Stadtteilzentren im demographischen Wandel
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Dr. Albrecht Göschel, Deutsches Institut für Urbanistik, Ernst-Reuter-Haus, Straße des 17. Juni 112, D-10623 Berlin, Telefon: 030/39001-235, Telefax: 030/39001-269, eMail: goeschel@difu.de
Während der demographische Wandel der deutschen Bevölkerung – Bevölkerungsrückgang und Alterung – bis vor wenigen Jahren eher als Tabuthema angesehen werden musste, also in der Öffentlichkeit einfach nicht verhandelt werden konnte, hat sich in den letzten Monaten zumindest die Einsicht durchgesetzt, dass sich dieser Vorgang, der eher verharmlosend als "Wandel" bezeichnet wird, zu einer ausgesprochen fundamentale Herausforderung nicht nur zukünftiger sondern bereits gegenwärtiger Politik auswachsen wird. Seine ganze Dramatik wird aber erst deutlich, wenn man diesen demographischen Wandel in den Kontext weiterer Veränderungen stellt, die wir in der Regel als ökonomischen und Wertewandel bezeichnen: Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft und Globalisierung als Facetten des ökonomischen, Individualisierung als Erscheinungsform des sozialen oder Wertewandels.
Da die Daten zur Bevölkerungsentwicklung allgemein verfügbar sind, will ich mich an dieser Stelle äußerst kurz fassen und nur einen Eindruck vermitteln, was durch die kollektive Entscheidung großer Teile der deutschen Bevölkerung, keine Kinder zu haben und groß zu ziehen, in absehbarer Zeit auf uns zukommen könnte. In diversen Modellrechnungen demonstriert Herwig Birg die quantitativen Konsequenzen dieses Geburtenausfalls. Je nach Entwicklung des Geburtenrate, die zurzeit bei unter 1,4 Kindern pro Frau liegt, wird selbst bei erheblicher Zuwanderung die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Bevölkerung von jetzt ca. 82 Mill. EW bis zur Mitte des Jahrhunderts auf ca. 68 bis 72 Mill. und bis zum Ende des Jahrhunderts auf 50 bis 60 Mill. EW zurückgehen. Nimmt man als Modell an, es gäbe ab sofort keine Zuwanderung mehr, nur als hypothetische Annahme, um den Rückgang der jetzt in Deutschland lebenden Bevölkerung und die zukünftigen Anteile der Menschen mit Migrationshintergrund deutlich zu machen, so kommt man zu folgenden Zahlen: Bis zur Mitte des Jahrhunderts um 55 Mill. und bis zum Ende des Jahrhundert 25 bis 32 Mill. Menschen im Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Selbst wenn diese Zahl durch Migration erhöht wird auf die genannten Werte, so würde das immer noch bedeuten, dass zum Ende des Jahrhunderts von einer insgesamt um 20 bis 30 Mill. Einwohnern reduzierten Bevölkerung ca. die Hälfte Menschen mit Migrationshintergrund wären.
Es wird häufig eingewendet, exakte Prognosen über derart lange Zeiträume seien nicht möglich und dienten äußersten Falls einer – konservativen – Panikmache, um Menschen, vor allem natürlich Frauen zum Familienleben mit Kindern zu überzeugen. Mögen diese Motive sein wie sie wollen, richtig ist, dass gerade demographische Prognosen über längere Zeiträume zumindest von mehreren Jahrzehnten durchaus möglich sind, da "die Mädchen, die heute nicht geboren werden, morgen auch keine Mütter werden können", und da wir wissen, wie viele Mädchen zurzeit aufwachsen, und da wir wissen, dass es in jedem Jahrgang ein Drittel weniger sind, als vor 30 Jahren, wissen wir relative genau, wie viele "gebärfähige Frauen" wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Deutschland haben werden. Zwar können sich die Geburtenraten verändern, und es wird auch vermutet, dass sie in den kommenden Jahren leicht ansteigen könnten, dass sie sich aber sprunghaft nach obern entwickeln, erscheint doch eher als unwahrscheinlich.
Dass dieser Geburten- und damit Bevölkerungsrückgang mit einem erheblichen Anstieg des "Durchschnittsalters" verbunden ist, hat sich als Erkenntnis in den letzten Jahren gleichfalls durchgesetzt. Vor allem in den Debatten über die Sicherheit und den Umfang der Renten ist diese Seite des demographischen Wandels behandelt worden, obwohl in der Fachwissenschaft der Gesamtrückgang der Bevölkerung als wesentliche schwierigeres Problem gilt als der Altersanstieg. Auch dazu nur einige illustrierende Daten, gleichfalls aus der Publikation von Herwig Birg: Die Zahl der Unter-20-Jährigen könnte sich von derzeit ca. 18 Mill. bis zum Ende des Jahrhunderts auf 7 bis 8 Mill. verringern, wobei eine besonders kritische Situation um das Jahr 2030 erwartet wird, da dann den 12 Mill. Unter-20-Jährigen, die wir zu diesem Zeitpunkt erwarten, ca. 30 Mill. Über-60-Jährige gegenüber stehen. Zwar nimmt auch deren absolute Zahl im weiteren Verlauf ab, die prozentualen Anteile verschieben sich aber dennoch zu einer "Alterung". Geht man von einer Gesamtbevölkerungszahl zum Ende des Jahrhunderts von ca. 46 Mill. Einwohnern aus, also einer Zahl, die nur mit Zuwanderung zu erreichen wäre, so müsste man zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, dass mehr als doppelt soviel Menschen über 60 Jahre (18.3 Mill. oder ca. 40% ) wie unter 20 Jahre (7,1 Mill. oder 15,4 %) wären. Sicher kann keiner dieser Werte beanspruchen, Ergebnis einer exakten Prognose zu sein, immer handelt es sich um Modellrechungen unter verschiedenen Annahmen, diese erreichen z. T. aber hohe Plausibilität, also eine hohe Wahrscheinlichkeit.
