …
„Wir müssen möglichst schnell davon wegkommen, einseitig Hilfe anzubieten und uns stattdessen darauf konzentrieren, was geflüchtete Menschen an Fähigkeiten mitbringen und wie sie sich einbringen können und wollen.“ Mit dieser Aussage bringt der Leiter eines Stadtteilzentrums professionelle Standards auf den Punkt. Statt Menschen, die im Moment oder in einem bestimmten Bereich Unterstützung brauchen, weitreichend fürsorglich zu versorgen und damit ihre Abhängigkeit zu zementieren, richtet sich der Blick auf ihre Interessen und Fähigkeiten.
Diese partizipative Grundhaltung immer wieder zu betonen, scheint angesichts der großen Hilfsbereitschaft, die leicht in Paternalismus abdriftet, essentiell. Daher besteht eine wichtige Funktion der Professionellen in den Stadtteilzentren darin, immer wieder darauf zu achten, dass die strukturellen Weichen auf Partizipation ausgerichtet werden.[9]
... Weichenstellung in Richtung Partizipation
Partizipation spielt bereits bei der Konzeption von Projekten und Angeboten eine zentrale Rolle. Sie erfolgt in Absprache mit den Geflüchteten und dockt an deren Interessen und Bedürfnissen an. Auch wenn fast alle Neuankömmlinge direkt nach der Ankunft Unterstützung bei Behördengängen, Rechtsberatung und Sprachkurse brauchen, unterscheiden sich die weiteren Bedürfnisse der Einzelnen. Es ist daher wichtig, möglichst bald mit geflüchteten Menschen selbst zu sprechen anstatt sich darauf zu verlassen, dass andere, nur weil sie täglich mit ihnen in Kontakt stehen, auch für sie sprechen können.
Der partizipative Arbeitsansatz zeigt sich darüber hinaus darin, dass Fachkräfte bei der Konzeption von Projekten und Angeboten berücksichtigen, welchen part Betroffene selbst übernehmen können. Damit schaffen sie Gelegenheiten zur aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben des Stadtteils und stärken die Position der Neuankömmlinge im sozialen Gefüge. Beispielsweise kann ein Multikulturelles Café einmal pro Woche alten und neuen Bewohnern des Stadtteils die Möglichkeit geben, sich kennenzulernen. Dort können geflüchtete Menschen tätig werden, indem sie Speisen zubereiten oder ehrenamtlich andere Aufgaben übernehmen. Räumlichkeiten und Lebensmittel werden über das Stadtteilzentrum finanziert. Das Konzept zielt auf ein partnerschaftliches Miteinander, das von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt ist. Es eröffnet auch geflüchteten Menschen die Chance, sich einzubringen, mitzuentscheiden und mitzugestalten und ihr Können und ihre Bereitschaft zu zeigen, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Teilgabe: einen einzigartigen Beitrag leisten
Im Idealfall gelingt es mit partizipativ gestalteten Projekten neben Gelegenheiten zur Teilhabe auch Möglichkeiten zur Teilgabe zu schaffen. Teilgabe bedeutet, Perspektiven, Fähigkeiten und Ressourcen einbringen zu können, über die andere nicht verfügen. Es bedeutet, etwas Einzigartiges beitragen zu können und damit einen Mehrwert zu schaffen.[10] Menschen mit Fluchterfahrungen, die in der Gesellschaft angekommen sind, können ihr auf diese Weise etwas zurückgeben. Wenn sie im Rahmen eines Erzählcafés oder einer Informationsbroschüre von ihrem früheren Leben und von den Erfahrungen berichten, die sie schließlich dazu bewegt haben, den Weg nach Deutschland zu suchen, erleichtert die Authentizität ihrer Schilderung Empathie und Solidarität. Wenn sie an der Erstellung eines Kiezatlasses mitarbeiten und sagen, welche Einrichtungen für sie besonders wichtig sind und welche Informationen sie brauchen, um sie nutzen zu können, dann trägt ihre Lebensweltexpertise dazu bei, dass auch andere in einer vergleichbaren Lage den Kiezatlas als hilfreich empfinden.
Gelegenheiten zur Teilgabe eröffnen sich selten, wenn nicht jemand bewusst dafür sorgt, sie zu schaffen. Hier ist die Fachkompetenz aus den Stadtteilzentren gefragt. Sie können Geflüchtete nicht nur dabei unterstützen, sich für andere zu engagieren, sondern auch in eigener Sache aktiv zu werden, beispielsweise indem sie sich organisieren, um gemeinsam auf Probleme in den Unterkünften oder bei Behörden hinzuweisen.
