Entwicklungen und Perspektiven der Gemeinwesenarbeit in München

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- zwischen Marginalisierung und Modernisierung


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Prof. Dr. Tilo Klöck, Fachhochschule München, Am Stadtpark 20, D-81243 München, Tel: 089 / 1265-2301, Email: klock@fhm.edu

(Untersuchung im Auftrag der Stadt München aus dem Jahr 2005)


Einleitung

Dieser Beitrag über die Entwicklungen und Perspektiven der Gemeinwesenarbeit in München basiert auf einer zweijährigen Evaluation, die vom Stadtrat in Auftrag gegeben worden war, und blickte auf eine lange Konfliktgeschichte zurück. Die Beschlusslagen, Konzeptionen und Berichte wurden ausgewertet, weitere Quellen recherchiert und eine Vielzahl von Fachgesprächen und Interviews mit den Schlüsselpersonen, teilnehmende Beobachtungen und Aktivierende Befragungen vor Ort durchgeführt. Auf dieser Grundlage waren die Zielentwicklungen, die Bedarfsanzeigen, die Kooperations- und Konfliktstrukturen und die Perspektiven zu analysieren.
Die Entwicklungstrends gehen schon aus dem Untertitel der Studie hervor: Die Gemeinwesenarbeit in München zwischen Marginalisierung und Modernisierung.
Vor dem Hintergrund des Erreichten und der ambitionierten Reformprogramme sollte die Gemeinwesenarbeit mehr als Arbeitsprinzip verstanden werden, weil sie nicht im Alleingang eines Trägers oder Teams geleistet werden kann.
Gemeinsam mehr davon erreichen, so müsste die Perspektive für die Modernisierung der Gemeinwesenarbeit in München lauten, wenn die Reformversprechen eingelöst werden sollen. Allerdings hängt die Zukunftsfähigkeit von Gemeinwesenarbeit entscheidend davon ab, inwieweit die Reformvorhaben in München dem Kostendruck standhalten und weiter umgesetzt werden.
Die Gemeinwesenarbeit wurde aus einer Doppelperspektive analysiert, zum einen als Praxis von bestimmten "GWA-Projekten" und zugleich auch als strukturierendes Arbeitsprinzip im sozialräumlichen Verbundsystem. Zur Klärung der Schnittstellen, insbesondere mit dem Sozialreferat, dessen Gliederungen und Dienste, sowie die der Wohnungsgesellschaften waren ebenfalls Thema.
Das spezielle Verständnis von Gemeinwesenarbeit in München mit einer merkwürdigen Engführung auf Unterkunfts- und Sanierungsgebiete war berücksichtigt und zugleich auf die handlungstheoretischen Grundlagen und fachlichen Qualitätsstandards von Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip bezogen. Von besonderem Interesse waren die Klärung von Schnittstellen, die Vernetzung der Gemeinwesenarbeitsprojekte vor und mit REGSAM und die Übertragbarkeit von Qualitäten auf weitere Arbeitsfelder, ihre Wechselwirkungen mit den Fachdiensten anderer Träger, sowie die träger- und referatsübergreifende Planungskooperation.
Die aktuellen Reformbestrebungen des Sozialreferats, dessen Dezentralisierung in die Sozialbürgerhäuser, die Konzeptentwicklung Stadtteilarbeit, die einschlägigen Produktplanungen, z.B. Quartiersbezogene Bewohnerarbeit und die Regionalisierung der Sozialen Arbeit durch REGSAM waren wichtige Kontexte. Die Perspektive München und das Programm Soziale Stadt beinhalteten weitere richtungsweisende Untersuchungsperspektiven und die Frage der Relevanz von Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip für eine Soziale Stadtteilentwicklung in München.
Regionale Analysen über die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip in München standen im Mittelpunkt. Dazu gehörten vergleichende Analysen über Konzeptionen, Ziele, Wirkungsweisen, Handlungsebenen, Reichweiten und Qualitätssicherung von Gemeinwesenarbeit im Produkt Quartiersbezogene Bewohnerarbeit mit ihren Schnittstellen zur Stadtteilarbeit des Allgemeinen Sozialen Dienstes/Bezirkssozialarbeit, bis hin zur Stadtteilarbeit von und mit dem Sozialbürgerhaus, welche für die interkulturelle Öffnung des Sozialreferats ins Gemeinwesen hinein gewährleisten sollte. Dazu gehörte die im SGB VIII (KJHG) geforderte gemeinwesenorientierten Jugendhilfe, die sich in den Produkten Schulsozialarbeit, Streetwork und stadtteilorientierte Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendhilfeplanung zeigen müsste. Im Zuge der Regionalisierung der Sozialen Arbeit waren Bezüge zu REGSAM, zu den sozialen Diensten der Wohnungsgesellschaften und zum Planungsreferat, insbesondere zur Stadtsanierung und Stadtentwicklung mit der Perspektive München interdisziplinär herzustellen.
Die Zielentwicklungen und Qualitätsstandards der Beteiligten konnten verglichen werden. Ähnlichkeiten und Unterschiede in Konzeptionen und Zielentwicklung waren festzustellen, und die Kooperations- und Konfliktstrukturen der GWA-Projekte wurden aus der Innen- und Außenperspektive analysiert. Um (Praxis-) Widerstände und Reibungsverluste, aber auch (Entwicklungs-) Potenziale für innovative Praxis herauszufinden, ist mit der Methodik der Responsiven Evaluation ein problembezogenes, konfliktorientiertes und konziliantes Vorgehen gewählt worden.
Den Analysen von Zielentwicklung und der Kooperations- und Konfliktstruktur lagen Fragestellungen zugrunde, wie z.B.:

  • Welche Formen der Zielklärung und Zielvereinbarung wurden bisher praktiziert?
  • Welche Zieldivergenzen zwischen den Trägern und lokalen AkteurInnen sind feststellbar?
  • Wie ist die Klärung von Aufgaben trägerübergreifend organisiert?
  • Gibt es Ansatzpunkte für trägerübergreifende Konzeptionen oder einen (Träger-) Verbund?
  • Wie sind Arbeitsfeldbeschreibungen und Stellenprofile deklariert?
  • Welche Schlüsse und Bedarfsanzeigen werden für die Personalentwicklung gezogen?
  • Welches sind die Ziele, Reichweiten, Konflikte und Grenzen der Vernetzungsarbeit mit und ohne REGSAM? Was bringen GWA-Projekte und REGSAM bisher zutage und zustande?
  • Was tragen sie zur Zielklärung, besseren Wirkung und Reichweite von Interventionen bei?
  • Wird mehr Partizipation von BürgerInnen und Fachkräften an städtischen Planungen und Entscheidungen möglich?
  • Führen GWA-Projekte und REGSAM zu mehr Politiknähe, Akzeptanz oder Konkurrenz?
  • Wie arbeiten sie mit den Bezirksausschüssen und interessierten BürgerInnen zusammen?
  • Welchen Stellenwert hat bürgerschaftlicher Dialog und Partizipation in der Sozialen Arbeit?
  • Entsteht mehr Bürgernähe auch mit BürgerInnen, die nicht die KlientInnen der Sozialen Arbeit aber dennoch ihre AdressatInnen sind?

Die Notwendigkeit von betreuenden und fürsorglichen Interventionen und die Abgrenzung zur Einzelfallarbeit der im Stadtteil tätigen sozialen Dienste und Einrichtungen war mit der Frage nach der Methodenintegration im Verbund lösungsorientiert zu klären. Dafür bildeten problemorientierte Befragungen von ExpertInnen und exemplarische Fallanalysen v.a. mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst und den Fachkräften der Projekte die Grundlage.
Die Unterschiede und Ähnlichkeiten der Bedarfe von BewohnerInnen aus Sozialwohnungsgebieten und Unterkünften konnten nach Aktivierenden Befragungen von BürgerInnen und Konsultationen von Fachkräften des Allgemeinen Sozialen Dienstes/ Bezirkssozialarbeit, der GWA-Projekte, der Bewohnerinitiative und der Wohnungswirtschaft eingehender beschrieben werden.
Die Grenzen und Möglichkeiten einer Mitwirkung von BewohnerInnen, einer Aktivierung von örtlichen Potenzialen, auch für Beschäftigungsförderung im Wohnbereich und im Wohnumfeld und die Idee einer selbsttragenden Bewohnerorganisation sind in Intensivinterviews mit Wohnungsgesellschaften und Projekten untersucht worden. Mit unserem Engagement im Programm Soziale Stadt wurden Differenzierungen, Erweiterungen und Vertiefungen möglich.
Die Auftragslage war sehr vielschichtig, trägerübergreifend und komplex, sie beinhaltete Evaluations- und Entwicklungsaufgaben. Viele Reformprozesse waren schon in Gang gekommen und überlagerten sich: Die Verwaltungsreform mit der neuen Steuerung, die Dezentralisierung und Regionalisierung der Sozialen Arbeit und die Soziale Stadtentwicklung mit der Perspektive München und dem Programm Soziale Stadt beinhalteten unterschiedliche Aspekte von Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip und veränderten die Rahmenbedingungen der untersuchten GWA-Projekte.
Der Untersuchungsgegenstand veränderte sich vor diesem Hintergrund permanent. Die fachlichen Diskurse über die Reformprogrammatik und die Umsetzungsschritte verliefen ungleichzeitig und uneinheitlich. Die Evaluation war auf diese Dynamik eingestellt mit einem bewusst heuristischen und variablen Vorgehen und offenen Fragestellungen, die Multiperspektivität und Antwortvielfalt ermöglichten. Methodologisch gesehen war die Responsive Evaluation dafür besonders geeignet und erwies sich als tragfähige Grundlage für das anspruchsvolle Untersuchungsprogramm.
Nach einer kurzen Begriffsbestimmung werden die wichtigsten Ergebnisse der Zielanalysen, der Bedarfsklärung, der Methodenintegration und der Klärung der Schnittstellen von Gemeinwesenarbeit zusammengefasst, die Perspektiven der Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip aufgezeigt und Lösungsvorschläge für die öffentlichen und freien Träger in München vorgestellt. Verbunden mit dem Hinweis auf den ausführlichen Untersuchungsbericht der differenzierter auf die Hintergründe, die Zusammenhänge und die Quellenlagen eingeht.


Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit

Der Gedanke eines Arbeitsprinzips Gemeinwesenarbeit war nicht eigentlich neu. Er tauchte ab den 70er Jahren zunächst wieder als "ökologischer Ansatz" einer stadtteilbezogenen, problemorientierten, kooperativen und methodenintegrativen Form kommunaler Fürsorge auf. Anfang der 80er Jahre wurde GWA dann zunehmend als eine Arbeitsperspektive sozialer Arbeit überhaupt verstanden, insofern sie sich bewusst löste von einer methodisch isolierten sozialpädagogischen Praxis, die sowohl Methoden als auch Zielgruppen sorgfältig trennte und die sozioökonomischen und politischen Bedingungen im Lebensbereich bzw. im Stadtteil als Ursachen sozialer Benachteiligungen und Schädigungen benannte. Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit ist eine Grundorientierung, Sichtweise, Herangehensweise an soziale Probleme, wo auch immer im Bereich sozialer Berufsarbeit in einem weit verstandenen Sinn 1). Seitdem sind unter diesen Vorzeichen weitere ähnliche, teils identische mindestens aber anschlussfähige Konzepte mit den Begriffen Stadtteilarbeit, Milieuarbeit, Netzwerk- und Ressourcenarbeit, sozialökologische und lebensweltorientierte Arbeit etc. umrissen worden. Die fachlichen Qualitätsmerkmale des Arbeitsprinzips Gemeinwesenarbeit sind heute zusammengefasst insbesondere die folgenden:

Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit erkennt, erklärt und bearbeitet, soweit das möglich ist, die sozialen Probleme in ihrer historischen und gesellschaftlichen Dimension 2). Dies setzt eine konsequente Sozialraumorientierung und sorgfältige Analysen über Stadtteilgeschichte, Geschichte sozialer Probleme im regionalen Kontext, Bevölkerungs- und Sozialstruktur, Segregation, Fluktuation, Auf- oder Entwertungsprozesse etc. voraus.

  • Mit seinen Analysen und Strategien bezieht sich das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit auf ein "Gemeinwesen", auf den Ort und das ist zumeist eine sozialräumliche Einheit: Stadtteil, Siedlung, Quartier etc., wo die Menschen mit ihren Problemen und Potenzialen aufzufinden sind. Die Alltags- und Lebensweltorientierung 3) und eine gesamtheitliche, zielgruppenübergreifende Betrachtungsweise sind wesentlich. Es geht um die Lebensverhältnisse, Lebensqualität, Lebensformen und Lebenszusammenhänge, um die Strategien der Lebensbewältigung der Menschen, und auch darum, wie sie diese selbst sehen. Seitens der Fachkräfte sind Präsenz und Erreichbarkeit vor Ort, Kontaktpflege, Kommunikation und Vertrauensbildung durch direkte, niederschwellige Arbeit mit den BewohnerInnen unabdingbare Voraussetzungen. Nur so können informelle soziale Netzwerke erkannt und erschlossen werden. So können Konflikte und gelebte Vorurteilstrukturen, (Wechsel-)Prozesse von Verarmung, Ausgrenzung, Rufschädigung und Verrohung, aber eben auch das Gelingende, die Stärken und die Alltagssolidarität der Menschen aufgeklärt und kenntlich gemacht werden.
  • Die Aktivierung der Menschen in ihrer Lebenswelt ist ein zentrales Anliegen, sie sollen die Subjekte politisch aktiven Handelns und Lernens sein (vgl. Community Organizing) und zunehmend Kontrolle über ihre Lebensverhältnisse gewinnen (Empowerment). In gemeinsamen Aktionen der Problembearbeitung können sie Kompetenzerfahrungen machen und Erfolge und Solidarität erleben. Dafür ist eine interkulturelle Praxis, mit alters- und geschlechtsdifferenzierten Ansätzen, soziale Kulturarbeit und soziokultureller Bildungsarbeit 4) wichtig.
  • Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit gibt die Aufsplitterung in methodische Bereiche auf und integriert Methoden der Sozialarbeit/ Sozialpädagogik, der Sozialforschung und des politischen Handelns in Strategien professionellen Handelns in sozialen Feldern. Dafür ist es grundlegend, dass die Fachkräfte in der Arbeit mit den BewohnerInnen fallübergreifende Gemeinsamkeiten von Lebenslagen erkennen, personen- und feldbezogene Interventionsformen kombinieren und Entscheidungsträger in Institutionen, Kommunalpolitik und lokaler Ökonomie erreichen und mit Entwicklungen und Lösungsansätzen behelligen (Einmischung in Planungs- und Entscheidungsprozesse 5). Weitere Qualitätsmerkmale sind insofern nach Silvia Staub-Bernasconi (1995): Ressourcenarbeit und Bewusstseinsbildung, Kompetenztraining und Teilnahmeförderung, Soziale Vernetzung, Modellentwicklung und Umgang mit Machtquellen, Kriterien- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie Sozialmanagement etc. Die Erschließung und Nutzung des institutionellen Netzwerks in trägerübergreifender Kooperation 6) und die Anregung von institutionellen Innovationen gehören dazu.
  • Gemeinwesenarbeit wäre als eine Sondermethode oder ein isoliertes Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit gründlich missverstanden und verkürzt. Als Arbeitsprinzip geht es um die Gemeinwesen- und Lebensweltorientierung Soziale Arbeit insgesamt und ihre sozialräumliche Strukturierung, und um die Verbesserung von Partizipationschancen und Lebensbedingungen, unter denen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu leben und zu leiden haben. Eine so verstandene Gemeinwesenarbeit kann nur funktionieren als ressortübergreifende und interdisziplinäre Kooperation von Medizinern, Pädagogen, Juristen und Architekten 7) etc. Hinter dem Arbeitsprinzip GWA steht insofern die Forderung nach einer "Quartierspolitik", einer engagierten Professionalität und nach einer Qualität von Stadtteilmanagement 8), das die Menschen nicht übergeht, sondern an Planungen und Entwicklungen niederschwellig teilhaben lässt.
  • Mit dem Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit sollte sich vor Ort die Chance verbessern, die Gemeinwesenarbeit aus der "Umklammerung durch die Sozialarbeit" 9) zu lösen. In der Geschichte der Gemeinwesenarbeit seit 1945 und im internationalen Vergleich war mit der engen Bindung an die Sozialarbeit ein deutscher Sonderweg zu erkennen, der ihr viele Entwicklungsmöglichkeiten (z.B. als Community Development) genommen hatte. Gemeinwesenarbeit konnte ihren Ausgangspunkt auch außerhalb der Sozialen Arbeit haben, z.B. in der Stadtentwicklung oder der regionalen Wirtschaftsförderung, wie es z.B. ausländische Beispiele 10) zeigten. Die Konzepte und Projekte Solidarischer Ökonomie 11) und der Gemeinwesenökonomie 12) waren zukunftsfähige Modelle für eine zivilgesellschaftliche Gemeinwesenentwicklung und eine Gemeinwesenarbeit, die über die Soziale Arbeit hinaus Verbesserungen erreicht, z.B. in den Bereichen Arbeit und Wohnen, und sich nicht nur etatistisch, sondern auch marktorientiert verhält.
  • Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit erfordert eine intermediäre Arbeit 13), verstanden als eine mehrdimensionale Netzwerkarbeit (Kommunikation, Aufklärung und Verständigung zwischen den AkteurInnen und AdressatInnen, Transfer von Informationen, Interessen und Ideen) auf den folgenden Handlungsebenen (horizontal) und (vertikal) zwischen diesen:

Lebenswelten und bürgerschaftliche Organisationen

  • Lebensweltanalysen über Lebenslagen und Lebenszusammenhänge
  • Soziale Netzwerkarbeit, Soziokulturelle Bildungsarbeit
  • Aufklärung, Aktivierung, Interessenorganisation

 

Fachbasis und Leitungsebenen von Institutionen

 

  • Arbeitsfeld-, Träger- und Ressortübergreifende Kooperation
  • Moderation, Koordination, Effektivierung, Planungskooperation
  • Partizipation, Einmischung, Transparenz, Öffentlichkeitsarbeit

Kommunale Politik und Entscheidungsgremien

  • Politische Netzwerkarbeit auch im vorparlamentarischen Raum
  • Beteiligung an der politischen Willensbildung in Parteien und Entscheidungsgremien

 

Lokale Ökonomie und Gemeinwesenökonomie

  • Behelligung und Verwicklung von Wohnungsgesellschaften und lokalem Gewerbe für mehr soziale Verantwortung für den Stadtteil, lokale Partnerschaften (Public-Private-Partnership)
  • Kommunale Wirtschaftsförderung, kleinräumige Beschäftigungsinitiativen
  • Wohnungs- und Sozialgenossenschaften etc.

