Essenz der Gemeinwesenarbeit
- Professionelle Gemeinwesenarbeit in den Niederlanden -
Kontakt:
Ueli Troxler, Stadt Zürich, Sozialzentrum Dorflinde, Gemeinwesenarbeit Zürich Nord, Schwamendingenstras
Der Aufsatz ist die deutsche Übersetzung von: Opbouwwerk in essentie, Den Haag 2006, ISBN 10:90-72846-27-3, ISBN 13: 978-9072846-27-3
Inhalt:
- Einleitung
- A Statut Gemeinwesenarbeit
- B Kompetenzprofil
- C Interne und externe Bedingungen für die Gemeinwesenarbeit
Einleitung
Vor einigen Jahren haben die Professionellen der GWA beschlossen, den Inhalt der Gemeinwesenarbeit zu überprüfen und in einer Broschüre zu publizieren.
Zuerst wurde das Gemeinwesenarbeitsstatut verfasst. Dieses umschreibt den Auftrag und die Normen des Berufes und erschien 2001 in erster Auflage. Daran schließt das Kompetenzprofil der Gemeinwesenarbeit an. Darin wird umschrieben, welches Wissen, welche Fertigkeiten und Haltungen eine Fachfrau/mann haben muss. Anschließend daran wurden die Bedingungen für die Gemeinwesenarbeit aufgelistet, aufgeteilt in interne und externe Bedingungen der GWA. Diese Texte sind nicht das letzte Wort und für immer gültig. Sie sind aber das Resultat eines sorgfältigen Arbeits- und Entwicklungsprozesses.
Mit der Publikation dieser Essenz der GWA haben BerufskollegInnen, aber auch Klienten, Auftraggeber und Finanzierer der GWA ein wichtiges Dokument in den Händen.
- Landelijk Centrum Opbouwwerk LCO
- Beroepsvereniging Opbouwwerkers Nederland
- College van Toezicht op het Opbouwwerk
- Kring Qualitätsmanagement Opbouwwerk
A. Statut Gemeinwesenarbeit
A.1. Botschaft Gemeinwesenaufbau
Die Kernaufgabe der GWA ist der Gemeinwesenaufbau.
Auch andere Institutionen können dazu einen Beitrag liefern. Nur für die Gemeinwesenarbeit ist dies der exklusive Auftrag. Die GWA entscheidet sich bei gegensätzlichen Interessen zwischen verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft für das schwächste Glied und für vernachlässigsten Anliegen. In diesem Sinn setzt die GWA Normen.
A.1.1 BürgerInnen stärken
- Fördern (facilieren), wodurch Gruppen und Personen in einer unterprivilegierten Position die Chance bekommen ihre Situation zu verbessern
- Menschen werden als soziale Wesen wahrgenommen, die untereinander Solidarität zeigen
- Unterstützung bieten für Menschen, die sich für die Gestaltung des Zusammenlebenlebens engagieren: BürgerInnen sind Mitproduzent und Gestalter der Bedingungen für das Zusammenleben u. a. in ihrer Wohn- und Lebensumgebung
A.1.2 Entwicklung fördern
- Stimulieren von Kommunikation im Zusammenspiel der BürgerInnen untereinander sowie zwischen BürgerInnen und Instanzen und Behörden
- Der Support ist gerichtet auf das Entstehen eines gegenseitigen Verständnisses, auf eine Zukunftsperspektive und die Bereitschaft sich dafür zu engagieren
- Die GWA stellt ihre Annahmen und sinnvolle Interventionen zur Diskussion
A.1.3 Verstärkung der Menschlichkeit
- Begleiten des Aufbaus von Dienstleistungen, von Institutionen und Einrichtungen durch BürgerInnen. Dabei geht es um die gerechte Verteilung von kollektiven Mitteln
- Bürger begleiten bei der Selbstorganisation. Dabei geht es um Solidarität zwischen Menschen, die, aus welchem Grund auch immer, gewisse Ziele teilen
- Unterstützen von Gruppen in ihrem Streben nach Anerkennung. Dabei geht es um Selbstverwirklichung und das Durchbrechen von sozialer Isolation
A.2 Arbeitsprozess
Die GWA anerkennt das Bedürfnis von Menschen für die soziale Teilnahme und gibt ihm eine geeignete Form: ein konkretes soziales Problem soll gelöst werden, eine Herausforderung angegangen werden. Je nach der Art der Herausforderung kann dies ein einmaliges Projekt, eine Kampagne oder einen Entwicklungsprozess umfassen. Dabei kann man folgenden Ablauf aufzeigen: Analyse, Planung und Ausführung.
