Die Praxis der Lokalen Ökonomie am Beispiel Kölner Projekte

Kontakt:

Judith Knabe, Cranachstr. 5, 50733 Köln, Tel.: 0221-8008321; eMail: Judith.Knabe@gmx.de

Bei dem hier veröffentlichen Text handelt es sich um das Kapitel 4 der Diplomarbeit der Autorin "Lokale Ökonomie als Ansatz Sozialer Arbeit - dargestellt am Beispiel Kölner Projekte" (eingereicht 07/2002 im Fachbereich Sozialwesen an der Kath. Fachhochschule NW Abt. Köln).
Die komplette Diplomarbeit können Sie hier als pdf-Datei » downloaden (187 Seiten, 1.849 kB), ebenso die dazugehörigen vollständigen Interviews als » Anhang (64 Seiten, 698 kB )


Inhalt:

„Insgesamt charakterisiert sich qualitative Sozialforschung, so Christel Hopf, durch ein „Interesse an der Analyse von Deutung, Wahrnehmungen und komplexen Deutungssystemen“ sowie durch ein „Interesse an der Analyse von in sich strukturierten sozialen Gebilden und das Interesse an einer möglichst umfassenden Analyse der Handlungskontexte von Individuen“. 1)
Nach einer Begriffsklärung und Einordnung des Themas in ein theoretisches Konzept, komme ich nach der Überprüfung von operationalisierten Prinzipien in der Sozialen Arbeit und der Lokalen Ökonomie zu einer Konfrontation meiner bisherigen Kenntnisse mit der Praxis.
Interviewt wurden zu diesem Zweck vier MitarbeiterInnen von Kölner Projekten, bei denen zunächst eine Zugehörigkeit zur Lokalen Ökonomie angenommen wurde. Überprüft werden soll die tatsächliche Zugehörigkeit anhand der in » Judith Knabe: Prinzipien der Sozialen Arbeit und der Lokalen Ökonomie – ein Vergleich bereits dargestellten Prinzipien der Lokalen Ökonomie.
Die zweite zentrale Frage, die es zu beantworten gilt, ist die Rolle der Sozialen Arbeit in den ausgewählten Projekten. Bei der Überprüfung der theoretischen Grundlagen der Lokalen Ökonomie mit Theorien der Sozialen Arbeit war das Ergebnis eindeutig. Die Theorien sind miteinander vereinbar und weisen zum Teil große Übereinstimmungen auf. Doch was spielt die Soziale Arbeit für eine Rolle in der Praxis? Welche Funktion hat sie hier? 
Es wurde die Methode des offenen, leitfadenorientierten Experteninterviews gewählt 2), da die Voraussetzungen der einzelnen Gesprächspartner sehr unterschiedlich sind, und es wichtig ist, auf offene Fragen eingehen zu können.
Die Auswahl der Interviewpartner wurde zum einen durch ihre Zugehörigkeit zur Lokalen Ökonomie bestimmt und zum anderen durch die Bereitschaft der einzelnen Institutionen und der Mitarbeiter, an der Untersuchung teilzunehmen. Die verschiedene Länge der Interviews ist auf das unterschiedliche Zeitkontingent der Interviewpartner zurückzuführen.
Der Kontakt zu den Befragten fand direkt statt (face to face). Es handelte sich jeweils um Einzelinterviews in den Büroräumen des jeweiligen Projektes. Die mündlichen Befragungen wurden von der Autorin selber durchgeführt und fanden nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung statt.
Im Vorfeld wurde vom Interviewer ein Fragebogen entworfen. 3)
Dieser Fragebogen ist in zwei Teile zu unterteilen. Im ersten Teil werden zunächst Allgemeine Fragen zur Einrichtung gestellt. Der zweite Teil befaßt sich mit Fragen zu den Prinzipien der Lokalen Ökonomie und Aspekten der Sozialen Arbeit in den Projekten. 
Die mündliche Befragung hat den Vorteil, dass der Befragte sich bei Rückfragen direkt an den Interviewer wenden kann. Der Interviewer übernimmt somit eine Regel- und Kontrollfunktion. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Rücklauf- bzw. Beantwortungsquote der Fragen.
Die Nachteile, die berücksichtigt werden müssen, sind zum einen der bestehende Verzerrungsfaktor 4) und zum anderen der enorme Zeitaufwand, dem vor allen bei der Transkription 5) Rechnung zu tragen ist.
Es gilt zu beachten, dass es sich bei den Befragungsergebnissen um subjektive Meinungen einzelner Mitarbeiter handelt. Die Aussagen und Bewertungen über die abgefragten Aspekte sind nicht unbedingt repräsentativ für das gesamte Projekt.
Die Interviews wurden mit Tonband aufgenommen und anschließend computergestützt in maschinengeschriebene Form transkribiert. Die Interviewpartner wurden bei der Terminvereinbarung über das Thema dieser Diplomarbeit informiert. Direkt vor Durchführung der Befragung wurde hierauf nochmals genauer eingegangen.
Sie wurden mit inhaltsanalytischen Verfahren und Verfahren der qualitativen Sozialforschung und der Einzelfallanalyse ausgewertet. 
Die Auswahl der interviewten Projekte und ihre Auswertung können nicht als repräsentativ gelten und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen einzelne Kölner Projekte exemplarisch und für den Rahmen dieser Diplomarbeit angemessen dargestellt werden.
Die Transkription der Interviews fand nicht nach reiner Anwendung der gängigen Transkriptionsregeln statt 6), sondern nach folgenden Aspekten:
Die Interviews wurden vollständig und wörtlich transkribiert, wobei Unvollständigkeiten und Wiederholungen weggelassen wurden, solange sie am Inhalt des Gesagten nichts veränderten.
Der Inhalt steht im Vordergrund; „äh“ und ähnliches wurde weggelassen; Dialektfärbungen sind eingedeutscht worden (z.B. dat = das , nix = nichts). Echte Dialektausdrücke sind geblieben und nach Gehör geschrieben worden.

  • Bei unverständlichen Satzteilen wurden Punkte eingesetzt (....) je nach Länge der Unklarheiten.
  • Pausen, Stockungen u.ä. wurden nicht mit Zeichen gekennzeichnet.
  • Andere Auffälligkeiten wie Lachen oder Räuspern sind in Klammern eingefügt worden.
  • Nonverbale Merkmale wurden vollständig vernachlässigt.
  • Im Interview mit C. Franzen wurde auf Wunsch der Name des spendenden Möbelhauses nicht genannt, sondern durch „großes Möbelhaus“, „Möbelhersteller“ oder „Firma xxxx“ ersetzt.

Grund für diese Vorgehensweise ist die Betonung des Inhalts. Es geht hier nicht um eine tiefenpsychologische Untersuchung, bei der auch nonverbale Äußerungen des Interviewten in Betracht gezogen werden müssten, sondern vor allem um die Informationen, die durch diese Interviews gewonnen werden konnten.
Des weiteren wurden zu der Auswertung der Interviews Konzepte, Handzettel und Dokumente der einzelnen Einrichtungen hinzugezogen, welche von den Interviewpartnern zur Verfügung gestellt wurden. In der folgenden Auswertung der Interviews wurden die Ergebnisse exemplarisch zusammengefasst.
Im Zuge meiner Befragungen war es mir wichtig, auch die Betroffenen zu interviewen. Da dies jedoch den zeitlichen Rahmen der Diplomarbeit wesentlich überschritten hätte, ist dies nicht zum Gegenstand geworden. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass es gerade beim Thema der Lokalen Ökonomie m.E. wichtig wäre, dies in einer weiteren Arbeit zu vertiefen.
Ein weiterer möglicher Aspekt wäre die Befragung von Finanzgebern oder Kooperationspartnern lokalökonomischer Projekte. Hier wären die Gründe interessant, warum sie diese Projekte fördern oder mit ihnen kooperieren.
Doch auch dies konnte nicht geleistet werden.