Nicht alle der genannten Qualitätsstandards und Handlungsebenen werden in der Praxis gleichermaßen berücksichtigt oder erreicht. Sie dienen hier als Spektrum zur Standortbestimmung und zum Profilvergleich von einzelnen Praxismodellen und/oder auch von Verbundkonzepten unterschiedlicher Träger vor Ort. Sie sind nützlich zur Dokumentation des erreichten Entwicklungsstands, der Vielfalt an Ausprägungen, Besonderheiten, Differenzierungen, Begrenzungen, Ausblendungen oder Arbeitsteilungen, der Wirkungsweise und Reichweite, sowie der Nachhaltigkeit von Maßnahmen.
Inwieweit die Qualitätsmerkmale berücksichtigt werden hängt z.B. ab von

  • Leitbildern, Zielen und Perspektiven
  • Ressourcen, fördernden und hemmenden Bedingungen
  • Auseinandersetzungen v.a. bei Planungskooperation und Zieldivergenzen
  • Konfliktbewältigungen mit mehr oder weniger konstruktiven konzeptionellen Lösungen.

Mit der Analyse von Leitbildern und Konzeptionen, Kooperations- und Konfliktstrukturen kann (Selbst-)Aufklärung geleistet und trägerübergreifender Verbundkonzepte im Gemeinwesen entwickelt werden.


Entwicklungen

Für die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip sind mit den ambitionierten Reformprojekten der Dezentralisierung, Regionalisierung und der Perspektive München wichtige programmatische Voraussetzungen geschaffen worden. Das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit konnte darin als mehrdimensionale und interdisziplinäre Netzwerkarbeit potenziell wirksam werden. Manche Praxisentwicklungen waren zwar hinter den Erwartungen zurück geblieben, aber es zeigte sich viel Engagement und Innovationsbereitschaft. Die vorhandenen Potenziale konnten sich aber noch nicht voll entfalten. Die aufgetretenen Konflikte wiesen auf spezifische Entwicklungsbedarfe hin. Die Produktplanung beinhaltete die Chance, die fachlichen Qualitätsstandards mehr zur Geltung zu bringen und zu sichern, aber auch das Risiko, sie mit der Produktlogik zu stark aufzusplitten.
Die Reformkräfte bei freien und öffentlichen Trägern und in der Wohnungswirtschaft waren erkennbar, allerdings auch beträchtliche Kooperationsbelastungen. Es waren Polarisierungen und Personalisierungen struktureller Konflikte entstanden. Die top-down-Strategien und bottom-up-Strukturen, die neue Steuerung und das Subsidiaritätsprinzip funktionierten nicht reibungslos. Modellhafte Ansätze kamen noch wenig zur Geltung und sind nicht offensiv verbreitet worden.
Der Fachbegriff Gemeinwesenarbeit war in München ungewöhnlich eng an die Obdachlosenarbeit und an einen Projektstatus gekoppelt. Die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip war mit jeder der Reformbestrebungen handlungstheoretisch verknüpft, musste jedoch immer erst wieder geklärt, zeitgemäß übersetzt oder instandgesetzt werden. Für Konzeptvergleiche und die Verständigung über Qualitätsstandards, Praxisentwicklungen und Perspektiven war dies eine Voraussetzung.
Für die fachliche und fachpolitische Verständigung fehlte ein logischer Ort. Trotz einigen positiven Ansätzen ist dies im Untersuchungszeitraum eine ungelöste Aufgabe geblieben. Ohne einen partnerschaftlichen Diskurs über die fachlichen Qualitätsstandards von Gemeinwesenarbeit war es offensichtlich schwierig, die vorhandenen Konflikte zu bewältigen, Potenziale zu nutzen und Synergien für die Reformprozesse zu erzeugen.
Die Fragen des Stadtrats über Zielentwicklung und Zielerreichung der Gemeinwesenarbeit, über die Bedarfslagen in Unterkünften und Sozialwohnungsgebieten, über die Methodenintegration und die Schnittstellen der Gemeinwesenarbeit mit dem Sozialreferat - ergänzt um die wichtigen Partnerorganisationen Wohnungswirtschaft und Planungsreferat – stellten sich außerordentlich komplex dar, und werden nun in einer Kurzversion beantwortet.