Der Arbeitsprozess wird aus dem folgenden Blickwinkel gestaltet:
A.2.1 Förderung der Selbsthilfe
GWA trägt zur Verbreiterung der Fähigkeit zur Selbsthilfe der BürgerInnen bei. Die Bürgerinnen sind inhaltlich die Auftraggeber. Sie umschreiben die Lösung, woran gearbeitet wird. Der GWA-Prozess muss neben strukturellen auch kulturelle Elemente umfassen. GWA liefert Mehrwert, die Teil des Potentials der betreffenden Gruppe werden. Nur dann wird man von Support und Empowerment sprechen können.
A.2.2 Strategische Beratung
Für die Bürger geht es darum, Lösungen zu finden für konkrete Probleme und Anliegen in ihrer Lebenswelt. Dabei geht es immer auch um Behörden, Institutionen und Betriebe, die dazu gebracht werden müssen, mitzuarbeiten.
Beratung, wie dies effektiv gemacht werden soll, ist eine Aufgabe der GWA. Dabei kann der GWAer nicht nur beraten, sondern auch Bürgerfunktionen erfüllen, er kann auch Advokat sein von Bürgerinteressen.
A.2.3 Sozial-organisatorische Beratung
GWA hat auch die Aufgabe zu mobilisieren, wenn noch keine eigene Organisation der BürgerInnen vorhanden ist. Die Legitimität findet die GWA in den Anliegen der Bürger oder einer damit verbunden Institution, wenn man von einer Not oder Mangel sprechen kann, die die Mobilisierung der Betroffenen erfordert.
Organisatorische Beratung betrifft einerseits die demokratische und effiziente Zusammenarbeit, anderseits eine konstante Verbreiterung und Erneuerung der Organisation der BürgerInnen. Weben am sozialen Zusammenleben/Netz.
A.3 Bedingung: ungebundene Unterstützung
Die GWA muss ungebunden den Prozess von aktiven Gruppen unterstützen. Das heißt, dass sie nicht gleichzeitig einem anderen Interesse dient.
Weil die Finanzierung der GWA hauptsächlich durch staatliche Instanz geschieht und die gleiche Instanz von BürgerInnen auch als Problemverursacherin gesehen werden kann, gibt es ein positionelles Dilemma. Dieses muss den Beteiligten bewusst sein. Die Behörden haben ein Interesse an der Selbstorganisation der BürgerInnen und Menschen, im Quartier und an anderen Orten.
Die Beiträge der GWA am "Weben am sozialen Zusammenleben" richtet sich nach Bedarf und Projekt und ist zeitlich limitiert.
A.3.1 Frei von gegensätzlichen Interessen
Ein wichtiges Merkmal der GWA ist die professionelle "dritte Position" in Bezug auf die Bürger, die sie unterstützt. Die GWA wird nicht eingesetzt in Situationen, in denen man von einer Interessenverstrickung sprechen kann. Zugleich erfüllt die GWA in ihrem Arbeitsgebiet Funktionen, die mit Ausführungsmacht verbunden sind.
A.3.2 Freiheit der Analyse
Es gibt keine Beschränkung, was die GWA zusammen mit begleitenden Gruppen analysiert. Oft geht es um Formen der Selbstuntersuchung. Aber auch die Politik und Schwerpunkte von Behörden, Institutionen und Betrieben können Teilobjekt einer Analyse sein. Oft betreffen Analysen komplexe Situationen mit mehreren Akteuren.
A.3.3 Freier Zugang zu den Quellen
Die GWA nutzt verschiedene Ressourcen, die einen Beitrag für die Lösung des Problems der BürgerInnen liefern können. Oft kann die Gemeinde einen Zugang zu Hilfsquellen verschaffen. Die Gemeinde hat zugleich ein Subventionsverhältnis mit der Institution, die den GWAer anstellt. Vermischung der beiden Rollen mit der "staatlichen Instanzen" muss vermieden werden.
A.4 Beitrag zu sozialen Verbesserungen
Die Beiträge der GWA an den sozialen Verbesserungen sind normativer Natur: Die GWA stellt die Initiative und die Partizipation der Menschen und Bürger ins Zentrum, hat aber darüber hinaus einen Auftrag für den Gemeinwesenaufbau in breiterem Sinn. Dazu soll sie aus der praktischen Arbeit "Signale", Bausteine liefern für die Sozialpolitik im eigenen Arbeitsgebiet. Diese Verantwortung haben sowohl alle GWAers wie auch der einzelne GWAer.
