Informieren, Beteiligen, Kooperieren

Kommunikationsformen von A (wie Aktion) bis Z (wie Zukunftswerkstatt)


Der folgend Text wurde mit freundlicher Genehmigung durch Klaus Selle dem Buch "Planung und Kommunikation" (Klaus Selle (Hrsg.), Bauverlag, Wiesbaden und Berlin 1996, S. 61-78) entnommen. Dieses grundlegende Buch erschien 2005 in einer » völlig überarbeiteten 4. Auflage!


Inhalt:


Die Gesetze schreiben einige Formen der Kommunikation zwischen Planern und Betroffenen, zwischen Verwaltung und Einwohnerschaft etc. vor: Von ortsüblicher Bekanntmachung ist da die Rede, von Anhörung und Erörterung etc. In der Praxis hat sich aus diesen und anderen Vorschriften ein buntes Spektrum unterschiedlicher Umsetzungen entwickelt. Aber das ist beileibe nicht alles. Die gesetzlichen Regeln definieren nur Mindeststandards. Beteiligungsangebote können weit darüber hinausreichen und auch in ganz anderen Formen stattfinden: So haben z. B. Anwaltsplanung oder Planungszellen bzw. Bürgergutachten mancherorts bereits Tradition, andere Formen blieben bislang nur auf wenige Experimente beschränkt.
Aus dem so entstandenen Fundus wollen wir hier einige wesentliche Formen vorstellen (es handelt sich um eine Auswahl aus einer umfassenderen und die einzelnen Formen ausführlicher darstellenden Übersicht: vgl. Bischoff/Selle/Sinning 1995).
Die Beschreibung ist jeweils in vier Teile gegliedert:

  • Kurzdefinition,
  • Wichtige Funktionen,
  • Hinweise für die praktische Anwendung,
  • Verweis auf Beispiele und Literatur.

Die einzelnen Definitionen sind weder vollständig noch abschließend. Es handelt sich vielmehr um Beschreibungsversuche mit durchaus subjektiven Gewichtungen und Bewertungen. Die Literaturhinweise sollen jedoch allen, die an umfassenderen Darstellungen einzelner Methoden interessiert sind, weitere Hinweise geben.

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Aktion

Als Ergänzung zu diskursiven Formen der Beteiligung können konkrete Aktionen sinnvoll und notwendig sein. Hier wird temporär oder auf Dauer etwas von dem, was Gegenstand der Erörterungen ist, in die Praxis umgesetzt.

Nicht nur reden

Beteiligungen kranken oft daran, dass nur geredet wird. Das ist vielen zu abstrakt, langwierig und lässt konkreten Nutzen nur schwer erkennen. Aktionen können also vielerlei Zwecken dienen:

  • Mit ihnen werden Kommunikationsformen angeboten, die auch jenen gerecht werden, die nicht gern über Pläne, Aufgaben und Ziele diskutieren, sondern vor allem handeln wollen.
  • Aktionen sind auch eine Form der konkreten Aneignung von Lebensraum.
  • Die langen Zeitspannen zwischen Erörterungen und konkreter Umsetzung können so punktuell verkürzt werden.
  • Zudem wird unmittelbar sichtbar, welchen Nutzen die Beteiligung haben kann.
  • Und nicht zuletzt werden im konkreten Handeln gemeinsam neue Erfahrungen gesammelt, die Menschen miteinander in Kontakt bringen und die Bildung sozialer Netze fördern.

Was ist zu tun? Aktionen im Kontext.

Um zunächst deutlicher werden zu lassen, wie breit das Spektrum möglicher Aktionen ist, hier einige Beispiele aus der Praxis:

  • Das in Selbsthilfe instandgesetzte Gemeinschaftshaus gibt auch denen, die sich in Sitzungen unwohl fühlen, die Möglichkeit, mit ihrem handwerklichen Geschick zur gemeinsamen Initiative beizutragen.
  • Die temporäre Straßensperrung und die Umgestaltung des so zurückgewonnen Spiel- und Lebensraumes mit einfachen Mitteln lassen sichtbar werden, für was man sich beim Bemühen um Verkehrsberuhigung einsetzt.
  • Der am Feierabend eingerichtete erste Mietergarten zeigt, wie das "Abstandsgrün" umgestaltet werden könnte und was Selbsthilfe bewirken kann.
  • Die Spielaktion mit Kindern setzt Phantasie frei und gibt zugleich Hinweise, wie die Spielräume einer Siedlung (um)gestaltet werden könnten.
  • Das gemeinschaftlich organisierte Straßenfest fördert die Nachbarschaft und zeigt, dass das Engagement z.B. für die Erneuerung einer Siedlung nicht nur eine (ernsthafte) Aufgabe ist, sondern auch Anlass zum Feiern geben kann.

Die möglichen positiven Wirkungen von Aktionen können sich jedoch nur entfalten, wenn sie nicht "aufgesetzt" sind: Eine vom Wohnungsunternehmen oder von Verwaltungen wohlmeinend inszenierte Veranstaltung ohne Engagement vor Ort kann leicht zu einem peinlichen Fehlschlag werden. Zudem sind Aktionen zumeist nur sinnvoll als ein Element einer Beteiligungsstrategie, die sich auch anderer Formen bedient (Arbeitsgruppen, Werkstätten etc.), so dass die Aktion inhaltlich vorbereitet und vor allen Dingen auch ausgewertet wird und in weitere Schritte mündet.

Beispiele, Literaturhinweise: Aktionen sind ein wichtiges Element der Beteiligungsarbeit. Sie werden in der Literatur zumeist im Zusammenhang mit Falldarstellungen dokumentiert. Verschiedene Beispiele in diesem Sinne finden sich z.B. in den Dokumentationen des Münchner Vereins Urbanes Wohnen e.V.: Urbanes Wohnen (Hg), Bürger gestalten ihre Stadt. Planungskultur-Alltagskultur. München 1993. Zurück


Aktion "Ortsidee"

Die Aktion "Ortsidee" soll Bürgerinnen und Bürger anregen, an der Gestaltung ihrer (Um-) Welt und damit auch an kommunalen Planungen mitzuwirken. Ziel ist es, Ideen aus dem Ort und für den Ort (Schoeller 1989, S. 122) zu entwickeln.

Ein umfangreicher Prozeß mit vielen Schritten

Der Verlauf der Aktion "Ortsidee" gliedert sich in der Regel in folgende Abschnitte:

  1. Kontakte knüpfen und einen Informationsabend veranstalten;
  2. eine örtliche Projektgruppe der Bewohnerinnen und Bewohner gründen;
  3. gemeinsam eine Situationsanalyse erstellen, die sich auf die Ortskenntnisse der Bewohnerschaft stützt: dabei gilt es, das Besondere, die "Idee des Ortes" herauszufinden;
  4. gemeinsam in der Projektgruppe Konzepte entwerfen; z. B. ein Leitbild entwickeln und dieses durch realisierbare Maßnahmen konkretisieren;
  5. die Arbeitsergebnisse ausstellen und öffentlich diskutieren;
  6. als abschließende Diskussionsrunde eine Gemeindeversammlung veranstalten;
  7. eine Vorstufe zur anstehenden Planung ausarbeiten, die der Gemeinde als Grundlage für zukünftige formelle Planungen dienen soll.

Das Beteiligungsverfahren der Aktion "Ortsidee" ist im Rahmen der Dorfentwicklung entstanden. Es eignet sich aber in abgewandelter Form auch für andere Planungs- bzw. Entwicklungsvorhaben auf (überschaubarer) lokaler Ebene. Dabei werden die Beteiligungsformen in den einzelnen Schritten entsprechend den örtlichen Gegebenheiten variieren.