Zielentwicklung und Zielerreichung

Den Auseinandersetzungen über die Gemeinwesenarbeit in München liegen strukturelle Zielkonflikte zugrunde, welche der "Gesamtplan" des Stadtrats von 1979 bereits antizipierte und den Gemeinwesenarbeitsprojekten ein anwaltschaftliches und verwaltungskritisches Mandat für die Unterkünfte zugewiesen hatte. Diese Zielkonflikte haben viele Verbesserungen und Reformbestrebungen überdauert. Sie sind trotz der reformierten Verwaltungspraxis weiter wirksam und offenbar unterschätzt worden und in den Produktplanungen noch nicht hinreichend berücksichtigt. Das verwaltungskritische und anwaltschaftliche Mandat der GWA-Projekte wurde in Zweifel gezogen. Mit der neuen Steuerung kamen topdown-Modelle und ein sozialtechnologisches Verständnis von Gemeinwesenarbeit auf und trafen auf die Eigensinnigkeit von Vor-Ort-Strukturen. Das anwaltschaftliche Mandat der GWA-Projekte erwies sich jedoch für die Quartiere, welche besonderen Belastungen, wie z.B. Kinderarmut ausgesetzt sind, auf Dauer notwendig.
Das Sozialreferat steckte in einem strukturellen Konflikt zwischen Normalisierung von Unterkünften und Notunterbringung. Es schuf widersprüchliche Anforderungen und war an der Konstruktion problematischer Lebenslagen (z.B. im Verdichteten Wohnen) zwangsläufig beteiligt. Die wirtschaftlichen und politischen Vorgaben haben die Spielräume sukzessive eingeschränkt.
Die Aufgaben wie Normalisierung durch Umwandlung galten bisweilen als abgegolten und die Anwaltschaftlichkeit für bestimmte Bewohnergruppen als eher unmodern. Die Reformbestrebungen waren positiver besetzt, aber einige "alte" sozialpolitische Fragen blieben ungelöst. Es verstärkten sich die Anzeichen einer Marginalisierung von Aufgaben und Gebieten. Der extreme Zuweisungsdruck und die Vernachlässigung von Unterkünften, wie z.B. in der Ludlstraße, welche von der Modellumwandlung ausgeschlossen geblieben war, und der Rückzug der Jugendhilfe aus wichtigen Bereichen verschlechterten die Lebenslagen.
Die GWA-Projekte hatten die Ziele des "Gesamtplans" kontinuierlich verfolgt und an der Normalisierung durch Umwandlung in Mietwohnungen konsequent festgehalten. Die erfolgte Modellumwandlung und die gefassten Umwandlungsbeschlüsse waren Meilensteine auf ihrem Weg zum Ziel. Allerdings ist die Stadtteilintegration der Quartiere bis heute eine weitgehend unbewältigte Aufgabe geblieben und hätte verstärkte Anstrengungen und methodische Anreicherungen im Trägerverbund für mehr Wohnumfeldverbesserungen verlangt. Obwohl dieses Ziel klar formuliert war, ist es konzeptionell zu wenig berücksichtigt und methodisch kaum umgesetzt worden. Integrierte Handlungskonzepte und Aktivierungen wären dafür nötig gewesen.
Die strukturellen Konflikte und Kontroversen über alte und neue Aufgaben erschwerten den Modernisierungsprozess. Der Legitimationsdruck auf die Fachkräfte der GWA-Projekte erwies sich als unverhältnismäßig hoch, insbesondere im Vergleich zu den referatsinternen Anforderungen z.B. an die Stadtteilarbeit des Allgemeinen Sozialen Dienstes und die eklatante Unverbindlichkeit dessen Berichtswesens. Überwiegend fehlten dort z.B. aktualisierte Bezirksbeschreibungen.
Die Frage der Zielerreichung von Gemeinwesenarbeit war schwer zu beantworten, weil sich die Zielsetzungen dynamisch entwickelten und verschiedentlich forciert wurden. Einerseits von Stadtrat und Sozialreferat hinsichtlich der Produktplanung, Qualitätsentwicklung, Dezentralisierung, Regionalisierung und Perspektive München auch in einem interdisziplinären Sinne, und ebenso mit den wohnungspolitischen Beschlüssen (z.B. Wohnen in München I-III, Instrumentarien zur Unterstützung sozialverträglicher Wohn- und Wohnumfeldstrukturen, Münchner Gesamtplan Soziale Wohnraumversorgung - Wohnungslosenhilfe). Andererseits entwickelten die freien Träger (Stadtteilorientierte Sozialarbeit der Inneren Mission, Konzeption Wohnen der Caritas) und die Wohnungsgesellschaften (Soziales Management, Soziale Hausverwaltung), sowie das Wohnforum neue Konzepte und Zielperspektiven, sowohl eigenständige als auch - mehr oder weniger kooperativ - auf die Vorgaben der neuen Steuerung reagierende Ansätze.
Vom öffentlichen Träger waren sehr hohe Erwartungen an die Selbstorganisation formuliert worden und bildeten sich in der Beschlusslage über die "Instrumente zur Unterstützung sozialverträglicher Wohn- und Wohnumfeldstrukturen in München" ab. Das "sozialpädagogische Krisenmanagement" wollte man reduzieren und "selbsttragende Strukturen" in den Quartieren erzeugen, mit denen binnen drei bis fünf Jahren die Bewohnerarbeit in Selbstorganisation überführt werden sollten. Diese überraschende Zuversicht war mit der Erwartung verknüpft, dass mit den Wohnungsgesellschaften neue lokale Partnerschaften für soziale Zwecke entstehen würden, deren Soziales Management, soziale Dienste und Hausverwaltungen verstärkt einbezogen werden sollten. Eine kooperative Belegungssteuerung wurde angestrebt, damit Wohngebiete mit hohem Sozialwohnungsanteil als attraktive und sozial ausgewogene Wohngebiete erhalten bleiben.
Die "Einstreuung von Wohnungsnotfällen" sollte sensibler vorgenommen werden. Neue Kooperationen mit dem ASD, der dem Bereich Wohnen mehr Aufmerksamkeit widmen sollte, und das Verfahren der "qualitativen Freimeldungen" wurden vereinbart.
Mit den Reformzielen war der Bedarf an Gemeinwesenarbeit eigentlich konstant gewachsen. Der Erwartungshorizont und die Ansprüche an die GWA-Projekte wuchsen eminent, und neue Partner betraten die Bühne. Die Ressourcen für REGSAM und das Quartiersmanagement konnten zugeschaltet werden, waren aber materiell wie zeitlich sehr limitiert. Für die Stadtteilarbeit der Sozialbürgerhäuser wurde die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip tendenziell ebenso wichtig, wie für die sozialen Dienste und Hausverwaltungen der Wohnungsgesellschaften und des Wohnungsamts, sowie für die mit der sozialen Stadtteilentwicklung befassten Verwaltungsressorts.
Neue fachkompetente Partnerschaften kamen zustande, die wechselseitig auf handlungsfähige Leistungsträger mit einem sozialräumlichen Blick und Gemeinwesenbezug angewiesen sind, insbesondere wenn es um die Vernetzung, Verstetigung und Verbreitung von Reformvorhaben gehen sollte. Auf diese neuen Konstellationen und Herausforderungen waren nicht alle gleich gut vorbereitet. Die Gemeinwesenarbeit war von den meisten noch nicht als Arbeitsprinzip verstanden worden.
Die GWA-Projekte konnten nicht auf die Unterkünfte fixiert bleiben. Für die Bewohnertreffs in weiteren Sozialwohnungsgebieten und für die Regeldienste war die Gemeinwesenorientierung genauso wichtig geworden. Inwieweit über die unmittelbare Bewohnerarbeit hinaus die Integration der Quartiere in den Stadtteil gelang, war sehr unterschiedlich ausgeprägt und von der personellen Ausstattung, der fachlichen Qualifizierung, insbesondere aber von der Verbundqualität abhängig. Die Qualitätssicherung und der Transfer von bewährten Praxismodellen waren generell zu unverbindlich geregelt.

Bedarfslagen in Unterkünften und Sozialwohnungsgebieten

Die Lebenslagen von Menschen in den Armutsquartieren und ihren Nachbarschaften, sowie die in neuen Sozialwohnungssiedlungen schienen sich tendenziell anzugleichen, obwohl graduelle Unterschiede weiterhin bestehen. Wachsende Kinderarmut und mangelhafte Bildungsbeteiligung waren zu verzeichnen. Die Probleme durch die Zuweisungspraxis und Segregationseffekte waren eigentlich bekannt, aber offensichtlich schwer zu bewältigen. Manche der Fachdienste wie z.B. die FAST -Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit reflektierten diese Entwicklungen viel zu wenig. Mehr quartiersbezogene Kenntnisse und ein sozialräumliches Monitoring wären erforderlich gewesen. Der Sozialplanung fehlten die kleinräumigen Kenntnisse der Bedarfslagen aus den Quartieren. Merkwürdigerweise war auf aktuelle Bezirksbeschreibungen des Allgemeinen Sozialen Dienstes jahrelang verzichtet worden, und die noch sehr weiträumig angelegten Armutsberichte konnten diese nicht ersetzen.
Eine Marginalisierung von Aufgaben und Quartieren zeichnete sich am Bespiel der Unterkunftsanlage Ludlstraße in Hadern sehr drastisch ab, aber auch an der prekären Situation mit der Fluktuation und dem Personalmangel im "Reso-Bereich" des Allgemeinen Sozialen Dienstes und an den erkennbaren Rückzugsstrategien der Jugendhilfe.
Für viele BewohnerInnen der Unterkünfte war die Normalisierung ein sehr wichtiges Thema, mit dem sie sich seitens der Unterkunftsverwaltung teilweise allein gelassen fühlten (Ramersdorf, Milbertshofen, Hadern). Es zeigte sich wie wichtig - neben dem angestrebten Status als Mieter – die Instandhaltung und Wohnumfeldfeldmaßnahmen zur Aufwertung, Identifikation, Imageverbesserung und als ein Schritt auf dem Weg zu mehr Stadtteilintegration der Quartiere wären. Positive Ansätze entstanden durch mehr Präsenz und Konfliktfähigkeit von Wohnungseignern.
Die Integration der Unterkünfte im Stadtteil war noch nicht gelungen und blieb eine der wichtigsten Aufgaben für die untersuchten Projekte. Die interkulturelle Arbeit und die nötigen integrierten Handlungskonzepte waren noch kaum entwickelt und mussten stärker forciert werden.

Methodenintegration und Aktivierungen

Hinsichtlich der Bürgerorientierung, der trägerübergreifenden Kooperation und der zielorientierten Einmischung gab es im Verbundsystem viel Licht und Schatten. Den Anforderungen von Bürgerbeteiligung an der Sozialplanung, von integrierten Handlungskonzepten und von lokalen Partnerschaften mit der Wohnungswirtschaft für eine nachhaltige Gemeinwesenentwicklung wurden nur wenige Akteure aus der sozialen Arbeit gerecht.
Die Integration von Einzelfallhilfen wurde im Verbundsystem überwiegend als gelungen bezeichnet. Für die Gemeinwesenarbeit waren generalistische Erstzuständigkeiten, Niederschwelligkeit und Vertrauensbildung schon immer sehr wichtig. Das vom Sozialreferat geäußerte Interesse, die Einzelfallberatung der GWA-Projekte gegenüber dem ASD stärker abzugrenzen, lag eine vermutete Konkurrenz um die niederschwellige Beratung zugrunde, die sich vor Ort nicht bestätigte. Die Kombination von verschiedenen Settings für Rat und Hilfe war hier unstrittig, und in ihrer Funktion, Wertigkeit und Wechselseitigkeit differenziert und einvernehmlich geklärt.
Die aktivierenden Methoden und ihre bedarfsgerechte Kombination sind von den meisten Projekten hingegen sehr vernachlässigt worden. Wenn mehr Selbstorganisation und Stadtteilintegration mit den BürgerInnen ermöglicht werden sollten, so hätten Aktivierungen in weiteren Umgriffen von den GWA-Projekten organisiert werden müssen. Mehr Stadtteilintegration und Alltagssolidarität zu erzeugen, blieb vielfach ein konzeptionell und methodisch verkümmerter Aufgabenbereich.
Der Stellenwert von Aktivierungen im Vergleich zur Anwaltschaftlichkeit war in den GWA-Projekten allmählich verschwunden. Die Aktivierung als eine Verbundaufgabe wurde nicht thematisiert. Obwohl es erfolgreiche Modelle gab funktionierte das Lernen am Modell kaum, weitere Praxistransfers kamen nicht zustande. Die Interessenorganisation im weiteren Umfeld der Quartiere hätte gemeinsame Themen, positive Identifikationen und mehr Potenzial für Selbstorganisation hervorbringen können. Die merkwürdig weit verbreitete Angst vor Aktivierung von BürgerInnen verhinderte die Interessenorganisation für mehr Wohnumfeldprogramme gegen die Spirale von Ausgrenzung, Rufschädigung und Demoralisierung. Interkulturelle Praxiskonzepte und Möglichkeitsräume für die Verständigung zwischen den Bewohnergruppen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Herkunft im nachbarschaftlichen Umfeld fehlten meistens.
Die Landeshauptstadt München steht für ein anspruchsvolles Programm von Sozialplanung und das zeigen auch die vielfältigen Reformbestrebungen. Die freien Träger sind als wichtige Kooperationspartner vorgesehen und die Bürgerbeteiligung sollte einen sehr hohen Stellenwert erlangen. Die Sozialplanung war eigentlich entworfen als ein "Rückkoppelungsprozess zwischen den planenden und ausführenden Stellen einerseits und den Bürgern und Betroffenen andererseits", und darauf ausgerichtet, für die Bürger günstige Lebensbedingungen zu schaffen. 14)" Zu den Zielen zählten die "rechtzeitige Entdeckung und Verhinderung von negativen Lebensumständen", die "nachhaltige Veränderung unverantwortbar gewordener Lebensbedingungen" und die "Bereitstellung menschenwürdiger Hilfen" zur Bewältigung von individuellen bzw. gruppenbedingten Konflikten. Mit den Polarisierungen in der Kooperation wurden solche Gemeinschaftsaufgaben von Gemeinwesenarbeit und Sozialplanung allmählich vernachlässigt und verwässert. Der Stellenwert von Bürgerbeteiligung in der Sozialplanung ist sehr klärungsbedürftig geworden, und ebenso für REGSAM.

