Existenzgründerzentren als lokaler Entwicklungsmotor?
Erfahrungen aus dem Stadtteil Hamburg St. Pauli
Kontakt:
Kurt Reinken, steg Hamburg mbH, Schulterblatt 26−36, 20357 Hamburg, Tel.: 43 13 93-42, E-Mail: kurt.reinken@steg-hh.de, Internet: www.steg-hh.de
Die Stadtentwicklungsgesellschaft steg Hamburg verfügt über langjährige Erfahrungen in der Sanierung und Stadtteilentwicklung im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Die Gesellschaft ist hier seit ihrer Gründung im Jahr 1989 im Rahmen verschiedener Programme aktiv, im Schwerpunkt als Sanierungsträgerin. Ein Schwerpunkt im Rahmen dieser Arbeit ist spätestens seit Mitte der 1990er Jahre auch die Förderung und aktive Entwicklung der lokalen Wirtschaft.
Die steg Hamburg
Die steg besteht aus den drei Arbeitsbereichen Architektur, Immobilienverwaltung und -entwicklung sowie Stadtentwicklung und Quartiersmanagement. Das Unternehmen arbeitet im Rahmen verschiedener Landes- und Bundesprogramme. Neben der klassischen Sanierung nach BauGB zählen hierzu das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt, das Hamburger Landesprogramm Soziale Stadtentwicklung, das ExWoSt-Forschungsprojekt Stadtumbau West sowie die europäische Gemeinschaftsinitiative URBAN II. Auftraggeber der steg sind Kommunen, Länder und die EU.
Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich im Zusammenhang der vielfältigen gebietsbezogenen Tätigkeiten der steg für eine integrierte Stadtteilentwicklung das Themenfeld ‘Förderung und aktive Entwicklung des Gewerbebestandes’ in den unterschiedlichen Quartieren zu einem der Schwerpunkte der Arbeit vor Ort entwickelt: Bestandspflege und Bestandsentwicklung des Gewerbes, Weiterentwicklung des Branchenmixes, Existenzgründungsförderung sowie aktives Standortmarketing sind dabei integrale Bestandteile der Arbeit.
Im Rahmen dieser Aktivitäten reagiert die steg auf konkrete Bedarfe der lokalen Wirtschaft. Sie initiiert jedoch auch innovative Projekte der Standortentwicklung oder zur Bildung von lokalen Beschäftigungspakten und sucht dafür vor Ort geeignete Kooperationspartner. Besonders die Einbindung privater Partner in diese Projekte ist dabei eine zentrale Zielsetzung. Die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten der steg erlauben es der Gesellschaft, auch als Projektentwicklerin zu agieren und eigene Vorhaben zu realisieren. Beispiele für diese Maßnahmen werden im Rahmen dieses Artikels vorgestellt.
Lokale Wirtschaftsentwicklung in St. Pauli
Die Strategien der steg zur lokalen Wirtschaftsentwicklung in St. Pauli ruhen auf drei Säulen: Gründer- und Gewerbezentren als Hardware, Beratung und Unterstützung sowie Information und Veranstaltungen als Software. Dabei werden alle Aktivitäten und Angebote aus einer Hand gemacht, was die Wechselwirkungen der Strategien und Instrumente verbessert und ermöglicht, eine integrierte Gesamtstrategie zu verfolgen.
Die Ziele für diese Aktivitäten leiten sich aus den Zielsetzungen der verschiedenen Erneuerungskonzepte für die vier Sanierungsgebiete in St. Pauli ab. Dort wird u.a. angestrebt, Bestandsbetriebe zu sichern und zu stärken, neue Unternehmen anzusiedeln, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen sowie das Image des Stadtteils zu verbessern und ein aktives Standortmarketing zu betreiben.
Abb: Kurt Reinken / Stefan Kreutz
Zielgruppen der Angebote im Rahmen der lokalen Wirtschaftsentwicklung sind daher sowohl Bestandsbetriebe, die gesichert und gefördert werden sollen, als auch neue Unternehmen, die sich im Stadtteil gründen oder ansiedeln sollen. Eine reine Bestandsorientierung ist aus Sicht der steg im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung auch nicht sinnvoll, da die endogenen Potenziale häufig nicht für eine Stabilisierung und Aufwertung der Gebiete ausreichen. Daher müssen auch exogene Potenziale genutzt bzw. angezogen werden, z.B. Unternehmen, Investoren, Projektentwickler.
Die steg greift bei den genannten Aktivitäten auf eine Vielzahl von Partnern aus dem Stadtteil und aus der Gesamtstadt zurück. Dies sind natürlich und zu erst die Unternehmen selbst, aber auch Akteure/innen der bezirklichen und gesamtstädtischen Wirtschaftsförderung sowie der Fachbehörden.
