Thesen zur Partizipation von Migrantinnen und Migranten im Stadtteil

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Alp Otman, Interkulturelles Büro der Stadt Darmstadt, Frankfurter Straße 71, 64293 Darmstadt, Tel.: 06151 / 13 35 81, Email: interkulturell@darmstadt.de


Es geht in diesem Beitrag darum, ausgehend von den Erfahrungen des Interkulturellen Büros der Stadt Darmstadt im Projekt "Entwicklung von interkultureller Nachbarschaft und Zivilkompetenz im Quartier" in Kranichstein– Süd und Eberstadt– Süd" Thesen zur Unterstützung der Partizipation von Migrantinnen und Migranten im Stadtteil aufzustellen.
Zunächst folgen einige grundsätzliche Überlegungen und Begriffsbestimmungen; dann werden einige Leitlinien für die praktische Arbeit formuliert, die vielleicht auch für andere Kommunen Ideen und Anregungen geben können. (Der zweite Teil setzt Kenntnisse über den Projektverlauf voraus, die im komplementären » Beitrag von Gabriele Dierks zu finden sind).


Integration – Partizipation – Stadtteilarbeit

Es gibt einen wechselseitigen Zusammenhang einerseits zwischen Integration in der Kommune und im Stadtteil sowie andererseits zwischen Integration und Partizipation von Migrantinnen und Migranten.
Um diese Zusammenhänge zu erschließen, brauchen wir einen wissenschaftlichen Begriff von Integration. Im Unterschied zum Alltagsverständnis, wo Integration oft mit Spracherwerb oder kultureller Anpassung gleichgesetzt wird, können wir in Anlehnung von Esser, Heckmann, Meyer u.a. folgende Ebenen (Dimensionen) des Integrationsprozesses festhalten:

  • Entwicklung gleichberechtigter Teilhabe der Zugewanderten an allen Bereichen der Aufnahmegesellschaft – Diese wichtige Dimension der Integration betrifft die Einbeziehung von Migrantinnen und Migranten in die Teilsysteme der Gesellschaft wie Arbeit, Wirtschaft, Bildung, Soziales, Gesundheit, Politik etc.
  • Entwicklung sozialer Kontakte und Kommunikation zwischen Einheimischen und Zugewanderten – Hier geht es um soziale Bindungen am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in Freizeitgruppen, in Partnerschaften und Ehen etc.
  • Entwicklung von immer mehr Gemeinsamkeiten in der politischen Kultur ohne Einschränkung der Vielfalt in der Alltagskultur – Nur ein freiwilliger Konsens auf der Grundlage von demokratischen Grundwerten und Spielregeln sichert die Entfaltung der kulturellen Vielfalt für alle im Alltagsleben.
  • Entwicklung von Zugehörigkeit und Akzeptanz – Die Identifikation mit dem Lebensort ermöglicht und erfordert die Beteiligung und Mitgestaltung der Zugewanderten auf allen Ebenen.