Schnittstellen und Verbundqualitäten

Die Sozialraumorientierung gehörte in München schon lange zur Reformprogrammatik: Die Sozialplanung, die Armutsberichterstattung, die Dezentralisierung mit Sozialbürgerhäusern, die Regionalisierung der Sozialen Dienste (REGSAM), die Perspektive München und das Quartiersmanagement im Programm Soziale Stadt stehen dafür. Die Sozialraumorientierung hat in wichtigen Bereichen dennoch an Stellenwert eingebüßt, sie ist leider inkonsequent und nachrangig gehandhabt worden:
Die mangelnde Wertschätzung von Stadtteilarbeit im Allgemeinen Sozialen Dienst, die fragwürdige Zuweisungspraxis der FAST (Buchstaben- statt Quartiersbezug), und ein merkwürdiges Produkt "Verdichtetes Wohnen" waren Beispiele dafür. Fallfixierte und lebensfremde Konzepte und Maßnahmen hatten die dortigen Nachbarschaften geradezu ignoriert und ganz paradoxe Anforderungen geschaffen. Hier zeigte sich der dringliche Bedarf an Gemeinwesenorientierung des Allgemeinen Sozialen Dienstes bzw. der Bezirkssozialarbeit insbesondere hinsichtlich deren neuen Schwerpunktsetzung im Bereich Wohnen.
Die konzentrierten und schlecht kommunizierte Zuweisungen von verhaltensauffälligen Menschen in bestimmte Quartiere hinein erzeugten für alle Beteiligte ungünstige Nebenwirkungen und Rufschädigungen. Sie unterliefen das Einstreuungsvorhaben, sie verhinderten eine Normalisierung und überforderten die Nachbarschaften. Wo die Lebenszusammenhänge, Ressourcen und lokale Partner im Gemeinwesen übersehen wurden, nahm die gemeinwesenorientierte Praxis Schaden und präventives Handeln wurde sehr schwierig. Wo Menschen übergangen wurden, konnte weder um Akzeptanz geworben werden, noch eine gute und stabile Nachbarschaft entstehen.
Trotz der vielfältigen Reformbestrebungen des Sozialreferates mit der Dezentralisierung und Regionalisierung ist die Sozialraumorientierung von den Regeldiensten eher nachrangig behandelt und vernachlässigt worden. Die Meldewege für Bedarfe aus den Stadtteilen und Quartieren waren vielfach verbaut, die Zuständigkeiten meistens sehr kompliziert und die referatsübergreifende Planungskooperation überaus schwierig. Die Verzahnung von Regional- und Fachplanungen war zwar als notwendig erachtet, aber nicht vordringlich betrieben worden, obwohl sie ein Meilenstein für die Reformprozesse gewesen wäre.
Die Zuweisungspraxis des Wohnungsamtes hatte die Nachbarschaften in bestimmten Quartieren der Not gehorchend überfordert, was ganz unreflektiert geschah. Ein sozialräumliches Monitoring und bürgerorientierte Dialogverfahren für mehr Akzeptanz fehlten leider noch völlig.
Die Stadtteilarbeit im ASD hatte einen schweren Stand, die Vorgaben waren zu unverbindlich, andere vordinglichere Aufgaben z.B. der Jugendhilfe dominierten und die sozialräumliche Berichterstattung war ganz unzureichend, obwohl sie für die Erfassung von Bedarfslagen unverzichtbar gewesen wären. Die Zusatzbelastungen von engagierten Fachkräften erwiesen sich als unverhältnismäßig hoch, weil kein funktionierendes Anerkennungs- und Abrechnungssystem vorhanden war. Die Erwartungen an den ASD im Bereich Wohnen waren gewachsen und waren offenbar schwer zu erfüllen (Kritik der FAST) und die qualitativen Freimeldungen von Wohnungen brachten nicht immer die erhofften Verbesserungen.
Die Stadtteilarbeit von und mit den Sozialbürgerhäusern zwar war entworfen, aber noch nicht realisiert. Die angestrebte (interkulturelle) Öffnung des Sozialbürgerhauses zum Gemeinwesen hin, die Bürgerbeteiligung und die referatsübergreifende Einmischung mit REGSAM kamen noch kaum zur Geltung. Die Qualitätssicherung an den Schnittstellen, die mehrdimensionale Netzwerkarbeit, der bürgerschaftliche Dialog, Partizipation und die Anwaltschaftlichkeit für bestimmte Quartiere und sind als gemeinsame Aufgaben noch wenig entwickelt worden.
Eine sozialräumliche Kinder- und Jugendhilfeplanung fehlte vollständig, was inzwischen erkannt ist. Viele Bedarfsanzeigen aus den Quartieren blieben ohne Konsequenzen, weil Vergleichsdaten fehlten und Beurteilungskriterien strittig waren. Für die Bedarfsklärung und Bürgerbeteiligung vor Ort wären eine partnerschaftliche Planungskooperation und eine Verzahnung von Fach- und Regionalplanungen wichtig gewesen.
Zwischen dem Allgemeinen Sozialen Dienst und den GWA-Projekten war es hinsichtlich Bedarfsmeldungen, die amtsintern oftmals versandeten, stellenweise zu einer Arbeitsteilung gekommen, um Abhilfe zu schaffen. Die Gemeinwesenorientierung war in den Regeldiensten noch wenig verwirklicht worden. Für die GWA-Projekte in den untersuchten Gebieten gab es demzufolge kaum Alternativen. Sie hatten tragfähige stadtteilbezogene Vernetzungsstrukturen geschaffen und waren Partner von REGSAM.
Einzelne Träger konterkarierten die sozialräumlichen Reformprozesse und planten ihre Einrichtungen ohne jeglichen Umfeldbezug an der Sozialplanung, REGSAM, PSAG - Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft, sowie dem Quartiersmanagement vorbei. Die Konzeptionen, Betriebsgrößen und Standortalternativen waren nicht verhandelbar.
Die Zusammenarbeit der GWA-Projekte mit der Wohnungswirtschaft war sehr unterschiedlich ausgeprägt. Manche waren ganz auf die Unterkunftsverwaltung im Wohnungsamt fixiert. Die Unterkunftsverwaltung verstand sich als soziale Hausverwaltung, ebenso wie die sozialen Dienste der Wohnungsgesellschaften, allerdings mit ungleich schwierigen BewohnerInnen.
Einzelne GWA-Projekte hatten positive Erfahrungen und tragfähige Praxismodelle mit der kommunalen Wohnungsgesellschaft GWG entwickelt. Diese Zusammenarbeit hätte intensiviert werden müssen, weil für die Aufwertung von Quartieren, für Beschäftigungsprojekte im Nahbereich und Wohnumfeldverbesserungen lokale Partnerschaften dringend nötig waren. Neue Anstöße z.B. hinsichtlich der Hausmeisterdienste und deren Qualifizierung kamen vom Wohnforum Mieterladen.


Perspektiven der Gemeinwesenarbeit in München

Mit Blick auf die Reformbestrebungen der Landeshauptstadt und die erreichten Standards der Praxis können nun Perspektiven für die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip in München skizziert werden.