Völlig unsicher ist allerdings die kleinräumliche Verteilung dieser – schrumpfenden und alternden – Gesellschaft. Es wird mit Sicherheit nicht nur Zuwanderungen nach Deutschland sondern auch gravierende Wanderungsbewegungen in Deutschland, also zwischen Städten und Regionen geben. Und von diesen Wanderungen wissen wir, dass sie immer selektiv verlaufen. Es sind die Jungen und besser Qualifizierten, die sich zu Umzügen an neue Wohnorte entschließen. Die Folge ist klar. In Städten und Regionen, die von Abwanderung betroffen sind, addieren sich die Folgen des demographischen Wandels mit denen der Abwanderung zu einer Verstärkung der negativen Phänomene Bevölkerungsrückgang und Alterung, ergänzt um eine durchschnittliche De-Qualifizierung, da die Älteren und schlechter Qualifizierten zurückbleiben, während in den Städten und Regionen, die Zuwanderung erreichen, auch die Alterung und tendenzielle De-Qualifizierung zumindest ein wenig kompensiert werden kann. Schrumpfung z.B. einer Stadt oder Region kann für diese also zu einem durch und durch bedrohlichen und sich ständig selbst verstärkenden Vorgang werden, so dass Städte und Regionen alles daran setzen, in der Konkurrenz der Städte – um Wirtschaftwachstum, junge und gut ausgebildete, deutsche Einwohner – nicht zu unterliegen, sich unter allen Bedingungen durchzusetzen. In dieser Konkurrenz können aber nicht alle gewinnen. Es wird Verlierer und Sieger geben, und andeutungsweise ist auch heute schon klar, wer das jeweils sein wird: Die gegenwärtig ökonomisch erfolgreichen Regionen Westdeutschlands und hier vor allem des Südwestens und Westens mit Hamburg als einziger nördlichen Ausnahme werden zu den Siegern gehören, alle anderen zu den Verlierern, neben einer kleinen Gruppe von Städten oder Regionen, die sich knapp behaupten, die also nur moderate Verluste an Einwohnern und Wirtschaftskraft verzeichnen werden.
Die klassische Reaktion der Sozial- und Kulturplanung wäre nun, aus diesen Daten der Bevölkerungsentwicklung unter bestimmten Wanderungsannahmen Bedarfsprognosen für die verschiedenen Infrastruktursektoren der Kommunen oder Bundesländer zu berechnen. Ganz davon abgesehen, dass das angesichts der Unsicherheit über Wanderungsbewegungen, die nur schwer langfristig und kleinräumlich zu prognostizieren sind, mit erheblichen Fehlern belastet sein müsste, erscheint ein solcher Ansatz für die Stadtteilzentren nicht besonders ergiebig. Es gibt keine exakten Versorgungsstandards, denen Stadtteilzentren entsprechen müssen, wie sie z.B. im Schulwesen selbstverständlich sind. Die öffentlichen Schulen haben für jeden Schüler und jede Schülerin im schulpflichtigen Alter einen Platz in einem Schultyp vorzusehen. Unsicher mag die Verteilung auf die Schultypen sein, in der Summe aber ist der Standard, der erreicht werden muss, klar, so dass es dringend notwendig erscheint, zu wissen, wie sich Schülerzahlen entwickeln werden. Das Schulwesen gehört also im Wesentlichen zu den nachfrageabhängigen Versorgungssystemen, in denen der Umfang der Leistung nach den nachfragenden Personen zu bemessen ist. Das gilt für die Kultureinrichtungen und besonders für Einrichtungen wie Stadtteilzentren nicht. Sie sind angebotsabhängige Leistungen, d.h. werden sie angeboten, können sie auch nachgefragt, also genutzt werden, werden sie nicht angeboten, mag man das bedauern, eine Zwang, sie anzubieten besteht aber nicht.
Die demographischen Daten können also für die Stadtteilzentren nur Problemhorizonte aufzeigen, also z.B. den notwendiger Weise ansteigenden Anteil älterer Menschen oder von Migranten resp. Menschen mit Migrationshintergrund. Solche Problemhorizonte ergeben sich aber nun nicht allein aus dem demographischen Wandel, sondern nicht minder aus dem ökonomischen und sozialen Wandel, die daher gleichfalls kurz skizziert werden müssen.