Die Aktion "Ortsidee" lebt von der Vielfalt der eingebrachten Kenntnisse und Fähigkeiten

Für die Arbeit der Aktion "Ortsidee" ist es wichtig, dass möglichst viele verschiedene Gruppen des Ortes mitwirken, dass alle prinzipiell bereit sind, gemeinsam über ihren Ort nachzudenken und keine zugespitzten, festgefahrenen Konflikte bestehen.
Der Prozess sollte durch eine (externe) Moderation technische und methodische Unterstützung erhalten. Die Moderation hat dabei die Aufgabe, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Beteiligten zu aktivieren und Konflikte sichtbar zu machen, ohne jedoch den Arbeitsprozess inhaltlich stark zu lenken.
Bei der Aktion "Ortsidee" ist es nicht erforderlich, dass zeichnerisch-planerisch gearbeitet wird. Vielmehr wählen die Bürgerinnen und Bürger selbst ihnen angemessene Formen, um ihre Ideen zu entwickeln und festzuhalten. Es kann eine Aufgabe der Moderation sein, diese für den Planungsprozess zu "übersetzen".
Damit der Prozess und die Ergebnisse der Aktion "Ortsidee" für alle nachvollziehbar sind, besitzt die Rück-Vermittlung in die lokale Öffentlichkeit (z. B. durch Medien und attraktive Veranstaltungen) eine große Bedeutung.
Um den aktivierenden Effekt der Aktion "Ortsidee" für den weiteren Prozess zu nutzen, sollten die Ideen möglichst bald aufgegriffen und in der weiteren Planung umgesetzt werden. Dabei müssen die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, dass ihre Ideen (wenn auch nicht alle) in die Ortsentwicklung einfließen.

Beispiele, Literaturhinweise: Zahlreiche Praxisbeispiele für die Aktion "Ortsidee" finden sich in österreichischen Gemeinden (vgl. Schoeller 1989 und 1992). In der Steiermark wird es z.B. angestrebt, jährlich in ca. 10 Gemeinden eine Ortsentwicklung mit der Aktion "Ortsidee" einzuleiten (finanziert durch Gelder des Bundeslandes). In der Bundesrepublik fanden einige vergleichbare Beteiligungsverfahren im Rahmen von Vorlaufphasen zur Dorferneuerung statt (z. B. in Hessen und Niedersachsen). Zurück


Aktivierende Befragung

Die aktivierende Befragung ist eine spezielle Form des Interviews, mit der sowohl Informationen gewonnen wie auch Aktivitäten gefördert werden sollen.

Die Kommunikation beginnen

Die aktivierende Befragung bietet die Möglichkeit, grundlegende Informationen für Planungs- und Entwicklungsprozesse zu erhalten und gleichzeitig im Gespräch eine Mitwirkung an diesem Prozess zu fördern. Die Fragenden können individuell auf die Befragten eingehen, ggf. klärende Informationen über den Stand der Planung liefern, Lösungsmöglichkeiten bei anstehenden Problemen diskutieren etc. Besonders dort, wo zunächst aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger keine eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erkennen sind, können aktivierende Befragungen Anregungen geben. Damit wird eine Grundlage für die Mitwirkung im weiteren Verlauf der Planung geschaffen.

Flexibel sein, weiterführende Aktivitäten einplanen und Transparenz wahren

Die Befragung wird anhand eines kurzen Gesprächsleitfadens, der Themen und offen formulierte Fragen enthält, durchgeführt. Das Spektrum der "aktivierenden" Fragen reicht dabei von schlichten Problemklärungen (Was ist der Fall? Wie beurteilen Sie ... ?) über strategische ("Könnten Sie sich vorstellen, für Variante A der Strasse zu stimmen ... ?") bis zu "reflexiven" Fragen ("Angenommen, dass..."; "Wenn Sie die Möglichkeit hätten..."). Je nach Gewichtung der unterschiedlichen Fragetypen kann das Gespräch eher zur Orientierung der Fragenden dienen oder stärker die Absicht verfolgen, die Befragten zu beeinflussen und zur Mitwirkung an Planungsprozessen anzuregen.
Der flexiblen Gestaltung des Gesprächsverlaufs und der Berücksichtigung von Interessen und Lebenslage der Befragten kommt bei dieser Befragungsform besondere Bedeutung zu. Ebenfalls besonders zu betonen sind der Kontext - wenn die Aktivierung gelingt, muss Raum und Gelegenheit für Folge-Aktivitäten geschaffen werden - und die Verwendung der Ergebnisse: Nur wenn sie aufgegriffen werden, können sich die Befragten ernst genommen fühlen.
Da die Fragenden nicht "neutral" sind, wie dies bei anderen Formen der Befragung üblich ist, sondern in das Untersuchungsfeld eingreifen, eröffnen aktivierende Befragungen in besonderer Weise Manipulationsmöglichkeiten: auf Transparenz (des Verfahrens insgesamt, der Rolle der Fragenden und sonstigen Beteiligten etc.) ist daher allergrößten Wert zu legen.

Beispiele, Literaturhinweise: Zu einem Beispiel im Landkreis Lüchow-Dannenberg, hier ging es um Landbau und Direktvermarktung, vgl. Brink 1986; zu den Methoden vgl. Thomm 1989 Zurück


Anhörung und Erörterung

Bei bestimmten Planungs- und Entwicklungsvorhaben sind die Unterrichtung der Bürgerinnen und Bürger über das Vorhaben und dessen Erörterung vor Beschlussfassung durch die politischen Gremien gesetzlich vorgeschrieben.

Sinnvoll - aber selten sinnvoll genutzt

Anhörungen bzw. Erörterungen sind unabdingbar für rechtsstaatliche Planungsverfahren. Nur so können die Belange der Betroffenen (als Teil der betroffenen Belange) ermittelt werden. Für die Planung haben sie darüber hinaus die Funktion, mögliche Widerstände aber auch Mitwirkungspotentiale frühzeitig zu erkennen. Anhörung bzw. Erörterung ermöglichen aber auch den Bürgerinnen und Bürgern, ihre eigenen Positionen und Interessen zu erläutern und mit den Entscheidungs- und Projektträgern zu erörtern, bevor endgültige Entscheidungen getroffen werden.
Bedauerlicherweise werden Erörterungen vielfach jedoch als "Dienst nach Vorschrift" gestaltet (siehe dazu auch die Anmerkungen zum Stichwort Bürgerversammlung): Sie sind zu spät angesetzt, das Vorhaben wird schlecht präsentiert, es werden keine echten Alternativen vorgestellt, Handlungsspielräume werden auf einige technische Details reduziert usw. So sind sie für beide Seiten frustrierend.

Kein Dienst nach Vorschrift

Grundsätzlich gilt, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst frühzeitig über Planungsabsichten informiert werden sollen. In den letzten Jahren gewinnen jedoch Planungsverfahren bzw. Projektentwicklungen an Bedeutung, bei denen mit Bebauungsplänen lediglich bereits vorab getroffene informelle Abstimmungsprozesse nachvollzogen werden. In einem solchen Fall müsste deutlich vor der gesetzlich normierten Anhörung eine Kommunikation mit der Öffentlichkeit stattfinden - um dem ursprünglichen Ziel der Anhörung gerecht zu werden. Eine ausschließliche Orientierung an den gesetzlich geregelten Verfahrensvorschriften wird also der Planungsrealität vielfach nicht (mehr) gerecht.
Wie auch immer Erörterungen in die übergreifende Kommunikationsstrategie eingebunden sind - grundsätzlich gilt: sie sind keine Monologe. Die Argumente der Bürgerinnen und Bürger sind nicht nur "entgegenzunehmen". Auf sie ist einzugehen. Es muss ein Dialog entstehen können, in dem auf beiden Seiten Lernprozesse möglich sind (vgl. auch das Stichwort Vortrags- und Diskussionsveranstaltung).
Erörterungen sind nur sinnvoll, wenn sie durch gute Vorab-Information vorbereitet werden: Hintergründe, Auswirkungen und Handlungsspielräume (anhand von Alternativen) müssen - in auch für Laien gut lesbaren Plänen und verständlichen Texten - eingängig erläutert werden. Ebensolche Bedeutung kommt der (mündlichen) Präsentation in der Versammlung selbst zu. Für die langfristig ertragreiche Gestaltung von Beteiligungsverfahren ist es zudem wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger erkennen können, wie mit ihren Anregungen und Bedenken verfahren wird (z. B. durch eine Zusammenfassung der Anhörungsergebnisse in den Medien).