Von einem solchen Integrationsverständnis ausgehend können folgende Thesen aufgestellt werden:
Ein Integrationskonzept, das diesen Namen verdient (und nach fast fünf Jahrzehnten Migration in Deutschland immer noch nicht existiert) sollte sich auf strukturelle, soziale, kulturelle und identifikatorische Dimensionen erstrecken und kann nur als eine ganzheitliche Bund–, Länder– und Kommunalpolitik erfolgreich umgesetzt werden. Daraus folgt im nächsten Schritt, dass Integration in der Kommune nur so gut oder so schlecht funktionieren kann wie Integration im Stadtteil, d.h. erfolgreiche Integrationspolitik erfordert eine Stadtteilpolitik, die auch die Integration von Migrantinnen und Migranten als Ziel formuliert hat.
Integration setzt wechselseitige Öffnung der Migranten – Communities und der Institutionen der Mehrheitsgesellschaft voraus. Ohne diese Öffnungsprozesse auf beiden Seiten können die Prozesse auf den unterschiedlichen Integrationsebenen nicht ungehindert ablaufen. Dies gilt auch für die Integration im Stadtteil.
Es ist erforderlich, diese Öffnungsprozesse durch eine entsprechende und kontinuierliche Kommunal– und Stadtteilpolitik zu unterstützen. Im Selbstlauf verlaufen sie sporadisch und punktuell, jedoch nicht systematisch und flächendeckend und wirken nicht nachhaltig. Dies setzt nicht unbedingt eine aufwändige Leitbildentwicklung oder den Aufbau von komplizierten Managementstrukturen voraus, sondern vor allem den festen politischen Willen, für dieses Ziel Verantwortung zu übernehmen.
Eine nachhaltige Integration in der Kommune und insbesondere im Stadtteil kann ohne Partizipation von beiden Bevölkerungsteilen nicht realisiert werden. Nur wenn das Integrationskonzept als Selbstmobilisierungsprogramm für Migrantinnen und Migranten begriffen und kommuniziert wird und nicht als zu befolgendes Pflichtprogramm, hat es Chancen, von breiteren Zuwanderungsgruppen akzeptiert und mit einer entsprechenden Eigendynamik der Migranten– Communities umgesetzt zu werden. Dies ist die Voraussetzung für die Nachhaltigkeit der Integrationspolitik.
Gleichzeitig erfordert die Partizipation im Stadtteil die systematische und kontinuierliche Stärkung der Ressourcen der einheimischen und der zugewanderten Bevölkerung. Dies kann allerdings nur mit einem inhaltlich und methodisch differenzierten Herangehen an beide Bevölkerungsteile erfolgen.
Zivilkompetenz ist die Fähigkeit zum friedlichen und kooperativen Zusammenleben zwischen unterschiedlichen Gruppen, darunter zwischen zugewanderten und einheimischen Bevölkerungsteilen. Sie kann durch Fortbildungen und gemeinsame Aktivitäten entwickelt werden. Zivilkompetenz ist insbesondere für das Zusammenleben in "Stadtteilen mit sozialem Erneuerungsbedarf" eine Grundvoraussetzung.
Die Entwicklung von Zivilkompetenz setzt gegenseitige Anerkennung der Gruppen in ihrer jeweils besonderen Situation voraus. Dies bedeutet nicht die Akzeptanz von sämtlichen Partikularnormen der jeweiligen Community, sondern die Entwicklung eines Grundverständnisses für die Zuwanderungssituation bzw. die Aufnahmesituation des jeweils anderen Bevölkerungsteils.
Es ist z.B. möglich und notwendig den geplanten Moscheebau einer bestimmten muslimischen Community zu unterstützen, wenn er baurechtlich nicht zu beanstanden ist und nachbarschaftliche Interessen nicht unverhältnismäßig tangiert werden und zugleich die ausgrenzenden Kontrollmaßnahmen gegen die muslimische Mädchen durch dieselbe Community zu kritisieren und die Einhaltung des KJHG einzufordern.
Es ist wichtig, gerade im Stadtteil den gemeinsamen Konsens auf der Grundlage der demokratischen Grundwerte und Spielregeln zu entwickeln und gleichzeitig die kulturelle Vielfalt im Alltagsleben zu praktizieren (s. Meyer, 2002). Dies setzt die Entwicklung von interkulturellen Nachbarschaften voraus und fördert sie gleichzeitig.