Während der demographische Wandel alle sozialstaatlichen Sicherungssysteme, vor allem aber die, die auf Generationsverträgen basieren, in Frage stellt und zu erheblichen Korrekturen in diesem Bereich zwingt, werden durch ökonomischen und sozialen Wandel die Folgen des demographischen Wandels möglicherweise verstärkt, so dass der Sozialstaat in absehbarer Zeit an seine Leistungsgrenze gelangen könnte. Globalisierung als ein Aspekt des ökonomischen Wandels bedeutet nichts anderes, als dass der Nationalstaat seine Macht, die Ökonomie für Ziele des Sozialstaates, also für das dominante Gleichheitsziel in die Pflicht zu nehmen, zunehmend verliert. Auch wenn diese Handlungsautonomie der Nationalstaaten reduziert wird, geht sie dennoch nicht gänzlich verloren, sie wird aber eingeschränkt werden. Die Gründe für diesen Vorgang sind weitgehend bekannt und liegen in der internationalen Mobilität von Arbeit(splätzen) und Kapital. Ökonomische Ressourcen können dem Zugriff der Nationalstaaten z.B. zum Zweck der Besteuerung entzogen werden. Damit reduzieren sich die Umverteilungsmöglichkeiten des Sozialstaates, und dies in einem Moment, wo auf Grund der demographischen Entwicklung eben diese Umverteilung in besonderem Maße notwendig wäre, betrachtet man z. B. die Entwicklung der Rentensysteme. Es ist klar, worauf diese Überlagerung zweier Entwicklungen, die eigentlich nichts mit einander zu tun haben, des demographischen und des ökonomischen Wandels, hinauslaufen, auf eine Steigerung von Ungleichheit. Diese in Grenzen zu halten, ist die Aufgabe des Sozialstaates, der er aber immer weniger gerecht werden kann. Aber auch die andere Facette des ökonomischen Wandels, der Übergang zur Dienstleistungsökonomie weist in die gleiche Richtung. Die Ablösung des industriegesellschaftlichen Produktionsmusters durch wachsende und an Dominanz gewinnende Dienstleistungen wird mit einer Flexibilisierung von Arbeit einher gehen, in der sich persönliche Risiken, potentielle Ungleichheiten, prekäre gegenüber stabilen Berufskarrieren entwickeln, alles Tendenzen zu wachsender Ungleichheit.
Ohne an dieser Stelle in weitere Details gehen zu können, ist klar erkennbar, dass demographischer und ökonomischer Wandel sich überlagernd und verstärkend in Richtung wachsender Ungleichheiten in der Bevölkerung weisen, dass es also immer schwieriger werden wird, das Sozialstaatspostulat möglichst geringer Ungleichheit zu realisieren. Sogar der Wertewandel verweist in diese Richtung. Wenn im Zuge von Individualisierung der persönliche Lebensweg, die berufliche Karriere und familiäre Biographie immer konsequenter als eigene, individuelle Leistung verstanden werden, wenn Erfolg und Misserfolg also nicht mehr als Schicksal, sondern als Produkt eigener Entscheidungen gelten, muss die Unterstützung für eine staatliche Politik des Ausgleichs schwinden. Deswegen lösen sich nicht Mitgefühl, Anteilnahme, Solidarität und Humanität in der Gesellschaft auf, aber sie werden Bestandteile persönlicher, individueller Entscheidungen. Sie werden den großen Systemen und Apparaten, dem Staat oder den Kirchen entzogen und in die eigene, individuelle Entscheidung integriert. Karitatives Engagement kann sich dann eher solchen Gruppen zuwenden, die tatsächlich von einem schlimmen Schicksal betroffen sind, Erdbeben- oder Zunami-Opfern z.B. und nicht Armen in der eigenen Nation, die nach diesem Bild "selbst schuld" sind an ihrem schlechten Zustand.
Es sind also sowohl äußerer Bedingungen, demographischer und ökonomischer Wandel, als auch Mentalitätsbedingungen, der Wertewandel, die potentiell zu einer Auflösung, zumindest zu einer Begrenzung des Sozialstaates führen können und mit hoher Wahrscheinlichkeit führen werden. Dies ist die Herausforderung für Stadtteilarbeit und Stadtteilzentren, die aus dem Geist des Sozialstaates, als Realisierung eines immer weiter getriebenen Gleichheitsprinzips entstanden sind. Die Perspektive dieser Politik ergibt sich damit nicht aus Bedarfsberechnungen, wie sie z.B. für das Schulwesen erforderlich und auch möglich sind, sondern zum einen aus Problemhorizonten, wie sie aus der Überlagerung der verschiedenen Wandlungsvorgänge entstehen, zum anderen aus Reaktionsmustern der Politik auf diese Problemhorizonte, da die Notwendigkeit von Stadtteilzentren nicht aus einem Bedarf errechnet werden kann, sondern aus politischen Normen, aus Bewertungen von Problemlagen und deren Dringlichkeit entwickelt wird. Es muss also darum gehen, sich die möglichen und wahrscheinlichen Reaktionen der Politik, vor allem kommunaler Politik auf wachsende Ungleichheit bei reduzierten staatlichen Handlungspotentialen klar zu machen, um abschätzen zu können, welche Perspektive Stadtteilarbeit und Stadtteilzentren wohl haben könnten. Bedarfsberechnungen allein sind unzureichend und nicht plausibel zu leisten. Sie würden nichts besagen, wenn sie nicht in einen normativen Kontext gestellt werden können, der die Problembearbeitungskonzepte trägt. Aber natürlich schwächt diese Tatsache, dass ein Bedarf für Stadtteilzentren nicht quantifizierbar formuliert werden kann, auch deren Position in potentiellen Verteilungskämpfen zwischen verschiedenen Politikfeldern. Unterstellt man, dass Stadtteilarbeit und Stadteilzentren zur Bekämpfung von Ungleichheit entstanden sind, wird man zweifellos zu der Überzeugung kommen, dass sie angesichts der wahrscheinlichen Entwicklungen in Zukunft notwendiger sein werden, denn je. Sieht man die verfügbaren staatlichen Mittel in Konfrontation mit den Herausforderungen, wird man eher in pessimistischer Sicht befürchten müssen, dass Stadtteilzentren als relativ junge Einrichtung vielerorts bald vor dem Aus stehen könnten. Aber angesichts der vergleichsweise geringen Kosten dieses Infrastruktursektors, angesichts auch einer gegebenen, wenn auch nicht quantifizierbaren Notwendigkeit, könnten diese Einrichtungen auch noch einige Zeit überleben.