Diese Beitrage richten sich auf:
A.4.1 Initiativen von Menschen und BürgerInnen unterstützen
Sie sind die primären Akteure, und für sie ist die GWA langfristig oft die einzige Unterstützung bei der Interessenwahrnehmung und Politikbeeinflussung. Dabei ist eine wichtigste Überlegung, dass GWA hauptsächlich in komplexen, wenig kapitalträchtigen sozialen Situationen eingesetzt wird.
A.4.2 Initiativen von Instanzen und Behörden
Was für Institutionen und Betriebe gilt, gilt auch für Behörden. Im Prozess der GWA spielen die lokalen Behörden eine wichtige Rolle für die begleiteten Gruppen, und sie subventionieren meistens auch die GWA. Die GWA gibt aus ihrer Arbeitspraxis wichtige Signale. Vor allem wo es um Probleme in der Lebenswelt geht, die noch keine "Stimme" haben, soll die GWA diese in die öffentliche Debatte einbringen.
A.4.3 Initiativen von Institutionen und Betrieben
GWA Organisationen orientieren sich an ihrer Umgebung, meistens dem Ort in dem sie aktiv sind. Auch Institutionen und Betriebe mit denen Arbeitsbeziehungen unterhalten werden, sollen von Erfahrungen profitieren, die während den GWA- Prozessen gemacht werden. GWA legt eine Verbindung zwischen den Wünschen und Nöten der Bürger und Institutionen oder Betrieben, die Möglichkeiten und Dienstleistungen zur Verbesserung der Situation bieten. Die GWA arbeitet darauf hin, dass die BürgerInnen zunehmend auch selber die Initiative ergreifen.
A.5 Verantwortung
Es ist ein Kennzeichen der Professionalität, wenn man von einer formellen Verantwortung spricht. Diese Verantwortung bezieht sich auf das berufsmässige Handeln der GWAer und richtet sich (in unterschiedlicher Weise) auf die eigene Organisation, die betoffenen Menschen, BürgerInnen und Kollegen-Gremien.
A.5.1 Eigene Organisation
Für die eigene Organisation werden Prozessprotokolle gemacht. Diese Protokolle sind gebunden an die Arbeitspläne. Die GWA schafft volle Transparenz über Interventionen, die sie durchführt. Zeit und Geld werden verantwortungsvoll und entsprechend den Richtlinien eingesetzt. Über Mittel der eigenen Organisation wird auch Rechenschaft abgelegt an die Subventionsgeber.
A.5.2 Bürgereinsatz und Einfluss
Als inhaltlicher Auftraggeber bestimmen die Menschen auch die Art und Richtung der Umsetzung der Initiative. Die GWA bietet sozial organisatorische und sozial strategische Unterstützung und Beratung an. Auf Absprachenbasis werden mit ihr Einsatz, Kompetenzen und das Thema für das Evaluationsgespräch festgelegt. Für alle Auftritte bei denen die GWA eine Advokatenrolle erfüllt, also im Namen einer Gruppe auftritt, soll der GWA der Gruppe vollständig Bericht erstatten.
A.5.3 Kollegen methodisch und ethisch
Dort wo der GWAer in einem Team arbeitet, legt er Rechenschaft ab über die Wahl der Methode. Auch wenn keine Kollegen vorhanden sind, kann ein GWAer gefragt werden seine professionelle Arbeitsweise durch einen qualifizierten Kollegen überprüfen zu lassen. Das gilt auch für das ethische Handeln.
A.6 Ethisches Handeln
GWA spielt sich in der Öffentlichkeit ab, und die GWA hat keine formalisierte Macht. Trotzdem kann ein erfahrener und gut ausgebildeter GWAer grosse Expertenpower entwickeln. Darin ist stets auch Machtausübung eingeschlossen. Diese liegt auch im erhaltenen Vertrauen und im Networking. Für die GWA gilt darum die Berufsethik.
A.6.1 Vermeidung von widerstreitenden Interessen
Der GWAer strebt in seiner Berufsausübung keine eigenen Interessen an und arbeitet nicht mit einer verborgenen Agenda von Dritten.
Auch akzeptiert die GWA keine Aufträge, die sie exklusiv an eine Interessengruppe oder Instanz im Quartier etc. binden.
GWA verrichtet ihre Arbeit auf Grund einer eigenen Diagnose und Vision.
A.6.2 Respekt und Datenschutz
GWA handelt im Dienst von, zusammen mit, oder im Auftrag von BürgerInnen. Informationen persönlicher Art, die sie durch ihre Arbeit bekommt, wird als bleibendes Eigentum der BürgerInnen angesehen. Ohne ihre Zustimmung veröffentlicht der GWAer keine Informationen.