Leitlinien für die Stadtteilarbeit

I. Prinzip der gleichwertigen Einbeziehung bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Besonderheiten

Zunächst eine einleitende Bemerkung: Es ist sinnvoll, Migration (nicht Migrantinnen und Migranten) in Stadtteilpolitik und –arbeit zum Mainstreaming – Thema zu machen, vergleichbar mit dem Prinzip Gender – Mainstreaming. Bei allen wichtigen Entscheidungen in den Gremien der Steuerungs– und Stadtteilebene sollte geprüft werden, ob die Belange sowohl der Zugewanderten wie auch der Einheimischen in ihren Besonderheiten berücksichtigt und beide Bevölkerungsteile gleichwertig einbezogen werden.
Die Beachtung dieses Prinzips kann vor grundsätzlichen Fehlschritten bei der Partizipation in der Stadtteilarbeit bewahren: Oft werden Personen mit guten Deutschkenntnissen und mit Migrationshintergrund in die Gremien einbezogen und bei einer mehr oder weniger regelmäßigen Teilnahme an den Sitzungen wird die Migrantenbeteiligung als gegeben abgehakt. Neben dieser Variante der "Alibi" – Vertretung gibt es aber auch die Alternative der "parallelen Stadtteilarbeit": Migrantengruppen werden für Aktivitäten, die sie selbst beschließen und durchführen, von den regulären Stadtteilgremien finanziell unterstützt, aber ansonsten existieren beide "Säulen" der Stadtteilarbeit unvernetzt nebeneinander.
Das Prinzip der gleichwertigen Einbeziehung bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Besonderheiten kann auf weitere Gruppen erweitert werden. Sowohl in einheimischen als auch zugewanderten Bevölkerungsteilen sind unterschiedliche Teilgruppen wir Frauen und Männer, Jüngere und Ältere etc. mit ihren Besonderheiten zu berücksichtigen und gleichwertig in die Stadtteilarbeit einzubeziehen.
Aus der Perspektive der praktischen Arbeit hat die Umsetzung dieses Prinzips eine aktivierende Wirkung zur Folge: Unterschiedliche Teilgruppen vor Ort werden dadurch sichtbar gemacht und aufgewertet. Durch die Stärkung des Selbstbewusstseins werden sie in ihrer Motivation, sich im Stadtteil gestaltend einzumischen, gestärkt.
So sind auf der Ebene der Bürgerschaft die Motivationslagen der jeweils unterschiedlichen Gruppen differenziert wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Bei den zugewanderten Gruppen verknüpfen sich oft stadtteilorientierte Interessen mit herkunftslandorientierten Interessen. (Bei anderen Gruppe spielen u.U. institutionenbezogene oder kommunalbezogene Interessen eine Rolle). Es ist sinnvoll, diese Verknüpfung, die in den Köpfen real existiert, nicht zu ignorieren oder zu negieren, sondern versuchen, sie für die Entwicklung der Partizipation im Stadtteil zu nutzen. Gleichzeitig sollte daraufhin gewirkt werden, dass das Verhältnis nicht umkippt und der Stadtteilbezug deutlich erkennbar bleibt.
Wenn zum Beispiel die Unterstützung eines Projekts im Herkunftsland ein wichtiges Motiv für die Teilnahme einer Migrantengruppe im Stadtteilfest ist, kann mit ihr darüber gesprochen werden, wie durch eine aktive und kontinuierliche Beteiligung in der Stadtteilarbeit über die punktuelle Aktivität im Stadtteilfest hinaus auch die Interessen der Solidarität mit dem Projekt im Herkunftsland unterstützt werden kann.

II. Stärkung der Ressourcen von Migrantinnen und Migranten durch Fort– und Weiterbildung: Voraussetzung für eine effektive Partizipation