Bereits in den 1980er Jahren hat Jürgen Habermas drei mögliche Reaktionen auf die Gefährdung des Sozialstaates gesehen: Sozialstaatlich-industriegesellschaftlicher Legitimismus, Neo-Konservativismus und wachstumskritische Dissidenz.
Die erste Reaktion würde man auch als Reformstrategie bezeichnen können, wie sie die letzte, die rot-grüne Bundesregierung verfolgt hat. Die Normen des Sozialstaates – Gleichheit als oberste politische Norm; Handlungsautonomie der politischen Institutionen; korporatistische, also von Interessenverbänden gestützte und moderierte Integration der Ökonomie in die Normen des Sozialstaates – sollen in dieser Strategie im Prinzip nicht angetastet, sondern durch Reformen im Sinne einer punktuellen Absenkung von Leistungsstandards aufrecht erhalten werden. Im Neo-Konservativismus wird dagegen der Versuch unternommen, sich von den sozialstaatlichen Normen zu lösen, dies jedoch nicht als Defizit erscheinen zu lassen, sondern in einem positiven Sinne zu rechtfertigen. An der Arbeitsgesellschaft und vor allem am Wachstumsmodell wird aber genau so festgehalten, wie im industriegesellschaftliche sozialstaatlichen Legitimismus. Bei einer wachstumskritischen Dissidenz dagegen wird das Modell der Industrie- und marktförmigen Arbeitsgesellschaft in ihrer Wachstumsabhängigkeit kritisiert und nach alternativen Möglichkeiten des Lebens und Arbeitens gesucht. Vor allem die Tatsache, dass der Sozialstaat in traditioneller Form, gebunden an die Arbeitsgesellschaft, Macht ausüben muss, z.B. den Zwang einer formalen Arbeit nachzugehen, ehe man seiner Segnungen teilhaftig werden kann, wird zum Stein des Anstoßes, als Au
druck von Entfremdung, von Bevormundung, von Repression verstanden.
Alle Reaktionen auf die Krise des Wohlfahrtstaates lassen sich nun ohne Mühe als Entwicklungsstrategien auch auf der Ebene der Kommune erkennen und bestimmen dort sehr nachdrücklich die denkbaren Perspektiven von Stadtteilarbeit und Stadtteilzentren. Der industriegesellschaftlich-sozialstaatlich Legitimismus erscheint auf kommunaler, auf städtischer Ebene in der Denkfigur der "Europäischen Stadt". Mit deren Rekonstruktion soll die Wohlfahrtsproduktion der Stadt und der Kommune, die einzige Aufgabe dieser Institution, wieder hergestellt und auf Dauer gesichert werden. Als Stadtentwicklung bezieht sich dieses Konzept vor allem auf eine räumliche Rekonstruktion der Stadt, d.h. auf einen Rückzug aus dem suburbanen Raum, dessen infrastrukturelle Versorgung auf Grund der dünnen Besiedlung angesichts rückläufiger Bevölkerungszahlen als zu teuer und ökologisch unvertretbar gilt. Infrastrukturell sollen in der – verdichteten, konzentrierten – Kernstadt bestimmte Grundstandards durchgesetzt werden, eine Grundversorgung, die das Gleichheitsprinzip wahrt und auf Grund der Verdichtung von Einwohnern in der Kernstadt effizient genutzt werden kann.
