Regionalwarenläden zur nachhaltigen stadtteilbezogenen Versorgung in Hannover

Kontakt:

Wolfgang Kleine-Limberg & Achim Franko, mensch und region, Büro für nachhaltige Prozess- und Regionalentwicklung, Lindener Markt 9, 30449 Hannover, Tel. 0511-444454, Mail: info@mensch-und-region.de


Inhalt:


1. Regionalwarenläden sichern nachhaltige stadtteilbezogene Versorgung

Unzureichende stadtteilbezogene Grundversorgung, demographischer Wandel, Veränderung in den Konsumgewohnheiten, Rückgang regionaler Produkte auf dem lokalen Markt und damit einhergehende Umweltbelastungen, hohe Flächeninanspruchnahme: das sind nur einige Beispiele für die Herausforderungen, vor denen die städtische Gesellschaft steht.
Mit dem Projekt "Regionalwarenläden zur nachhaltigen stadtteilbezogenen Versorgung in Hannover" will das Partnerschaftsnetzwerk Hannover e.V. eine Handlungsmöglichkeit aufzeigen, mit diesen Herausforderungen beispielhaft umzugehen.
Im folgenden Artikel soll eine Zwischenevaluation vorgestellt werden, die die Herausforderungen und Chancen deutlich werden lässt, diese komplexe Zielsetzung umzusetzen.

1.1 Problemstellung

Warum engagieren sich Landwirte in der Stadt?

Das Partnerschaftsnetzwerk Region Hannover e.V. (PAN) wurde 2002 gegründet und ist ein Zusammenschluss von gesellschaftlichen Gruppen, Landwirten und Organisationen, der die Förderung der Kooperation von Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Verbrauchern im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung zum Ziel hat.
Dem Auf- und Ausbau regionaler Vermarktungswege kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung zu. Das Projekt "Regionalwarenläden zur nachhaltigen stadtteilbezogenen Versorgung" 1 baut auf der Schaffung einer regionalen Marke "Natürlich... Region Hannover" auf. Durch die Einrichtung kleiner standortangepasster Regionalwarenläden sollen wirtschaftliche, soziale sowie ökologische Aspekte im Stadtteil miteinander verknüpft werden.
Die Verbrauchs- und Konsumgewohnheiten eines Großteils der Bevölkerung sind derzeit durch einen wenig nachhaltigen Konsum ohne Berücksichtigung der daraus resultierenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen gekennzeichnet. Selbst umweltbewusste VerbraucherInnen kaufen in einer gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation lieber das billige Produkt aus Spanien oder Südafrika, als nach umweltverträglichen regionalen Produkten zu suchen. In diesem Umfeld droht die nachhaltige Versorgung "auf der Strecke" zu bleiben.
Die größte Zunahme an Verkaufsflächen im Einzelhandel liegt bei den Discountern. Der Einkauf bei Lebensmittelketten, Discountern und SB-Warenhäusern ist stark zentralisiert. Die Zentralen der Discounter sind daher in der Lage, die Einkaufspreise weiter zu reduzieren und die Ware von überall her einzuführen. Regionale Ware kann oft nicht mit den Preisen der Discounter-Produkte konkurrieren bzw. ist nicht in dem gewünschten und notwendigen Umfang verfügbar. Diese Entwicklung ist ebenso auf den Stadteil-Märkten (ausgenommen Bauernmärkte) und in der Gastronomie sichtbar. So reduzieren die Logistiker auf dem Großmarkt Hannover zunehmend ihren Einkauf bei regionalen Lieferanten und greifen auf überregionale Erzeuger zurück, die Frischeprodukte ganzjährig in allen gewünschten Mengen zuliefern. Für die Landwirte macht sich dies in einer geringeren Vermarktung bzw. in sinkenden Erlösen bemerkbar. Der landwirtschaftliche Strukturwandel wird durch diese Entwicklung weiter forciert. Als Folge nehmen die Transportleistungen und der damit verbundene Ausstoß klimaschädlicher Gase durch Benzin/Kerosin für den Transport und für den Kühlvorgang weiter zu.
Durch das Projekt des Partnerschaftsnetzwerkes sollen neue Vermarktungswege für regionale Produkte in der Stadt gefunden werden und gleichzeitig Konsumenten ein Nahversorgungsangebot mit qualitativ hochwertigen und umweltfreundlich produzierten Erzeugnissen aus der Region Hannover angeboten werden.