Unbedingt nötig sind Bündnispartner und Flexibilität
Bei all diesen Aktivitäten und dadurch erzielten Erfolgen darf nicht vergessen werden, dass die Stadtteilzentren und die lokale Zivilgesellschaft nicht allein für soziale Integration verantwortlich sein können. Sie können Impulse geben, Aktivitäten koordinieren, ihr Sozialraumwissen einbringen und ihre Netzwerke mobilisieren, um sich für ein gutes Miteinander stark zu machen. Aber damit daraus eine lebendige Willkommenskultur wird, brauchen sie starke Bündnispartner im Land und in der Kommune, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Unterstützung der Geflüchteten stark machen.
Von den Ämtern ist beispielsweise Flexibilität gefragt, wenn ihre Vorgaben professionelle Standards außer Kraft zu setzen drohen. Ein besonders irrwitziges Beispiel schildert Barbara John in ihrem bereits erwähnten Essay: „In einer Runde mit Vertretern des Senats und der Freien Wohlfahrt in Berlin wird diskutiert, wie in einem Unterbringungsheim mit eintausend Plätzen der Betrieb in der Halle mit den vielen Waschmaschinen gemanagt werden kann. Bezahlte Kräfte gäbe es dafür nicht. Jemand schlägt vor, das Management und das Leeren der vielen Papierkörbe geeigneten Flüchtlingen für ein kleines Entgelt oder gar als ehrenamtliche Arbeit zu übertragen. Die sonstige Reinigung wird ohnehin von Firmen erledigt. Die Antwort der zuständigen Senatsverwaltung: Geht gar nicht. Das sei ja eindeutig Schwarzarbeit. Entweder man schaffe legale Arbeitsplätze oder solche Leistungen können nicht erbracht werden. Basta.“[11]
Hier sind noch dicke Bretter zu bohren, um Teilhabe und Teilgabe realisieren zu können.
Stadtteilzentren als politische Schrittmacher
An dieser Stelle scheint der Hinweis angebracht, dass die Art von Teilhabe und Teilgabe, nach der geflüchtete Menschen streben, sich natürlich nicht in der Mitarbeit an einem Erzählcafé oder einem Kiezatlas erschöpft. Ihr Ziel ist es, hier zu leben, zu wohnen, zu arbeiten, die Familie zu ernähren, den Alltag zu organisieren und auf diese Weise Teil der hiesigen Gesellschaft zu werden. Im Hinblick darauf sind Angebote im Stadtteil ein wichtiger Beitrag, aber sie sind vor allem wichtig, um bessere Startpositionen auf dem Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe und Integration zu schaffen.
Ob es Geflüchteten möglich sein wird, dieses Ziel zu erreichen oder ob sie daran gehindert werden, entscheidet sich nicht im Stadtteil, sondern auf bundespolitischer Ebene. Hier stehen wir momentan an einem politischen Scheideweg. Bewegen wir uns in Richtung eines für Einwanderung offenen Landes oder geht es in Richtung Abschottung? Das ist im Moment (Herbst 2015) ja noch keineswegs ausgemacht und die Signale der etablierten Politik sind widersprüchlich.
Professionelle Angebote (seien es Stadtteilzentren oder sonstige soziale Projekte) können letztlich nicht über den durch die Politik limitierten Rahmen hinaus, sie stoßen daher immer wieder an Grenzen ihrer Macht. Aber nichtsdestotrotz können sie durch ihr vernetztes Handeln mit kommunal- und landespolitischen Bündnispartnern politische Schrittmacher sein und den Integrationswillen „von unten“ stärken.
6. Professionelle Standards wahren
Deutliche Verbesserungen werden bei den Rahmenbedingungen angemahnt. Alle befragten Fachkräfte betonen, dass die Ressourcen endlich sind und sie nicht wissen, wie lange sie noch so weiterarbeiten können. Besonders dringend benötigt wird zusätzliches Personal, um das zivilgesellschaftliche Engagement besser koordinieren, die Freiwilligen ausreichend qualifizieren und die Öffentlichkeit angemessen informieren zu können. Immer wieder geraten Projektideen an ihre Grenzen, weil Sach- und Honorarmittel dafür fehlen bzw. erst einmal aufwändig beschafft werden müssen – wobei die Relation von Aufwand und Nutzen nicht immer ausgewogen ist. „Ständig Gelder beantragen zu müssen, ist mühselig und als Antwort auf ehrenamtliches Engagement wirklich ernüchternd,“ so die Aussage einer ehrenamtlich tätigen Projektmanagerin.