Soziale Infrastrukturversorgung nach diesem Modell tendiert also immer zu einer gewissen Zentralisierung, und sei es nach einem polizentralen Konzept, um einerseits "economies of scale", also Effizienzgewinne aus Größe zu realisieren, um zum anderen in der Verdichtung von Einwohnern die entsprechenden Einrichtungen vielen potentiellen Nutzern räumlich zuordnen zu können. Für dezentrale Einrichtungen wie die Stadtteilzentren entstehen hier offensichtlich Probleme, die z. T. schon genannt sind. Exakte Grundstandards einer "Grundversorgung" können nicht benannt werden, und einer Zentralisierung müssten sich Stadtteilzentren auch widersetzen. Es bleibt eine Frage, die nur von Fall zu Fall entschieden werden kann, ob das "Stadtteilzentrum" genug Zentralität aufweist, um den Ansprüchen einer reduzierten Grundversorgung zu entsprechen, oder ob man nicht das gleiche – auf abgesenktem Standard versteht sich – erreichen kann, wenn man nur eine zentrale Einrichtung mit gleichen Leistungsprofil anbietet. Bei Bibliotheken z.B. werden alle Entscheidungen gegenwärtig in dieser Richtung gefällt: Stadtteileinrichtungen zu schließen und durch eine Zentralbibliothek zu ersetzen. Dass die Behauptung, die meisten und gerade die jugendlichen Nutzer würden sich der Fernleihe und des Internet bedienen und seien darüber hinaus hoch mobil, nur für einige zutrifft, für Benachteiligte im Bildungswesen aber gerade nicht, scheint die Vertreter der Konzentration nicht anzufechten. Ungleichheiten in der Bildungsteilnahme werden auch auf diese Weise vertieft. Für die insgesamt eher "weichen" Leistungen der Stadtteilzentren könnte etwas Ähnliches entstehen. Für viele Beratungsleistungen wäre z.B. der Einsatz des Internet und eine gewisse Zentralität der persönlichen Leistungen durchaus vorstellbar, könnte dann eventuell sogar professioneller erfolgen. Die Nähe zu den Problemen des Alltags, wie sie die Stadtteilzentren anstreben, ginge aber verloren. Eine gewisse Formalisierung wäre unvermeidlich. Aus der lebensweltlich eingebundenen "Kultur"-Einrichtung Stadtteilzentrum könnte eine formalisierte Behörde der Sozialpolitik werden, genau das, was die Aktivisten der ersten Stunde bei den Stadtteilzentren immer vermeiden wollten. Das gleiche gilt natürlich, wenn ein Stadtteilzentrum durch ökonomischen Druck in die Richtung eines effizienten Kulturveranstaltungszentrums gepresst wird. Auch dann muss es Zentralität anstreben, um den Einzugsbereich potentieller Besucher zu erweitern usw. In diesem Reformmodell stecken also schleichende oder auch offensichtliche Tendenzen, die zu einem Profil- und Leistungswandel der Zentren führen können, und dies auch dann, wenn sie nicht direkt und insgesamt in Frage gestellt werden.
Vor allem aber kontinuierliche Etatkürzungen, verbunden mit dem Zwang zu Einnahmenerhöhung, können diesen Wandel der Einrichtungen auslösen. Die Einrichtungen können sich gezwungen sehen, einen Nachfragemarkt aufzubauen oder sich auf einen solchen zu orientieren. Diese Nachfrage kann nun einmal nur von "marktfähigen Nutzern" getragen werden, also von Menschen mit einer gewissen Kaufkraft, und entweder ist diese Kaufkraft des einzelnen Nutzers klein, dann braucht man viele, oder man will nicht so viele, dann muss sie größer sein, also die Eintrittspreise höher und das Publikum entsprechend "wohlhabender". Das bedeutet entweder Erhöhung der Zentralität, um wie gesagt mehr Nutzer erreichen zu können, oder Orientierung potentiell an einer Mittelschicht, beides Vorgaben, die in die Geschichte der Stadtteilzentren nicht recht passen wollen.
Dennoch wird sich eine Kommunalpolitik, die sich an dies erste Reaktionsmodell hält, Stadtteilzentren nicht "mir nichts Dir nichts" beseitigen wollen. Sie wird aber geneigt sein, die beschriebenen Forderungen zu stellen, vielleicht einzelne Einrichtungen schließen, andere zusammenfassen, alle zu mehr Eigeneinnahmen drängen usw., mit den beschriebenen Folgen. Es hängt sehr von der räumlichen Struktur der Stadt und vom politischen Willen der Verantwortlichen ab, was im Einzelnen geschieht, wenn die Grundentscheidung für dieses oder ein anderes Modell gefallen ist.
Im zweiten Modell, einer neo-konservativen Reaktion auf die Krise des Sozialstaates, wird dagegen völlig anders verfahren, zumindest dann, wenn dieses Konzept uneingeschränkt verfolgt wird, wie es in einer wachsenden Zahl von Städten mehr und mehr der Fall zu sein scheint. Man könnte sehr vereinfachend sagen, dass das neo-konservative Politikmodell Wirtschaftswachstum als oberstes Politikziel verfolgt und alle Politiksektoren diesem Ziel unterzuordnen bereit ist. Das trifft vor allem für Kultur- und Sozialpolitik zu. In der Kulturpolitik soll eine bestimmte Atmosphäre, eine Lebensqualität, eine Lebensstil eine "Identität" einer Stadt oder Region als ökonomisch relevantes Alleinstellungsmerkmal betont und herausgearbeitet werden, um sich auf diese Weise gegen Konkurrenten behaupten und durchsetzen zu können. Es sollen also unverwechselbare "kulturelle" Merkmale sein, die die Konkurrenzfähigkeit einer Stadt und damit ihre gesamte Politik bestimmen.
Diese Strategie ist in vieler Hinsicht problematisch, kann aber, wenn sie gelingt, genau das leisten, was beabsichtigt ist, die Rechtfertigung einer wachsenden Distanzierung von sozialstaatlichen Zielen. Kulturelle Eigenschaften in dem Sinne, wie sie hier gemeint sind, begründen eine nicht kopierbare, gleichsam natürlich wirkende, zumindest auf Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte langer Tradition aufbauende Eigenart einer Stadt oder Region, können also nicht kopiert werden. Gelingt das Wachstum z.B. an Einwohnern, bedeutet dies aber nichts anderes, als dass die Schrumpfungsvorgänge anderen Ortes verstärkt werden. Die negativen Schrumpfungsphänomene aus einem allgemeinen Bevölkerungsrückgang, der demographisch bedingt und auf absehbare Zeit unvermeidlich ist, werden also in einigen Städten und Regionen, den Verlierern in der Konkurrenz verschärft, während die "Sieger" sich auf Kosten der Verlierer von diesen Phänomenen frei halten können.