1.  Möbellager der Mülheimer Selbsthilfe e.V. (MüTZe)

1.1.  Darstellung des Projektes

Die MüTZe, die Mülheimer Selbsthilfe Teestube e.V., kann auf eine 22jährige Entwicklung zurückblicken. Zunächst als Selbsthilfe-Initiative in der berüchtigten Hacketäuer-Siedlung 7) entstanden, expandierte sie schnell.
Mit Unterstützung des Sozialkreises der evangelischen Kirchengemeinde Köln-Mülheim wurde im Frühjahr 1974 ein offener Treff für das Viertel eröffnet, die sogenannte Teestube. Um mehr Räume zu bekommen, wurde eine alte Tankstelle an der Tiefenthalstrasse in Mülheim besetzt und im Sommer 1975 ein Bauspielplatz an der Berliner Straße eröffnet.
Im Februar 1975 wurden der „Selbsthilfe“ nach langen Verhandlungen zwei Häuser vom Jugendwohlfahrtsausschuss der Stadt Köln zur Verfügung gestellt.  Dort gab es verschiedene Angebote für und von Behinderten, Rentnern, kinderreichen Familien, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und psychisch Kranken unter dem Motto „Nicht einsam, sondern gemeinsam!“ .
Mehrmals fanden Protestaktionen statt, um auf die ständige finanzielle Bedrohung des Projektes aufmerksam zu machen. Im März 1977 übernahm schließlich die Stadt Köln die Trägerschaft und damit auch die Finanzierung 8). Trotzdem musste immer wieder für die Sicherheit dieser Finanzierung der Stadtteilarbeit gekämpft werden.
Schon damals gab es bereits ein Möbellager mit einer angeschlossenen Werkstatt, einen Trödelladen sowie eine Nähstube für Änderungsarbeiten. Alle Einrichtungen wurden von BewohnerInnen des Stadtteils geführt.
Im Juni 1980 eröffnete die „Selbsthilfe“ nach langen Verhandlungen einen provisorischen Park auf einem Trümmergelände an der Berliner Straße und ein Straßencafe auf der alten Tankstelle in der Tiefenthalstrasse. Der Betrieb des Straßencafes war zeitlich befristet, da die Stadt Köln Sanierungsmaßnahmen in Köln-Mülheim und damit auch auf dem Gelände der „Selbsthilfe“ durchführen wollte. Die folgenden Jahre waren geprägt von Protesten und Bemühungen der „Selbsthilfe“, das Gelände für ein Bürgerhaus und Behindertenwerkstätten zu gewinnen. 1986 legte die Mülheimer Gruppe unter Mithilfe eines Architekturbüros 9) für den sogenannten „Block 18“ (Gelände zwischen Tiefenthalstrasse, Hacketäuerstraße, Von-Sparr-Straße und Berlinerstraße) einen Bebauungsplan bei der Stadt Köln vor. Die Realisierung sollte zu großen Teilen durch Eigenarbeit der BewohnerInnen des Stadtteils und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ermöglicht werden. 10)
Da im Jahr 1986 die Erwerbslosigkeit in Köln-Mülheim schon bei über 17% lag, gab es mehr und mehr Bemühungen, Arbeitsplätze zu schaffen. Dies wurde auch zum Schwerpunkt der Selbsthilfearbeit. 11)
Das vorgelegte Konzept beinhaltete den Ausbau eines „sozial-gewerblichen Zentrums“ der „Mülheimer Selbsthilfe Teestube - Zentrum am Park“, sprich „MüTZe“, als Beitrag zum Abbau der Erwerbslosigkeit im Viertel 12). Geplant waren ein Sozialbereich (Beratung und Einzelfallhilfe), ein Kreativbereich (Behindertenarbeit, Kursangebote u.ä.), Kinderarbeit (regelmäßige Hausaufgabenbetreuung u.ä.) und eine Kantine für Mitarbeiter. Der gewerbliche Bereich sollte aus der Weiterführung der Schneiderei, dem Gebrauchtmöbelhandel, Klein- und Behindertentransporte, dem Second-hand-Laden, der Schreinerei und einem angegliederten Cafe als Kontakt- und Anlaufstelle bestehen. Im weiteren wurde geplant, die mindestens im Ansatz bestehenden Projekte, wie eine Metall- und Elektrowerkstatt, ein offener Veranstaltungsraum und diverse Räume für Initiativen und Institutionen unter einem Dach zusammenzuführen. 13)
Die Besonderheit eines sozialgewerblichen Zentrums sollte in der reinen Bedarfsorientierung bestehen, d.h. statt Gewinnmaximierung wurde Kostendeckung angestrebt. Geplant war das Erwirtschaften der Lohnkosten, wobei die Stellenfinanzierung der Sozialen Betreuung weiterhin aus öffentlichen Mitteln getätigt werden sollte. Ziel der Einrichtung sollte darüber hinaus eine Gemeinwesenorientierung sein, die eine Integration von Arbeit und Sozialem ermöglicht. Das Projekt sollte in Trägerschaft des Vereins und zusätzlich in Plena basisdemokratisch verwaltet werden. 14)
Erst im Dezember 1990 kam es zur Fertigstellung eines Gebäudes an der Berliner Straße 77 und somit zur Realisierung dieses Konzeptes. Die MüTZe wurde eröffnet.
In den folgenden zwölf Jahren wurden zahlreiche Projekte und Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen durchgeführt: 15)

  • Soziale Beratung (Planung von Ferienfreizeiten u.ä.)
  • Offener Selbsthilfetreff / Kantine
  • Sozialgewerblicher Bereich mit:
    • Nähstube
    • Stadtteilwerkstatt
    • Möbellager und Second-hand-Laden: „zusammen Tun“
    • Computer Layout-Service (befristetes Projekt)
    • Vollkornbackstube (auf zwei Jahre befristetes Projekt)
  • Soziokultureller Bereich (Planung von Kulturveranstaltungen, Töpferwerkstatt, Kunstprojekte u.ä.)
  • Interkultureller Treff (Offener Treff und Beratung für MigrantInnen, Kursangebote, Kulturveranstaltungen u.ä.)
  • Angeschlossene Gewerbe, wie das Cafe am Park und die Schreinerei (derzeit verpachtet und vermietet)

Für jeden der fünf weitgehend unabhängigen Bereiche der MüTZe gibt es einen Bereichsleiter/In, der oder die auch finanzverantwortlich ist.
Die MüTZe wurde als Sozialgewerbliches Zentrum modellhaft gefördert. Durch die Mischung von sozialen und gewerblichen Angeboten werden die Betriebs- und Sachmittel des Hauses erwirtschaftet. Die Personalkosten werden durch einen ständigen Zuschuss aus Mitteln der Beschäftigungsförderung und aus Einkünften der Wirtschaftsbetriebe gedeckt. 17)
Mit dem Einzug in das neue Gebäude wurde auch das Möbellager 18) mit zwei bewilligten ABM wiederbelebt. Gebrauchtmöbelhandel und Umzüge über das Sozialamt waren die Schwerpunkte. 1993 gibt es einen grundlegenden Personalwechsel. Die darauffolgende Diskussion über die Umwandlung des Lagers in einen gewerblichen Betrieb verläuft erfolglos. 1994 kann das Möbellager nur noch als ABM-Projekt weiterlaufen und bereits zwei Jahre später, nach Ablauf der Maßnahmen, muss das Lager geschlossen werden.
Mit dem Sozialamt der Stadt Köln wird 1997 ein Konzept zur Erweiterung des Sozialgewerbes vereinbart. Für zwei Jahre wird Christoph Franzen als Projektleiter angestellt. Durch eine neugewonnene Kooperation mit einem großen Möbelhaus wird der Handel von alten und gebrauchten Möbeln und Second-hand-Ware auf die Reparatur und den Verkauf beschädigter Neuware umgestellt. Bereits ein Jahr später, 1998, können im Möbellager durchschnittlich zehn geförderte ArbeitnehmerInnen angestellt werden. Jedoch erzwingen Probleme mit dem Möbelhaus eine Umstellung des Angebotes auf Umzugshilfen und Wohnungsauflösungen.
Im Jahr 2000 sind die Probleme mit dem Möbelhaus gelöst und es wird eine neue und größere Halle in der Nähe des Haupthauses der MüTZe bezogen.
Im gleichen Jahr wird der „Verbund gemeinnütziger Kölner Möbellager e.V.“ als Dachverbund für sieben Kölner Möbellager im Stile der MüTZe gegründet 19). Dieser Verbund ermöglicht Leistungen, die unmittelbar in die angeschlossenen Vereine fließen, wie z.B. ein breites Qualifizierungsangebot für die von den Möbellagern beschäftigten Inhaber von „ABM-„ und „HzA-Stellen“. Dies gilt ebenfalls für die Bereiche Recycling und Betriebsentwicklung, die das Sozialamt über den Verbund ebenfalls etatmäßig unterstützt. 20)
Die Ziele des Möbellagers sind vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen, sowie die Versorgung von Mülheim-Nord mit kostengünstigen Möbeln und Haushaltsgegenständen. 21)
Franzen schätzt, dass etwa 50 bis 60, manchmal bis zu etwa 100 Kunden an verkaufsoffenen Tagen das Möbellager besuchen 22). Die Struktur der Kunden teilt sich ein in ca. 10 % Kunden mit Berechtigungsscheinen vom Sozialamt, 40 – 50 % der Kunden sind als „sozial schwach“ zu bezeichnen, und ca. 50 % der Kunden kommen aus dem Mittelstand. 23)
Das Möbellager hat zur Zeit 25 MitarbeiterInnen. Deren Anstellungsverhältnis sieht wie folgt aus:

  • 7 „Hilfe zur Arbeit“-Maßnahmen des Sozialamtes
  • 7 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Arbeitsamtes
  • 1 Anleiterstelle für die „Hilfe-zur-Arbeit“-Maßnahmen finanziert vom Sozialamt (Projektleiter C. Franzen)
  • Ehrenamtliche
  • Die leitenden MitarbeiterInnen haben folgende Ausbildungen:
    • drei Schreiner (davon ist einer der Projektleiter des Möbellagers C. Franzen)
    • ein Elektriker
    • zwei SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen

Viele MitarbeiterInnen haben keine Ausbildung. 24)
Das Möbellager ist bemüht, trotz Arbeitsüberlastung der Mitarbeiter, Stellungnahmen zu politischen Themen abzugeben. Es gibt Überlegungen, politische Aktivitäten gemeinsam mit den im Verbund organisierten Möbellagern wieder zu intensivieren. Thema ist dabei z.B. die Kritik an der Vorgehensweise der JobBörsen in Köln oder das neue JobAktiv-Gesetz der Bundesregierung. 25)
Ein Problem des Möbellagers sind die Auseinandersetzungen mit den Mitarbeitern aus den anderen Bereichen der MüTZe. Im Zuge der Bestrebungen, das Möbellager in eine GmbH umzuwandeln, hat es wegen der Verteilung der Einnahmen des Möbellagers Konflikte im Verein gegeben. Die Vereinsmitglieder wollten das Möbellager wegen seiner hohen Einnahmen im Verein belassen. Diese Auffassung, die auch C.Franzen vertritt, verhinderte die Abspaltung des Wirtschaftsbetriebes vom Verein. Die Mehrheit der Vereinsmitglieder hält es für sinnvoll, das Lager mit seinem wirtschaftlichen Erfolg im Verein zu belassen, um andere Stadtteilangebote der MüTZe finanzieren zu können und somit den Charakter eines sozialgewerblichen Zentrums aufrechtzuerhalten. Doch die Einnahmen und ihre Verwendung scheinen immer wieder Konfliktpotential zu beinhalten. 26)

1.2.  Ergebnisse des Interviews mit Christoph Franzen, Projektleiter und Anleiter der HzA-Stellen des Möbellagers der MüTZe e.V.

Bezüglich der Sozialen Arbeit im Möbellager betont Franzen deren Bedeutung im Hinblick auf die Bewältigung der konkreten Probleme seiner Mitarbeiter. Hier nennt er wiederholt die Schuldnerberatung als Betätigungsfeld für SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen. 27)
Die Sozialtätigen sollten gewisses Handwerkszeug mitbringen, um solche Aufgaben bewältigen zu können, denn das mache ihre Stärke aus. 28) 
„Mein Spruch ist immer, wenn einer hier ein Jahr lang Sozialarbeit gemacht hat, der ist fit. Der kann eigentlich überall bestehen.“ 29)
Seine Definition von Sozialer Arbeit beschreibt Franzen wie folgt: „Ich verstehe unter Sozialarbeit, die Probleme von Leuten z u begreifen und Ansätze zu finden, um sie zu lösen.“ 30)
Wenn es die Möglichkeit der Finanzierung geben würde, fände es Franzen sinnvoll, zu den bereits zwei Sozialarbeiterinnen (davon eine ABM-Kraft und eine ehrenamtlich tätige) noch einen weiteren Sozialarbeiter einzustellen. 31)
Der Sozialen Arbeit wird in der Arbeit des Möbellagers ein hoher Stellenwert eingeräumt, was aufgrund der vielfältigen Probleme der Mitarbeiter, wie Überschuldung oder Suchtmittelmissbrauch, auch notwendig ist.
„Den Betriebsablauf stören die auf keinen Fall, es gibt hier genug Freiräume für die Mitarbeiter, zu denen zu gehen und ihre Probleme zu bereden während der Arbeitszeit. Das läuft sozusagen immer parallel mit.“ 32)
Abschließend lässt sich feststellen, dass die Ausrichtung der Sozialen Arbeit im Möbellager eindeutig in der einzelfallbezogenen Betreuung der MitarbeiterInnen liegt. Die Aufgaben der Sozialarbeiterinnen beziehen sich schwerpunktmäßig auf Entschuldung und Beratung, wozu auch vertraglich festgelegte Kleinstkredite gewährt werden. 33)

Bedürfnisorientierung
Im Laufe der Entwicklung der Mülheimer Selbsthilfe Teestube e.V. war die Bedürfnisorientierung ein wichtiges Prinzip der Arbeit. Sie war vor allem durch den Selbsthilfecharakter der Einrichtung gegeben. Die These des Projektes, dass die BewohnerInnen von Mülheim selber wissen, was gut für sie ist, taucht in der Argumentation gegenüber der Stadt Köln immer wieder auf. Das Vorgehen der Stadt Köln wurde in zahlreichen Aktionen und offenen Briefen kritisiert. Die „Selbsthilfe“ warf der Stadt vor, die Bedürfnisse der BewohnerInnen bei den verschiedenen Sanierungsversuchen nicht oder nur unzureichend in die Planungen einzubeziehen. 34)
Auch während der folgenden Entwicklungen zeigt sich eine klare Bedürfnisorientierung. Ähnlich dem „Planning-for-real-Verfahren“ sollte z.B. in einer Aktion im November 1996 mit den BewohnerInnen des Viertels ein Modell für die Verschönerung des Stadtteils gebaut werden. Gewünschte Aufräumaktionen und Verschönerungen des angrenzende Parks wurden daraufhin gemeinsam realisiert. 35)
Eine Untersuchung von 2001 zeigt, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung ähnlich geblieben sind. Es geht um mehr Grünflächen zum Spielen für die Kinder oder zum Anlegen von Nutzgärten. Es geht um die Einrichtung von Treffpunkten, um ein kulturelles Angebot und Kommunikation zu ermöglichen und familiennahe Dienste, wie ein Seniorentreffpunkt oder bessere Kinderbetreuung. Es werden Räume für Jugendliche gewünscht, eine bessere Ausstattung mit Fachgeschäften und handwerkliche Dienstleistungsangebote im Rahmen der Selbsthilfe. 36)
Dies entspricht im weitesten Sinne den Angeboten der MüTZe, so dass hier von einer gelungenen Bedürfnisorientierung ausgegangen werden kann.
Auch das Möbellager orientiert sich hieran. War es zunächst nur die Absicht, die BewohnerInnen mit günstigen Möbeln und Haushaltsgegenständen zu versorgen, gab es spätestens ab 1990 verstärkte Bestrebungen, Arbeitsplätze und Beschäftigung zu schaffen. Denn die Sozialstruktur in Mülheim hatte sich durch die Sanierung von 1979 nicht entscheidend geändert. 1999 liegt der Anteil der ausländischen MitbürgerInnen in Mülheim bei 31,5%. 37)
Bezogen auf die Erwerbsbevölkerung sind 20,6 % oder 3.456 Personen 1999 erwerbslos gemeldet 38). Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass die Bedürfnisse der BewohnerInnen sich vor allem in dem Wunsch nach einer sicheren Existenz äußern. Ein Beitrag dazu leisten die Arbeitsplätze im Möbellager, günstige Konditionen beim Kauf von Möbeln und Hilfe bei Umzügen oder Renovierungen. 39)