Beispiele, Literaturhinweise: Vgl. zu einem Beispiel in München Hasenbergl Betz/Schmidt 1993; allgemein über Anhörungen informieren u.a.: Alemann 1975; Bender/Sparwasser 1990; Bühler/Mayer 1990; Deutscher Ausschuss für die Europäische Kampagne zur Stadterneuerung (Hg.) 1981; Gabriel 1983; Kodolitsch 1980; Mayer 1991.

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Anwaltsplanung

Mit dem Konzept der Anwaltsplanung sollen Interessen, die in Planungsprozessen gemeinhin nicht oder nur unzureichend Berücksichtigung finden, deutlicher zum Ausdruck und nachdrücklicher in Entscheidungen eingebracht werden. Zugleich sollen Planungs- bzw. Entscheidungsprozesse verständlicher und transparenter werden.

Kritische Auseinandersetzung mit Planungen, fachliche Unterstützung von Initiativen

Das Konzept der Anwaltsplanung wurde vor etwa 30 Jahren in den USA entwickelt (vgl. Davidoff 1972) und fand in den letzten 25 Jahren auch Eingang in die deutsche Praxis. Das Formen- und Aufgabenspektrum ist vielgestaltig und reicht vom Anwaltsplaner in Sanierungsgebieten bis zum Umweltadvokaten. Zugleich sind die Grenzen zu verwandten Konzepten - Ornbudsman, Ombudsteam, Verbraucheranwalt ("Naderismus") aber auch zu Konzepten der Gemeinwesenarbeit - fließend (vgl. auch das Stichwort Bürgerbeauftragte).
Zumeist gehört es zu den zentralen Aufgaben der Anwaltsplaner, öffentliche Planungsprozesse mit kritischer Distanz zu begleiten und die von ihnen zu vertretenden Interessen in die Arbeit kommunaler und staatlicher Gremien (in Form von Stellungnahmen, Gegenplanungen, Gutachten etc.) einzubringen. Häufig stehen sie (auch) als fachliche Berater solchen Gruppen zur Verfügung, die in Planung und Politik bislang nicht angemessen zu Wort kamen.

Schwierige Situation zwischen den Beteiligten; Bürgerinnen und Bürger nicht bevormunden

Hinsichtlich der praktischen Anwendung gibt es inzwischen zahlreiche Hinweise. Stets wird dabei von der spannungsreichen Grundkonstellation ausgegangen: die Anwaltsplanung "sitzt zwischen den Stühlen". Zumeist ist sie von der (kommunalen) Verwaltung finanziell abhängig. Zugleich aber soll sie eindeutig Partei ihrer Klientel ergreifen. Es besteht also immer die Gefahr, dass sie zu "Sachverwaltern der kommunalen Interessen gegen die Planungsbetroffenen umfunktioniert werden" (Bühler; Mayer 1990, S. 459) und damit das Vertrauen der Bürgergruppen, die sie vertreten sollen, verlieren. Andererseits droht die Gefahr, dass Bürgerinnen und Bürger bevormundet werden. Einige Konsequenzen:

  • Die Anwaltsplanung muss davon ausgehen, dass die von ihr betreuten Gruppen über eigene soziale Kompetenzen verfügen. Es gilt lediglich ihre Position in fachlichen Auseinandersetzungen zu stärken.
  • Wenn Teile der Bevölkerung noch nicht soweit organisiert sind, dass sie eigenständig an den Auseinandersetzungen teilnehmen, ist Hilfe zur Selbsthilfe sinnvoll.
  • Rolle und Funktion der Anwaltsplanung müssen im konkreten Fall ständig überprüfbar sein, Selbstreflexion ist ebenso notwendig wie die kritische Begleitung (etwa durch einen Beirat).
  • Bei divergierenden Interessen innerhalb ihrer "Klientel" muss die Anwaltsplanung den Diskussionsprozess fördern, und durch Moderations- und Mediationstechniken die Suche nach gemeinsam tragbar erscheinenden Problemlösungen unterstützen.
  • Die Bürgerinnen und Bürger sollten nicht mit Fachwissen und Information" erschlagen" werden. Dies wirkt abschreckend und lähmt das Interesse an einer Mitarbeit. Der Anwaltsplanung kommen daher vielfach "Übersetzungs"- und Vermittlungsaufgaben (zwischen Alltagswelt und den Sichtweisen der Fachleute) zu.

Beispiele, Literaturhinweise: In Hannover werden seit fast zwanzig Jahren Erfahrungen mit Anwaltsplanung gesammelt. Vgl. zu der Anwaltsplanung in Sanierungsgebieten: Holland 1978, Bochnig 1985; zur Anwaltsplanung auf gesamtstädtischer Ebene: Selle 1994a und den Beitrag in Abschnitt C. Grundlagenliteratur zur Anwaltsplanung: Brech u.a. 1977/1978, Davidoff 1972; zu anderen Formen: Barbian 1992 (Umweltanwalt) sowie Stichwort" Bürgerbeauftragte".

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Arbeitsgruppe

Eine Arbeitsgruppe (oder Arbeitskreis) besteht aus mehreren Personen, die gemeinsam kontinuierlich an bestimmten Themen und Fragestellungen arbeiten.

Sach- und Fachverstand aneignen

Die Übergänge von Arbeitsgruppen zu anderen Beteiligungsformen sind in der Praxis fließend. Nach der hier verwendeten Systematik werden Arbeitsgruppen als Qualifizierungsinstrument auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger verstanden - was sie z.B. von Workshops unterscheidet, die der kooperativen Qualifizierung und Entscheidungsfindung dienen (siehe dazu das Stichwort Kooperativer Workshop).
In Arbeitsgruppen können Bürgerinnen und Bürger sich intensiv mit Themen auseinandersetzen und in der Diskussion und dem Gespräch mit anderen Erfahrungen und Standpunkte austauschen. Sie können gemeinsam zu Themen und Planungen Stellung nehmen und konkrete, alternative Lösungsvorschläge erarbeiten.

Vorrangig die Problemsicht schulen und das Wahrnehmen eigener Interessen fördern

Die Themen der Arbeitsgruppe ergeben sich in der Regel aus der laufenden Arbeit z.B. von Initiativen oder im Laufe einer Tagung bzw. eines Seminars. Dabei ist es wichtig, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppen rechtzeitig und wirkungsvoll in die laufenden Aktivitäten zurückvermittelt werden. Erst dadurch besteht die Möglichkeit, die Ergebnisse der Gruppenarbeit in Planungen einzubringen und Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Ist außerdem eine Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsgremien gegeben, können die Aktivitäten der Arbeitsgruppe unmittelbar umgesetzt werden.
Auch wenn Qualifizierung angestrebt wird, ist es keinesfalls immer sinnvoll, Fachleute zu beteiligen. Häufig ist es wichtiger, zunächst die Problemwahrnehmung und Interessensartikulation der Bürgerinnen und Bürger selbst zu fördern. Erst wenn deren eigene Positionen Kontur gefunden haben, kann eine stärkere fachliche Zuspitzung sinnvoll sein.

Literatur: DIFF 1989; Frauen planen um e.V. 1987; Rolli 1989.