Man muss diese Vorgänge deutlich unterscheiden von anderen Wettbewerben z. B. der "best practice" im Umweltschutz. Gelingen einer Stadt besonders effiziente Maßnahmen z.B. der Abgasreduktion oder der Energieeinsparung, heißt das nicht, dass andere, die in dieser Hinsicht vielleicht – noch – nicht so erfolgreich sind, geschädigt werden. Im Gegenteil wird eine "Gesamtbelastung" reduziert, und die weniger Erfolgreichen können von den Erfolgreichen lernen. In Wachstumsstrategien, in denen es direkt um Einwohner geht, kann das nicht der Fall sein, weil der Erfolg des Einen immer auf der Schädigung anderer basiert. Die Kritik einer konkurrenzorientierten Einwohnerpolitik bedeutet also durchaus keine Ablehnung von Wettbewerb, sondern eben nur die Kritik an Wettbewerb um eine nicht nur nicht vermehrbare sondern insgesamt kleiner werdende Gesamtmasse.
Als zweiter Einwand muss angeführt werden, dass Politik, die auf kulturellen Merkmalen aufbaut, immer zur kulturellen Abgrenzung im Sinne eines "Wir" gegen die "Anderen" tendiert, und dass sie dazu neigt, dieses "Wir" gegen "Andere" mit einer Wertung – "Wir sind besser" – zu verbinden. Wird dieses "Wir" als "Identität" begriffen, kann das nur bedeuten, dass diese behauptete Überlegenheit des "Wir" so etwas wie eine "charakterliche" Überlegenheit gegenüber einer entsprechenden Unterlegenheit impliziert. Anders formuliert, diese Politik distanziert sich vom Universalismus, der jeder Politik zugrunde liegen sollte und bedeutet eine Rekonstruktion partikularistischen Lokalpatriotismus, der wie jeder Patriotismus nicht Grundlage von Politik sein sollte. Unter dem Zwang nationaler und internationaler Konkurrenz bewegen sich aber sowohl Nationalstaaten als auch Städte und Regionen in diese Richtung, die der moderne Nationalstaat vor allem als Rechts- und Sozialstaat zu überwinden gesucht hat.
In der Konkretisierung dieser Politik in der Kulturpolitik einer Kommune wird eine Suche nach den "Leuchttürmen", nach den "repräsentativen" Events und Einrichtungen entstehen, und es ist zu befürchten, dass Stadtteilzentren in der Regel nicht unter diese Kategorien fallen werden. Vor allem aber werden sich Städte und Regionen, die sich um eine solche Wachstumspolitik bemühen, alles das zu verdrängen suchen, was Misserfolg, Benachteiligung oder gar Armut ausdrücken könnte. Das Engagement der Stadtteilzentren ist aber in hohem Maße auf Benachteiligte gerichtet, auf Randgruppen oder Menschen, die in der Modernisierung nicht Schritt halten können. Symbolisch bringen Stadtteilzentren zum Ausdruck, dass es diese Menschen gibt und das sie am kulturellen und sozialen Leben einer Stadt beteiligt sein sollten. Dem Erfolgsimage einer Stadt, dass sie als Standortmerkmals aufzubauen sucht, kann das widersprechen, so dass die Neigung, diesen Einrichtungstyp überhaupt noch zu fördern, schwinden kann. Es kann eine Konzentration von Mitteln auf die zentralen, Image prägenden, Erfolg verheißenden und signalisierenden Einrichtungen und Vorgänge erfolgen, in der dann für die Stadtteilzentren wenig oder nichts mehr bleibt, es sei denn, diese Einrichtungen ließen sich in ein solches Erfolgsimage integrieren. Das dürfte aber aus der Geschichte dieses Einrichtungstyp in der Regel schwer sein oder zu einem völligen Wandel der Besuchergruppen, des Programms, des Betriebes oder Selbstdarstellung führen, also z.B. zu einer Zentralisierung mit normalem Kulturprogramm, in dem nur etwas andere Gengres vertreten sind als z. B. in der zentralen Konzert- oder Kongresshalle. Je mehr sich also das "neo-konservative" Modell in einer Stadt durchsetzt, umso mehr dürften Stadtteilzentren als Einrichtungstyp gefährdet sein.