Integration
Integration ist im Möbellager der MüTZe nach Franzens Aussagen eine Begleiterscheinung und weniger ein direktes Ziel der Arbeit. Gefördert einerseits durch gesetzliche Vorgaben des JobAktiv-Gesetzes, gefordert andererseits durch die Bewältigung der gemeinsamen Arbeit, sei Integration ein Prozeß, der vor allem bei ausländischen MitbürgerInnen in der praktischen Arbeit stattfindet.
Durch die Vorgaben des JobAktiv-Gesetzes, 20 % der Arbeitszeit in verschiedenen Maßnahme der Qualifizierung zu investieren, gibt Ausländern z.B. die Möglichkeit, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.
Die von Arbeitsamt und JobCenter geforderte Integration auf den ersten Arbeitsmarkt der Teilnehmer der Beschäftigungsmaßnahmen sieht Franzen als problematisch an. Er betrachtet die Integration in den ersten Arbeitsmarkt nicht als primäre Aufgabe des Möbellagers. „Wobei bei uns die Meinung vorherrscht, dass die Leute, die zu uns vermittelt werden, in der Regel kaum für den ersten Arbeitsmarkt geeignet sind.“ 40)
Franzen ist der Meinung, dass Personen mit Suchtproblemen verschiedener Art in die Maßnahmen kommen, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. „Darum sind wir auch immer im Klinsch mit dem JobCenter und dem Arbeitsamt, weil sich das keiner eingesteht.“ 41)
Die Maßnahmen des Arbeitsamtes bzw. des Sozialamtes seien kein Garant dafür, dass es zu einer Integration in den ersten Arbeitsmarkt komme. 42)
Nicht deutlich wird, in welches geltende Normsystem integriert werden soll. Die Teilung des Arbeitsmarktes in einen ersten und einen zweiten (geförderten) Arbeitsmarkt führt jedoch eher zu einer Abspaltung, als zu einer Integration der Mitarbeiter, zumal sie nach Ablauf der Maßnahme wieder Leistungen der Arbeitslosenversicherung bzw. Sozialhilfe beziehen. Nur in Einzelfällen gelingt die Vermittlung in einen Betrieb des ersten Arbeitsmarktes. 43)
Die Bedeutung dieser Maßnahmen ist dennoch sehr hoch für die Mitarbeiter. Sie gewährleistet zumindest für ein bis zwei Jahre eine Beschäftigung und ein geregeltes Einkommen.
„Selbst bei dem Gedanken daran, dass wir, die augenblicklichen Mützen, nicht für immer hier sein werden, wollen wir doch, dass alle zukünftigen Mützen eine reelle Chance haben, einen Job zu bekommen, auch dann, wenn dieser ihre Lebenssituation nur für ein oder zwei Jahre verbessern wird, das ist auf alle Fälle besser als ein/zwei Jahre ohne Arbeit.“ 44)

Ressourcenorientierung
Unter Ressourcen versteht das Möbellager laut Franzen vor allem die Zusammenarbeit mit vielen anderen Vereinen und die Möglichkeiten, die sich aus dem Zusammenschluss der Möbellager im „Verbund Kölner Möbellager“ ergeben. Neben gegenseitiger Unterstützung werden hier gemeinsame Interessen gebündelt und gemeinsame Aktionen durchgeführt.
Des weiteren ist die Arbeitskraft der MitarbeiterInnen eine der wichtigsten Ressourcen für das Möbellager. 45)
Die Nutzung der Ressourcen des Stadtteils werden von den Bereichen der MüTZe genutzt, die auch gemeinwesenorientiert arbeiten.
Das Möbellager ist Ressource für den Stadtteil durch das Angebot kostengünstiger Möbel und die Bereitstellung einer begrenzten Zahl von Arbeitsplätzen. 46)
Die Nutzung der Ressourcen orientiert sich im Wesentlichen an den Aufgaben des Möbellagers und ist somit einseitig eingegrenzt. Es geht um Fähigkeiten, die im Umgang mit der Reparatur und dem Verkauf von Möbeln gefördert werden können. Deshalb ist die Erweiterung der Arbeit in den anderen Bereichen, durch Computerarbeit, Nähwerkstatt und andere Angebote wichtig.

Vernetzung
Die Vernetzung mit ansässigen Unternehmen ist im Möbellager der MüTZe besonders ausgeprägt. Die Kooperation mit einem großen Möbelhaus ist zentral für die Arbeit.
Das Möbelhaus spendet dem Verein alle beschädigten oder von Kunden reklamierten Möbel, die jeden Tag von Mitarbeitern des Lagers abgeholt werden. Diese werden in der Schreinerei aufgearbeitet und im Möbellager verkauft. Zu diesem Zweck wurde ein Kooperationsvertrag mit dem Möbelhaus formuliert, der dem Möbellager bestimmte Auflagen macht. Die Möbel dürfen bspw. nur an Sozialhilfeempfänger abgegeben werden. Dies ist in der Praxis allerdings schwierig zu realisieren, da das Möbellager dann Verluste machen würde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Konzernleitung, die das Vorgehen einer ihrer Filialen nicht befürwortete, gibt es nach weiteren Verhandlungen eine gutes Kooperationsverhältnis.
Allerdings besteht dadurch auch ein Abhängigkeitsverhältnis, da sich alle Aktivitäten des Möbellagers auf die Reparatur und den Verkauf der neuwertigen Möbel des Möbelherstellers beschränken. 47)
Weitere Vernetzungen bestehen mit verschiedenen Vereinen wie dem Don-Bosco-Club 48) in Köln-Mülheim, dem Stammhaus 49) in Köln-Weiden, mit dem VincentinerInnen-Orden und ihrem Frauenhaus in Köln-Nippes und natürlich mit den im „Verbund Kölner Möbellager“ organisierten Vereinen wie der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim und der Holweider Selbsthilfe e.V.. Der Verbund plant in Kürze ein Projekt, das die Installierung einer Computervernetzung der einzelnen Mitgliedsvereine zum Zwecke einer besseren Information des Kunden zum Ziel hat. Alle angebotenen Möbel sollen im Internet verzeichnet werden, so dass der Kunde sofort sehen kann, wo er z.B. am günstigsten ein Kinderbett erstehen kann. 50)
Darüber hinaus findet aufgrund der Vermittlung von Arbeitskräften eine intensive Zusammenarbeit mit dem JobCenter und dem Arbeitsamt statt. 51)
Eine Vernetzung mit dem Stadtteil läuft im Wesentlichen über die anderen Bereiche, z.B. dem offenen Treff oder dem Soziokulturellen Bereich der MüTZe.
Als sinnvoll erachtet Franzen darüber hinaus eine engere Kooperation mit den politisch Verantwortlichen und den Wohlfahrtsverbänden, wie dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in dem der Verein Mitglied ist. Aus Zeitmangel finde keine Zusammenarbeit mit dieser Interessenvertretung der Vereine statt, was Franzen bedauert. 52)

Gemeinwesenorientierung
Die Mülheimer Selbsthilfe e.V. arbeitet gemeinwesenorientiert. Gewährleistet wird dies durch Beteiligung der BewohnerInnen des Stadtteils und ein breites Angebot an diese.
Auch an der Entwicklung des Projektes ist die Orientierung am Gemeinwesen zu erkennen. Köln-Mülheim ist bereits seit Jahrzehnten gekennzeichnet durch verschiedene soziale Brennpunkte. Eine Einrichtung wie die MüTZe hat als Sozialgewerbliches Zentrum eine wichtige Bedeutung für den Stadtteil.
Das Möbellager selbst stellt - wie bereits dargestellt - eine Ressource für die Bewohner des Stadtteils aufgrund des Angebotes an preisgünstigen neuwertigen Möbeln dar. 53)

