Business Improvement Districts (BIDs) in Hamburg

Werkstattbericht und Zwischenfazit


Kontakt:

Sebastian Binger, Helmut Schmidt Universität, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg, Tel.: 040-6541-2802, Email: sbinger@hsu-hh.de


Hamburg ist das erste Bundesland, das zum 1.1.2005 ein Gesetz zur Formierung von Business Improvement Districts (BIDs) eingeführt hat. Inzwischen haben auch Bremen, Schleswig-Holstein und Hessen gesetzliche Regelungen für die Einführung von BIDs verabschiedet. Die Idee für BIDs ist Ende der sechziger Jahre in Toronto, Kanada entstanden, wo sich Grundeigentümer einer Geschäftsstraße mit zwei Gefahren konfrontiert sahen:

  • in Unmittelbarer Nähe wurde eine große Shopping-Mall geplant
  • eine U-Bahn Linie in Richtung Innenstadt wurde gebaut

Diese beiden Umstände konnten dazu führen, dass Kunden nicht mehr in der traditionell gewachsenen Einkaufsstraße einkaufen. Die Grundeigentümer haben sich daher mit Unterstützung der Stadtverwaltung dazu entschlossen, die Situation in ihrer Straße mit Geldern aus einer selbst auferlegten Abgabe zu verbessern. Hierfür wurde ein Maßnahmen und Finanzierungskonzept entwickelt und in den Folgejahren erfolgreich umgesetzt.
Mittlerweile gibt es in Nordamerika eine Vielzahl von Business Improvement Districts. Allein die Stadt New York City hat über 50 BID´s.
BIDs sind:

  • klar begrenzte Geschäftsgebiete (Business Districts),
  • in denen auf Veranlassung der Betroffenen
  • in einem festgelegten Zeitraum (meist 5 Jahre)
  • in Eigenorganisation
  • Maßnahmen zur Quartiersaufwertung (Improvement) durchgeführt werden.
  • Finanziert werden BIDs durch eine kommunale Abgabe,
  • die alle im Gebiet ansässigen Grundeigentümer zu leisten haben.

Sie können die folgenden Aufgaben übernehmen:

  • Baumaßnahmen im öffentlichen Raum
  • Aufwertungen des öffentlichen Raums
  • Serviceleistungen (z.B. Reinigung)
  • Standortmarketing und Events
  • private Vereinbarungen (z.B. Leerstandsmanagement)
  • usw.

Sie haben die folgenden Grenzen:

  • Kommunale Projekte auf Kosten der Privaten
  • Maßnahmen der Daseinsvorsorge
  • Maßnahmen gegen kommunale Belange, bzw. gegen Belange Dritter
  • Maßnahmen, die das Privateigentum Dritter betreffen – es sei denn sie stimmen zu
  • Maßnahmen, deren Wirkung weit über das eigene Gebiet hinaus geht

Insbesondere die Abgrenzung staatlicher Maßnahmen zur Daseinsvorsorge von privaten BID-Maßnahmen ist im Detail nicht unkompliziert. Ist beispielsweise der Ersatz eines zu groß gewordenen Baumes in einer Fußgängerzone durch einen besser in den Straßenraum passenden Baum eine private oder staatliche Aufgabe? Solche Fragen sind in Verhandlungen mit den zuständigen Stellen der öffentlichen Verwaltung zu verhandeln.
BIDs bieten einige gravierende Vorteile gegenüber freiwillig organisierten Partnerschaften:

  • Finanzielle Planungssicherheit über die gesamte Projektlaufzeit
    • Auch umfangreiche Projekte umsetzbar (Verbesserung des öffentlichen Raums)
    • Akteure können sich auf Sacharbeit konzentrieren
  • Geringere finanzielle Belastung für den Einzelnen
    • Keine "Trittbrettfahrer", Zahlungspflicht für alle Eigentümer
    • Stadt übernimmt den Einzug der Mittel, Inkassofunktion
  • Bessere Vernetzung der relevanten Akteure im Quartier
    • Effektive Umsetzung von Aktionen und Events
    • Aufbau einer handlungsfähigen Entscheidungsstruktur
  • Starke Verhandlungsposition ggü. öffentlichen Stellen
    • Aufgabenträger wird in Anhörungsverfahren einbezogen
    • Das Quartier spricht mit einer Stimme