Stadtteile verändern sich dramatisch

Bis zum Jahr 2015 wird in der Region Hannover mit einem stagnierenden bzw. nur sehr geringen Anstieg der Bevölkerung von 1% gerechnet. "Insbesondere wird eine Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung eintreten. Während die Zahl der jüngeren Erwachsenen sinken wird, steigt die Zahl der älteren Menschen weiter" (RROP 2005). Hieraus ergibt sich eine verstärkte Arbeitsbelastung für Menschen über 50 Jahre. Außerdem wird die Entwicklung Auswirkungen auf die Siedlungsentwicklung, den Wohnungsmarkt, das Arbeitsplatzangebot und die Auslastung der öffentlichen und privaten Infrastruktur haben. Im Rahmen einer "alternden Bevölkerung" geht besonders für alte und nicht mobile Menschen mit der Aufgabe einer fußläufig erreichbaren Einkaufsmöglichkeit auch der Verlust ihrer Selbständigkeit und Reduzierung ihrer körperlichen Aktivität einher. Die Stadtteile verlieren durch die Aufgabe von Einkaufsmöglichkeiten außerdem auch einen Raum für Kommunikation und soziale Betreuung, der besonders für Ältere oft noch die einzige Verbindung in die Öffentlichkeit darstellt.
In Stadtteilen, die stark von den Auswirkungen der aktuellen demographischen Entwicklungen (steigender Anteil älterer, nicht mobiler Menschen) und zusätzlich von den aktuellen Trends im Lebensmitteleinzelhandel (Konzentration auf Filialbetriebe/großflächige Discounter, Aufgabe/Rückzug privater Fachgeschäfte etc.) betroffen sind, ist es zunehmend schwierig, eine den Bedürfnissen der BewohnerInnen entsprechenden Versorgung sicher zu stellen. Erhöhter Service- und Dienstleistungsbedarf, Beratungsorientierung, Qualitäts- und Markenbewusstsein der Älteren finden nur ungenügend Beachtung.
Eine verschlechterte Befriedigung der Konsumbedürfnisse in den Stadtteilen eröffnet zwar grundsätzlich eine Nische für andere Läden, deren Ausnutzung aber nur unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich ist.
Diese Rahmenbedingungen zu schaffen (ergänzendes ehrenamtliches Engagement, festes Produktspektrum aus der Region mit entsprechenden Qualität, gemeinsame Betriebs- und Logistikkonzepte, Einbindung in den Stadtteil usw.) ist Aufgabe des Projektes. Das Projekt soll modellhaft ein Angebote an Nahversorgung in Kombination mit sozialer Betreuung und kundenorientiertem Service im Stadtteil aufzeigen.
Im Anschluss sollen die Ziele und die Ergebnisse der Grundlagenanalyse, das Konzept sowie die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen beschrieben werden. Nicht zuletzt wird auch darauf eingegangen, inwieweit das Projekt übertragbar auf andere Orte ist.

1.2 Ziele und Schwerpunkt des Projektes

Die Einrichtung standortangepasster Regionalwarenläden in Hannover verfolgt folgende Ziele:

  • einen Absatzmarkt für Produkte mit "Qualitäts- und Nachhaltigkeitseigenschaften" bieten
    Die Regionalwarenläden bieten Produkte an, die "Qualitäts- und Nachhaltigkeitseigenschaften" besitzen und halten für Interessierte Informationen darüber bereit. Die Läden haben damit eine wichtige Funktion als Bindeglied in der Kommunikation zwischen Produzent, Verarbeiter, Handel und Verbraucher.
  • zur sozialen Stabilisierung im Stadtteil beitragen
    Auch die soziale Komponente wird in Läden eine wichtige Rolle spielen. Die Läden werden sich durch persönliche Atmosphäre, Kundenkontakt, kompetente Beratung und fachkundigen Service, aber auch durch Produktqualität und –auswahl auszeichnen. Die Läden sollen neben der Einkaufsfunktion teilweise auch die Funktion der sozialen Betreuung sowie die eines Kommunikationspunktes erfüllen.
  • einen Beitrag zur nachhaltigen Flächennutzung leisten
    Die Regionalwarenläden werden in alten Ladengeschäften angesiedelt, die leer stehen und geringe Grundkosten haben. Die Ausweisung neuer Gewerbeflächen wird damit vermieden, leerstehende Gewerbeflächen werden revitalisiert und die Gebäude und deren Umfeld aufgewertet. Durch die Nutzung des Bestandes leistet das Projekt einen Beitrag zur nachhaltigen Flächennutzung und Raumentwicklung.