Partizipation
Aus der Darstellung der Entwicklung des Vereins wird deutlich, dass die MüTZe durch den Selbsthilfecharakter basisdemokratisch organisiert war.
Dies habe sich im Laufe der Jahre verändert. „Historisch gesehen waren wir früher basisdemokratisch organisiert, das hat sich im Laufe der Jahre abgeschliffen.“ 54)
Die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Verein ist derzeit auf die Mitgliederversammlung begrenzt. Jede MitarbeiterIn hat das Recht, Mitglied im Verein zu werden, was auch etwa die Hälfte der MitarbeiterInnen nutzen. 55)
Im Möbellager ist die Mitbestimmung über die Teilnahme an den internen Teamsitzungen möglich. Die Bereichsleiter sind gehalten, die Wünsche und Bedürfnisse in die Bereichsleiterkonferenz und in die Mitgliederversammlung zu tragen.
„Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitarbeiter sind momentan sehr beschränkt. Deswegen haben wir ja auch wieder diese Vollversammlungen eingeführt. Wobei die demokratische Willensbildung in der Regel über die internen Teams stattfindet und über die Bereichsleiter. Der Bereichsleiter ist gehalten, demokratische Wege und auch Willensbildung zuzulassen. Jeder Mitarbeiter hat das Recht, Mitglied des Vereins zu werden und im Wesentlichen mitzubestimmen über die Ausrichtung des Vereins.“ 56)
Über die Ausweitung der Partizipationsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen gibt es Auseinandersetzungen im Verein. Hinzu kommt eine räumliche Trennung des Möbellagers vom Hauptgebäude des Zentrums, d.h. Diskussionsprozesse müssen geplant und Informationen in Gremien transportiert werden. Dies führt zu weiteren kommunikationstechnischen Problemen. 57)
Franzen selbst plädiert jedoch für die Ausweitung der Mitbestimmung z.B. was die Verwendung der finanziellen Mittel, sowie arbeitsorganisatorischen Fragen wie Urlaubsplanung und Aufgabenverteilungen angeht. 58)
Abschließend ist festzustellen, dass es im Möbellager und im Verein MüTZe derzeit eine Auseinandersetzung um die Fragen Partizipation und Mitbestimmung gibt. Bei Mitgliedern und Mitarbeitern gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie viel Eigenverantwortung in der täglichen Arbeit zugelassen werden sollte. 59)

Lokale Ökonomie
Das Konzept der Lokalen Ökonomie betrachtet Franzen kritisch.
Im Falle des Möbellagers sieht er im Vergleich zum Konzept der Lokalen Ökonomie keinen Unterschied zu einer klassischen Wirtschaftsform.
Der Betrieb des Möbellagers orientiere sich, genauso wie andere Betriebe, weitgehend am Markt. Es wird versucht, Gewinne zu machen und das Maximum zu erwirtschaften.
Trotz sozialer Ausrichtung der Arbeit soll die Leistungsfähigkeit der MitarbeiterInnen im Sinne der Gewinnmaximierung gesteigert werden. Auch dies sei nicht anders als in einem anderen Betrieb oder Unternehmen, auch wenn diese andere Mittel wie Lohnzuschläge o.ä. einsetzten. „In einem normalen Betrieb läuft das so ab, dass entweder der Besitzer des Betriebes, die Aktionäre bzw. der Aufsichtsrat oder der Vorstand ja letztendlich bestimmen, was mit dem Gewinn passiert. Der wird dann verteilt. Entweder an Aktionäre oder ein Teil wird auch reinvestiert. Hier ist das ja nichts anderes. Natürlich kann man sich den Luxus erlauben, mit diesen Gewinnen auch eine gewisse Soziale Arbeit zu gestalten oder das auch den Mitarbeitern zukommen zu lassen in Form von subventionierten Möbeln oder Entschuldungsprogrammen.“ 60) Grundlage der Einstellung von Franzen ist seine Einschätzung, dass das Bestehen auf dem Markt eine notwendige Voraussetzung für das Gesamtprojekt ist. 61)
„Wenn das Betriebsergebnis zurückgeht, aus welchen Gründen auch immer, dann wird auch sehr schnell diese Art von Sozialarbeit eingestellt. Weil der Druck da ist, bestimmte Betriebskosten Miete usw. zu erwirtschaften. Das hat doch Priorität, alles andere ist erst mal Luxus. Das erlauben wir uns einfach, weil wir subventionierte Arbeitskräfte haben, weil bestimmte Mittel auch von außen fließen.“ 62)
Ziel des Möbellagers ist es dennoch von öffentlichen Geldern und anderen externen Zuschüssen unabhängig zu werden. Doch dies geht laut Franzen nur durch Anpassung an die Mechanismen des herrschenden Marktes.

1.3.  Fazit

Das Möbellager der MüTZe kann zunächst als ein „soziales Unternehmen“ nach der Definition von Birkhölzer et. al. gelten.
Doch alle Prinzipien, die hier geprüft wurden, werden nur in eingeschränktem Maße erfüllt, da das Möbellager weiterhin an den Verein Mülheimer Selbsthilfe und dessen Sozialgewerbliches Zentrum angeschlossen ist. Erst dadurch wird es zu einer Organisation mit lokalökonomischem Charakter.
Dieser Bereich des Vereins übernimmt zu großen Teilen die Gemeinwesenarbeit, und die finanziellen Überschüsse fließen in die Arbeit des Bürgerhauses. Wenn es zur Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gekommen wäre, würde die Zuordnung des Projektes sicher anders ausfallen. Denn dann würde die wirtschaftliche Gewinnmaximierung und die Funktion als Beschäftigungsträger einen höheren Stellenwert bekommen.
Zu bemängeln sind die wenig ausgeprägten Partizipationsmöglichkeiten für MitarbeiterInnen. Doch die neu einberufenen Vollversammlungen, an denen alle MitarbeiterInnen und Mitglieder teilnehmen können, sind meiner Ansicht nach ein Schritt in die richtige Richtung.


2.  Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V.

2.1.  Darstellung des Projektes

Die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. ist ein Zusammenschluss von Vereinen und Privatpersonen. Sie entstand aus der Idee, der Ausgrenzung wohnungsloser Menschen durch dauerhafte Beschäftigung und Wohnraumschaffung entgegenzutreten. Das Konzept der Initiative basiert auf einem ganzheitlichen Selbsthilfeansatz. 63)
Im Frühjahr 1996 begannen erste Planungen für die Realisierung des Projektes, beteiligt daran war ein interdisziplinäres Fachteam, bestehend aus Vereinen der Wohnungslosenhilfe, Betroffenen, ehemaligen Betroffenen, Architekten, Wohnungswirtschaftlern, Kaufleuten, der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim und Handwerkern.
Aus ihnen und weiteren dazugestoßenen Personen setzen sich heute die Mitglieder des Vereins zusammen, die zum großen Teil ehrenamtlich arbeiten. Der Verein entstand aus der Einsicht, dass die Angebote für Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße ist, mangelhaft sind. 64)
In Zeiten der Massenerwerbslosigkeit sind die Möglichkeiten für die Personen, die nach Verlust ihrer Arbeit auch ihre Wohnung verloren haben und darum auf der Strasse leben müssen, wieder zu einer Arbeit und damit zu einer Wohnung  zu kommen, im allgemeinen aussichtslos.
Nach jahrelanger, zum Teil schon in der zweiten und dritten Generation andauernder Wohnungslosigkeit reicht es nicht mehr, Wohnraum und Arbeitsplätze anzubieten, weil die durch die Wohnungslosigkeit entstandenen persönlichen und gesundheitlichen Probleme aufgearbeitet werden müssen. 65)
Die Personengruppe der wohnungslosen Langzeitarbeitslosen bringt eine solche Vielzahl von Problemen mit, die eine Vermittlung in Ausbildung oder Beschäftigung und die Bereitstellung einer Wohnung stark erschwert. Um dies aufzufangen, stehen von Seiten des Vereins neben Informations- und Beratungsmöglichkeiten vor allem situative Einzelfallhilfen oder situative Problembewältigungsberatungen in Kooperation mit den Selbsthilfemöglichkeiten im Mittelpunkt. Hilfe wird geleistet bei Problemen mit Wohngeld und Sozialhilfe, bei Ansprüchen im Fall von Erwerbslosigkeit, bei Strafrechtsverfahren, oder anderweitigem Umgang mit Behörden. Weiter werden Hilfestellungen bei Konfliktlösungen in Gruppen oder in der Familie angeboten. Es geht um Gewalterfahrungen, Sucht- und Schuldenprobleme und nicht zuletzt um die Bewältigung einer Lebenssituation ohne Wohnung und Arbeit.
Die Zielgruppe setzt sich zusammen aus 16- bis über 60-jährigen, die zum Teil nicht über einen Schulabschluss oder eine abgeschlossene Ausbildung verfügen. Sie haben zum Teil noch nie in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden oder sind bereits seit mehreren Jahren arbeitslos.
Ziel der Maßnahme ist also, Wohnungslosen durch ein sofortiges Wohnangebot auf dem Gelände in Verbindung mit gleichzeitiger Beschäftigungsmöglichkeit im Bau- und Grünflächenrecycling, mit der Möglichkeit eines Hilfe- und Betreuungsangebotes vor, nach und während der Arbeit, auf dem Kasernengelände Köln-Ossendorf zu Wohnung und Beschäftigung zu verhelfen. 66) Arbeit wird dabei als Grundlage zur Selbstbestimmung gesehen. Es wird jedoch nicht das Verständnis von Arbeit als geregelter Erwerbsarbeit zu Grunde gelegt, sondern ein erweiterter Begriff von Arbeit und dem, was Arbeit für die BewohnerInnen bedeutet. Die Arbeit im Naturbaubetrieb des Vereins und den anderen Arbeitsbereichen ist frei wählbar.
Es gibt unterschiedliche Beschäftigungsmodelle von ABM bis zur Mehraufwandsentschädigung nach dem Sozialhilfegesetz. Die Arbeit strukturiert den Tagesablauf, vermittelt Erfolge und soll eine gewisse Kontinuität ins Leben bringen. Die MitarbeiterInnen des Teams geben immer wieder Anstöße zur Beschäftigung. Übergeordnetes Ziel ist dabei die dauerhafte Beschäftigung unter der Maßgabe der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit. 67)
Seit September 1998 leben ca. 20 vormals wohnungslose Menschen auf dem Kasernengelände in Köln-Ossendorf in Wohn- und Bauwagen. Es leben jeweils 1-5 Personen zusammen auf separaten Grundstücken, die sie selber gestalten können. Manche haben einen eigenen Garten angelegt und halten Hühner. Die Wagen verfügen über Heizmöglichkeiten und einen Stromanschluss, Bad und Toilette werden gemeinsam genutzt. Als Gemeinschaftsraum dient das Essenzelt.
Beschäftigung finden sie in den folgenden Bereichen des innerhalb des Vereins gegründeten „Naturbau-Betriebes“: 68)