Darüber hinaus hat sich in Hamburg gezeigt, dass insbesondere institutionelle Grundeigentümer wie Versicherungen oder Fondsgesellschaften meist nicht in der Lage sind, sich freiwillig an Maßnahmen im Quartier zu beteiligen - wenn sie jedoch zu einer Teilnahme gezwungen werden, folgt nicht zwingend ein Widerspruch.
Die im Hamburger Landesgesetz formulierten Regelungen sind sehr knapp gehalten und bieten den Akteuren Raum für die Gestaltung ihres Projektes. Hier die zentralen Regelungen:

  • Grundeigentümer bestimmen einen Aufgabenträger
    • Dieser kann jede natürliche oder juristische Person sein
    • Der Aufgabenträger wird nach BID-Gründung von der Handelskammer kontrolliert
  • Der Aufgabenträger benötigt min. 15% Zustimmung der Grundeigentümer zur Einreichung eines BID-Antrages. Es gilt dabei das doppelte Quorum aus Fläche und Anzahl der Köpfe. Der Antrag enthält:
    • Ein ausformuliertes Maßnahmenkonzept
    • Ein verbindliches Finanzierungskonzept für die gesamte Laufzeit
    • Die deutliche Abgrenzung des BID Gebietes
  • Dann erfolgt die Antragsprüfung durch die Kommunalverwaltung. Dabei wird geprüft, ob der Antrag den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ob die notwendige Zustimmung vorhanden ist und ob die geplanten Maßnahmen in die Interessen Dritter eingreifen.
  • Nach der Prüfung erfolgt eine Beteiligung der Öffentlichkeit:
    • Einen Monat lang werden die Unterlagen öffentlich ausgelegt
    • Jeder Grundeigentümer muss dabei über die Antragstellung informiert werden und kann seinen Widerspruch einlegen.
  • Widersprechen weniger als 1/3 der Grundeigentümer (Negativquorum) kann der Senat per Rechtsverordnung das BID einführen

In Hamburg haben sich inzwischen zwei Projekte formiert. Das BID Sachsentor in Bergedorf mit einem Budget von 150.000 EUR in drei Jahren ähnelt dabei im Volumen einer Interessengemeinschaft. Das BID Neuer Wall hingegen hat ein Volumen von 6 Mio. EUR in fünf Jahren. Hier wurde die Straße vollständig umgestaltet. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Reinigung und Unterhaltung, zum Parkraummanagement und zum Marketing im Budget enthalten.
Daneben bereiten mehrere Quartiere die Gründung eines BID vor. Diese werden im Folgenden kurz beschrieben:


BID Wandsbek Markt

Der Wandsbeker Markt ist das einwohnerstärkste Bezirkszentrum in Hamburg und liegt östlich der Hamburger Innenstadt etwa 5 km vom Zentrum entfernt. Die Wandsbeker Marktstraße, die Bundesstraße B 75, ist mit rund. 60.000 Fahrzeugen täglich eine der meist befahrenen Ausfallstraßen in Hamburg. Der geplante BID-Bereich Wandsbek Markt umfasst die Straßenzüge Wandsbeker Marktstraße und Schlossstraße und ist knapp 700 Meter lang. Von der Einrichtung eines BID wären 63 Grundeigentümer betroffen.
Das Einkaufszentrum Quarree mit 80 Fachgeschäften und einem Kino sowie ein Karstadt-Warenhaus prägen den Einzelhandelsstandort Wandsbek Markt. Entlang der Wandsbeker Marktstraße sind die Erdgeschossflächen ausnahmslos an Fachgeschäfte, Gastronomie oder Dienstleistungsanbieter vermietet. Die Qualität des Einzelhandelsbesatzes hat insbesondere im westlichen Bereich der Wandsbeker Marktstraße in den letzten Jahren abgenommen. Es sind vermehrt Vorboten eines drohenden Abwärtstrends wie beispielsweise Handy-Shops, Ein-Euro Läden und Billig-Bäcker anzutreffen. Im Jahr 2004 wurde der im Zentrum des BID-Bereichs liegende Wandsbeker Marktplatz aufwändig mit umfangreichen öffentlichen Mitteln aufgewertet. Demgegenüber weist der öffentliche Raum entlang der Schloßstraße und der Wandsbeker Marktstraße erhebliche gestalterische Mängel auf. Eine nicht vollständige Überdachungskonstruktion entlang der Wandsbeker Marktstraße stört das Erscheinungsbild des Standortes zusätzlich.
Die Maßnahmen des BID verfolgen das Ziel, den zur City Wandsbek gehörenden Abschnitt der sehr gleichförmig bebauten Bundesstraße B 75 für Autofahrer und Passanten als besonderen Bereich wahrnehmbar zu gestalten. Darüber hinaus sollen die Orientierung im Quartier verbessert und das Sicherheitsempfinden der Passanten gesteigert werden. Die Maßnahmen werden zunächst eine umfassende Aufräumaktion des öffentlichen Raumes beinhalten. Des Weiteren sollen gestalterische Elemente bis hin zu einer vollständigen Neugestaltung der Gehwege inklusive der Beleuchtung, Bepflanzung und Möblierung eingesetzt werden. Hinzu kommt ein Budget zur Finanzierung von Events auf dem neu gestalteten Marktplatz. Ein öffentlich gefördertes City-Management soll parallel die Vernetzung im Einzelhandel verbessern und wichtige Lobby-Arbeit im Quartier leisten. Die Grundeigentümer erhoffen sich von dieser Maßnahme (die eines von mehreren privaten Projekten im Bezirk Wandsbek ist) einen weiteren positiven Impuls für den Standort. Die Ansprache der Grundeigentümer ist sehr erfolgreich. Die geplante Laufzeit des BID ist fünf Jahre. Die Höhe der finanziellen Belastung der Grundeigentümer lässt sich erst nach Abschluss der Entwurfsplanungen für die Neugestaltung des öffentlichen Raums abschließend benennen. Sehr positiv ist die nach einer umfangreichen Ansprache der Grundeigentümer breite Zustimmung zu den Planungen. Eine Herausforderung hingegen sind die unterschiedlichen Grundstücksgrößen und Einheitswerte der verschiedenen Grundstücke im Quartier, was zu einer inhomogenen Kostenbelastung für die einzelnen Eigentümer führt. Der potenzielle Aufgabenträger hat bereits mit dem BID Neuer Wall umfangreiche Erfahrungen mit BID-Projekten sammeln können. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.bid-wandsbek.de.


BID Lüneburger Straße

Die Lüneburger Straße ist eine ca. 300 Meter lange gewachsene Fußgängerzone im Kern des südlich der Elbe gelegenen Hamburger Bezirks Harburg. Die Harburger Innenstadt hat oberzentrale Funktionen für die südlich an Hamburg grenzenden Landkreise. Als wichtige fußläufige Verbindungsachse zwischen dem 2004 errichteten Phoenix-Center mit 110 Fachgeschäften sowie dem Stadtkern mit einem Karstadt-Warenhaus und den Harburg Arkaden weist die Lüneburger Straße eine hohe Fußgängerfrequenz auf. Die Erreichbarkeit der Fußgängerzone mit dem ÖPNV ist problemlos. Für den Individualverkehr ist die Streckenführung im Harburger Zentrum hingegen verwirrend, auch die Wegeführung für Passanten ist nicht deutlich. Eine lange Unterführung am östlichen Zugang der Fußgängerzone sowie nicht gestaltete Häuserrückseiten an den seitlichen Zugängen lassen nicht vermuten, dass die Fußgängerzone in unmittelbarer Nähe liegt.
Die Qualität des Einzelhandelsbesatzes in der Lüneburger Straße hat seit der Öffnung des Phoenix-Centers erheblich abgenommen. So haben zahlreiche leistungsstarke Anbieter den Standort in der Lüneburger Straße bereits verlassen. Perfekte Flächenzuschnitte, ein einheitliches Centermanagement sowie ein schlagkräftiges Marketingbudget sind Faktoren, denen Grundeigentümer der Lüneburger Straße kaum etwas zu entgegnen hatten.
Ziele der BID Initiative sind neben einer langfristigen Stabilisierung bzw. Steigerung des Mietniveaus die Verbesserung des Images der Lüneburger Straße, die bessere Nutzung der hohen Passantenfrequenzen in der Straße durch eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer sowie die Schaffung von Wiedererkennungs-Merkmalen im öffentlichen Raum und die Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Konkrete Maßnahmen sind