Gemeinsamkeit und Netzwerkbildung fördern

Die Regionalwarenläden werden durch ein gemeinsames Grundkonzept, das regionale Qualitäts- und Frischeprodukte sowie regionale Spezialitäten in den Mittelpunkt stellt, miteinander verbunden sein. Eigenverantwortliche Unternehmer führen dabei ihren Laden selbständig und sichern ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit, stärken jedoch durch Unterstützung des gemeinsamen Konzeptes die Gesamtstruktur des Projektes.
Die Regionalwarenläden sollen sich von früheren Initiativen in Deutschland durch ihren klaren individuellen Stadtteilbezug (Organisationsform, soziale und ökonomische Einbindung) und die damit verbundene individuelle Ausgestaltung (Sortiment, Öffnungszeiten etc.) unterscheiden.
Neben der Versorgungsfunktion sollen die Läden die Funktion als Treffpunkt für Austausch und Kommunikation im Stadtteil übernehmen.
 Der Handlungsansatz zum Aufbau der Logistik ist ebenfalls innovativ, da zum einen den Aspekt der Gemeinsamkeit aufgreifen und die Netzwerkbildung fördern soll. Zum anderen soll die Logistik kleineren Erzeugern und Lieferanten in der Region eine an ihre Kapazitäten und Bedürfnisse angepasste Möglichkeit zum Absatz ihrer Produkte bieten. Die Bündelung der Kleinproduzenten zu einem bedarfsgerecht gestalteten Lieferverband erhöht somit die Chancen des Einzelnen, im ersten Schritt Zugang zu einer Logistik und dadurch im zweiten Schritt Zugang zu neuen Kunden bekommen.

1.3 Dachmarke "Natürlich... Region Hannover"

Mit seinem aktuellen Projekt "Entwicklung einer Dachmarke für die Region Hannover" stellt sich das Partnerschaftsnetzwerk der Herausforderung, durch die Förderung von Qualitätsproduktion und kurzen Wegen vom Erzeuger zum Verbraucher (gläserne Ketten) das Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe in der Region langfristig zu sichern und zu steigern. Die einheitliche Herkunftsbezeichnung mit der Dachmarke "Natürlich... Region Hannover" ist dabei eine Alternative, um den Folgen von Globalisierung von Produktion und Dienstleistungen und dem damit zusammenhängenden Rückgang der regionalen Nahversorgung durch gemeinsames Marketing entgegenzuwirken. Die Dachmarke macht regionale Produkte auf dem Markt kenntlich und trägt zur Unterscheidung regionaler Produkte gegenüber gleichen Produkten aus überregionaler Produktion bei.
Seit März 2004 wurden durch das Partnerschaftsnetzwerk Region Hannover e.V. Erzeuger aus der Land- und Forstwirtschaft, der Gastronomie, dem Handwerk und dem produzierenden Gewerbe bezüglich ihres Interesses an der Nutzung der Dachmarke angesprochen. Mittlerweile gibt es etwa 30 Partner. Finanzielle Unterstützung für die Entwicklung der Dachmarke bekam das Netzwerk vom Land Niedersachsen, der Region Hannover und der Nds. Lotto-Stiftung (Bingo Lotto) bis April 2005 (vgl. auch www.natuerlich-region-hannover.de).

1.4 Erfahrungen aus anderen Städten und Regionen

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes Regionalwarenläden sind Erfahrungen und Kontakte zu anderen ähnlichen Projekten wichtig. Das Projekt Regionalwarenläden zu Regional- und Direktvermarktungsinitiativen sowie zu anderen Projekten, die ähnliche Zielsetzungen haben. Durch diesen Austausch können bereits gemachte positive wie negative Erfahrungen aus anderen Projekten berücksichtigt und erfolgreiche Ansätze ggf. übernommen werden. Einige Beispielprojekte, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, werden in der folgenden Tabelle vorgestellt.
Mit den Regionalwarenläden Schmanddibben in Kassel, die es bereits seit vielen Jahren gibt, konnten folgende Erfahrungen gemacht werden:

  • Angebot von frischem Gemüse und Obst im Winter ist sehr gering; Zukauf aus dem Naturkostbereich ist erforderlich
  • Mangelndes Engagement der Erzeuger bei Beteiligung an wirtschaftlichem Risiko/ Werbung
  • Aus der anfänglichen Erzeuger-Verbauchergemeinschaft wurde eine Erzeugergemeinschaft, die über Franchiseverfahren Läden betreibt
  • Hoher ehrenamtlicher Einsatz der Mitglieder
  • Finanzieller Zuschuss aus Ökofond der Grünen, später Förderung durch hessisches Regionalentwicklungsprogramm
  • Ansprechende Präsentation der Waren, Atmosphäre der Läden und Freundlichkeit + Professionalität der VerkäuferInnen (Einzelhandelsausbildung) sind besonders wichtig
  • Verbindliche Anbauabsprachen
  • verlässliche Bestellung und Lieferung sowie Lieferpünktlichkeit tragen zu einer erfolgreichen Logistik bei


2. Der Regionalwarenladen – das Konzept

2.1 Standortanforderungen und mögliche Standorte

Der Standort für einen Regionalwarenladen muss genau geprüft werden. Er ist von verschiedenen Faktoren, wie z.B. der Lage im Stadtteil, dem Umfeld, der Bevölkerungsstruktur und der Kundschaft sowie den räumlichen Bedingungen abhängig.
Die Standortanalyse von "mensch und region" umfasste Gespräche mit BezirksplanerInnen, Stadtteilmoderatoren und relevanten Akteuren im Stadtteil (Bezirksbürgermeister, Gewerbetreibende etc.) sowie eigene Stadtteiluntersuchungen/ Standortbesichtigungen.

Wesentliche Kriterien für die Standortbewertung war die Nahversorgungssituation (Bedarfsermittlung), die Bevölkerungsstruktur und Kaufkraft, die Geschäftsvielfalt und Leerstand in den Stadtteilen.
Als Ergebnis kommen vor allem Standorte für einen Regionalwarenladen in die engere Auswahl, die bereits eine breitere Infrastruktur und eine Zentralität besitzen und somit ausreichend Laufkundschaft mit sich bringen. Ein weiteres Kriterium ist die Bevölkerungsstruktur und das soziale Gefüge in den Stadtteilen – Stadtteile wie Kirchrode, Bemerode oder Waldheim, in denen der Anteil an älterer Menschen und die Kaufkraft relativ hoch ist, eignen sich daher gut als Standort für einen Regionalwarenladen.
Obwohl auch in den sozial schwächeren Stadtteilen, wie z.B. Linden-Süd, die Grundversorgung zum Teil unbefriedigend ist, wird hier die Nachfrage aufgrund des geringen Einkommens bzw. des Migrationshintergrunds in der Bevölkerung als sehr gering eingeschätzt.
Hier ist einerseits ein Widerspruch zur Zielsetzung festzustellen, da vor allem in unterversorgten Stadtteilen der Bedarf an einem zusätzlichen Nahversorgungsbedarf hoch wäre. Andererseits stellt sich die Frage der nachhaltigen Existenzsicherung der LadenbetreiberInnen, die auf eine ausreichenden Laufkundschaft und Kunden angewiesen sind, die bereit sind und die Möglichkeit haben, für regionale umweltschonend produzierte Produkte und einen erhöhten Service entsprechend mehr zu investieren.

2.2 Produktliste

Das Produktsortiment soll die wesentlichen Grundbedürfnisse (bezogen auf Nahrungsmittel) decken, um kurze Wege für die Verbraucher zu gewährleisten.
Es soll sich durch Frische (möglichst viel unverpackte Lebensmittel), besondere Qualität und überwiegend regionale Herkunft und durch Spezialitäten vom Sortiment anderer Supermärkte oder Bioläden hervorheben. Das Sortiment soll sich zu einem überwiegenden Anteil aus Produkten der Dachmarke "Natürlich... Region Hannover" zusammen setzen: das heißt regional unter vorgegebenen Qualitätsstandards hergestellte Produkte, gemäß Zeichennutzungsvertrag des Partnerschaftsnetzwerkes Region Hannover e.V. 2
Zum Sortiment können Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukte, Eier und Teigwaren, Obst, Gemüse sowie Feinkostartikel, wie Marmeladen, Honig oder Spirituosen gehören.
Die Produkte aus der Region Hannover sollten mindestens 60 % des gesamten Warenbestandes ausmachen. Die restlichen Produkte müssen sich an der speziellen Nachfrage vor Ort orientieren und sollten überwiegend aus Niedersachsen oder angrenzenden Bundesländern stammen (z.B. Ölprodukte aus dem Solling) und möglichst das Bio-Siegel als Qualitätsnachweis besitzen. Importprodukte, wie z.B. Südfrüchte, können im Winter das Angebot ergänzen und sollten ebenfalls das Bio-Siegel bzw. das Faire Trade Label besitzen.
Sofern kein anderer Anbieter in der Nähe ist, können auch Zeitungen und Schreibwaren geführt werden. Insgesamt sollen die Läden die allgemeinen Ziele verfolgen und einen Wiedererkennungswert haben, der sich auch in einem vergleichbaren Produktangebot äußert.