  • Baubereich (Erstellung 46 neuer Wohneinheiten)
    Im Baubereich werden im alten Kasernengelände vor allem Abbrucharbeiten, Rohbaumaßnahmen, Zimmermannsarbeiten, Dachdeckerarbeiten sowie Teilarbeiten der Elektro-, Sanitär und Heizungsinstallation ausgeführt. Weiter wurden im Neubau die Fenster in Eigenarbeit installiert und die Bäder und Küchen gefliest. Abbrucharbeiten werden auch in Form von Außenaufträgen für den gegründeten Betrieb ausgeführt.
  • Nutzgarten
    Die Grundlage des Subsistenzanbaus sind die auf dem Gelände der Initiative angelegten Gemeinschafts- und Mietergärten. Die gemeinschaftlichen Gartenflächen dienen dem Anbau von Obst und Gemüse nach biologischen Richtlinien. Gemäß dem Konzept des vereinseigenen Betriebes der Initiative kommen die produzierten Überschüsse der gesamten Gruppe zugute – besonders denen, die wenig oder gar nicht produzieren können. Hierdurch werden die Lebenshaltungskosten für alle im Gesamtprojekt beschäftigten Personen gesenkt.
  • Recycling
    Alle anfallenden Abfälle, wie Holz, Metall, Kompost, Baustoffe, Papier, usw. werden sortiert und bei möglicher Wiederverwendung eingesetzt. Alte Fenster oder Parketthölzer werden aufgearbeitet und in die neu entstehenden Wohnungen eingebaut.
  • Tierhaltung
    Hühner und Kaninchen sorgen im Sinne der Subsistenzwirtschaft für Eier und Fleisch.
  • Werkstätten
    Der Naturbau-Betrieb verfügt über eine Fahrrad-, Metall-, sowie über eine Holzwerkstatt, die jeweils selbständig geleitet werden.
  • Kantine
    Zwei MitarbeiterInnen sorgen täglich für das leibliche Wohl der PlatzbewohnerInnen und Mitarbeiter.
  • Sozialbüro
    für sozialarbeiterische und verwaltungstechnische Fragen, sowie für die Arbeit der Betriebsleitung

Im Zuge weiterer Expansionen entstehen sogenannte Tochterbetriebe, in denen MitarbeiterInnen nach ihren eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnissen selbstständig Arbeiten verrichten. Beispiele hierfür sind die Fahrradwerkstatt, die Kantine, die Tierhaltung, das Wäschewaschen, die  Kleiderkammer und der Weihnachtsbaumverkauf. Obwohl die Tochtergesellschaften die Infrastruktur des Stammbetriebes nutzen, sind sie wirtschaftlich unabhängig.
Die MitarbeiterInnenzahl des Teams der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V., die das Hilfsangebot zur Verfügung stellen und die Verwaltungsarbeit erledigen, schwankt in der Regel zwischen drei und fünf Mitarbeitern. Zur Zeit sind zwei Sozialarbeiterinnen beschäftigt, eine ehemals wohnungslose Bauzeichnerin mit einer Weiterbildung zur Sozialhelferin, ein Verputzer, der Betriebsleiter mit einem Studium zum Bildhauer und einer Ausbildung als Baufacharbeiter, sowie eine Sozialarbeiterin im Anerkennungsjahr. Dazu kommen PraktikantInnen der zwei Fachhochschulen in Köln. Die Finanzierung der Stellen ist abhängig vom jeweiligen Zuschussmodell. Ein Teil der Finanzierung läuft immer auch aus Eigenmitteln des Vereins. Doch ein großer Teil der Arbeit wird ehrenamtlich geleistet, d.h. einige Stellen werden im Grunde Vollzeit unentgeltlich besetzt. 69)
Die Finanzierung der Arbeit des Vereins wird mit einer Mischfinanzierung gewährleistet. Durch die Mittel des Bauministeriums für zukunftsweisende Bauvorhaben und einem Bankdarlehen konnte das Kasernengelände Klerken in Köln-Ossendorf in den Besitz der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. übergehen. Das zur Realisierung des Bauvorhabens vom Verein zu erbringende Eigenkapital wird u.a. in Form einer Eigenleistung seitens der ehemaligen Wohnungslosen im vereinseigenen Betrieb erbracht (ca. 600.000 Euro), die sogenannte „Muskelhypothek“. Durch Auftragsvergabe verschiedener Bauarbeiten an Beschäftigungsträger werden ebenfalls Einsparungen im Sinne der obengenannten Eigenleistung gemacht. Es gibt zusätzlich einen Kredit von der Bank für Sozialwirtschaft und die Mittel der Wohnungsbauförderungsgesellschaft, die jeder Bauherr für die Errichtung von Sozialem Wohnungsbau erhält. Das Bauvolumen beträgt insgesamt ca. vier Millionen Euro.
Die derzeitige Finanzierung der Arbeitskräfte ist zur Zeit folgendermaßen „gesichert“:

  • 2 Hilfe zur Arbeit- Stellen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
  • 5 Beschäftigte in einer Strukturanpassungsmaßnahme des Arbeitsamtes (Die Hälfte des Lohnes wird vom Arbeitsamt finanziert; die andere Hälfte trägt der Beschäftigungsträger selbst.)
  • 1 Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) des Arbeitsamtes
  • Ehrenamtler
  • 8 Honorarkräfte finanziert durch Betriebseinnahmen
  • Personen, die 15 Stunden in der Woche nach § 19 BSHG arbeiten
  • gemeinnützige Arbeit als Strafersatz
  • Praktikanten

Der Stammbetrieb erhält seine stabile wirtschaftliche Basis durch Aufträge, die die Initiative als Bauherr – im Rahmen der Umbaumaßnahmen und der
dazugehörigen Gestaltung des Außengeländes – an den Naturbau- und Servicebetrieb weitergibt. 70) D.h. die sozialen Betreuungsaufgaben, die der Verein durch seinen selbstformulierten Anspruch übernommen hat, finanziert er durch die Überschüsse des vereinseigenen Naturbau-Betriebes, also aus Eigenmitteln. 71)
Die Struktur der Initiative mit dem angeschlossenen „Naturbau-Betrieb“ ist die eines Vereins nach dem Vereinsgesetz des Bürgerlichen Rechts. Das Team wird von der Mitgliederversammlung eingesetzt und bestätigt und ist der Mitgliederversammlung und dem Vereinsvorstand gegenüber verantwortlich. In Planung ist für einen Teil des Vereins die Gründung einer Genossenschaft. Die Gemeinnützigkeit soll dabei erhalten bleiben. In Überlegung war ebenfalls die Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH), doch das Finanzamt hat die Gemeinnützigkeit in diesem Fall nicht anerkannt, da es den Naturbau-Betrieb des Vereins als normalen Wirtschaftsbetrieb einstuft. 72)