Qualifizierungsangebote für ein friedliches und kooperatives Zusammenleben im Stadtteil sind für Einheimische und Zugewanderte, Frauen und Männer sowie Jüngere und Ältere bereitzustellen. In differenzierten Einzelangeboten sollten jeweils die Besonderheiten der einzelnen Gruppen berücksichtigt werden.
Zum Beispiel ist es wichtig, aus allen relevanten Gruppen vor Ort Multiplikatoren zur Interkulturellen Kommunikation, Konfliktmediation oder Gewalt – Deeskalation fortzubilden, damit die Ressourcen für die Entwicklung von Zivilkompetenz und interkulturellen Nachbarschaften im Stadtteil gestärkt werden. (Dies ist übrigens ein effektiveres und nachhaltigeres Modell, als Multiplikatoren in geringerer Anzahl und in längeren Fortbildungen für stadtweite Vermittlungseinsätze fortzubilden.)
Der Bedarf nach einer Fort– und Weiterbildung ist allerdings innerhalb der Migrantenbevölkerung quantitativ wesentlich größer.
Einige wenigen Schritte in der Stadtteilarbeit machen zunächst Folgendes sichtbar: Es liegen große Ressourcen an Vorqualifikationen und Berufserfahrungen (insbesondere in sozialen, pädagogischen und gesundheitlichen Arbeitsfeldern) aus dem Herkunftsland bei relativ vielen erwachsenen Migrantinnen und Migranten brach, u.a. deshalb, weil oft eine Anerkennung hier aus formellen Gründen nicht erfolgen kann.
Gerade solche Menschen mit Kontakten zu den einzelnen Migranten – Communities können aber zu den wechselseitigen Öffnungsprozessen effektiv beitragen, wenn sie gleichzeitig eine Grundqualifikation in den Grundlagen der Sozialen Arbeit bekommen. Ihre Aufgabe wäre dann – ausgestattet mit Grundkenntnissen der Sozialen Arbeit und Fähigkeiten der sozialen Kompetenz im interkulturellen Bereich und in Assistenz zu den Fachkräften vor Ort – an den Schnittstellen zwischen den Institutionen und den Migranten – Communities zu vermitteln.
(Diese Überlegungen aus den Erfahrungen der Stadtteilarbeit haben zu einem neuen Weiterqualifizierungsangebot in Darmstadt geführt. Als Modellprojekt innerhalb des Equal – Programms läuft seit Anfang 2003 in Kooperation mit der FH Darmstadt ein zweisemestriger Kurs zu Integrationsassistentinnen und –assistenten. Das Interkulturelle Büro der Stadt Darmstadt hat die Koordination des Projekts unter dem Titel "Aufbau eines Multiplikatoren– Pools aus den Migranten – Communities" für die Region Starkenburg. Mit diesem Projekt wird auch eine bundesweite Diskussion um die Anerkennung eines neuen Berufsbildes sowie eines neuen Abschlusses unterhalb des akademischen Grades angestoßen).

III. Herstellung von kommunikativen und organisatorischen Voraussetzungen für die Beteiligung von Migrantengruppen an der Gremienarbeit im Stadtteil

Ein weiterer wichtiger Faktor für die dauerhafte Vernetzung von Vertreterinnen und Vertretern der Migrantengruppen im Rahmen der Gremienarbeit und der gemeinsamen Aktivitäten ist die Herstellung der sprachlichen und kulturellen Kompatibilität zwischen den unterschiedlichen Akteuren und den einheimischen Einwohnergruppen einerseits und den Migrantengruppen andererseits.
In der Stadtteilarbeit hat sich – wie in anderen Fachdisziplinen auch – eine bestimmte Sprachidiomatik entwickelt, die für Außenstehende oder Nichtexperten nicht unmittelbar verständlich ist. Dies gilt genauso für die Spielregeln und "Rituale" der Gremienarbeit, die u.a. aus dem Bedürfnis nach Effektivität und strikter Ergebnisorientierung heraus entwickelt worden sind. Sowohl die besondere Kommunikationskultur als auch die besondere Arbeitsweise in den Stadtteilgremien ist aber für eine niedrigschwellige Beteiligung von Personen mit geringeren sprachlichen Kenntnissen und Gremienerfahrungen nicht unbedingt förderlich.
Hinzu kommt, dass es nicht ausreicht, die Stadtteilgremien für Migrantenvertretungen formal zu öffnen und auch die Kommunikationsbedingungen entsprechend zu gestalten, sondern der Rahmen zu einer echten Beteiligung sollte auch inhaltlich gefüllt werden. Die Migrantenvertretung sollte kompetent die Interessen der Migrantengruppen einbringen können.
Deshalb ist es sinnvoll, eine temporär "parallele" Gremienstruktur zur Beteiligung für die Vertreterinnen und Vertreter der Migrantengruppen zu schaffen, die Schritt für Schritt aufgebaut wird. Sie sollte entsprechend dem Entwicklungstempo der Selbstsicherheit der Einzelnen und der Stabilisierung des Arbeitsgremiums ebenfalls Schritt für Schritt geöffnet und mit der regulären Gremienstruktur vernetzt werden.
In diesem Prozess kommt es besonders auf das richtige Timing in der Einleitung der einzelnen Vernetzungsphasen an. Wenn zu früh mit den regulären Gremien vernetzt wird, bleibt die Vernetzung ohne Folgen, da eine reale Beteiligung nicht erfolgt. In diesem Fall wirkt die formale Beteiligung sogar kontraproduktiv, da Erwartungen auf beiden Seiten nicht erfüllt werden. Erfolgt dagegen die Vernetzung mit den regulären Gremien zu spät, entsteht die Gefahr der Verselbständigung der Migrantenarbeitsgruppe. In diesem Fall können Abschottungstendenzen bei einheimischen Gruppen als Gegenreaktion entstehen.