Mit Kräften haushalten und Freiwillige stärken
Nicht nur das Beantragen von Fördergeldern stellt eine große Herausforderung dar. Bei der Begegnung mit geflüchteten Menschen sind die Freiwilligen auch mit Leidensgeschichten konfrontiert, die sie häufig überfordern. Die meisten Geflüchteten haben traumatisches erlebt und mussten Dinge mit ansehen, die wir uns kaum vorstellen können. Deshalb versuchen Stadtteilzentren, den Ehrenamtlichen Angebote zu unterbreiten, die sie dabei unterstützen, das Gehörte zu verarbeiten. Sie arrangieren Gesprächskreise mit Seelsorgern oder laden in besonders akuten Situationen eine Person ein, die auf Traumapsychologie spezialisiert ist.
Gerade die letzten Punkte zeigen, wie wichtig es ist, Grenzen der Belastbarkeit zu erkennen und rechtzeitig darauf zu reagieren. Wie können Stadtteilzentren unter diesen Umständen ihre professionellen Standards wahren?
Sich auf seine Stärken besinnen und Grenzen ziehen
Ein wesentliches Moment scheint darin zu bestehen, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und Grenzen zu ziehen. Die oben beschrieben Aktivitäten liegen alle im Kernbereich der Stadtteilarbeit: Informationsmanagement und Öffentlichkeitsarbeit, Initiativen begleiten und Projekte koordinieren, Begegnung ermöglichen und Begleitung organisieren, Kräfte bündeln und Zugänge schaffen, sowie neben Teilhabe auch Teilgabe ermöglichen. Hier zeigen sich die besonderen Stärken der Fachkräfte. Diese Kompetenzen stellen sie derzeit in einer Situation unter Beweis, die ihnen weit mehr abverlangt als das „Alltagsgeschäft“.
Aktuell steht im Vordergrund, dem bürgerschaftlichen Engagement einen guten organisatorischen Rahmen zu geben und ein Freiwilligenmanagement zu etablieren, das über den Tag hinausreicht. Geflüchteten Menschen zu zeigen, dass sie hier willkommen sind und persönliche Kontakte unter neuen und alten Nachbarn aufzubauen, sind wichtige erste Schritte. Sie werden bislang offenbar sehr gut gemeistert. Doch in den nächsten Jahren ist noch viel Ausdauer gefragt, damit die gesellschaftliche Teilhabe umfassend gelingt.
Immer wieder haben die Gesprächspartner in den Stadtteilzentren darauf hingewiesen, dass ihnen vor allem die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt Kopfschmerzen bereitet. Aber auch die Integration in Bildungs- und Ausbildungssysteme und in den Arbeitsmarkt verlangt Ausdauer, strukturelle Maßnahmen und kreative Lösungen. Auf all diesen Feldern können Stadtteilzentren viel Erfahrung vorweisen, aber sie wissen auch, welche Schwierigkeiten sie erwarten, denn all diese Probleme sind ja nicht neu, sondern werden gerade immens verstärkt.
Umso bedeutender ist es, Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung dazu zu bewegen, für die Rahmenbedingungen zu sorgen, die Stadtteilzentren brauchen, um professionelle Standards wahren zu können. So haben etwa Anfang August mehrere Berliner Stadtteilzentren Notschlafplätze zur Verfügung gestellt und es dank vieler Freiwilliger geschafft ein - so wörtlich - „intensives, erfahrungsreiches und schönes Wochenende“ daraus zu machen. Es wurde aber auch klar „ein weiteres Mal schaffen wir das nicht.“ Hinzu kam der Ärger mit dem zuständigen Landesamt über die schleppende Kommunikation und die extrem schlechte Koordination. Obendrein sollte die Gebäudeversicherung wegen des erhöhten Risikos nun das Dreifache kosten.