  • begrenzte Baumaßnahmen im öffentlichen Raum zur Gestaltung der Eingangssituationen, die Überarbeitung des Grünkonzeptes, die Beleuchtung wichtiger Fassaden und die Installation neuer Straßenmöblierung und eines Passantenleitsystems,
  • die Installation eines ökonomischen Quartiersmanagements, also die Beschäftigung eines "Kümmerers" mit verschiedenen Aufgabenschwerpunkten wie die Schaffung von Zwischennutzungen für leer stehende Flächen, die Suche nach Kooperationspartnern für die Verbesserung der Sauberkeit in der Straße, die Organisation von Veranstaltungen und Events und die Koordination des Außenauftrittes der Straße durch den Aufbau von Pressekontakten und der Pflege einer Homepage,
  • die Einrichtung einer Flächendatenbank für das BID-Gebiet,
  • die Einrichtung eines Budgets für die Anschaffung von Dekorationsgegenständen wie einer Weihnachtsbeleuchtung etc..

Die Grundeigentümer sind zu einem überwiegenden Teil bereit, sich an einem BID zu beteiligen. Die finanzielle Belastung liegt voraussichtlich bei 5% der Einheitswerte über die geplante Laufzeit von 5 Jahren.


Zwischenfazit:

Die Erfahrungen aus den Hamburger BID Initiativen haben einige besonders zentrale Erfolgsvoraussetzung für die BID Gründung ergeben:

  • Es sind realistische und für Grundeigentümer relevante Ziele zu formulieren.
  • Frühzeitig sind die großen Eigentümer in die Planungen einzubinden. Widersprechen diese, kommt kein BID zustande.
  • Die sukzessive Information der "kleinen" Eigentümer sollte während den Planungen zum Maßnahmenkonzept erfolgen.
  • Die strategische Einbindung der Gewerbetreibenden ist häufig schwierig, wenn gerade diese ein Teil des Problems darstellen, sollte aber in jedem Falle angestrebt werden.
  • Durch die Schaffung transparenter Strukturen fällt es leichter,.die Entscheidungen der Lenkungsgruppe zu legitimieren.
  • Geplante Maßnahmen sollten frühzeitig auf Umsetzbarkeit geprüft werden. Insbesondere Veränderungen in der Verkehrsführung oder Baumaßnahmen im öffentlichen Raum machen die Zusammenarbeit mit und die Zustimmung der Kommune erforderlich.
  • Die enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen und Betrieben sollte frühzeitig angestrebt werden.
  • Für die Moderation der Prozesse sollte ggf. professionelle Unterstützung hinzugezogen werden.

BIDs bietet die Chance, eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten herbeizuführen:

Grundeigentümer:

  • Die Entwicklung von Strategien zur nachhaltigen Renditesicherung ihrer Immobilien im weiteren Umfeld und in Kooperation wird möglich.
  • Die Planung, Umsetzung und Kontrolle konkreter, auch umfangreicherer Maßnahmen wird die Entwicklung von Quartieren positiv beeinflussen.
  • Langfristig ist die Nutzung von Synergien im Zielsystem anzustreben. Mietpools, Zentrale Flächenvermarktung und die gemeinsame Lobbyarbeit können im Quartier Realität werden.

Einzelhandel/Mieter:

  • Die kurzfristige Umsetzung von Maßnahmen zur Imageverbesserung wird möglich.
  • Die Umsetzung gemeinsamer Aktionen wird durch eine bessere Vernetzung erheblich erleichtert.
  • Es gibt einen zentralen Ansprechpartner: den Aufgabenträger

Kommune:

  • Eine Verbesserung der Situation des öffentlichen Raumes durch private Investitionen, aber keine Übernahme öffentlicher Pflichten zur Daseinsvorsorge.
  • Es ergeben sich Chancen zum Abbau von Bürokratie durch die Einsetzung von BID Kontaktstellen.

Bürger:

  • Stadtzentren gewinnen an Attraktivität
  • Mehr Lebensqualität in der Innenstadt