2.3 Größe, Ausstattung und Gestaltung der Läden

Größe der Läden

Die Größe der Regionalwarenläden kann je nach Betreiberkonzept variieren. Dabei sind Läden mit zusätzlichem Gastronomieangebot von "reinen" Lebensmittelläden zu unterscheiden.
Für kleine Kiosk ähnliche Läden ist bereits eine Ladenfläche von 20 qm ausreichend.
Für Läden mit Gastronomieangebot muss mit mindestens 60 qm gerechnet werden und Läden mit einem Vollsortiment (Shop in Shop) müssen eine Fläche von über 100 qm haben.
Ebenfalls soll Raum für die Selbstdarstellung der Partner/Erzeuger aus der Region und des Partnerschaftsnetzwerkes Region Hannover zur Verfügung stehen (Infowand/Infotisch mit Materialien). Als Größenordnung empfehlen wir:

  • Läden ohne Gastronomie: 20 – 50 qm (mit zusätzlicher Lagerfläche)
  • Läden mit Gastronomie: 60 – 150 qm (mit zusätzlicher Lagerfläche)
  • Shop in Shop: individuelle Größe je nach Ladenkonzept

Ausstattung und Angebot der Läden

 Neben dem Angebot an Lebensmitteln und Spezialitäten sollen die größeren Regionalwarenläden einen Sitz-/ Ruhebereich mit Stühlen und Tischen haben, um der Funktion als Kommunikationsort und sozialer Treffpunkt gerecht zu werden. Hier bietet sich der Ausschank von Kaffee/Tee und kühlen Getränken sowie das Angebot eines Mittagstisches (Suppe, Snacks und Salate aus regionalem Angebot) an.
Das Angebot von weiteren Serviceleistungen richtet sich nach dem jeweiligen Bedarf im Stadtteil und sollte im vorab im Zusammenhang mit dem Ladenkonzept gewissenhaft geprüft werden, ob Umsatz und Kosten in vernünftiger Relation stehen.
Es kann an Bringdienste, Fahrkartenverkauf, Postdienste, Vermittlung von Betreuungsangeboten (Einkaufshilfen, Gartenarbeit...) gedacht werden.

Gestaltung der Läden

Hinsichtlich der Gestaltung sind einerseits individuelle Ideen gefragt, andererseits soll durch einheitliche Elemente ein Wiedererkennungswert entstehen, der zu einem überzeugenden und einprägsamen Marketing der Läden beiträgt.
Daher soll nach Möglichkeit jeder Regionalwarenladen folgende Punkte einhalten:

  • Einheitliches Schild der Dachmarke "Natürlich... Region Hannover"
  • Zusatznamen bei jedem Geschäft für Corporate Design und Wiedererkennung (z.B. Frisches aus der Region); der Name wird im Einvernehmen mit allen BetreiberInnen entschieden; bei "Shop in Shop" soll das Schild der Dachmarke deutlich sichtbar im Laden stehen.
  • Außenbeschilderung/Informationsschilder für aktuelle Angebote (Corporate Design)
  • Auslage/Aushang von Informationsmaterial (Plakate und Faltblätter) zum Partnerschaftsnetzwerk, zur Dachmarke sowie zu den Partnerbetrieben
  • Helle und freundliche Gestaltung der Läden
  • Materialien: natürliche Materialien wie Holz, Stroh, Papier, Geflechte, haltbare Früchte als Dekoration sollten dem Laden eine besondere Atmosphäre geben
  • Gute Beleuchtung der Regale, Produkt- und Preisschilder in altersgerechter Größe
  • Sofern die räumlichen Kapazitäten es zulassen, kann auch ein kleiner Bereich des Ladens für Kinder vorgesehen werden (Spielzeug, Bücher, Maltisch etc.)