Die dritte Reaktion auf die Krise des Sozialstaates, die wachstumskritische Dissidenz, bildet in vieler Hinsicht den Ausgangspunkt der Stadtteilkulturarbeit und ihrer Einrichtungen. Es sollten alternative Lebens- und Kulturproduktionen entwickelt und gefördert werden, um sich von dem Zwängen der formalisierten Arbeitgesellschaft zu lösen und auch denen kulturelle Äußerungen zu ermöglichen, die nicht in vollkommener Weise in diese Arbeitsgesellschaft integriert sind, weil sie das entweder nicht wollen oder nicht können. Und ganz entscheidend war eine Kultur gedacht, die sich auch selber, in ihren Produktions- und Rezeptionsvorgängen von den Regeln der Arbeitsgesellschaft löst, die also nicht unbedingt auf Professionalität, auf öffentliche Förderung oder Markterfolg angewiesen sein sollte, eine Laienkultur informeller Beziehungen und Kommunikationsformen also. Vor allem in den späten 1970er und 1980er Jahren sind diese Konzepte bis zu Vorstellungen von einer "Neuen Urbanität" (Häußermann und Siebel) entwickelt worden, also bis zu einem neuen Stadtmodell, einer neuen Stadtkultur.
In dieser Tradition stellt die Stadtteilkulturarbeit einen Emanzipationsversuch von den Zwängen, von der Macht der staatlichen, auch der sozialstaatlichen Institutionen dar. Eine größere Authentizität, eine Alltags- und Lebensweltverbundenheit sollte erreicht werden, die den Produkten und Einrichtungen der Hochkultur zu fehlen schien. In den letzten Jahren hat aber hat dieses Konzept viel von seinem emanzipatorischen Impetus verloren und ist zu einer Art "Ausfallbürgschaft" des Sozialstaates durch ehrenamtliche Tätigkeit innerhalb des ersten Modells, des Reformkonzeptes geworden. Die unvermeidlichen Leistungslücken, die im Reformmodell entstehen, sollen durch bürgerschaftliches Engagement, durch Selbsthilfe, durch Ehrenamt, aber auch durch Sponsoren oder Mäzenaten geschlossen werden. Zur Entlastung ihrer kommunalen Hauhalte begrüßen und wünschen sich Kommunalpolitiker diese Eigenleistungen aus der Bürgerschaft der Stadt, nicht weil hier neue Lebensformen erprobt würden. Es hat sich gezeigt, dass die Abhängigkeit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung von den Institutionen der Ökonomie und des Sozialstaates viel zu große ist, als das eine emanzipatorische Loslösung von diesen traditionellen Quellen des Wohlstandes denkbar wäre. Sie können nur ergänzt, nicht ersetzt werden durch diese neuen Formen alternativen Lebens und Produzierens.
Dennoch entwickeln sich zweifellos in wachsendem Maße Initiativen, die aus eigener Kraft Lücken des Sozialstaates – der kommunalen Sozial- und Kulturhaushalte – auszugleichen suchen. Es scheint aber nach wie vor, dass immer dann, wenn auf diesem Wege wirklich substantielle, materiell relevante Leistungen entstehen, sie von und für Mittelschichtgruppen erbracht werden, da in der Regel ein bisschen Eigenkapital, vor allem aber soziale Kompetenzen erforderlich sind, die eher in der Mittelschicht als bei Gruppen von Benachteiligten erwartet werden können. Sicher gilt eine solche Regel nicht ohne jede Ausnahme, aber eine Tendenz gibt sie doch an. Das bedeutet, dass diejenigen, die über ein gewisses, relativ komfortables Einkommen verfügen und auch nicht vollständig aus sozialstaatlichen Leistungen herausfallen, am ehesten in der Lage sind, sich ihre Lebensbedingungen durch Privatinitiative noch darüber hinaus zu verbessern, während den materiell und kommunikativ Benachteiligten die Minimalressourcen fehlen könnten, so dass sich ihre Lage – im Vergleich mit den Mittelschichten – doppelt verschlechtert, durch knapper werden Mittel in den öffentlichen Hauhalten für Soziales und Kultur, und durch eine wachsende Distanz zu den Mittelschichten.
Noch aus einem zweiten Punkt könnten die Stadtteilzentren in diesem Modell gefährdet sein. Die neuen Kooperationsbeziehungen – der Mittelschichten – konzentrieren sich um Themen, um Alltagsprobleme, um Interessen und Anlässe. Diese konstituieren eine Laienaktivität, nicht der gemeinsam bewohnte Stadtteil. Stadtteile sind häufig nur Verwaltungseinheiten. Ihre Grenzen haben keine Bedeutung für alltägliche Lebenszusammenhänge. Kooperationsstrukturen – und Identitäten – tendieren dazu, sich vom Raum als zusammenfassender Basis des Lebens zu lösen. Das heißt nicht, dass der Ort des Lebens bedeutungslos wäre. Er kann sehr geliebt und geschätzt werden, meist aber nur als enger Nahraum und als "symbolischer Ortsbezug", dessen Zeichenstruktur, dessen Erscheinung und Hintergrund des täglichen Lebens lieb und wert wird, weil er unser an diesem Ort zugebrachtes Leben spiegelt, weil Erinnerungen an die Zeichen des Raumes gebunden sind. Die "Verwaltungseinheit Stadtteil" hat dafür eher geringe Bedeutung und bildet nur in Ausnahmefällen die Basis kooperativer Aktionen, wie sie für Ehrenamt und Selbsthilfe relevant werden. Ein "Stadtteilzentrum" könnte also auch aus dieser Sicht "in der Luft hängen".