A.6.3 Sorgfältiger Umgang mit Personen und Quellen
Unter Quellen wird verstanden: alle Organisationen und Betriebe, die einen Beitrag liefern an den Erfolg der Initiative der Bürger. Obwohl ihr Anteil eine Rolle spielt, schaut die GWA, dass jeder die Ehre bekommt die er verdient. Der GWAer wendet keine Methoden an mit der auf den Mann/Frau gespielt wird, Menschen ausgeschlossen, oder öffentlich geschädigt werden. Der GWAer empfiehlt keine Strategien, die als "overkill" angesehen werden.
B. Kompetenzprofil
Im Unterschied zum Original wurde das Kapitel Kompetenzprofil nur in tabellarischer Form wiedergegeben. Im Original liegt der gleiche Inhalt auch noch als reine Aufzählung vor.
C. Interne und externe Bedingungen für die Gemeinwesenarbeit
Fragen rund um die Handlungsfreiheit, materielle Bedingungen, kollegialer Kontext, Zielen und Berichterstattung sind die internen Bedingungen unter denen gearbeitet wird. Andere Bedingungen, die Bevölkerungszusammensetzung sind die externen Bedingungen unter denen der GWA arbeitet. Dabei greifen externe und interne Bedingungen ineinander über.
C.1 Arbeitsauftrag
C.1.1 Leistung und Verantwortung
Die Prozentangaben sind Mittelwerte: GWA Kapazität 80% produktiver Einsatz
Verteilung:
Entwicklung 15%
Ausführung 70%
Abrundung 15%
Produktionsverantwortung:
Arbeitgeber/Auftraggeber: Verwendung von Zeit und Geld
erreichtes ResultatKlientengruppe/Bewohnergruppe: abgesprochener Einsatz
Qualität des EinsatzesKollegen, Team: Methodik, Fachethik
C.1.2 Arbeitsplan und soziale Dynamik
Die territoriale GWA richtet sich auf soziale Beziehungen und Gemeinwesenaufbau im Quartier, Stadtteil und Dorf. 3 bis 4 Jahre sind in einem Gebiet für einen Gemeinwesenarbeitsprozess mit guten Resultaten nötig. Danach soll bestimmt werden, ob ein weiterer Einsatz notwendig ist. GWA richtet sich auf den selbstverantwortlichen Beziehungssaufbau und ist im Prinzip befristet.
Die verschiedenen Phasen in einem Projekt verlaufen nicht immer geradlinig. Sie überlappen einander und manchmal müssen bestimmte Phasen nochmals durchlaufen werden. GWA-Institutionen haben im Allgemeinen Mehrjahrespläne mit Richtlinien für den GWA-Einsatz im Arbeitsgebiet. Ein solcher Arbeitsplan kann an einen übergeordneten GWA-Einsatz gekoppelt werden (Regional, Gesamtstadt).
Bei territorialem Einsatz: mehrjährige Entwicklungsplanung
1. Jahresplan:
Akzent auf Abklärung, Analyse und Kontakt legen2. Jahresplan:
Akzent auf Mobilisierung und Ausführung3. Jahresplan:
Akzent auf Ausführung und Stabilisierung4. Jahresplan:
Akzent auf Stabilisierung und Evaluationjährlich:
Ausführung
Evaluation
Neue Bedeutung
Neuer Jahresplan = Zusammenstellung von Projektplänen
Bei funktionellem Einsatz: Projektplanung
- Problem?
- Wer hat das Problem?
- Wer ist bei der Lösung betroffen?
- Was sind die Arbeitsziele ?
- Vorgehensplan?
- Welches ist der Zeitrahmen?
- Zeit- und Geldbudget?
C.1.3 Frageartikulation und Unterstützung von Initiativen
Der Einfluss von Menschen, BürgerInnen auf den GWA Prozess ist wichtig, weil es um ihre eigenen Anliegen geht. Die Rollen sind in der Planung unterschiedlich. Bewohnerorganisationen wie Dorf- und Quartiervereine haben meistens eine formale Position und haben eine längere Perspektive.
Die einzelnen Schritte in einem Prozess der Problem- resp. Anliegenartikulation kommen aus der Methodik der partizipativen Planung. Diese Methodik gibt in der Praxis die Legitimität für ein Gemeinwesenarbeitsprogramm über mehrere Jahre. GWA kann diese Abklärungen so durchführen, dass die Problem-/Anliegenartikulation als Ansatz für die Mitarbeit genutzt werden kann.