 Warenpräsentation

  • "Stammplätze" von Warengruppen in den Regalen zur besseren Übersicht
  • Verteilung der Waren auf die Zonen nach Umsatzspanne (in Sichtzone 1,20 – 1,70 m Produkte mit hoher Spanne sowie teure und hochwertige Produkte, in Bückzone bis 0,80 m umsatzschwächere Produkte, geringwertigere Produkte, schwere und zerbrechliche Waren)
  • Preis an jedem Artikel oder am Regal sowie das Dachmarkenlogo bei entsprechenden Produkten
  • Erlebnisorientierte Warenpräsentation (Dekoration, Sinne ansprechen), regelmäßige Kostproben
  • Regionale Warenkörbe und Geschenkkörbe können vor allem für ältere Kunden von Interesse sein

2.4 Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

Das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit tragen im Wesentlichen zum Erfolg der Regionalwarenläden bei. Um die Läden bekannt zu machen und den Mehrwert aufzuweisen ist eine abgestimmte und kontinuierliche Werbung und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich.
Dies soll in Abstimmung und im Verbund aller Läden erfolgen, um stadtweit für eine Öffentlichkeitswirksamkeit zu sorgen.

     

  •  Einheitliche Verwendung der Dachmarke "Natürlich... Region Hannover"
  • Pressetermine und Artikel im Zuge der Ladeneröffnung (Einladung von Schlüsselpersonen aus der Region Hannover und Stadt Hannover)
  • Ladeneröffnung mit Verkostung und Beteiligung einzelner Erzeuger
  • Regelmäßige Zeitungsartikel in Stadtteilanzeigen mit aktuellen Angeboten
  • Gemeinsamer Auftritt auf der Dachmarken-Homepage www.natuerlich-region-hannover.de
  • Regelmäßige Berichte/ Artikel in den jeweiligen Stadtteilanzeigern und in der Lokalpresse
  • Auslage von Faltblättern in benachbarten Geschäften/ Einrichtungen in den Stadtteilen
  • Präsenz auf Stadtteilfesten und stadtweiten Aktionen (z.B. Großraumentdeckertag)

3. Bisherige Ergebnisse und Stand der Dinge

Verbesserung der Nahversorgung in den Stadtteilen

Im Laufe des Projektes wurde deutlich, dass aufgrund des kurzen Zeitraums und der vielfältigen Anforderungen an einen Regionalwarenladen, nicht alle Ziele gleichrangig umgesetzt werden können. Um das Projekt nicht zu überfrachten und die nachhaltige Wirkung des Projektes zu garantieren, soll das Augenmerk auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit/ Rentabilität der Regionalwarenläden gelegt werden. Weiterhin ist der Absatz von regionalen Produkten ein wichtiges Ziel. Die Sicherstellung der Grundversorgung stellt sich als Zielkonflikt dar, da die Stadtteile mit Nahversorgungsbedarf oft sozial schwächer sind und eine geringe Kaufkraft haben, wodurch ein Mindestumsatz der Läden nicht gewährleistet wäre.
 Die Standortanalyse und Gespräche mit BezirksplanerInnen haben ergeben, dass die Grundversorgung in Hannover rechnerisch weitgehend gedeckt ist. Zum anderen wurde festgestellt, dass gerade in einigen schlechter versorgten Stadtteilen, ein Regionalwarenladen wirtschaftlich wenig Überlebenschancen hätte, da die nötige Kaufkraft und Kundschaft nicht gegeben wäre. Hier besteht ein Zwiespalt zwischen dem Nahversorgungsbedarf im Stadtteil und den ökonomischen Rahmenbedingungen für ExistenzgründerInnen.
Der Schwerpunkt soll daher auf ein "Zusatzangebot" an frischen, regionalen Produkten und Spezialitäten in fußläufiger Erreichbarkeit gelegt werden. Bei der Auswahl der Stadtteile muss genau die vorhandene Kaufkraft und Kundenfrequenz, die bestehende Infrastruktur/ Zentralität und Konkurrenz durch andere Nahversorger geprüft werden.
Als erster Laden mit regionalen Produkten wurde im September 2006 in der Lavesstraße das Natur- und Feinkosthaus gegründet. Das Betreiberkonzept beinhaltet neben dem Verkauf von regionalen Produkten und Spezialitäten einen Bio-Partyservice und einen täglich wechselnden Mittagstisch in Bio-Qualität, was sich bisher als gelungene Kombination erweist.
Im Stadtteil Kronsberg wurde der Habitat-Laden, ein kleiner Nachbarschaftsladen mit Lebensmitteln, Mittagstisch, Café und einem angrenzenden Nachbarschaftsraum als Kooperationspartner gewonnen, der das Konzept der "Regionalwarenläden" übernehmen möchte.
Weiterhin werden Betreiber von Lebensmittel- und Feinkostläden sowie Direktvermarkter bezüglich des Angebots von regionalen Produkten gezielt angefragt. Hierzu werden allerdings noch in der Probephase der Logistik verbindliche Regeln für die Bestellung und Lieferung erarbeitet.