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Ausstellung

Mit Ausstellungen kann über Themen, Projekte und Planungen öffentlich informiert werden. Sie unterscheiden sich von der rein schriftlichen Präsentation (Artikel, Broschüren) in der Form, dass sie verschiedene Darstellungsarten bieten (wie z. B. Plakat-, Planausstellung, Litfaßsäule, Fotodokumentation, Einsatz anderer Medien wie Film, Video, akustische Informationen oder interaktive Ausstellungsformen, mit z. B. Objekten zum Ertasten, Spielelemente etc.).

Verschiedene Vermittlungsformen einsetzen

Mit Ausstellungen können thematische Hintergründe, Zusammenhänge, Informationen zu anstehenden Planungen, ihren Verfahren, Inhalten, Problemen, Alternativen bzw. Positionen verschiedener Gruppen ausführlicher und lebendiger dargestellt werden, als dies bei rein schriftlicher Präsentation der Fall ist. Sie sind in der Regel Bestandteile umfassender Informations- und Beteiligungsverfahren.
Ausstellungen können sowohl Aufmerksamkeit wecken als auch zur Sachinformation dienen bzw. Themen problematisieren.

Klares didaktisches Konzept und keine überladene Präsentation

Die Erstellung einer wirkungsvollen Ausstellung ist in der Regel sehr kosten- und zeitaufwendig. Sie bedarf eines guten didaktischen Konzeptes, das zielgruppenorientiert informiert. Ausstellungen leben von ihrer optischen Wirkung. Dabei kommt es darauf an, sowohl dem flüchtigen Betrachter brauchbare Informationen zu liefern, als auch Interessierten Gelegenheit zur Vertiefung zu bieten, die Ausstellung jedoch nicht zu überladen. Eine weitere Informationsnachfrage ist ggf. durch Material, das mitgenommen werden kann (Broschüren etc.), zu befriedigen. Das Verhältnis von Bildern und Text sollte ausgewogen sein, Abwechslung bieten und Aufmerksamkeit erzeugen. Für den Erfolg einer Ausstellung ist zudem ein gut zugänglicher Ausstellungsort sehr wichtig. Wesentlich ist auch die Einbindung in sonstige Informations- und Beteiligungsschritte.

Beispiele, Literaturhinweise: Zu einer Ausstellung im Rahmen der Dorferneuerung Schwaförden vgl. Henckel/Knieling/Sinning 1992. Eine wachsende Wanderausstellung zu gemeinschaftsorientierten Formen lokaler Wohnpolitik wurde vom Klaus-Novy-Institut Köln entwickelt.

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Beirat und Ausschuss

Beiräte und Ausschüsse sind Gremien, die durch ihre inhaltlichen Beiträge und ihren Sachverstand die politischen Organe und die Verwaltung bei ihrer Arbeit unterstützen und ihnen beratend zur Seite stehen.

Beiräte und Ausschüsse: unterschiedliche Formen für ähnliche Aufgaben

Beiräte: In den Gemeindeordnungen der Länder sind keine gesetzlichen Regelungen für die Bildung und die Funktion von Beiräten formuliert, jedoch existieren Regelungen in einigen Gemeindesatzungen. Bürgerinnen und Bürger können als Interessenvertretungen, zum Teil durch einfachen Antrag, zum Teil durch Berufung des Gemeinderates Mitglieder werden.
Ausschüsse: Die Bildung und die Arbeit von Ausschüssen sind gesetzlich über die Gemeindeordnungen der Länder festgelegt. Die Parteien entsenden entsprechend ihrer Fraktionsstärke eine bestimmte Zahl von Vertreterinnen bzw. Vertretern. Die Zahl der hinzugezogenen, ratsfremden Personen, sogenannte Bürgervertreterinnen und -vertreter, variiert je nach Bundesland (in Niedersachsen kann z. B maximal ein Drittel der Personen ratsfremd sein). In der Regel werden sie durch den Fachausschuss des Gemeinderates selbst und nicht auf Initiative der Bürgerinnen und Bürger hinzugezogen.
Beiräte und Ausschüsse bieten den Bürgerinnen und Bürgern unterschiedliche Möglichkeiten der Einflussnahme: Sie reichen von Anhörungsrechten, über Beratungsfunktionen bis hin zur Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse.

Eine produktive Arbeit erfordert Unterstützung von Politik und Verwaltung

Bei der Auswahl von Bürgervertreterinnen und -vertretern ist es vorteilhaft, wenn ratsfremde Mitglieder nicht nur auf Berufung, sondern auch auf Bürgerantrag in die Beiräte bzw. Ausschüsse aufgenommen werden können. Es ist darauf zu achten, dass auch nicht-organisierten Interessen der Zugang offen bleibt und diese nicht bei konfliktreichen Planungen ausgegrenzt werden.
Beiräte und Ausschüsse eignen sich, um den Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen mehr Geltung zu verschaffen (z.B. Seniorenbeirat, Jugendausschuss). Dies sollte verstärkt genutzt werden.
Der Informations- und Wissensvorsprung von Politik und Verwaltung sowie das knappe Zeitbudget vieler berufstätiger Mitglieder von Beiräten und Ausschüssen erschweren eine aktive, dauerhafte Beteiligung. Deshalb ist es wichtig, die Bürgervertretung durch geeignetes Informationsmaterial, regelmäßige mündliche Unterrichtungen, freien Zugang zu Dokumenten etc. zu unterstützen.
Beiräte und Ausschüsse sind auf die Kontakte zu Politik und Verwaltung angewiesen, um ausreichend informiert zu sein und sich politisch Gehör zu verschaffen. Diese Abhängigkeit kann bei brisanten Themen nachteilig sein, da unter Umständen kritische Stellungnahmen unterbleiben, um sich die Kontakte nicht zu verderben.

Beispiele, Literaturhinweise: In fast allen Städten gibt es Beiräte und Ausschüsse zu verschiedensten Themen und Aufgabenstellungen (z. B. der Seniorenbeirat in Bremen, vgl. Thürkow 1980). Häufig bestehen z. B. Ausländerbeiräte, wobei uns keine neuere Literatur bekannt ist, die dies dokumentiert. Eine besondere Form des Jugendbeirats, den sogenannten Jugendgemeinderat, haben die Städte Offenburg und Filderstadt eingerichtet (vgl. Stadtverwaltung Filderstadt 1991 und Stadt Offenburg 1990). Weitere grundlegende Informationen finden sich in Alemann 1975; Bühler/Mayert 1990; Mantler 1982.

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Bürgerbeauftragte

Bürgerbeauftragte haben die Aufgabe, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Interessierte können sich ohne Instanzenweg an die Bürgerbeauftragten wenden. Diese wiederum können ohne jeden Instanzenweg den Vorgang direkt nachprüfen und den Bürgerinnen und Bürgern für eine Vielzahl von Sachgebieten Unterstützung gegenüber der Verwaltung gewähren.

Vermittler bei Konflikten zwischen Bürgern und Rat und Verwaltung

Bürgerbeauftragte sind überwiegend in den skandinavischen Ländern sowie den Niederlanden etabliert. In der Bundesrepublik gibt es diese Institution bisher nur in Rheinland-Pfalz, wo sie seit 1974 formell beim Landtag angesiedelt und eng mit dem Petitionsausschuss verbunden ist. Bürgerbeauftragte haben dort eine Amtszeit von acht Jahren und arbeiten mit einem "Unterbau" von vier Referaten.
Neben den Bürgerbeauftragten, die die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung wahrnehmen, gibt es Beauftragte, die sich für die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen einsetzen und damit inhaltliche Schwerpunkte besitzen, wie z.B. Frauen-, Kinder-, Ausländer- oder Umweltschutzbeauftragte.
Bürgerbeauftragte unterscheiden sich von Anwaltsplanerinnen und -planern (siehe Stichwort: Anwaltsplanung) vor allem durch die Breite der Interessenvertretung. Im Unterschied zur Anwaltsplanung, die auf bestimmte Vorhaben der Quartiers- und Stadtentwicklung beschränkt ist und vor allem artikulationsschwache Gruppen vertreten soll, bieten Bürgerbeauftragte allen Gruppen bei (rechtlich) unklaren Verwaltungsentscheidungen ihre Hilfe an.
Die Bürgerbeauftragten können Bürgerinnen und Bürgern bei Konflikten als Vermittler oder Schlichter mit Rat und Verwaltung beistehen. Zudem gewährleisten sie eine zusätzliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen; sowohl direkt durch die Untersuchung von Sachverhalten als auch indirekt durch die vorbeugende, disziplinierende Wirkung der Kontrolltätigkeit.