2.2.  Ergebnisse des Interviews mit Dieter Breuer, Betriebsleiter und Vorstandmitglied der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. am 05.06.2002

Die Aspekte der Sozialen Arbeit nehmen in der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. einen hohen Stellenwert ein. Breuers Einschätzung ist, dass die Beschäftigung von mindestens drei SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen sinnvoll sei. Nach Breuers Aussagen werden nur im Einzelfall klassische Arbeitsmethoden der Sozialen Arbeit angewendet. Gruppen- und Einzelgespräche finden z.B. nur auf Wunsch der Klienten statt.
Auf die Frage, ob SozialarbeiterInnen / SozialpädagogInnen für die Arbeit des Vereins wichtig seien, antwortet Breuer: „Natürlich kommt man ohne Diplom-SozialarbeiterInnen zurecht. Die Frage ist nur, ob das sinnvoll ist. Also ich meine, ich kann auch ein Haus ohne Architekten und ohne Maurer und ohne Zimmerleute bauen, aber die Frage ist halt, ob das Sinn macht. Ganz klar haben SozialarbeiterInnen eine wichtige Funktion in der Einrichtung. Es gibt natürlich, wie beim Hausbau auch, gute und schlechte Architekten und mit manchen Architekten kriegt man auch niemals ein Haus hin. Das gilt auch für Sozialarbeiter.“ 73)
Soziale Arbeit wird in der Initiative vorrangig als Arbeit gesehen, die sich von der Arbeit der Bauarbeiter oder der Arbeit der MitarbeiterInnen in der Parkettwerkstatt zunächst nicht unterscheidet. Der Stellenwert der einzelnen Tätigkeiten wird nicht unterschiedlich bewertet. „Für mich liegt der Schwerpunkt auf dem Ausdruck „Arbeit“. Die Sozialarbeit ist eine Arbeit, wie eine andere Arbeit auch. Sie ist keine Weltanschauung oder eine Religion, sondern eine Tätigkeit.“ 74)
Eingesetzt wird die Soziale Arbeit im Verein da, wo konkrete Probleme gelöst werden müssen, vor allem was die Existenzsicherung anbelangt.
In dem Moment, in dem die existentielle Sicherung gewährleistet ist, kann erst die psychosoziale Arbeit beginnen. Als hinderlichen Aspekt bezeichnet Breuer die Tendenz der Sozialen Arbeit, ihre eigene Funktion zu institutionalisieren. Soziale Arbeit muss ihre Existenzberechtigung vom Klienten bekommen. „Aber die Erfahrung zeigt, dass solche Mechanismen auftauchen, ähnlich wie bei Eltern-Kind-Beziehungen, Eltern geben ihre Kinder nicht frei.“ 75)
Die politische Arbeit ist ein erklärtes Ziel der MitarbeiterInnen und SozialarbeiterInnen der Initiative. Aufgabe muss es sein, die Öffentlichkeit für die Belange und Themen der Wohnungslosen zu sensibilisieren. Lobbyarbeit steht natürlich nicht an erster Stelle, nimmt jedoch einen wichtigen Teil der Arbeit in Anspruch. Durch die Teilnahme an mehreren Arbeitskreisen ist das Projekt in den Gremien der Stadt Köln vertreten und äußert sich politisch im Sinne der Integration Wohnungsloser. Ein weiteres Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist die Information und der Einbezug der BewohnerInnen des Stadtquartiers und die Einflussnahme auf Gesetzesinitiativen bezüglich des Ordnungs- und öffentlichen Nutzungsrechtes. 76)

Bedürfnisorientierung
Bedürfnisorientierung ist ein erklärtes Ziel in der Arbeit der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. „Die Leute fordern eigentlich das, was wir von Anfang an als Konzept erarbeitet haben. Nämlich einen z.B. eigenen Platz., d.h. erst mal noch gar keine Wohnung, sondern einen Fleck Erde, auf dem sie ihre kleine Behausung selbst zimmern können. Bedürfnisorientierung ist also ein ganz klar erklärtes Ziel, aber nicht das einzige.“ 77)
Deutlich wird diese Vorgehensweise ebenfalls am sogenannten Drei-Schritt-Modell des Vereins. 78)
Der erste Schritt ist die Ansprache von Wohnungslosen auf der Straße. Die „Streetwork“ wird vom Verein „Ohne festen Wohnsitz e.V.“ und seinen Mitarbeitern geleistet, der an der Initiative beteiligt ist. 79)
Doch die Erfahrungen zeigen, dass die meisten Wohnungslosen über Kontakte zu den BewohnerInnenn des Projektes durch Vermittlung anderer Hilfseinrichtungen in Köln zum Verein kommen 80). Schritt Nummer zwei ist die sofortige, vorübergehende Unterbringung in Bauwagen und die Gewährleistung einer Arbeitsmöglichkeit. Der dritte Schritt beinhaltet die dauerhafte Integration in Wohnung und Arbeit, d.h. Einzug in die zu großen Teilen selbst fertig gestellten Wohnungen des Vereins. Zu erwähnen ist hier auch, dass BewohnerInnen, die nicht in eine Wohnung einziehen wollen, auch weiterhin in ihrem Bauwagen auf dem Gelände bleiben können 81). Später sollen kleine Häuschen auf dem Gelände der Bauwagen entstehen, die eine bessere Ausstattung bieten, jedoch nicht ihre „Übersichtlichkeit“ für die BewohnerInnen verlieren. Zur Zeit fehlt allerdings die Finanzierungsmöglichkeit, weshalb auf Spenden gehofft wird.
Hier wird deutlich, dass den Bedürfnissen der BewohnerInnen eindeutig Rechnung getragen wird, zunächst den „primären“ und dann den „sekundären“ Bedürfnissen. 82)
Deutlich wird allerdings auch, dass das eingeschränkte Angebot nur angenommen wird, weil die Menschen sich mit wenig zufrieden geben und die Gemeinschaft und ein fester Zusammenhalt ebenso wichtig sind 83). „D.h. man muss erst mal, wenn man mit einer Gruppe arbeiten will, nach Leuten suchen, die bereit sind, unter den Minimalbedingungen, die man hier bieten kann, zu arbeiten.“ 84)
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Versuch des Projektes immer wieder Möglichkeiten zu schaffen, die es den BewohnerInnenn erleichtern, ihre Bedürfnisse zu äußern. 85)

Integration
Der Begriff der Integration wird laut Breuer vermieden, da er sehr wenig aussage. „Ich würde ganz klar sagen, ich will niemanden irgendwo „rein“ integrieren.“ 86)
Gerade in der Arbeit mit Wohnungslosen ist die Akzeptanz gegenüber „alternativer Lebensentwürfen“ von äußerster Wichtigkeit. Deshalb ist es problematisch zu sagen, dass die Integration in ein Normverhältnis das Ziel eines Projektes ist. Die Grenzen zwischen „normalen“ und „abweichenden“ Lebensentwürfen verschwimmen.
Konkret wird der Begriff in der Arbeit der Initiative allerdings an der „Integration in Wohnung und Arbeit“ 87). Hier wird der Begriff in einen konkreten Zusammenhang gebracht, was seine Bedeutung weitaus besser definiert.
Niemand wird gezwungen, sich in Wohnung und Arbeit zu „integrieren“. Doch eine Regel lautet: „Alle Angebote sind für die BewohnerInnen der bereits fertig gestellten Wohnungen freiwillig. BewohnerInnen der Bau- und Wohnwagen haben allerdings die Auflage innerhalb von 1 ½ Jahren in irgendeiner Form konstruktiv mitzuarbeiten, um perspektivisch den Lebensunterhalt bestreiten zu können.“ 88)
Zudem entspricht diese Definition von „Integration“ der Auffassung von Scherr, der aufgrund der Begriffsproblematik für die Aufgabe dieses Leitzieles für die Soziale Arbeit plädiert. Wichtiger ist ihm die Ermöglichung des Zugangs zu Teilsystemen der Gesellschaft wie im Beispiel der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. durch die Begriffe „Wohnen“ und „Arbeiten“. 89)