IV. Tätigkeit des kommunalen Interkulturellen Büros als besondere "intermediäre Instanz" für die Beteiligung von Migrantinnen und Migranten in der Stadtteilarbeit

Die wichtigsten Handlungsfelder des Interkulturellen Büros der Stadt Darmstadt als der kommunalen Fachstelle für Integration sind Stadtteilarbeit, Erziehung und Bildung, Sozial– und Gesundheitswesen, Kulturbereich und Verwaltung (s. Otman 2002 a). Es gibt eine Reihe von Aufgaben im Stadtteilbereich und im gesamtkommunalen Bereich, die sich ergänzen und in der Wirkung der Aktivitäten gegenseitig verstärken.
Folgende Aufgaben im Handlungsfeld Stadtteilarbeit sind besonders wichtig:

  • Unterstützung der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten an Stadtteilgremien und –aktivitäten
  • Schaffung von Anlässen zum Kennenlernen und zu gemeinsamen Festen
  • Fachberatung und Fortbildung für Fachkräfte und Einwohnerschaft
  • Projekte zur Öffnung von Institutionen und Communities im Stadtteil

In Ergänzung dazu sind folgende Aufgaben aus dem gesamtkommunalen Bereich für die Stadtteilarbeit besonders relevant:

  • Förderung und Beratung für Migrantenvereine– und gruppen
  • Unterstützung von Festen und Kulturwochen
  • Förderung von Aktivitäten gegen Rassismus und für eine weltoffene Stadt
  • Weiterbildung für Migrantinnen und Migranten
  • Projekte zur Öffnung von Institutionen und Communities

Die Organisationsstruktur innerhalb der Landschaft der Migrantengruppen macht deutlich, welche besondere Rolle eine Verwaltungsstelle für Integration mit Wirkungsbereich sowohl im Stadtteil als auch im gesamten Stadtgebiet spielen kann: Einige Migrantengruppen im Stadtteil sind in Vereinen organisiert, die vor Ort ansässig sind. Andere gehören Vereinen an, die ihre Räume meistens im City – Bereich haben. Wiederum andere sind erst in einem Stadium, wo sie angefangen haben, sich als Vereine zu konstituieren. Weitere schließlich wollen ihre informelle Struktur beibehalten und in der nächsten Zeit keinen Verein gründen.
Durch Kombination von kommunalen und Stadtteilkompetenzen kann das Interkulturelle Büro Service – Leistungen an alle dieser Gruppen anbieten und mit ihnen auf verschiedenen Ebenen kooperieren.
Synergie – Effekte entstehen ebenso durch Kombination von Fort– und Weiterbildungsmaßnahmen, kulturelle Aktivitäten, Projekte zur Öffnung von Institutionen und Migranten– Communities sowie Maßnahmen zur Förderung von Aktivitäten gegen Rassismus sowohl stadtweit als auch im Stadtteil.
Auch die direkte Zuordnung zu einem Dezernat, die Querschnittsfunktion und die Funktion als Geschäftsstelle für den Ausländerbeirat verschaffen dem Interkulturellen Büro eine spezifische institutionelle Rolle innerhalb der Verwaltung.
Durch die vielfältige Aufgabenstellung auf verschiedenen Ebenen sowie die flexible institutionelle Rolle ist es dem Interkulturellen Büro möglich, als eine besondere "intermediäre Instanz" zur Unterstützung der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten im Stadtteil zu wirken, ohne die regulären Strukturen der Akteure und der Bürgerschaft sowie eines externen Managements ersetzen zu wollen oder zu können.
Die Funktion als "intermediäre Instanz" erfordert in diesem Handlungsfeld weniger eine vertikale Mittlerfunktion zwischen der Steuerungs– und Stadtteilebene (vgl. Krummacher u.a., 2003) sondern vielmehr eine horizontale Mittlerfunktion zwischen der Migrantenarbeitsgruppe als temporäre "Parallelstruktur" einerseits sowie der Stadtteilwerkstatt, der Stadtteilrunde und den Bürgerarbeitsgruppen andererseits.
Allerdings sollte diese Rolle der "intermediären Instanz" auf eine zeitlich limitierte Begleitungsphase beschränkt bleiben und nach der Einführung und Stabilisierung der Kreisläufe der Kommunikation und Vernetzung wieder auf ein Mindestmaß der Unterstützung durch Beratung vor wichtigen Wendepunkten reduziert werden.