Unabhängig und parteipolitisch ungebunden

Eine effektive Arbeit der Bürgerbeauftragten ist nur gewährleistet, wenn sie sowohl gegenüber der Verwaltung als auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unabhängig und parteipolitisch neutral bleiben können. Zugleich sind sie in ihrer Tätigkeit ähnlichen Spannungsverhältnissen ausgesetzt wie etwa Anwaltsplaner: Bürgerinnen und Bürger erwarten ein entschiedenes Eintreten für ihre Interessen, andererseits ist die Verwaltung nicht (nur) "Gegner" sondern auch notwendiger Kooperand. Es hängt daher in der Regel sehr von der Person der Bürgerbeauftragten ab, ob diese Gratwanderung gelingt.
Da es bisher in Deutschland noch wenig Erfahrungen mit Bürgerbeauftragten gibt, stößt diese Beteiligungsform noch auf Vorbehalte. Sinnvoll könnte es sein, praktische Experimente zunächst mit der Einstellung von Bürgerbeauftragten, die bestimmte Themen bearbeiten (z. B. Umwelt- und Stadtentwicklung) oder Bürgerbeauftragten, die einzelne Gruppen unterstützen (z. B. Kinder und Jugendliche, Seniorinnen und Senioren) zu beginnen. Die dort gewonnenen Erfahrungen können dann im weiteren für Bürgerbeauftragte mit umfangreicheren Aufgaben genutzt werden.

Beispiel, Literaturhinweise: Zu einem Beispiel, in dem ein Bürgerbeauftragter im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens in einer Rheinland-Pfälzischen Gemeinde tätig wurde, vgl. Landtag Rheinland-Pfalz 1988.
Alemann 1975; Bühler/Mayer 1990; Hopp 1993; Kempf 1986; Kempf /Uppendahl 1986; Mayer 1991.

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Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf Gemeindeebene wird für konkrete Planungs- und Entwicklungsfragen Entscheidungskompetenz auf die Bürgerinnen und Bürger übertragen.
Bürgerinnen und Bürger können mit Bürgerbegehren - sofern ein bestimmtes Antrags-Quorum erreicht wird - Entscheidungsvorlagen einbringen, die von den zuständigen politischen Organen behandelt werden müssen.
Mit einem
Bürgerentscheid wird über Sachfragen abgestimmt. Bürgerentscheide können durch ein Bürgerbegehren oder direkt durch die Initiative des Gemeinderates eingeleitet werden.

Weitgehend, aber punktuell

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in den Kommunen ermöglichen eine direktdemokratische Willensbildung (ähnlich den Volksbegehren auf Landesebene): Unabhängig von den gewählten politischen Organen können Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen zu wichtigen Planungs- und Entwicklungsfragen herbeiführen. Diese Fragen umfassen - sofern nicht ausdrücklich durch Gesetz Gegenteiliges geregelt ist - alle Aufgabenbereiche der örtlichen Gemeinschaft (vgl. zu den rechtlichen Rahmenbedingungen Selle 1996).
Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind unter den gesetzlich vorgesehenen Formen der Beteiligung die weitestgehenden, hier können BürgerInnen unmittelbar entscheiden. Aber Begehren und Entscheide haben auch eine zusätzliche Wirkung: Mit ihnen werden Diskussion und Meinungsbildung angestoßen und so auch über den punktuellen Anlass hinaus umfassendere Beteiligungsaktivitäten ausgelöst.

Umfassende Information notwendig

Vollständige und für die Adressaten verständliche Informationen über positive und negative Auswirkungen des in Begehren oder Entscheid behandelten Themas sind eine grundlegende Voraussetzung für eine sinnvolle Meinungsbildung. Dazu müssen die Informationen - unter Nutzung verschiedener Medien - verständlich aufbereitet sein. Sofern aus Anlass eines Begehrens oder Entscheids eine inhaltliche Auseinandersetzung öffentlich ausgetragen wird, ist eine ausgewogene Information nur dann gewährleistet, wenn die beteiligten Gruppen annähernd vergleichbare Möglichkeiten haben, über ihre Position zu informieren. Die Gemeinde kann u.a. dadurch zur "Waffengleichheit" beitragen, indem sie für die Informationsveranstaltungen aller "Parteien" Räumlichkeiten anbietet oder die Kosten für Fachbeiträge übernimmt.
Gemeinden sind zweifellos gut beraten, wenn sie ein Bürgerbegehren bzw. einen Bürgerentscheid auch zum Anlass nehmen, ihre bisherige Kommunikationsarbeit kritisch zu überprüfen. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, kontinuierliche Beteiligungsformen zu den mit Begehren/Entscheid angesprochenen Themen anzubieten.

Beispiel, Literaturhinweise: Zu einem Beispiel aus Ulm: IDEE 1992; Grundsätzlich: vgl. Alemann 1975; Bachmann 1993; Bühler/Mayer 1990; Gabriel 1983; Kodolitsch 1980; Mayer 1991.

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Bürgernahe Beratung

Beratungsangebote für Bürgerinnen und Bürger in den zentralen Verwaltungsgebäuden erreichen oft ihre Adressaten nicht. Dieser Einsichtfolgend wurde eine bürgernahe Beratung konzipiert, die über die Information und Beratung hinaus häufig auch unterstützend, aktivierend und ggf. moderierend tätig sein soll.

Gefragt ist der Dialog

Orts- und bürgernahe Beratung soll fachliche Informationen, Unterstützung und Betreuung anbieten sowie den unmittelbaren Dialog zwischen Fachleuten und Bewohnerinnen bzw. Bewohnern ermöglichen. Auf diesem Wege lassen sich auch Planungs- und Entwicklungsvorhaben mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort erörtern, unterschiedliche Interessen ermitteln, Mitwirkungsbereitschaft und Kooperationspotentiale aktivieren, Kontakte vermitteln usw.
Es bestehen sehr verschiedene Beratungsangebote. Schnepf-Orth und Staubach (1989) unterteilen diese z. B. hinsichtlich der räumlichen Organisation in drei Gruppen. Bei der "örtlichen Beratung" findet ein punktuelles oder periodisches Angebot (z. B. vereinbarte Ortstermine, Sprechstunden in Kneipen, Beratung in mobilen Einrichtungen) in einem bestimmten Gebiet (z. B. Stadtteil, Quartier, Block) statt. "Ortsgebundene Beratungsstellen" (z. B. Baubüros, Bürgerbüros) haben für einen begrenzten Zeitraum einen festen Standort auf Stadtteil-, Quartiers- oder Blockebene. Die "ortsansässige Beratung" (z. B. Stadtteil-, Nachbarschafts- oder Mieterläden) ist langfristig im Stadtteil oder Quartier verankert.
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist auch der Beratungsansatz: Das Angebot reicht von informierender, fachlicher Beratung bis hin zu pädagogischer und sozialer Betreuung sowie Animation. So hat "aktivierende" Beratung zum Ziel, Bürgerinnen und Bürger anzuregen, sich an Vorhaben zu beteiligen bzw. eigene Ideen zu entwickeln. Die "aufsuchende" Beratung (z. B. Haustürgespräche, Info-Stand) versucht durch direktes Ansprechen bestimmter Zielgruppen Kontakt aufzunehmen und sie zu motivieren, am Planungsprozess teilzunehmen (vgl. Staubach/Kerchner 1986).

