Die Situation in der DDR

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Das Hauptmerkmal des sozialpolitischen Verständnisses für die Lösung sozialer Probleme in der DDR lag in der Verantwortung des Staates. "Die traditionelle Doppelstruktur von freigemeinnütziger und öffentlicher Trägerschaft von sozialer Arbeit wurde nach der Zerschlagung bzw. Gleichschaltung in der NS-Zeit nicht wieder zugelassen" (Seidenstücker in Otto/Thiersch, 2001, S. 232). In Form territorialer Sozialpolitik verrichteten soziale Organisationen, wie das DRK oder die Volkssolidarität, ihre Arbeit im Auftrag des Staates. Dies ging mit der Vorstellung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung einher. Mit dem Verständnis von "fürsorgerischer Tätigkeit" oder "sozialer Betreuung" wurde die Sozialpolitik und soziale Arbeit insbesondere in jenen Feldern aktiv, die "auf die soziale Absicherung der Bürger zielten, und jene, von denen eine ökonomische Reproduktionswirkung zu erwarten war" (Seidenstücker in Otto/Thiersch, 2001, S. 233). Da es in der DDR ein Recht auf Arbeit sowie Wohnung gab und die lebensnotwendigen Bereiche staatlich subventioniert waren, erübrigten sich viele mittlerweile klassischen Felder der Sozialarbeit, wie Obdachlosenhilfe oder Jugendsozialarbeit. Die Ausbildung fand vorwiegend auf der Fachschulebene statt. Hier gab es mehrere Ausbildungseinrichtungen, die den Aufgaben der Sozialarbeit/Sozialpädagogik entsprachen, für Kindergärtnerinnen und Horterzieherinnen, Heimerzieher, Sozialfürsorgerinnen, Gesundheitsfürsorgerinnen, Jugendfürsorger und Jugendclubleiter. Diese waren kaum miteinander verbunden und gehörten teils zum Gesundheits- und Sozialwesen, teils zu dem von der Schulpolitik dominierten Bildungswesen. Gemeinwesenarbeit im Verständnis der westdeutschen Entwicklung gab es in dem Sinne nicht. Es ging in den Wohngebieten nicht darum, bessere Wohnbedingungen zu erkämpfen, sondern um einen Prozess der Aneignung des Wohngebietes. Dies ist nur im Hinblick auf den Städtebau in der DDR zu verstehen. An Einrichtungen für Kinder, Bildung oder Versorgung mangelte es nicht. Neubaugebiete gehörten zu den lukrativsten Wohngegenden und erfuhren besondere Wertschätzung. Möglicherweise ist eine Gemeinwesenorientierung in den verschiedenen Kollektiven und Organisationen zu finden. Diese weist jedoch völlig andere Merkmale durch differierende Zielstellungen auf. In der DDR ging es vordergründig darum, sich mit dem sozialistischen Land zu identifizieren und es somit als Heimat zu begreifen. Der Arbeitsplatz sicherte betriebliche Sozialzusammenhänge auf Lebzeiten, die Hausgemeinschaft hatte in ihrer kontrollierenden Funktion auch integrierenden Charakter und die schulische Einbindung erfolgte über die Organisationen der » Jungen Pioniere oder der FDJ. Die de facto verpflichtende Teilnahme sicherte auch hier aktive Einbindung. Der Einbezug des Lebensumfeldes fand nicht in dem Sinne statt, da dies mit einer Kritik an dem sozialistischen System einher gehen könnte. So wurden strukturelle oder gesellschaftliche Ursachen für Probleme ausgeblendet. Wer sich nicht dem Gemeinschaftsleben anschloss oder unterordnete und dabei auffiel, war möglicherweise von Sanktionen wie Jugendwerkhof oder der Einweisung in die Psychiatrie betroffen. Kirchliche Gemeinden bildeten in der DDR ein Nischendasein und ermöglichten somit auch andere Lebensmodelle, insbesondere für Menschen mit Reformbestrebungen.


Fragen zur Situation in der DDR:

  • Warum war es in der damaligen DDR kaum möglich, effektive Sozialarbeit zu praktizieren?