Die Partizipation von Migrantinnen und Migranten im Stadtteil kann nicht losgelöst von ihren sozialen Lebensbedingungen in "Stadtteilen mit sozialem Erneuerungsbedarf" erörtert werden. Deshalb abschließend und in aller Kürze einige Bemerkungen dazu.
Die Konzentration von Zugewanderten mit einer prekären sozialen Lage in einem Umfeld von wachsenden sozialen Risiken kann dazu führen, dass die soziale und ethnische Segregation sich gegenseitig verstärken. Diese Wechseldynamik, die die Gefahr der Fortschreibung von sozial segregierten Migrantengruppen und einer "relativen Unterschichtung" in sich birgt (s. Otman 2002 b), trifft in der Tendenz für viele "Stadtteile mit sozialem Erneuerungsbedarf" zu.
Angesichts dieser Prognose sind wirksame Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen erforderlich, damit die Negativspirale der "relativen Unterschichtung" umgedreht werden kann. Durch Stadtteilpolitik, Stadtteilarbeit und Stadtteilmanagement allein – wie kompetent sie auch gestaltet werden – lässt sich diese Entwicklung nicht aufhalten (vgl. Krummacher u.a., 2003).
Nur eine integrative Sozialpolitik, die energisch und kontinuierlich betrieben wird, kann die Voraussetzungen für die Verbesserung der sozialen Lebensbedingungen der einheimischen wie der zugewanderten Bevölkerung schaffen. Dabei ist wiederum die Partizipation beider Bevölkerungsteile im Stadtteil ein wichtiger Faktor.


Literatur:

  • Krummacher, Michael u.a.: (Hg.) (2003): Soziale Stadt – Sozialraumentwicklung – Quartiersmanagement. Herausforderungen für Politik, Raumplanung und soziale Arbeit, Opladen
  • Meyer, Thomas (2002): Identitätspolitik. Vom Missbrauch kultureller Unterschiede, Frankfurt am Main
  • Otman, Alp (2002 a): Kommunale Integrationsmaßnahmen. Beispiel: Interkulturelles Büro Darmstadt in: Bukow, Wolf–Dietrich und Yildiz, Erol (Hg): Der Umgang mit der Stadtgesellschaft, Interkulturelle Studien Band 11 Opladen
  • Otman, Alp (2002 b): Migration in Darmstadt. Daten und Tendenzen aus Geschichte und Gegenwart. in: Elisabetta Mazza (Hg): Lebenserfahrungen von Migrantinnen der ersten Generation. "Und du hast keine Ruhe dort und keine Ruhe da", TUD Schriftenreihe Wissenschaft und Technik Band 84, Darmstadt