Fachlich unterstützen, aber nicht die Verantwortung aus der Hand nehmen

Wesentliche Voraussetzungen für das Gelingen der bürgernahen Beratung sind gute Kenntnisse der örtlichen Situation, die Präsenz vor Ort, ein ausreichender finanzieller und personeller Rahmen sowie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Beratenden.
Die orts- und bürgernahe Beratung soll die Kompetenzen und Selbsthilfekräfte der Bürgerinnen und Bürger vor Ort fördern. Es geht also weniger darum, ihre Probleme für sie, sondern vor allem mit ihnen zu lösen.
Engagement sowie umfassende berufliche Qualifikation (fachliche und soziale Kompetenzen) der Beraterinnen und Berater sind von großer Bedeutung, da Zielrichtung und den Charakter der Beratung weitgehend von ihnen abhängt (vgl. Schnepf-Orth/Staubach 1989).

Beispiele, Literaturhinweise: In der Bundesrepublik finden sich Beratungsangebote zu Planungs- und Entwicklungsvorhaben überwiegend in Gebieten, in denen spezielle Förderprogramme zur Anwendung kommen (z. B. in Sanierungsgebieten, bei Wohnumfeldverbesserungen) oder in besonderen Konfliktfällen (siehe dazu Planerladen 1990). In den Niederlanden gibt es dagegen ein etabliertes Beratungsangebot in vielen Städten und Regionen des Landes. Veröffentlichungen mit z. T. weiteren Beispielen: Froessler/Selle u. a. 1991; Hatzfeld/Junker 1989; Planerladen e. V. 1990 und 1991; Schnepf-Orth/Staubach 1989 und 1990; Staubach/Kerchner 1986; Selle 1991b,1992a.

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Bürgerversammlung

Bürger- bzw. Einwohnerversammlungen dienen zur öffentlichen Erörterung wichtiger Gemeindeangelegenheiten. Die Möglichkeiten und Bedingungen zur Durchführung einer Bürgerversammlung sind in den Gemeindeordnungen der verschiedenen Bundesländer formuliert.

Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten

Anders als Anhörung und Erörterung (siehe Stichwort: Anhörung und Erörterung), die sich auf spezielle Planungsverfahren beziehen, bietet die hier gemeinte Bürgerversammlung die Möglichkeit, das gesamte Spektrum der gemeindlichen Themen zu erörtern.
In der Regel dienen Bürgerversammlungen dazu, die Bürgerinnen und Bürger über die gemeindlichen Tätigkeiten zu informieren und in einer anschließenden Diskussion Anregungen zu bekommen. Demnach eignen sie sich überwiegend für die Planungsphase von Vorhaben und Entwicklungen. Bürgerversammlungen können jedoch auch Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung an Vorhaben motivieren. Sie können dazu dienen, Ideen und Lösungsmöglichkeiten auszutauschen und zu diskutieren.
In vielen Bundesländern liegt das Initiativrecht für eine Bürgerversammlung bei der Gemeinde, die entscheidet, wann, wo und zu welchem Thema sie stattfindet. In anderen Bundesländern (z. B. in Bayern und Baden-Württemberg) können auch die Bürgerinnen und Bürger eine Bürgerversammlung beantragen.

Bürgerversammlungen drohen zu schlechten Routineveranstaltungen zu verkümmern

Bei öffentlichen Veranstaltungen mit typischerweise vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, erfolgen die Wortmeldungen fast ausschließlich von redegewandten Bürgerinnen und Bürgern. Bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie ältere Menschen, Frauen, ausländische Bewohnerinnen und Bewohner beteiligen sich unter diesen Rahmenbedingungen kaum. Es empfiehlt sich deshalb, für die Bürgerversammlung Methoden hinzuzuziehen, die zum einen helfen, die anwesenden Bürgerinnen und Bürger während der Veranstaltung stärker einzubeziehen, und zum anderen sie ermutigen, an dem weiteren Planungsprozess teilzunehmen (z. B. zusätzliche Beteiligungsangebote ankündigen). Für den Ablauf empfiehlt es sich, mit wenigen Worten und gezieltem Medieneinsatz das Thema zu erläutern, um dann eine ausführliche Diskussion zu ermöglichen. Verwaltung, Politik und Fachleute sollten in den Bürgerversammlungen vermeiden, ausführlich über ihre Leistungen zu referieren und sich zu profilieren, damit für die Aussprache mit den Bürgerinnen und Bürgern genug Zeit bleibt. Ansonsten fühlen die Bürgerinnen und Bürger sich übergangen, zweifeln am ernst gemeinten Willen zur Beteiligung und bleiben weiteren Angeboten fern.
Nur wenn Bürgerversammlungen mit einer gewissen Kontinuität stattfinden, finden sie auch Resonanz in der Bürgerschaft. So ist z.B. in den Bundesländern das Interesse eher gering, in denen die Gemeinden nur selten Bürgerversammlungen durchführen. Im Gegensatz dazu ist die Beteiligung z. B. in Bayern mit einer Tradition der Bürgerversammlung deutlich höher.

Literatur: Bühler/Mayer 1990; Gabriel 1983; ISSAB 1991; Kodolitsch 1980.

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Einwohnerfragestunde

Mit Einwohnerfragestunden wird Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, im Vorfeld oder nach Abschluss von Ratssitzungen und öffentlichen Ausschusssitzungen Fragen zu Gemeindeangelegenheiten zu stellen oder Anregungen und Vorschläge zu unterbreiten.

Ein mehr an Austausch und eine erhöhte Transparenz von Entscheidungen

Einwohnerfragestunden können die Kommunikation zwischen Gemeindevertretung und Bürgerinnen und Bürgern verbessern. Letztere können die Veranstaltungen nutzen, um sich zu aktuellen Themen zu informieren, auf öffentliche Probleme hinzuweisen, Anregungen einzubringen und um den Rat zu veranlassen, sich mit bisher vernachlässigten Themen zu beschäftigen. Einschränkend wirkt die Hemmschwelle vieler Bügerinnen und Bürger, sich in einem derartigen Rahmen öffentlich zu äußern (vgl. Nassmacher 1987). Dennoch kann die institutionalisierte Fragestunde die Gemeindevertretung veranlassen, ihre Entscheidungen transparenter zu gestalten und die Fragestunde als eine Ergänzung zu sonstigen informellen und formellen Beteiligungsangeboten zu betrachten.
Die gesetzliche Verankerung der Einwohnerfragestunde ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Sie reicht von einer Kann-Bestimmung (z. B. in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) über eine vorgeschriebene Anwendung bei allen öffentlichen Sitzungen (z. B. in Schleswig-Holstein) bis hin zum Verzicht einer gesetzlichen Regelung (z. B. in Niedersachsen und Bayern). In letzteren Bundesländern finden die Einwohnerfragestunden auf freiwilliger Basis statt.

Frühzeitig einsetzen und Anregungen ernst nehmen

Für den Einsatz von Fragestunden ist zu beachten, dass sie regelmäßig bzw. im Vorfeld von wichtigen, möglicherweise konfliktreichen Planungen und Entwicklungen stattfinden. Dies ermöglicht eine frühzeitige öffentliche Erörterung von Problemen, was die Gefahr einer Eskalation oder Verhärtung von Konflikten mindern kann.
Die Einwohnerfragestunden sollten vor den Gemeinderats oder Ausschusssitzungen stattfinden, damit die Kritikpunkte und Anregungen in die aktuellen Beratungen einfließen können. Die Bedeutung der Fragestunde hängt weitgehend davon ab, ob die Gemeindevertretung die Fragen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt, sie aufgreift und zur eigenen Sache erklärt.
Eine ausführliche Öffentlichkeitsarbeit zu aktuellen Planungen ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine sinnvolle Gestaltung von Fragestunden.