  • Der funktionale Stellenwert der Zusammenarbeit von Fachreferaten, freien Trägern und Wohnungsgesellschaften wird zunächst hervorgehoben, und wir erinnern wegen den typischen Zielambivalenzen und strukturellen Konflikten zwischen dem Sozialreferat München und den Gemeinwesenarbeitsprojekten der freien Trägern an das anwaltschaftliche und verwaltungskritische Mandat für die Quartiersentwicklung, das im Gesamtplan von 1979 schon angelegt war, sich bewährte und nun fortgeschrieben werden sollte. Das wäre eine besondere Herausforderung für die Qualitätssicherung, Produktplanung und die neue Steuerung.
  • Mit der verstärkten Sozialraumorientierung betonen wir eine Schlüsselaufgabe des Sozialreferats, insbesondere die Abteilung Sozialplanung, welche die Potenziale der Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip für die Reformbestrebungen z.B. hinsichtlich der Bürgerbeteiligung und Einmischung z.B. in Entscheidungen anderer Ressorts nutzen sollte.
  • Das hat für die Produktplanung und Qualitätssicherung Konsequenzen, weil hier die Chancen und Risiken für die notwendige Verbundqualität für Gemeinwesenarbeit an den Schnittstellen ausgehandelt werden und es sich entscheidet, wer mit wem welche Qualitäten garantiert und dafür finanziert wird.
  • An der Produktlogik der Quartiersbezogenen Bewohnerarbeit konkretisieren wir diese Aspekte und formulieren Entwicklungsaufgaben für die GWA-Projekte auch als Verbundaufgabe von Partnerorganisationen für eine verstärkte Stadtteilintegration von Quartieren, für Aktivierungen und Aufwertungen in weiteren Umgriffen, für Wohnumfeldverbesserungen und Beschäftigungsinitiativen im Stadtteil.
  • Die Bezirkssozialarbeit bleibt ein wichtiger Partner und die Stadtteilarbeit von und mit dem Sozialbürgerhaus ein komplementäres Konzept für die gemeinwesenorientierte Praxis im Verbund. Hier besteht für das Sozialreferat die Chance mehr Verbindlichkeit, Wertschätzung, Qualität und Transparenz von Stadtteilarbeit wie bisher zu erreichen. Das wäre auch nützlich für REGSAM und die Stadtteilentwicklung. Der Verbleib des Produkts Stadtteilarbeit und des nicht mehr weiter verfolgten Konzepts Stadtteilarbeit von und mit dem ersten Sozialbürgerhaus wäre dafür zu klären.
  • Für die Regionalisierung der sozialen Dienste ist das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit grundlegend. Einerseits werden Synergien und Impulse erhofft, andererseits die Weitläufigkeit und Qualitätseinbußen von REGSAM befürchtet. Im Vergleich mit den fachlichen Qualitätsstandards werden Entwicklungsbedarfe, wie z.B. bürgerschaftliche Öffnung von REGSAM (Partizipation), Förderung von Selbstorganisation (Empowerment), Zielorientierung (Einmischung), sowie soziale Stadtentwicklung (Integrierte Handlungskonzepte) verdeutlicht.
  • Die Perspektive München lenkt den Blick auf interdisziplinäre und ressortübergreifende Aufgaben für nachhaltige Stadtteilentwicklung, für die qualifizierte Leistungsträger und Arbeitskontexte vor Ort nötig sind. Für das Stadtteilmanagement, verstanden als mehrdimensionale Netzwerkarbeit von Intermediären ist das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit als Fundierung handlungstheoretisch gesehen wichtiger denn je und zukunftsfähig.

Die Reformperspektiven der Neuen Steuerung (Produktplanung), Regionalisierung (REGSAM), Dezentralisierung (Sozialbürgerhäuser) und Stadtteilentwicklung (Perspektive München) stellen für die Gemeinwesenarbeit wichtige Rahmenbedingungen dar. Für die Reformvorhaben ist das Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit wichtiger denn je und zukunftsfähig. Das wollen wir nun darstellen und konkretisieren und einen Maßnahmenkatalog vorschlagen.

Zielambivalenzen und Strukturkonflikte bewältigen

Einige Zielambivalenzen und Zielkonflikte im Sozialreferat sind deutlich geworden, die sich gegenüber den GWA-Projekten von freien Trägern und weiteren Referaten (z.B. Planungsreferat) auswirkten. Die Normalisierung von Quartieren durch Sanierung und Umwandlung von Unterkünften in Mietwohnungen und der dramatische Zuweisungsdruck auf bestimmte Gebiete, die Integrationsaufgabe an Nachbarschaften und demgegenüber das konstruierte Wohnen auf Widerruf im Verdichteten Wohnen sind Beispiele dafür. Die Widersprüche von Aufwertung und gleichzeitiger Abwertung und Rufschädigung von Quartieren, Flächenkonkurrenzen und Nutzungskonflikte, sind insbesondere im Münchner Norden offensichtlich geworden.
Die Konflikte um die Quartiersentwicklung sind symptomatisch und strukturell bedingt. Die Konfliktbewältigung im Sozialraum wird eine Daueraufgabe bleiben. Es sollte vermieden werden, dass die typischen Konflikte bestimmten Akteuren im Arbeitsfeld einseitig zugeschrieben und personalisiert werden.
Die Konfliktbewältigung müsste in der Regelpraxis von öffentlichen und freien Trägern mit verteilten Aufgaben krisenfester institutionalisiert werden. Im Gesamtplan von 1979 war das schon angelegt, Den GWA-Projekten der freien Träger war ein anwaltschaftliches Mandat für bestimmte Quartiere und eine verwaltungskritische Position zuerkannt worden. Das hat sich bewährt und sollte nicht verworfen werden. In der Produktplanung und Qualitätssicherung müsste es berücksichtigt werden.
Die Gründe für das nötige subsidiäre Zusammenspiel mit ungleichen Aufgaben und verteilten Rollen bestehen fort, obwohl z.B. die Verbesserung der sozialen Infrastruktur, Sanierung und Umwandlung von Unterkünften in Mietwohnungen zusammen erreicht worden ist. Für die weitere Normalisierung nach der Sanierung und Umwandlung von Unterkünften und deren Stadtteilintegration werden die Wohnungsgesellschaften als Partner für die Ansätze der Gemeinwesenarbeit, und v.a. auch für die Transfers auf weitere Sozialwohnungsgebiete in Bestand oder Planung immer wichtiger.
Wenn Wohnungsgesellschaften gemeinwesenorientierte Projekte mit finanzieren, so verändert dies den Aspekt der Anwaltschaftlichkeit. Die Projekte sind dann nicht mehr primär der Anwalt des Mieters, sondern tendenziell (auch) der Interessensvertreter des Vermieters. Diese ungleichen Gewichtungen müssen konzeptionell ausgehandelt und im Verbund vor Ort balanciert werden.
Die Aufgaben- und Rollentrennungen von Wohnungsgesellschaften, öffentlichen und freien Trägern werden weiterhin funktional erforderlich bleiben. Ihr Zusammenwirken wird künftig stärker in Leistungsvereinbarungen geregelt werden, in denen die konflikttypischen Aufgaben vorausschauend und differenziert berücksichtigt und Regulierungen für gleichberechtigte und partnerschaftliche Kooperation vereinbart werden sollten.
Lokale Partnerschaften brauchen auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Perspektive München ist eine wichtige kommunalpolitische Vorgabe dafür.
Mit ungleichen Aufgaben und im Dialog werden die besten Lösungen für die Quartiere zu finden sein. Allerdings müssen die Voraussetzungen verbessert werden, indem ein Raum als Forum dafür geschaffen wird. Mit einem Dialogmodell für die Quartiersentwicklung könnte die Soziale Arbeit im Gemeinwesen mehr Akzeptanz für Entwicklungen, z.B. mehr Aufnahmebereitschaft erreichen. Eine konstruktive Konfliktbewältigung setzt Beteiligung voraus.
Eine vorausschauende Wohnungspolitik könnte die Vorgaben und Bedingungen mittelfristig verbessern und die dramatische Unterversorgung mit Wohnraum der niedrigen Preisklassen bewältigen. Die neue Steuerung und die Sozialplanung brauchen die Berichterstattungen aus den Sozialräumen, die unbedingt verbindlicher geregelt werden müssen. Die Verständigung über regionale Bedarfslagen sollte klarer strukturiert und die interdisziplinäre Planungskooperation der Fachreferate verbessert werden.
Die Zielsetzungen der Münchner Sozialplanung von 1994 sollten erinnert und beachtet werden, weil sie eine unverzichtbare Voraussetzung für effektive Planungskooperation und Partizipation darstellen: Die Sozialplanung sollte hinsichtlich einer präventiv orientierten und rational fundierten Sozialpolitik im politischen Willensbildungsprozess auch solche Strategien gezielt einsetzen, welche die "tendenziell schwache Stellung der Sozialplanung im kommunalen Planungszusammenhang" bzw. die des Sozialbereichs gegenüber anderen Politikbereichen berücksichtigen und kompensieren. Die fehlende Einsicht in das Entstehen sozialer Problemlagen und die unterschiedlichen Interessenslagen, der am Planungsprozess Beteiligten war zu beklagen. Diese Einmischungsstrategie erschien nötig, weil soziale Problemlagen oft durch andere Politik- und Planungsbereiche verursacht werden. Wegen der strukturell schwachen Stellung des Sozialbereichs gegenüber anderen Politikbereichen bzw. der Sozialplanung im Gesamtzusammenhang der kommunalen Planung sei es besonders wichtig, "geeignete Bündnispartner" zu gewinnen. Die "Strategie zur Mobilisierung der Betroffenen" würde deren frühzeitige Planungsbeteiligung und die "Erarbeitung gemeinsam getragener planerischer Konzepte durch die Betroffenen und deren Organisationen" erfordern. Die Gemeinwesenarbeit und die Sozialplanung hängen insofern eigentlich zusammen. Mit solchen Zielvorgaben sollte eine engere projekt- und quartiersbezogene Zusammenarbeit angestrebt und möglich werden.