Ressourcenorientierung
Die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. ist eine Organisation mit Selbsthilfecharakter. Sie ist zwar nicht von Wohnungslosen selbst gegründet worden, doch maßgeblich sind diese an der weiteren Entwicklung und den damit verbundenen Entscheidungen beteiligt. Die Ressourcen, die aus den Selbsthilfebestrebungen hervorgehen, werden deshalb in den Vordergrund gestellt. 90)
Darüber hinaus wird versucht, alle Fähigkeiten, die die BewohnerInnen des Geländes und die MitarbeiterInnen des Naturbau-Betriebes sich im Laufe ihres Lebens angeeignet bzw. spezifiziert haben, zu nutzen. Ein Beispiel, das Breuer nennt, ist die Spendenacquise. Des weiteren benennt er die guten Führungsqualitäten einzelner Mitarbeiter. „Die Führungsfähigkeiten der Leute sind zum Teil sehr gut, d.h. sie haben die Gabe andere zu begeistern und mitzuziehen.“ 91)
Dies wird vor allem daran deutlich, dass zwei der BewohnerInnen in den Vorstand des Vereins gewählt wurden, und dass eine ehemals wohnungslose Bewohnerin in der Verwaltung und sozialen Betreuung tätig ist.
In den einzelnen Arbeitsbereichen, die auf dem Gelände angeboten werden, können eine Reihe von Fähigkeiten der BewohnerInnen genutzt werden, sei es in der Gartenarbeit, in der Schlosserei oder der Fahrradwerkstatt. Dadurch übernehmen die BewohnerInnen Verantwortung für einen eigenständig geleiteten Bereich und qualifizieren sich weiter. 92)

Vernetzung
Die Einrichtung ist mit vielen Institutionen in Köln und über Köln hinaus vernetzt. Die Kooperation mit anderen Institutionen wie der Schuldnerberatung, den
Einrichtungen der Drogenhilfe, dem Gesundheitsamt und anderen Selbsthilfeeinrichtungen erweitern das Hilfsangebot und somit den Handlungsspielraum der Betroffenen.
Es gibt einen regen Austausch zwischen diesen Einrichtungen, was die Beratung der Klienten angeht.
Hinzu kommt die Mitarbeit in mehreren Gremien, wie dem Arbeitskreis Nichtsesshaftenhilfe der Stadt Köln, dem Arbeitskreis Ossendorfpark 93), dem Arbeitskreis Umbruch 94), zur Bundesbetroffeneninitiative Wohnungsloser 95) und Arbeitskreis Streetwork NRW 96).
Darüber hinaus gibt es Kontakte zu zuständigen Behörden, wobei die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt als gut und die Kooperation mit dem Sozialamt als eher schleppend und ausbaufähig bezeichnet wird. 97)
Auf die Frage der Zusammena rbeit mit ansässigen Unternehmen der Privatwirtschaft antwortet Breuer: „Bei ansässigen Unternehmen ist die Zusammenarbeit gut bis sehr gut, dadurch das wir als Wohnungslosenhilfeeinrichtung auch Arbeitgeber sind. Wir vergeben Millionenaufträge im Baubereich und haben entsprechende Firmen dafür am Start. Da läuft im Grunde die Zusammenarbeit auf engstem Raum. Mitarbeiter werden z.B. mit einer Wohnungslosenproblematik hier vor Ort konfrontiert, die so was sonst nicht kennen lernen würden und wenn dann nur von außen.“ 98)
Gewünscht wird darüber hinaus ein regerer Kontakt zum Amt für Wirtschaftsförderung. Die bisher fehlende Kooperation wird mit Arbeitsüberlastung erklärt. 99)
Interessant ist auch Breuers Aussage, dass einige Nachbarn eine Konkurrenz in dem Wohnungsangebot der Initiative sehen, da die Mietpreise sehr viel niedriger sind als bei den Wohnungsangeboten der Nachbarn. Hier ergeben sich anscheinend Absatzprobleme, was man an dem Leerstand der umgebenden Häuser beobachten kann. Der Kontakt zu anderen Nachbarn wird dagegen als erfreulich bezeichnet. 100)
Die hier aufgelisteten Arbeitskreise und Kooperationen zeigen, dass das Projekt der Initiative in ein starkes soziales Netz eingegliedert ist.
Allerdings finden keine gemeinsamen Projekte mit Behörden oder der Wirtschaft statt. Vielmehr geht es um Unterstützungsleistungen im einseitigen Austausch oder um Zusammenarbeit, die auf die Belange einzelner Klienten beschränkt ist, wie etwa im Falle der Behörden.
Eine Ausnahme stellt die Teilnahme am Programm der Kölner Freiwilligen Agentur dar. Geplant ist ein Projekt, in dem in einer Art Seitenwechsel Leute aus der Wirtschaft an Projekten in sozialen Einrichtungen ihre Kompetenzen im Rahmen des sogenannten „cooperate volunteering“ zur Verfügung stellen. Dies ist allerdings noch nicht über die Planungsphase hinaus gekommen.

Gemeinwesenorientierung
Die Ansiedlung der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. hat sich nicht aus einer gewollten Anbindung an den Stadtteil Ossendorf ergeben, da zur Zeit der Erstehung des Geländes das gesamte Kasernengelände, welches ehemals von der Belgischen Armee genutzt wurde, geräumt war. D.h. das Quartier ist erst in den letzten zwei bis drei Jahren um das Projekt herum entstanden. Aufgrund des zahlreichen Zuzugs in die neu entstandenen Wohnblocks, die zu einem hohen Anteil Sozialwohnungen sind, zeigt sich zunehmend die Wichtigkeit der gemeinwesenbezogenen Arbeit.
Im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht das Projekt in Köln-Ossendorf gemeinwesenorientiert zu arbeiten. Die Mitarbeit im Arbeitskreis Ossendorfpark ist dazu ein Beitrag. Hier werden Stadtteilfeste mit anderen Akteuren, wie der Kirche, den Kindertagesstätten und interessierten BürgerInnen geplant und durchgeführt. Aufgrund des Mangels an Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen 101), gibt es Bestrebungen, z.B. eine Mutter-Kind-Gruppe, eine Krabbelgruppe oder eine Hausaufgabenbetreuung für die Familien im Stadtteil in den Räumen der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. einzurichten. Dies ist jedoch mit hohem Verwaltungs- und Personalaufwand verbunden, der noch geleistet werden muss.
Bei kleineren Aktionen, wie einem Richtfest und einem Einzugsfest in den Neubau des Vereins, waren und sind die Nachbarn eingeladen. Außerdem wurde in den letzten drei Jahren für die Nachbarschaft ein Weihnachtsbaumverkauf organisiert, der eine rege Beteiligung fand. 102)

Partizipation
Die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. hat ein sehr breites Angebot an Mitbestimmungsmöglichkeiten f ür die MitarbeiterInnen und die BewohnerInnen des Geländes institutionalisiert.
Denn Hilfe zur Selbsthilfe bedeutet für die MitarbeiterInnen der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. vor allem die Förderung der Selbständigkeit und der Mitbestimmungsmöglichkeiten. Das Selbstbestimmungsrecht der BewohnerInnen steht im Vordergrund, in dem ihre unterschiedlichen Lebensstile akzeptiert und die Privatsphäre auf den Bauwagenplätzen und während der Beratung geachtet werden.
In der praktischen Arbeit ist es wichtig, immer wieder Situationen und Möglichkeiten zu schaffen, die es den BewohnerInnen möglich machen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Hierbei sollen die mitgebrachten persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten erkannt und genutzt werden, um das Selbstwertgefühl zu stärken.
Die Mitbestimmung der BewohnerInnen bestimmt die tägliche Arbeit im wesentlichen. Die BewohnerInnen können alles mitbestimmen, indem sie in den verschiedenen Gremien des Vereins z.B. im BewohnerInnenrat oder im Arbeiterrat oder dem Vereinsvorstand vertreten sind.
Das Team begleitet diese Arbeit kontinuierlich, wobei eine ständige Reflexion in Bezug auf die Manipulation der BewohnerInnen stattfinden soll. Alle Beteiligten sollen zu jeder Zeit in der Lage sein, freiwillig und aus eigenen Vorstellungen heraus ihr gemeinschaftliches Leben und die Arbeit zu bestimmen. 103)

Abbildung: Gremienorganigramm der Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. 104)

Die Betroffenen können selbst bestimmen, mit wem sie arbeiten und leben wollen. Das Prinzip der Partizipation ist weitmöglichst basisdemokratisch. Die Mitbestimmung durch die institutionalisierten Gremien, wie sie hier praktiziert wird, ist in Einrichtungen der Sozialen Arbeit eher selten.
Solange die BewohnerInnen auf der Straße gelebt haben, waren sie immer in der Rolle des