Beispiele, Literaturhinweise: In vielen Städten und Gemeinden finden Einwohnerfragestunden statt, diese sind aber zumeist nur in Sitzungsprotokollen dokumentiert. Informationen allgemeiner Art finden sich in Bühler/Mayer 1990; Mayer 1991; Nassmacher 1987; Gabriel 1983.

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Exkursion

Exkursionen bieten Bürgerinnen, Bürgern und Fachleuten die Möglichkeit, sich über andernorts durchgeführte Projekte und die dort gewonnen Erfahrungen vor Ort zu informieren.

Am konkreten Beispiel lernen

In vielen Planungsprozessen ist festzustellen, dass das Spektrum der als möglich angesehenen Lösungen häufig sehr begrenzt ist und viele Überlegungen um bekannte und gewohnte Muster "kreisen". Neue Ideen haben es dabei schwer. Sie gelten als unrealistisch und unpassend. Exkursionen an Orte, wo entsprechende Erfahrungen bereits gesammelt wurden, können hier Wunder wirken, denn sie erschließen die "Kraft des Beispiels". Neue Ideen und Handlungsmöglichkeiten werden anschaulich vermittelt, der Erfahrungsaustausch wird gefördert.
Exkursionen können so wichtige Impulse geben, wenn in Planungsprozessen neue Ideen propagiert werden sollen. Sie zeigen, dass andernorts erfolgreich mit solchen Ideen experimentiert wurde und ermöglichen Lern- und Übertragungsprozesse.

Die Auseinandersetzung mit den vor Ort gewonnen Informationen gilt es zu fördern

Wesentlich ist eine gute Vor- wie Nachbereitung der Exkursion: Dies gilt sowohl für die inhaltliche Auswahl, die eine spezifische Kenntnis der Beispiele voraussetzt, als auch für das Organisatorische (z.B. kurzes Vortreffen, Diaabend als Abschluss). Die Gruppengröße sollte so gewählt sein, dass sie abgesehen von Ortsbesichtigungen auch Hintergrundgespräche mit lokalen Akteuren ermöglicht (bis zu 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer). Ein gutes Programm lässt genügend Raum für Diskussionen und das Verarbeiten der Eindrücke.
Auf eine umfassende Darstellung des Projekts bzw. der Planung sollte geachtet werden. Es ist wichtig, auch Schattenseiten und Probleme darzustellen und zu diskutieren. Dadurch kann deutlich werden, dass andernorts gewonnene Erfahrungen nicht einfach zu imitieren sind, sondern durch eigene Arbeit übertragen werden müssen.

Beispiele, Literaturhinweise: Exkursionen finden im Rahmen vieler Planungs- und Entwicklungsvorhaben statt. Praxisbeispiele finden sich z. B. bei Dorferneuerungsplanungen (vgl. Oberwalder 1992) aber auch bei Projekten zur Stadtteilentwicklung.

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Foren

Mit Regional-, Stadt- und Stadtteilforen soll Gelegenheit gegeben werden, kommunalpolitische Themen unter Beteiligung möglichst aller relevanten Akteure öffentlich zu erörtern.

Die direkte Kommunikation fördern

Foren sind geeignet, die Kommunikation zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu fördern und zugleich verschiedene Positionen zu den in Rede stehenden Fragen deutlich zu machen. Auf diese Weise werden Abstimmungsprozesse beschleunigt und Transparenz erzeugt. Bei widerstreitenden Interessen eröffnen sie zudem Raum für die Konfliktbewältigung bzw. für kooperative Problemlösungen (vgl. Sellnow 1991).

Kompetenz, Verbindlichkeit und Fairness

Sollen fundierte und konstruktive Argumente eines Forums nicht folgenlos bleiben, muss seitens der entscheidungsrelevanten Beteiligten die Bereitschaft bestehen, Ergebnisse des Forums in die politischen und verwaltungsinternen Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Für die sinnvolle Entscheidungsvorbereitung ist es zudem wesentlich, dass im Forum kompetente Vertreterinnen und Vertreter der wichtigsten Gruppen mitwirken und dadurch alle entscheidungsrelevanten Argumente "auf den Tisch" kommen und die Beratungsergebnisse wirkungsvoll in die jeweiligen "Heimatinstitutionen" zurückgetragen werden.
Damit die Foren nicht nur den ohnehin organisierten Interessensgruppen als Plattform dienen, sondern auch die Interessen von nicht-organisierten, benachteiligten Bürgerinnen und Bürgern in ihre Arbeit integrieren, ist deren gezielte Einbindung notwendig. Um ein in diesem Sinne faires Verfahren zu bewirken und solche Gruppen (mit oftmals hohen Hemmschwellen), zur Mitarbeit zu gewinnen, bedarf es einer gezielten Motivation (z.B. durch Zielgruppenangebote, Ausstellungen). Eine ergänzende Arbeit, z.B. in Form von Anwaltsplanung, kann unterstützend wirken.
Die Arbeit in den Foren sollte sich vorrangig auf konkrete, fassbare Themen bzw. Probleme konzentrieren. Für die ausführliche Diskussion von "Grundsatzfragen" sind Foren weniger geeignet.

Beispiele, Literaturhinweise: Es gibt inzwischen zahlreiche Foren in deutschen Städten. Hier nur eine kleine Auswahl. Zum braunschweiger forum: Fechtel 1987; Münchner Forum: Münchner Forum e.V. 1993; Stadtforum Berlin: v. Einem/Fassbinder 1992; Fassbinder 1992; Selle 1994b; Verkehrsforum Heidelberg: Sellnow 1994; Sellnow/Stadt Heidelberg 1993.Weitere Literatur: Holl/von Reuß 1987; Mayer 1990; Mantler 1982; Kommunales Forum Wedding (Hg.) 1990; Sellnow 1991a, 1991b.

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Interview

Im Interview können im persönlichen Gespräch Informationen zu verschiedenen Themen erfragt werden. Gesprächspartnerinnen und -partner sind Einzelpersonen oder Gruppen.

Erfassung von Informationen

Interviews eignen sich für die Erfassung von Informationen zu den verschiedenen Phasen von Planungsprozessen. Durch die Befragung können Bürgerinnen und Bürger grundlegende Fakten und lokale Kenntnisse mit in die Planung einbringen und eigene Interessen artikulieren. Die Erhebungen von Einschätzungen, Einstellungen und Bewertungen können als Ausgangsbasis für einen partizipativen bzw. kooperativen Planungsprozess genutzt werden. Darüber hinaus können Befragungen zur Ermittlung der Akzeptanz, zur Erfolgskontrolle und Wirkungsanalyse von Maßnahmen Verwendung finden. Zusätzlich eignet sich ein Interview, um zu bestimmten Zielgruppen Kontakt aufzunehmen und ihr Interesse für das Planungs- und Entwicklungsvorhaben zu wecken (siehe Stichwort: Zielgruppenbeteiligung).
Interviews lassen sich unterteilen nach dem Grad der Standardisierung bzw. Strukturierung des Interviews, d. h. Abfolge und Wortlaut der Fragen sind unterschiedlich stark vorgegeben:

  • standardisiertes Interview,
  • teilstandardisiertes Interview,
  • nicht standardisiertes Interview.

Bei der Art der Fragestellung können geschlossene Fragen, bei denen eine begrenzte Zahl von Antwortalternativen vorgegeben ist, von offenen Fragen, die völlig frei beantwortet werden können, unterschieden werden. Daneben werden in der Praxis häufig auch halboffene Fragen verwendet, bei denen die Befragten zusätzlich zu vorformulierten Antworten bei Bedarf weitere hinzufügen können.
Die Auswertung des Interviewmaterials erfolgt entweder mit qualitativ-interpretativen Techniken oder als quantitative Beurteilung der Informationen. Kombinationen sind ebenfalls zu finden.
Eventuell können Gruppenbefragungen oder Gruppengespräche sinnvoll sein.

