Das Stadtteilmütterprojekt in Augsburg - Oberhausen

Kontakt:

Hamdiye Çakmak, Initiative Beratung und Begegnung, Programm "Rucksack", Friedrich-Ebert-Str. 5, 86199 Augsburg, Tel.: 0821-9987524, Email: h.cakmak@gmx.net


Bei unserer Suche nach erfolgreichen neuen Konzepten der Sprachförderung sind wir auf ein Beispiel gelungener Praxis in Nordrheinwestfalen gestoßen: Das Essener Rucksack-Projekt, auch Stadtteilmütterprojekt genannt. Dieses Elternbildungs- und Sprachförderprojekt der Regionalen Arbeitsstelle für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien (RAA) hat uns in seiner Effizienz so überzeugt, dass wir es im Rahmen eines LOS-Mikroprojektes im Augsburger Stadtteil Oberhausen, den örtlichen Bedingungen entsprechend umsetzen wollten. Hierbei sollten während der Sprachförderung Erziehungs- und Sozialkompetenzen von Migranteneltern mit Hilfe von mehrsprachigen Multiplikatorinnen (Stadtteilmüttern) gestärkt werden. Bereits bestehende sozialräumliche Kontaktnetze zwischen Eltern, Kindertagesstätten, sozialen Diensten und Weiterbildungsträgern sollten hierfür genutzt werden.
In der Vorbereitungsphase von vier Monaten wollten wir bei den mit Kindern beschäftigten Bildungseinrichtungen in Oberhausen eine Sensibilisierung für die Notwendigkeit eines solchen Projektes mit vernetzten Strukturen erreichen. Die Zielsetzungen waren:

  • Bekanntmachung des Projektansatzes bei potentiellen Kooperationspartnern
  • Konzepterstellung mit Kooperationspartnern im Stadtteil
  • Gemeinsame Planung des weiteren Vorgehens

Nach einem Informationstreffen für betroffene Einrichtungen, einer späteren Impulsveranstaltung mit Frau Dr. Springer-Geldmacher und umfangreichen telefonischen, schriftlichen sowie persönlichen Begegnungen erklärten sich 4 Kindertagesstätten von verschiedenen Trägern (städtische, evangelische, katholische) bereit, sich an der Umsetzung des Projektes zu beteiligen: Sie rekrutierten insgesamt sechs Stadtteilmütter. Fünf davon waren türkischer Herkunft und eine mit russischer Herkunft.
Diese Elternbegleiterinnen sind mehrsprachig, haben einen guten Kontakt zur Kindertagesstätte und zu den anderen Eltern und verfügen über die nötige Zeit von sechs Stunden wöchentlich. Zur Qualifikation, sowohl für die Arbeit mit weiteren Müttern als auch für die Zusammenarbeit mit der Kindertagesstätte, erhalten die Stadtteilmütter jede Woche für zwei Stunden in deutscher Sprache eine Anleitung nach dem schriftlichen Rucksackprogramm. Innerhalb derselben Woche geben sie das Erlernte an ihre Müttergruppe, in den Räumen ihrer Kindertagesstätte in ihrer Muttersprache weiter.
Die Müttergruppen der Stadtteilmütter bestehen aus 7 – 14 Frauen einer Nationalität. Es gibt drei türkische, eine russische und eine heterogene Gruppe dessen Teilnehmer/innen von Müttern und einem Vater aus acht verschiedenen Herkunftsländern bestehen. Die Anleitung erfolgt in dieser Gruppe in der deutschen Sprache, mit dem Hinweis es zu Hause in der Muttersprache an die Kinder weiterzugeben.
Obwohl sich auch eine italienische und eine aramäische Stadtteilmutter finden ließen, war das Interesse der teilnehmenden Mütter so gering, dass keine Gruppen gebildet werden konnten. Hier sind wir gefordert, neue Wege der Zusammenarbeit mit diesen Eltern zu finden.
Mit den Einrichtungen wurde vereinbart, das gleiche Material und Spiel, das die Kinder mit ihren Müttern in der Erstsprache bearbeiten, in der deutschen Sprache im Kindergarten parallel einzusetzen. Durch den Wiedererkennungseffekt sollen die Kinder in die Lage versetzt werden, einfacher und effektiver die deutsche Sprache zu lernen.
Unter Einhaltung der Auflagen (die Stadtteilmütter honorieren, die parallele Anbindung an den Kindergarten) stellte uns die RAA ihr schriftliches, mehrsprachiges Arbeitsmaterial für die Mütter und die Kinder kostenlos zur Verfügung. Das Programm besteht aus verschiedenen Themen, die je nach Situation ausgewählt werden können: die Familie, die Kleidung, der Frühling… Das aktuelle Thema, welches die Mütter mit Ihren Kindern zu Hause in der Muttersprache bearbeitet, wird von den Stadtteilmüttern der Kindertagesstätte bekannt gegeben. Die Erzieher/innen greifen das gleiche Thema in der deutschen Sprache mit allen Kindern gemeinsam auf (Mitnahmeeffekt).
Das Material ist stark strukturiert. Die Mütter empfinden dies, nach eigenen Aussagen, als eine Erleichterung in ihrem Alltag. Zusätzlich ist es auch die Art des Lernens, welches ihren Erfahrungen entspricht.
In Kindertageseinrichtungen mit Situationsorientiertem Ansatz müssen individuelle Wege gefunden werden, das Material mit den Inhalten und Anforderungen der Einrichtung zu verbinden.
Deutlich wurde auch, wie wichtig neben der Vorbereitung der Stadtteilmütter zur Elternbildung, auch Fortbildungen für das Kindergartenteam für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Projekt sind. Um die Partnerschaft zwischen den Erzieher/innen und den Stadtteilmüttern zu festigen, wurde die Fortbildung zum Thema "Interkulturelle Sensibilisierung" mit Frau Dr. Springer-Geldmacher als Referentin, gemeinsam durchgeführt. Weitere Fortbildungen für beide Gruppen zum Beispiel zu den Themen Sprachentwicklung, Mehrsprachigkeit und interkulturelle Pädagogik sind geplant.