Die Gründerzentren der steg
Die steg betreibt heute erfolgreich vier Gründerzentren in St. Pauli: Seit 1999 die ETAGE 21 in der umgebauten Alten Rinderschlachthalle und seit 2001 die SPRUNGSCHANZE in einem Gewerbeneubau in der Bernstorffstraße, die Etage WELLENGANG im Gesundheitszentrum st. Pauli (seit 2005) und seit Januar 2006 das Musikhaus Karostar St. Pauli.
Das Grundkonzept aller Objekte ist sehr ähnlich und folgt dem angelsächsischen Modell des "managed workspace": Angeboten werden Kleinstbüros zwischen 10 und 50 Quadratmetern für Existenzgründer und junge Unternehmen (bis drei Jahre nach der Gründung). Alle Mieter/innen der Gründerzentren können gemeinsame Infrastrukturen nutzen, z.B. Konferenzräume, Kopierer oder Teeküchen. In der ETAGE 21 gibt es darüber hinaus einen Sekretariatsservice für Telefondienste und andere Dienstleistungen.
Das Vermietungskonzept sieht eine zeitliche Befristung der Anmietung auf drei Jahre vor - mit einer Verlängerungsoption von zwei Jahren, die auch häufiger genutzt wird. Für die Mieter/innen gilt das Prinzip ’easy-in-easy-out’, d.h. sie haben eine einmonatige Kündigungsfrist. Bei der Vermietung und Belegung der Gründerzentren wird darauf geachtet, einen möglichst breiten Branchenmix zu erreichen, um interne Konkurrenzen zu verhindern und potenzielle Kooperationen zwischen den Unternehmen zu fördern. Zielgruppen der Gründereinrichtungen sind Gründer und junge Unternehmen aus dem Stadtteil St. Pauli und der näheren Umgebung.
Die Bilanz der ETAGE 21 ist nach sieben Jahren durchweg positiv. Die durchschnittliche Vermietung der 21 Büroflächen liegt bei über 90 Prozent - obwohl es Phasen großer Fluktuation gegeben hat, z.B. nach dem Zusammenbruch der ’New Economy Blase’ in 2001. Über 80 Unternehmen haben sich seit der Eröffnung des Gründerzentrums ausgegründet, sind also wieder aus der ETAGE 21 ausgezogen. Von diesen Unternehmen sind ca. 35 % der Betriebe in St. Pauli bzw. im direkten Umfeld geblieben, 45 % der Betriebe sind in andere Hamburger Stadtteile gegangen. 20 % der Unternehmen mussten ihr Geschäft aufgeben. Insgesamt wurden in den fünf Jahren ca. 150 Arbeitsplätze in den Gründungsbetrieben neu geschaffen oder konsolidiert.
Betrachtet man die Wirtschaftlichkeit des Gründerzentrums, ist festzustellen, dass für die steg als Vermieterin die finanzielle Bilanz plus/minus null ist. Es wurden mit der ETAGE 21 keine Gewinne erwirtschaftet, es wurden jedoch auch keine Verluste gemacht. Damit ist das Konzept wirtschaftlich tragfähig. Die durchschnittliche öffentliche Förderung pro Unternehmen im Zentrum liegt bei ca. 700,- EURO im Jahr, wenn man die investive Förderung der Freien und Hansestadt Hamburg für den Umbau des Gebäudes auf die Mieter/innen umlegt.
Ein vergleichbares Konzept verfolgt die SPRUNGSCHANZE, die in 2001 eröffnet wurde. Im Vergleich zur rein öffentlich finanzierten ETAGE 21 ist hier jedoch ungewöhnlich, dass der Gewerbeneubau von einem privaten Investor und Eigentümer errichtet worden ist. In einem von der steg moderierten Aushandlungsprozess zwischen der damaligen Hamburger Stadtentwicklungsbehörde (heute Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) und dem Investor ist es gelungen, diesen davon zu überzeugen, 1.000 Quadratmeter Nutzfläche seines Objektes für Existenzgründer und junge Betriebe zur Verfügung zu stellen. Hierfür hat er einen Investitionszuschuss von der Stadt Hamburg erhalten. Auf diesen Flächen hat die steg die SPRUNGSCHANZE - das Gründerhaus St. Pauli mit 30 kleinen Büroeinheiten realisiert. Für die Vermietung der Flächen ist die steg verantwortlich. Ein gemeinsames Sekretariat gibt es in dieser Einrichtung nicht, um die anteiligen Betriebskosten zu reduzieren. Auch hier ist die Auslastung der Flächen sehr gut und die Wartelisten sind lang. Die bisher gemachten Erfahrungen werden im Frühjahr 2005 analysiert und ausgewertet.