Beitrag zur sozialen Stabilisierung im Stadtteil

Hier kann das Projekt "Regionalwarenläden" sicherlich nur einen kleinen Beitrag leisten. Die Funktion als Kommunikationsort und das Angebot von speziellen Dienstleistungen wird beim Ladenkonzept berücksichtigt. Hierzu wurden bereits mit den BetreiberInnen erste Ideen gesammelt. Der Laden in der Lavesstraße übernimmt vor allem für die älteren Kunden beim Einkaufen und die dort arbeitende Bevölkerung, die zum Mittagstisch den Laden aufsucht, eine wichtige Funktion als Kommunikationsort und sozialer Treffpunkt.
Eine große Herausforderung ist die Schaffung von Arbeitsplätzen im Stadtteil. Hier steht sicherlich der Anspruch auf Arbeitsplätze den sozialen Strukturen vor Ort gegenüber. Ein ernst zu nehmendes Problem ist die fehlende Risikobereitschaft bzw. die fehlenden Mittel, die Menschen aus der Arbeitslosigkeit an einer Existenzgründung hindern. Hinzu kommen die allgemein rückläufigen Trends in der Lebensmittelbranche. Hier ist eine Unterstützung durch soziale Träger im Stadtteil von solchen Initiativen unerlässlich. Ggf. kann sogar ein solcher Träger, wie z.B. ein Nachbarschaftsladen oder eine Beschäftigungsinitiative das Konzept der Regionalwarenläden übernehmen.

Nachweisbare Effekte vor Ort

Die Suche nach Betreiberinnen und Betreibern hatte im Rahmen des Projektes einen zentralen Stellenwert, da von ihren Qualifikationen, Erfahrungen und Kompetenzen (fachlich, sozial) der Erfolg des Projektes abhängt. Hierzu zählt auch die erfolgreiche Suche nach einer Nachfolgerin des Ladens in der Lavesstraße.
Von Seiten der BezirksbürgermeisterInnen und Geschäftsleute in den Stadtteilen sowie von der Presse und städtischen Akteuren wurde das Projekt vor allem aufgrund des nachhaltigen Ansatzes sehr positiv aufgenommen. In Bezug auf die Realisierbarkeit gab es im Unternehmerkreis viele kritische Äußerungen v.a. was die Rentabilität der Läden betrifft. Hier ist zukünftig eine Betonung der Nischenfunktion und des nachhaltigen Ansatzes der Läden wichtig (natürlich kann ein solcher Laden wirtschaftlich nicht den gleichen Erfolg erzielen wie z.B. Lebensmittelketten, wie Edeka oder Lidl). Ebenfalls ist die Kombination von Laden und Café/ Gastronomie sowie das Angebot spezieller Dienstleistungen zu bevorzugen.

Vernetzung zwischen den beteiligten Akteuren

In der folgenden Grafik werden die beteiligten Akteure abgebildet, die an dem Projekt mitgewirkt haben bzw. im Rahmen des Projektes miteinander vernetzt wurden.
Die größte Bedeutung haben neben den Akteuren im Stadtteil die (potenziellen) BetreiberInnen der Läden und die Erzeuger, da diese das Konzept und für den Erfolg verantwortlich sind.

Als wichtig stellt sich heraus, dass potenzielle BetreiberInnen sowohl die nötige fachliche Qualifikation (Einzelhandelserfahrung, unternehmerisches Denken, Buchführung etc.) wie auch persönliche Qualitäten mitbringen. Für viele Interessierte, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig machen wollen, stellt die finanzielle Unsicherheit eine kaum zu überwindende Hürde dar. Um zukünftig die potenziellen BetreiberInnen bei der Ladengründung und einer Kreditaufnahme zu unterstützen, wurde eine Handreichung mit wesentlichen Informationen zum Ladenkonzept, zur Existenzgründung, zur Standortwahl sowie zur Finanzierung erarbeitet, die bei mensch und region erhältlich ist.