Funktion der Kindertagesstätten

  • Sie arbeiten an der Umsetzung des Projektes mit, in dem sie die Themen des Projektes aufgreifen und damit Sprachförderung in der deutschen Sprache in die Arbeit ihrer Einrichtung integrieren
  • Nehmen die Sprachförderung von Migrantenkindern als Anlass, das Thema Sprache insgesamt für alle Kinder zu etablieren
  • Leisten wichtige Beiträge für das Gelingen des Projektes, indem sie bei der Bildung der Müttergruppen und der Auswahl der Stadtteilmütter aktiv beteiligt sind
  • Stellen Räumlichkeiten für die Zusammenkünfte der Gruppen zur Verfügung
  • Unterhalten einen regelmäßigen Austausch mit den Stadtteilmüttern, wodurch ein abgestimmtes Vorgehen ermöglicht wird
  • Erhalten Anregungen die Kindertagesstätte interkulturell zu gestalten
  • Einige Kindertagesstätten waren bereit Geschwisterkinder während der Müttertreffen mitzubetreuen, andere sahen es als notwendig, zusätzlich Kinderbetreuer/innen zu engagieren.

Funktion der Stadtteilmütter

  • Ohne die Stadtteilmütter hätte das Projekt nicht wirksam umgesetzt werden können
  • Sie tragen einen sehr beträchtlichen Anteil zum Erfolg des Projektes bei
  • Sie sind ein wichtiges Bindeglied zwischen den Migranteneltern und den pädagogischen Fachkräften
  • Durch ihren Einsatz und ihr Engagement sind sie positive Vorbilder für die Frauen in den Müttergruppen
  • Sie motivieren die Mütter für die pädagogische Beschäftigung mit ihren Kindern ständig aufs Neue

Die Stadtteilmütter berichten:

  • Durch das Projekt fühlen sich die Stadtteilmütter in ihrem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gestärkt
  • Sie fühlen sich wohler in der Kindertagesstätte als vor Beginn ihrer Mitarbeit am Projekt
  • Die Mitarbeit macht sehr viel Spaß
  • Durch das Projekt sei das Interesse geweckt, die eigenen Deutschkenntnisse zu erweitern
  • Durch die intensive Beschäftigung lernen sie ihre Kinder besser kennen
  • Sie haben nun mehr Sicherheit über den Umgang mit der Muttersprache
  • Sprache hat insgesamt einen höheren Stellenwert innerhalb der Familie erhalten
  • Solche und ähnliche Aussagen berichten die Stadtteilmütter auch von Ihren Müttergruppen

Die Stadtteilmütter genießen als ein wichtiges Bindeglied zwischen Familie, Einrichtung Kindertagesstätte, Familienstützpunkt und Stadtteil Anerkennung. Für ihr Engagement sind sie als Sprach - und Integrationsbotschafterinnen ins "Bündnis für Augsburg" aufgenommen worden.
Seit der Auswertung der Projektphase LOS II wird eine stadtweite Umsetzung der Projektkonzeption angestrebt.
In sechs weiteren Kindertagesstätten, in vier verschiedenen Stadtteilen die eine Kooperation mit dem Projekt wünschen, laufen zurzeit die Vorbereitungen für die Anleitungstreffen der Mütter im Januar.