Sozialraumorientierung konsequenter umsetzen

Die Sozialraumorientierung braucht mehr Verbindlichkeit und institutionelle Absicherung, mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Die Nachrangigkeit von Sozialraumorientierung und Funktionalisierung für reaktive Krisenbewältigung wurde den präventiven und bürgerorientierten Aufgaben nicht gerecht. Integrierte Handlungskonzepte sollten verstärkt werden, damit organisationsegoistischen Tendenzen besser zu bewältigen sind. Für eine qualifizierte Zuweisungs- und Belegungspraxis von Wohnungsamt und Wohnungsgesellschaften wären genaue Ortskenntnisse und Feldkompetenzen der Fachkräfte unerlässlich.
Kleinräumig differenzierte Sozialberichterstattungen wären eine Voraussetzung für eine vorausschauende, sozialräumlich differenzierte und beteiligende Kinder- und Jugendhilfeplanung, wie sie der Gesetzgeber (SGB VIII, §§ 1.3, 8, 80) auch ressortübergreifend (§ 81) verlangt. Wenn die Verzahnung von Fach- und Regionalplanungen sichergestellt würde, sollten die untersuchten Projekte offensiv dazu beitragen.
Die referatsübergreifende Klärung von Schnittstellen und Zielvereinbarungen zwischen den Referaten z.B. mit Schulreferat und Planungsreferat über Stadtteilentwicklung werden immer wichtiger. An den Schnittstellen von Sozialreferat und Schulreferat müssten Qualitätsmerkmale und Prüfkriterien z.B. für einen verantwortlichen und einen effizienten Umgang mit Bedarfsmeldungen im Hort- und Krippenbereich entwickelt werden.
Die Fachplanungen und die regionalen Planungen müssten systematischer aufeinander abgestimmt werden. Die Kinder- und Jugendhilfeplanung wäre vom Steuerungsbereich 2 (Jugendamt) in Kooperation mit der Sozialplanung, den Sozialbürgerhäusern und REGSAM vor Ort zu organisieren. Die Bezüge zur Sozialberichterstattung müssen im "internen" Produkt Kinder- und Jugendhilfeplanung möglichst bald definiert werden, v.a. die Qualitätskriterien für Beteiligung und kleinräumige Differenzierung.
Die Fortschreibung von Bezirksberichten müssen von ASD/ BSA verbindlicher geregelt werden, damit sie für ein Stadtteilmonitoring einbezogen werden können. Die bisherigen Sozialberichte aus den Sozialregionen können – wenn sie kleinräumig differenzierbar werden - die Grundlage für "Zooming-Perspektiven" sein. Die Mandate und Kompetenzen für ein sozialräumliches Monitoring, für Planungskooperation und Koordination sollten eindeutiger und verbindlicher in Leistungsvereinbarungen geregelt werden.
Eine aufgabengerechte Ausstattung, z.B. für die REGSAM-Moderation und ein Controlling wäre sehr wichtig. Mit einer Sozialraumbilanzierung können die Prozesse von Segregation und Solidarität in der Stadtgesellschaft, d.h. die Leistungs- und Aufnahmebereitschaft von Stadtteilen transparent und thematisierbar werden. Sie könnten eine Grundlage für eine gerechte Aufgaben- und Ressourcenverteilung sein und Nutzungskonflikte relativieren. Die Sozialplanung, die REGSAM-Moderation, die Sozialbürgerhäuser und auch das Quartiersmanagement brauchen funktionierende Vor-Ort-Strukturen, die eine qualitative kleinräumige Armutsberichterstattung und Bürgerbeteiligung ermöglichen. Gemeinwesenorientierte Praxis kann sie schaffen und im Kontext von REGSAM garantieren, wenn Ressourcen aufgabengerecht zugeschaltet werden.

Produktplanung und Qualitätssicherung an Schnittstellen

Für die Qualität der Produktplanung und neuen Steuerung sind die Klärungen von Schnittstellen fundamental wichtig. Für die Qualitätssicherung sind die Träger und Arbeitsfelder, die Ressorts und Politikbereiche übergreifenden Arrangements und Verbundqualitäten im Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit richtungsweisend, das im Alleingang nicht zu realisieren ist. Erforderlich sind integrierte Handlungskonzepte und lokale AkteurInnen, die BewohnerInnen erreichen. Neben Sozialen Organisationen und Verwaltungsressorts sind bürgerschaftliche Organisationen, Kommunalpolitik, Wohnungsgesellschaften und das lokale Gewerbe bedeutsame Partner für mehr public-private-partnership.
Die Qualität von einzelnen Produkten wird nicht nur von einzelnen Organisationen bestimmt, sondern vom Zusammenwirken mit weiteren Trägern und lokalen AkteurInnen als Co-Produzenten von Leistungen. Die Produktplanung beinhaltet diesbezügliche Risiken und Chancen: Vorsicht ist geboten, weil auch Qualitätsverluste möglich sind. Mit der Einführung der Produktlogik ist die Gefahr verbunden, dass fachliche Qualitäten nicht präzise genug beschrieben werden und wesentliche Standards der gemeinwesenorientierten Sozialen Arbeit durch das vorgegebene Raster und das Zahlenwerk von Kennziffern hindurch fallen. Was an fachlichen Qualitäten nicht präzise erfasst wird, das wird auch in den Leistungsvereinbarungen und Finanzierungen nicht mehr vorkommen. So könnten komplexe Praxiszusammenhänge, bewährte Arbeitsteilungen und Arrangements geschwächt werden und zerfallen. So ergaben sich besondere Anforderungen für ein trägerübergreifendes Qualitätsmanagement und die kooperative Steuerung. Die Qualität von Gemeinwesenarbeit hängt weniger von Binnenstrukturen einzelner Organisationen ab, sondern vielmehr auch von verbindlichen, leistungsfähigen und überprüfbaren Verbundstrukturen mit den Co-Produzenten.
Die Qualitätssicherung sollte primär über das Produkt Quartiersbezogene Bewohnerarbeit erfolgen. Der Verbleib des ursprünglich vorgesehenen Produkts Stadtteilarbeit und die Schnittstellen zu den einschlägigen Produktbereichen des Sozialreferats, sowie anderer Referate, z.B. Planungsreferat, Schulreferat, Referat für Arbeit und Wirtschaft, sowie für Gesundheit und Umwelt sollten geklärt und transparent gemacht werden.
Der Prozess der Produktplanung ist besonders beachtenswert, weil hier definiert wird, welche Qualitäten wahrgenommen und wie sie beschrieben werden, wer daran wie stark beteiligt wird und welche Richtungsentscheidungen vorgenommen werden. Die Sorgen, dass sich Substandards einstellen noch bevor genügend Transparenz über den gesamten Produktplan, die Produktpalette und Finanzierungsmodi und Partizipation an der Produktplanung hergestellt wurde, sind nnicht unberechtigt. Für die Fortschreibung der Qualitätskriterien sind ähnliche Risiken und Chancen zu vermuten.
Die Aufsplitterung von Zuständigkeiten und institutionelle Verkrustungen sollten sich im Reformgeschehen nicht reproduzieren. Einen generalistischen Blick für eine problemgerechte Kombination von fall- und feldbezogenen Interventionen und Innovationen zu erhalten, und ein sozialräumliches Mandat vertraglich besser zu fixieren, ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe.
Die Segmentierung von Problemlagen und organisationsspezifische Ausrichtungen sind tradiert, und konnten sich gegenüber gesamtheitlichen Arbeitsperspektiven durchsetzen.
Die Produktplanungen und sozialräumlichen Planungen, die Regional- und Fachplanungen müssen – ähnlich einer Matrix-Organisation - mehr im Zusammenhang gesehen werden. Es wäre ein Meilenstein für den weiteren Weg der Reformen und eine Grundlage für die künftige Sozialberichterstattung und die bisher leider vernachlässigte sozialräumliche Kinder- und Jugendhilfeplanung, wenn diese Verzahnung möglichst konfliktfähig und krisenfest institutionalisiert werden könnte.