Dennoch ist es mit Sicherheit ein plausibles und vernünftiges Konzept, ein Stadtteilzentrum auch zum Zentrum kooperativer, ehrenamtlicher Selbsthilfeprojekte zu entwickeln, gleichgültig, ob sie sich nun auf den Stadtteil beziehen oder auf Problemlagen, die über den Stadtteil hinausgreifen. Und es sollten auch keine Berührungsängste vor "Mittelschichtaktivitäten" bestehen, so lange diese nicht die Klientel verdrängen, die zumindest für
ange Zeit im Zentrum des "Zentrums" gestanden hat, also Randgruppen, Benachteiligte oder wie immer man sie bezeichnen will. Allerdings kann die Integration unterschiedlicher Milieus in einem Zentrum auch zur Zerreisprobe werden und das ganze kommunikative Geschick des Personals fordern.
Resümee
Die unabweisbare Krise des Sozialstaates, die tendenzielle oder potentielle Auflösung des sozialstaatlichen Konsenses stellt für die Stadtteilzentren eine unabweisbare Bedrohung dar, da sie aus dem Geist eines hoch entwickelten Sozialstaates entstanden und diesem nach wie vor eng verbunden sind. Keine der dominierenden Reaktionen auf diese Krise garantiert den Stadtteilzentren eine sichere Zukunft, obwohl sich die Anlässe, die Gründe für ihre Existenz – Milderung von Benachteiligung und Ausgleich von Ungleichheiten – häufen und verschärfen werden. Es wird das ganze diplomatische, politische Geschick eines engagierten Personals und des politischen und materiellen Einsatze engagierter Bürger bedürfen, um Schritt für Schritt, niemals auf lange Dauer aber doch für akzeptable Zeitperspektiven das Überleben dieses jungen Typs "sozialer" Infrastruktur zu sichern, und es werden auch interne Wandlungen und Anpassungen gefordert sein, die das Selbstverständnis dieser Einrichtungen auf harte Proben stellen.
Fußnoten:
1) Herwig Birg, Die demographische Wende. Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland du Europa, München, Verlag C.H. Beck, 2001
2) Jürgen Habermas, Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfung utopischer Energien, In: Ders., Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine politische Schriften V, Frankfurt/M., Suhrkamp Verlag, 1985
3) Hartmut Häußermann u. Walter Siebel, Neue Urbanität, Frankfurt/M. Suhrkamp Verlag, 1987
Anhang: "Stadtteilzentren im Wandel – Herausforderungen der Zukunft" - Stichworte zur Abschlussdiskussion bei der Jahrestagung Stadtteilarbeit am 18.11.2005
Zur Perspektive der Stadtteilzentren
- Quantitativ: Es wird eine Tendenz zu weniger aber größeren, zentraleren Einrichtungen mit Funktionsmischungen und Funktionskombinationen geben.
- Finanzierung: In der Finanzierung der Stadtteilzentren wird sich der Druck auf Eigenfonanzierung durch "Markt" und "Sponsoren / Mäzene" verstärken. Es werden also von den Nutzern Beiträge erhoben werden müssen, die zu einer Nutzerselektion führen können. Der "soziale" Auftrag der Zentren könnte dabei gefährdet sein.
- Organisation: Die Arbeit in den Stadtteilzentren wird sich einerseits professionalisieren müssen, und zwar in Richtung auf Management, zum anderen de-professionalisieren in Richtung auf Ehrenamt und Selbsthilfe.
Herausforderungen für Stadtteilzentren
Versteht man unter "Herausforderungen" Wandlungen der Nutzer, bei Besuchern oder im Umfeld, als bei potentiellen Besuchern, stellen sich wiederum drei zentrale Problemkomplexe, die als "Anforderungen" oder "Bedarf" verstanden werden können:
- Alterung der Gesellschaft: Der demographische Wandel führt unausweichlich in relativ kurzer Zeit zu einer gravierenden Alterung der Gesellschaft, also zu einer Zunahme an älteren Menschen, absolut wie relativ. Altenarbeit und Altenversorgung, z. B. in Altenprojekten, Projekten Generationen übergreifenden Wohnens usw. werden daher erhebliche Bedeutung gewinnen, vor allem weil die staatlichen Versorgungssysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen werden. Stadtteilinitiativen in dieser Richtung werden also dringend notwendig und zu einem Tätigkeitsfeld der Stadtteilzentren werden müssen.
- Exklusion: Die wachsende Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft wird zu Ausgrenzungen, zur Exklusion von Benachteiligten führen. Hier stellen sich für die Stadtteilarbeit neue Integrationsaufgaben, die allerdings mit dem wachsenden Druck zur Selbstfinanzierung nur schwer zu vereinen sein werden.
- Kompetenzverlust: Der sich ständig beschleunigende Wandel von Lebensbedingungen kann – in Verbind mit der durchschnittlichen Alterung – zu einem Kompetenzverlust größerer Bevölkerungsgruppen in der Meisterung des eigenen Lebens und alltäglicher Anforderungen führen. Hie müsste sich ein ganzes Feld neuer Bildungsaufgaben auftun, z. B. in Gesundheits- und Ernährungsfragen, bei der Orientierung auf dem Arbeits- und Weiterbildungsmarkt usw. Den Stadtteilzentren können hier neue Aufgaben zuwachsen, deren Erfüllung aber natürlich immer unter dem genannten Finanzierungsvorbehalt steht, da gerade die Bevölkerungsgruppen mit drohendem Kompetenzverlust in der Regel auch zu den wenig zahlungskräftigen gehören.