Befragte als Partnerinnen und Partner im Gespräch

Damit Interviews als Mittel der Beteiligung ihren Zweck erfüllen und sich in ein Beteiligungskonzept einfügen, ist es wichtig, dass für den jeweiligen Anwendungsfall die geeignetste Form des Interviews gefunden wird. Dafür ist es unabdingbar, sich über die Ziele des Intervieweinsatzes klar zu werden. In Abhängigkeit davon sollten der Interviewtyp und Interviewzeitpunkt gewählt werden. Wichtig ist auch, ob Externe oder am Planungsprozess Beteiligte die Interviews durchführen. Die Fragen müssen für die Befragten einfach und eindeutig zu verstehen sowie neutral, d.h. nicht suggestiv, sein. In jedem Fall ist zu beachten: Die Befragten sind keine "Datenquellen", die abgefragt werden, sondern Partnerinnen und Partner im Gespräch.

Beispiele, Literaturhinweise: Ein Beispiel: Die Interviews zur Selbsthilfebereitschaft in der Rheinpreußensiedlung Duisburg-Homberg werden dokumentiert in werkStadt e. V. 1985.
Allgemein: Edlinger/Potyka 1989; Holm (Hg.) 1975; Kromrey 1990; Schnell/Hill/Esser 1989.

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Kooperativer Workshop

Der "Kooperative Workshop" (auch als Werkstatt, Werkstattgespräch o. ä. bezeichnet) dient der intensiven fachlichen Bearbeitung einer Planungsaufgabe unter Beteiligung eines möglichst breiten Spektrums der Akteure, die an Planung und Umsetzung beteiligt sind (Politik, Verwaltung, weitere Fachleute, Grundstückseigentümer, Investoren, Betroffene etc.).

Kooperativ Lösungen entwickeln

Im Rahmen eines Workshops können die vielfältigen Interessen und Handlungsmöglichkeiten in einem Planungs- und Entwicklungsvorhaben auf besondere Weise deutlich werden. Workshops dienen also der Ideenfindung ebenso wie der Transparenz von Prozessen. Allerdings können sie nur eine begrenzte Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern beteiligen, was ihre Wirkung "in die Breite" auf Schlüsselpersonen und Medien verlagert.
Wie bei anderen Kooperationsformen wird der Sinn solcher Workshops auch darin gesehen, dass sich Beteiligte, die ansonsten gar nicht oder nur "auf dem Aktenwege" miteinander kommunizieren, persönlich kennen lernen. Vielfach ist allein dieser einfache Schritt von großer Bedeutung für die weitere gemeinsame Arbeit.
Ein Workshop kann auch die bislang nur am Rande Beteiligten - gelingt ihre Einbindung - dazu aktivieren, sich intensiver am Planungsprozess und dem politischen Geschehen zu beteiligen.

Arbeitsklima zentral

Das Arbeitsklima sollte möglichst offen und frei von äußeren Zwängen sein, um die Arbeit im Workshop fruchtbar gestalten zu können. Vorteilhaft ist eine räumliche und soziale Situation, die sich vom sonstigen Arbeitsalltag unterscheidet. Um dies zu fördern, können folgende Aspekte bedeutsam sein:

  • die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (möglichst flexible und dennoch entscheidungsfähige Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Gruppen);
  • die "Durchmischung" des Teilnehmerkreises mit Externen, so dass Arbeitssituationen vermieden werden, in denen die, die ohnehin immer gemeinsam beraten, wieder in gleichem Kreis zusammensitzen.

Um zu gewährleisten, dass wichtige Arbeitsergebnisse nicht verloren gehen und die gesamte Gruppe von ihnen profitiert, muss der Diskussionsprozess ständig nachvollzogen und auf geeignete Weise festgehalten werden.
Es ist wichtig, den zeitlichen Rahmen des Workshops so zu bemessen, dass in den einzelnen Phasen tragfähige Zwischenergebnisse entstehen. Das setzt eingegrenzte und bearbeitbare Zwischen-Fragen voraus.

Beispiele, Literaturhinweise: Zu praktischen Anwendungen vgl. Sauter/Wachten 1993, Kreis Minden Lübbecke 1992. Allgemeine Literatur zum Thema: ASG 1991; Linder/Lanfranchi/Schnyder 1992; Preis/Reich 1991; Striefler 1991.

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Lokale Medien

Die Medien mit ortsbezogener Berichterstattung haben zentrale Bedeutung für die Meinungsbildung über das Geschehen vor Ort. Eine besondere Rolle spielen offene Kanäle u. ä. Formen, mit denen Bürger und Bürgerinnen Medien direkt nutzen können.

Örtliche Meinungsbildung mitgestalten

Medienarbeit ist für die Beteiligung an den meisten Planungsaufgaben unverzichtbar. Lediglich Aktivitäten mit einem sehr kleinen Beteiligtenkreis (Haus oder Block) sind nicht so sehr darauf angewiesen. In anderen Fällen gilt: Was nicht in den lokalen Medien aufgegriffen wird, findet kaum Widerhall bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Für Bürgerinnen und Bürger bietet sich zugleich die Chance, die örtliche Meinungsbildung mitzugestalten. Dafür ist besonders das Lokalradio geeignet, da hier nicht erst die Hemmschwelle des Schreibens überwunden werden muss, sondern die Bürgerinnen und Bürger ohne große Vorbereitung frei reden können. Das Lokalradio ist organisatorisch und rechtlich unterschiedlich eingebunden: es gibt öffentlich-rechtliche oder privatwirtschaftlich organisierte Programme, die dem lokalen Hörfunk gewisse Stunden zur Verfügung stellen (offenes Radio). Einige Pilotprojekte gibt es zur Einrichtung von "Offenen Kanälen" nach amerikanischem Vorbild, bei denen Bürgern die technische Infrastruktur für eigene Sendungen zur Verfügung gestellt wird.
Im Zugang zu den Medien liegt zugleich ein aktivierendes Element. Die Möglichkeit, zu Wort zu kommen, kann zu Aktivitäten anregen. Und ist die Nachbarin erst einmal in der Zeitung bzw. im Radio, werden auch andere aufmerksam.

Frühzeitige Zusammenarbeit

Es sollte möglichst frühzeitig ein Konzept zur Medienarbeit erarbeitet werden, wenn Beteiligung an einem Planungs- und Entwicklungsvorhaben beabsichtigt ist. Ebenfalls frühzeitig empfiehlt es sich, den Kontakt zu den lokalen Medien aufzubauen.
Besonders günstig sind kontinuierliche Formen der Berichterstattung, wie Sonderseiten oder Serien. Bei längerfristigen Vorhaben ist sorgfältig zu überlegen, wann man mit welchen Aktivitäten an die Öffentlichkeit geht, um eine kontinuierliche Berichterstattung zu gewährleisten. Eine erfolgreiche Medienarbeit beinhaltet das "Aufbereiten" von Planungs- und Beteiligungsprozessen für die Medien. So erleichtern zum Beispiel Pressemitteilungen den Redaktionen die Arbeit und erhöhen die Chance, dass die Informationen "unverfälscht" veröffentlicht werden. Eventuell kann eine "aktivierende Medienarbeit" sinnvoll sein, etwa um die Medien überhaupt zu interessieren oder um Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu den Medien zu erleichtern.

Literaturhinweise: Zur Frage, "Wie mache ich gute Pressearbeit?" vgl. La Roche 1975; Liberal-Verlag (Hg.) 1980; Meyer 1985; Projektteam Lokaljournalisten (Hg.) 1979 und 1990. Literatur zu Lokalradio: Hilgenstock 1991; Projektkontor Wutwelle-Gezeitenmüll; Volkshochschule Bremerhaven 1991; Stadt Hagen/Gleic