4. Abschätzung des Erfolges des Projektes

Die Betreibersuche sowie die Entwicklung einer nachhaltigen und für alle Beteiligten rentablen Logistik stellen sich als entscheidende Hürden im Projekt dar.
Wie erfolgreich die Läden laufen werden, hängt von einer Reihe innerer und äußerer Faktoren ab (wie z.B. persönliches Engagement und Maßnahmen zur Kundenbindung, Nachfrage nach regionalen Produkten, Konkurrenz der umliegenden Nahversorger), die sich nur bedingt beeinflussen lassen. Ein wichtiges Erfolgskriterium stellt das Eigenengagement sowie die kaufmännischen und sozialen Kompetenzen der BetreiberInnen dar. Die Erzeuger müssen selbst Verantwortung übernehmen (z.B. klare Vereinbarungen zur Lieferung von Produkten, Kostenbeteiligung) und mit den LadenbetreiberInnen ein enges Bündnis eingehen.
Die weitere Unterstützung der Läden wird zu einem Teil das Partnerschaftsnetzwerk Region Hannover leisten (z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Vernetzung mit Erzeugern). Weitere unterstützende Strukturen müssen noch konkretisiert werden. Hier kann sicherlich die fachliche Unterstützung der Betreiber durch den Beirat des Partnerschaftsnetzwerkes eine wichtige Rolle übernehmen. Weiterhin wichtig ist die Zusammenarbeit mit Initiativen mit ähnlichen Zielen (z.B. Slow Food, BUND Initiative "Heimat braucht Freunde", Regionalgeldinitiative Leine-Kies etc.). Hier wurden bereits Gespräche zu einer zukünftigen Kooperation geführt.


5. Übertragbarkeit des Projektes

Die bereits gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse können sicherlich auch für andere Kommunen und Regionen genutzt werden. Besonders interessant dürfte das Projekt sicherlich für strukturschwächere Regionen und Städte sein, wie z.B. in den neuen Bundesländern, sofern es im Umland ausreichend Direktvermarkter gibt.
Hilfreich sind bereits bestehende Regionalvermarktungsstrukturen bzw. eine bereits bestehende Regionalmarke. In vielen Städten in den neuen Bundesländern gibt es weitreichende Schrumpfungsprozesse, die vor allem die noch ansässige ältere Bevölkerung betrifft. Eine Gewährleistung der Grundversorgung mit regionalen frischen Produkten könnte in diesen Kommunen ein großes Potenzial darstellen, auch hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen.
Folgende Erfolgskriterien können für die Gründung von Regionalwarenläden genannt werden:

  • Ausreichend zeitlicher Vorlauf (v.a. für Standortuntersuchung, Betreibersuche, Logistikentwicklung)
  • Zentraler Ansprechpartner während der Planung und Umsetzung (Vernetzung, PR, Marketing...)
  • Berücksichtigung des konkreten Bedarfs vor Ort
  • Genaue Standortanalyse und Gespräche in den Stadtteilen
  • Information und Beteiligung der Öffentlichkeit während der Planung und Umsetzung
  • Netzwerkbildung von regionalen Erzeugern (z.B. Gründung einer Dachmarke)
  • Rentabilität der Läden prüfen
  • Trägerschaft durch sozialen Träger im Stadtteil (Nachbarschaftsläden, Werkstätten...) prüfen
  • Kenntnisse im Einzelhandel und unternehmerisches Denken (ggf. Qualifizierung)
  • Einbindung der Läden in ein franchise-ähnliches Konzept (Bsp. "Q-Regio")
  • Entwicklung eines abgestimmten Logistik-Konzeptes (ggf. Logistik-Zentrale einrichten)

 

Als weitere Orientierungs- und Entscheidungshilfe kann das im Rahmen des Projektes erarbeitete Handbuch dienen, das Informationen über das Konzept, die finanziellen, personellen und strukturellen Anforderungen gibt und bei mensch und region angefordert werden kann.


Fußnoten:

1) Das Projekt "Regionalwarenläden zur nachhaltigen stadtteilbezogenen Versorgung in Hannover" wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Bundesaktion "Bürger initiieren Nachhaltigkeit" ausgezeichnet und im Zeitraum November 2005 – Dezember 2006 gefördert.
2) Die Dachmarkenprodukte zeichnen sich durch einen authentischen und typischen Geschmack aus und sind umweltfreundlich, d.h. weitgehend ohne Einsatz von Pestiziden und ohne Einsatz von Gentechnik hergestellt. Tierische Produkte stammen aus artgerechter Tierhaltung.