Quartiersbezogene Bewohnerarbeit

Mit der Gemeinwesenarbeit werden weiterhin hohe Ansprüche an die Qualität einer aktivierenden und lebensweltorientierten Arbeit mit BewohnerInnen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Herkunft verknüpft bleiben. Die Anwaltschaftlichkeit und eine engagierte Mandatnahme für die Quartierspolitik und Empowerment von unten gehören weiterhin mit dazu. Die Selbsthilfekräfte für die Bewältigung von Notlagen reichen vor Ort häufig nicht aus. Für die Selbstorganisation fehlen oft die Voraussetzungen und müssen erst geschaffen werden. Die anwaltschaftlichen Hilfen können jedoch - wenn sie nur als pure Dienstleistung wahrgenommen werden - zu Missverständnissen führen und Prozesse der Aktivierung und Selbstorganisation behindern. Es kommt auf die richtige Kombination von geeigneten Methoden und auf die angemessenen Umgriffe der Nachbarschaften an, in denen mit motivierenden Gesprächen auf Augenhöhe nach den generativen Themen und organisationsfähigen Interessen von Menschen gesucht wird. Für einen solchen Ansatz reichen die Potenziale einzelner Unterkünfte oder Sozialwohnungsanlagen allein meistens nicht aus. Die Aktivierungen in weiteren nachbarschaftlichen Umgriffen stellen für die meisten der untersuchten Projekte eine noch weitgehend unbewältigte Entwicklungsaufgabe dar.
Die bisher überwiegend angebotsorientierten Maßnahmen zur Integration der Quartiere in die Stadtteile müssten methodisch angereichert und verbessert werden. Diese Integrationsaufgaben wären mit der Fachbasis zu forcieren und erfordern verstärkte bürgerorientierte Maßnahmen. Sie würden einen unverminderten Einsatz von Personalkapazitäten rechtfertigen, sie stellen sich zugleich aber auch eine Verbundaufgabe.

Stadtteilarbeit von und mit dem Sozialbürgerhaus

Die Sozialbürgerhäuser sollen regionale Ressourcen erkennen, fördern und nutzen, Aufgaben möglichst ganzheitlich aber auch kleinräumig differenziert wahrnehmen, informelle Netzwerke und Soziale Dienste einbinden. Motivierende Arbeitsbedingungen sollen geschaffen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten eindeutig geregelt und Entscheidungskompetenzen soweit wie möglich nach unten delegiert werden.
Die angestrebte Öffnung der Sozialbürgerhäuser zum Gemeinwesen hin wird ohne eine stärkere bürgerschaftliche Beteiligung nicht gelingen. Für die proklamierte Kundenorientierung sollte die in der Sozialen Arbeit weit verbreitete Fallfixierung bewältigt und mehr Feldkompetenzen erworben werden. Die Sozialbürgerhäuser brauchen den Dialog mit den BürgerInnen – gerade mit denen, die nicht ihre Fälle oder Ehrenamtliche sind - und müssen etwas dafür tun. Die Gespräche auf Augenhöhe für mehr Akzeptanz sind wichtig, dafür sind methodische Zugänge und Konzepte nötig.
Für die Stadtteilarbeit von und mit dem Sozialbürgerhaus müssten Konzepte vorgelegt und neue Qualitätsstandards definiert werden. Die bisherige Praxis der Stadtteilarbeit des ASD reicht nicht mehr aus. Die Organisation muss aus ihren Erfahrungen lernen: Stadtteilarbeit darf nicht mehr auf Gremienarbeit verkürzt werden, verkrustete Meldewege für Bedarfe und veraltete Bezirksbeschreibungen sollten nicht mehr hingenommen, bürgerschaftliche und aktivierende Komponenten nicht mehr vernachlässigt, fall- und feldbezogene Interventionen mehr kombiniert werden und sich besser ergänzen.
Die Stadtteilarbeit ist fachlich im Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit verwurzelt und basiert auf einer grundsätzlichen Sichtweise und Herangehensweise an soziale Probleme durch Soziale Arbeit, die sozialraum- und lebensweltorientiert ist, bürgerschaftliche Organisationen und BürgerInnen beteiligt, interdisziplinär arbeitsfeld-, träger- und ressortübergreifend im Verbund handelt und sich in Planungs- und Entscheidungsprozesse einmischt.
Die Stadtteilarbeit des SBH handelt sowohl auf der Träger- und Leitungsebene als auch auf der Ebene der Fachbasis. Die Ziele, Strategien, Wirkungsweisen sind noch genauer zu spezifizieren. Die Stadtteilarbeit ist komplexer und umfassender als dass sie mit der bisherigen Ausstattung von REGSAM zu leisten ist. Eine Qualifizierungsoffensive und eine Unterstützung von Fachkräften in den Regeldiensten für diese Aufgaben wären sehr hilfreich. Die Doppelbelastung von engagierten Kräften sollte beendet werden.
Das erste Sozialbürgerhaus hat eine Konzeption für die Stadtteilarbeit auf der Grundlage der ersten Produktbeschreibung über Stadtteilarbeit entwickelt, die Fachkräfte aus der Verwaltung, GWA-Projekten und REGSAM ausgearbeitet hatten. Mit einer internen Zukunftswerkstatt und einem offenen Workshop mit REGSAM, Sozialplanung und Mitgliedern aus den Bezirksausschüssen sind Praxiserfahrungen systematisch eingearbeitet worden.
Der Konzeptionsentwurf für die Stadtteilarbeit von und mit dem Sozialbürgerhaus enthält Vorschläge zum künftigen Zusammenwirken von Zentrale und Dezentrale, von SBH und REGSAM, sowie über das referatsübergreifende und politikorientierte Mandat. Die in der BSA steckenden Potenziale, könnten besser entfaltet und genutzt werden, wenn die Vorgaben für die Stadtteilarbeit konsequenter umgesetzt, Personal von den fallbezogenen Aufgaben entlastet und Qualifizierung ermöglicht würden. Darin stimmten die Beteiligten von Leitungs- und Arbeitsebene überein. Die Beratungen im Lenkungsausschuss des Sozialreferats waren dann aber stagniert.
Die Konzeptionen und Schnittstellen von Dezentrale (SBH), Zentrale (Sozialplanung, Steuerung), REGSAM sollten praxisbezogen, interdisziplinär und lösungsorientiert mit der Perspektive München weiter verhandelt und mehr Transparenz darüber hergestellt werden.

Regionalisierung der sozialen Dienste

Die Koordination und Vernetzung gehörten schon immer zu den Kernaufgaben im Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit, allerdings in sinnvollen sozialräumlichen Umgriffen, welche die geforderte Qualität ermöglichen. Die Weitläufigkeit der Sozialregionen in München bringt die Aufgabe kleinräumiger Differenzierungen mit sich.
Die GWA-Projekte hatten Vernetzungsstrukturen für ihre Gebiete schon organisiert bevor REGSAM gegründet wurde. An der Fachbasis hatten sich spezifische Aufgaben- und Arbeitsteilungen eingespielt.
Die verstärkte Zielorientierung der Zusammenarbeit in REGSAM ist eine der vordringlichsten Aufgaben geblieben und gehört zu den uneingelösten Vorhaben von REGSAM, weil ein krasses Missverhältnis von Aufgabenfülle und knappen Ressourcen besteht. REGSAM braucht mehr denn je handlungsfähige und aktivierende Kooperationspartner mit sozialräumlichem Blick als Leistungsträger vor Ort.
Die Durchsetzungsfähigkeit von REGSAM hängt von den Meldewegen für Bedarfslagen ab, welche die zuständigen Fachreferate auch wirklich erreichen und Verbindlichkeiten schaffen sollten. Eine Systematik dafür fehlt leider immer noch und müsste vordringlich entwickelt werden. Auf die unverzichtbare Integration von Fach- und Regionalplanungen sei hier nochmals hingewiesen.
Für REGSAM wird die Gemeinwesenarbeit als Arbeitsprinzip relevant, weil wesentliche Reformziele wie die Bürgernähe und interkulturelle Öffnung der Regeldienste und Partizipation ansonsten verfehlt würden. REGSAM sollte nicht nur exklusive Fachlichkeit bleiben. Die bürgerschaftliche Beteiligung an Planungsprozessen gehört zu den ungeklärten und unbewältigten Aufgaben von REGSAM und müsste auch von der Sozialplanung konzeptionell stärker berücksichtigt und praktiziert werden.
Wenn REGSAM konsequenter umsetzt und interdisziplinär und ressortübergreifend wirksam wäre, dann könnte die Soziale Arbeit in der Sozialregion für die Soziale Stadtentwicklung mehr Beiträge leisten und sich qualifizieren. Eine dem Arbeitsprinzip Gemeinwesenarbeit entsprechende mehrd