Vor die Frage gestellt, wie die Stadtteilzentren auf erneute Anfragen nach Notschlafplätzen reagieren sollten, bestand die m.E. sehr vernünftige Reaktion darin, a) kurzfristigen Anfragen von vornherein eine Absage zu erteilen, um in Ruhe klären zu können, ob die Ressourcen reichen, eine solche Sonderaufgabe erneut zu stemmen und b) darauf zu dringen, dass vor einer etwaigen Wiederholung verbindliche Vereinbarungen getroffen werden, die Verantwortlichkeiten und Finanzierung regeln.
Das Schreiben an die Senatsvertreter endet mit einem treffenden Hinweis auf den Spagat, in dem sich derzeit nicht nur die Berliner Stadtteilzentren befinden: „Alle sind nach Kräften im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Ausgestaltung vielseitiger Unterstützungsmaßnahmen … beteiligt. Wir sind aber auch unserer Professionalität verpflichtet und dürfen den Grad des Vertretbaren nicht überziehen.“
Fazit
Insgesamt zeigen die Gespräche mit Fachkräften und Freiwilligen, die sich in Stadtteileinrichtungen, Flüchtlingsunterkünften und Initiativgruppen engagieren, dass die Stadtteilarbeit offensichtlich über große integrative Ressourcen verfügt und geflüchteten Menschen viele Möglichkeiten zu Teilhabe und Teilgabe öffnen kann. Ebenso deutlich wird: Die Ressourcen sind endlich. Es gilt, gut mit ihnen umzugehen, sich auf seine Stärken besinnen und Grenzen ziehen und nicht zuletzt dafür zu sorgen, dass professionelle Standards partizipativer Arbeit nicht aus dem Blick geraten.
[1]Der Artikel basiert auf der überarbeiteten Version eines Vortrags im Rahmen der Jahrestagung Stadtteilarbeit 2015 „Zuflucht Stadtteil – Integrierende Flüchtlingsarbeit in Nachbarschaften“, veranstaltet vom Verband für sozial-kulturelle Arbeit e.V. (VskA) am 22.9.2015
[2]Die 12 Gespräche in Berlin, Bremen, Freiburg und Hennigsdorf (bei Berlin) wurden größtenteils von Anna Klepping (KHSB) geführt und protokolliert. Die Autorin dankt allen, die sich im Frühsommer 2015 die Zeit für ein Interview genommen haben.
[3]Im Folgenden steht der Begriff Stadtteilzentren für alle Einrichtungen, die sich Gemeinwesen-, Stadtteil- oder Nachbarschaftsarbeit auf die Fahnen geschrieben haben.
[4]Zur Erläuterung des Begriffs „Teilgabe“ siehe Abschnitt 5
[5]Vgl. Straßburger, Gaby; Bestmann, Stefan (2013) Praxishandbuch für sozialraumorientierte interkulturelle Arbeit. Bonn: Stiftung Mitarbeit (2. Aufl.)
[6]Vgl. Straßburger, Gaby (2009) "Sozialraumorientierte interkulturelle Arbeit: Interkulturelle Öffnung und Sozialraumorientierung Hand in Hand" in: "sozialraum.de" Online-Journal abrufbar unter http://www.sozialraum.de/sozialraumorientierte-interkulturelle-arbeit.php
[7]John, Barbara (2015) „Deutsche Flüchtlingspolitik-Wider den Wahnsinn!“, Der Tagesspiegel 22.08.2015
[8]Vgl. Rieger, Judith/ Gaby Straßburger (2014) Warum Partizipation wichtig ist – Selbstverständnis und Auftrag sozialer Berufe, in: Straßburger/ Rieger (Hg.) Partizipation kompakt – Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe. Weinheim und Basel, S.42-49. Diesem Text entstammt auch die folgende Illustration von Marion Kreutter.
[9]Vgl. Straßburger, Gaby (2014) Die institutionelle Verankerung von Partizipation: Strukturelle Weichenstellungen, in: Straßburger/ Rieger (Hg.), Partizipation kompakt – Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe. Weinheim und Basel, S. 82-98. Diesem Text entstammt auch die folgende Illustration von Marion Kreutter.
[10]Vgl. Rieger, Judith (2013): Teilgabe verwirklichen- Betroffenenwissen, lokale Netzwerkarbeit und Insiderkenntnis als Bausteine der Beteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe. In: Unsere Jugend. Die Zeitschrift für Studium und Praxis der Sozialpädagogik. 65 (1), S. 24–34.
[11]John, Barbara (2015) „Deutsche Flüchtlingspolitik-Wider den Wahnsinn!“, Der Tagesspiegel 22.08.2015