Ein drittes "Hardware"-Objekt der steg zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung in St. Pauli ist das themenorientierte Gründerzentrum für Unternehmen aus der Musikwirtschaft, das neben der Alten Rinderschlachthalle entstand: KAROSTAR - das Musikhaus St. Pauli. Die steg hat hier nicht nur das Konzept entwickelt, sondern realisiert auch den Neubau mit 2.500 Quadratmetern Nutzfläche und 40 Einheiten für Büros, Tonstudios und Ladenflächen. Baubeginn für das Musikhaus, das mit europäischen Mitteln aus dem EFRE-Fonds gefördert wird, war im Oktober 2004. Das Objekt wurde im Januar 2006 eröffnet. Anders als in den beiden o.g. Gründerzentren richtet sich der KAROSTAR gezielt an Gründer und junge Unternehmen aus der Musikwirtschaft.
Bilanz der steg-Gründerzentren
Sieben Jahre nach der Eröffnung des ersten Gründerzentrums auf St. Pauli, der ETAGE 21, fällt die Zwischenbilanz der steg sehr positiv aus. Die Auslastung der Zentren ist trotz der flexiblen Mietkonditionen für die Mieter/innen und der damit verbundenen Fluktuation sehr hoch. Viele Gründer und junge Unternehmen stehen auf der Warteliste für eine Bürofläche in einer der beiden Zentren.
Die Wirtschaftlichkeit der beiden Zentren ist gewährleistet, da sie sich beide selber finanziell tragen. Neben den von der Stadt Hamburg im Rahmen der Errichtung geleisteten Investitionszuschüsse sind keine weiteren öffentlichen Fördermittel in die Objekte geflossen. Das Angebot von Kleinstbüros mit flexiblen Mietkonditionen und Gemeinschaftseinrichtungen ist erfolgreich und sehr nachgefragt, da dieses Angebot nach wie vor einmalig in den beiden Gründerzentren gemacht wird und auf dem Markt sonst so nicht zu finden ist.
St. Pauli hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Gründer-Hochburg in Hamburg entwickelt. Hierzu haben die beiden Gründerzentren einen entscheidenden Beitrag geleistet. Viele ausgegründete Unternehmen sind im Stadtteil geblieben und stärken somit die nachhaltig die Wirtschaftsentwicklung. Mit dem Musikhaus KAROSTAR soll in Zukunft die in St. Pauli bereits stark vertretende Musikwirtschaft vernetzt und gefördert werden. St. Pauli wird damit seinem Image als Kreativ-Stadtteil gerecht.
Einschränkend muss gesagt werden, dass die Zielgruppen der beiden Gründerzentren in der Regel hochqualifizierte und motivierte Gründer mit akademischem Hintergrund sind, die entweder aus dem Stadtteil kommen oder neu in den Stadtteil gezogen sind. Geringqualifizierte Bewohner/innen aus dem Stadtteil konnten mit den Angeboten nicht erreicht werden. Die Gründerzentren leisten ihren Beitrag also im Sinne der Anziehung von stabilisierenden Haushalten und Unternehmen und weniger in Form der Sicherung von bestehenden Unternehmen oder der Qualifizierung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen aus dem Stadtteil.
Die Einbindung der örtlichen Wirtschaft in die Gründerzentren ist bislang noch nicht ausreichend gelungen bzw. kann noch intensiviert werden. Im Rahmen eines von 1998 bis 2000 geförderten EU-Projektes zur "Förderung des Existenzgründergeistes in benachteiligten Gebieten" ist es zeitlich befristet gelungen, in gut siebzig Veranstaltungen über 500 Gründer/innen und Unternehmer/innen zu erreichen, davon kamen ein Drittel aus dem Stadtteil St. Pauli. Dabei hat sich gezeigt, dass ein stadtteilbezogenes Gewerbezentrum derart entwickelt werden kann, dass es positive Ausstrahlungseffekte auf das Umfeld und den gesamten Stadtteil haben kann. Für den Aufbau von dauerhaften Kooperationsbeziehungen und eine engere Verflechtung mit dem Stadtteil bedarf es jedoch einer längerfristigen Perspektive und einer entsprechenden Anschubfinanzierung, die in der Regel nur durch öffentliche Mittel gewährleistet werden kann. Hier stellt sich das Problem, dass weiche Maßnahmen der Vernetzung und des Marketings Geld kosten jedoch häufig nicht wirtschaftlich attraktiv sind, da der geldwerte Nutzen in der Regel nicht offensichtlich bzw. nicht kalkulierbar ist.
Literaturverzeichnis
- ENTRUST (2004): Regenerating neighbourhoods in partnership - learning from emergent practices.
- Kreutz, Stefan / Krüger, Thomas / Reinken, Kurt: Public Private Partnerships - Paradigmenwechsel in der Stadterneuerung? In: Jahrbuch Stadterneuerung 2004.
- steg Hamburg QN Spezial (2002): Dokumentation FORUM Stadterneuerung 2001 ’Förderung lokaler Wirtschaft - zwecklos oder zukunftsweisend? Erfahrungsberichte aus der Praxis’
- www.gruender-info.de
- www.karostar.de
- www.steg-hh.de
- www.sprungschanze.net