Position der Zielgruppe
Zielgruppe
Kriterien und Art des Einflusses auf den Einsatz der GWA
Formulierter Rahmen
- Grosse Linie und Langzeitziele
- Legitimierung in der Gemeinschaft
- Feststellen von wichtigen Faktoren
Themengebundene Gruppe und Initiativen
- Festlegen der Arbeitsziele
- Bestimmung der Art der Unterstützung
- Brücken zur Basis
Individuelle Bürger
- Ansprechen und angesprochen werden
- Teilnahme an verschieden Formen des
AustauschesFrageartikulation zusammen mit Bewohner und BürgerInnen
Trendanalyse,
Umgebungsanalyse
Zentrale Aufgabe,
Herausforderung
Formulieren gewünschte Zukunft,
Feststellen von Hindernissen und Potential
Erstellen von chancenreichen
Strategien
Aktionsplanung
Ausführ-ung der Pläne
Sichten von Anliegen, wo noch keine Bewohnergruppen sind
Trend- und Umgebungsanalyse
Sichten von Gruppen, ohne Lobby und nicht erkannten Bedürfnissen
C.2. Arbeitsqualität
C.2.1 Schulung und Coaching
Gemeinwesenarbeit ist ein komplexer Beruf, der in der Öffentlichkeit ausgeübt wird, in einem dauernd ändernden Umfeld. Dies erfordert den Einsatz von Coaching und Weiterbildung.
Es können drei Berufsniveaus auf Institutions- und Unternehmungsniveau unterschieden werden:
Junior
- Arbeitsbegleitung durch Senior
- Kurse zur Verbreiterung der Basisfertigkeiten
- Externe Module NDK
Medior
- Supervisionsbegleitung
- Kurs für besondere Fertigkeiten und neue Entwicklungen
- Externe Module plus NDK
Senior
- Module auf Masterniveau
- Kurse für besondere Fertigkeiten
C.2.2 Berufsvereinigung und Fachkonferenzen
Berufsprofilierung ist primär eine Sache des Profis selber. Sie spricht an zweiter Stelle Organisationen und Ausbildungsinstitutionen an um GWA weiterzuentwickeln und Weiterbildungen anzubieten für GWAers. Institutionen fördern und unterstützen ihre Arbeitnehmer.
C.2.3 Werkzeuge und Hilfsmittel
Wenn GWA in einem Gebiet eingesetzt und präsent sein soll, muss sie einen Ort haben von dem aus sie arbeitet. Das kann ein Raum in einem zentralen Gebäude sein, aber auch ein Ladenlokal oder eine Wohnung. GWA ist auf Kommunikation und Information angewiesen. Anschluss und Anwendung von modernen Kommunikationsmitteln ist notwendig für eine schlagfertige und effiziente Berufsausübung. Eine wichtige Bedingung ist ein Sekretariat, das mitdenkt mit der GWA.
C.3 Arbeitsorganisation
C.3.1 Organisationskultur
GWA bahnt sich innerhalb einem breit formulierten Auftrag einen Weg. Ihr Arbeitsgebiet beinhaltet viel Unvorgesehenes, weil es mit der Dynamik der Lebenswelt zusammenhängt. Dies setzt einen großen Handlungsspielraum voraus. Die Aushandlung und Erteilung des Auftrages findet darum zusammen mit demjenigen statt, der den Auftrag auch ausführen wird.
Elemente des Arbeitsauftrages:
Position des GWAers
freier Berufsausüber im Lohndienst
Auftragserteilung
In Zusammenarbeit mit der GWA
Ausführung
Autonom innerhalb des Auftrages
Verantwortung
Primär bei der Zielgruppe und den Mitarbeitern
Normierung
Analyse der Arbeit auf Effizienz und Zielstrebigkeit
Bei Interessenabwägung – Vorrang für die schwächsten Interessen
Einsatz
Konform dem abgesprochen Auftrag
C.3.2 Fachkollegiale Organisation
Der fachliche Austausch steht außerhalb der Hierarchie und wird darum nicht durch ein Mitglied des Managements gesteuert. Der Fachinhalt und die Berufsentwicklung sind zentral. Vorschläge zur Unternehmenspolitik können abgegeben werden, zugleich Signale rund um Trends in der Gesellschaft. Es gibt ein Budget, um bei Bedarf externe Fachleute beizuziehen.
C.3.3 Professionalität intern
Platz in der Organisation
Fachgruppe auf Stabniveau
Ziel
- Kollegiale Überprüfung
- Fortbildung
- Signalisierung
Teilnahme
verpflichtet
Frequenz
ein Halbtag pro 6 Wochen
Leitung
freigestellter Kollege oder Stabsmitglied
Verantwortung
Jahresrapport in Bezug auf
- Themen
- Frequenz
- Resultat
Finanzierung
internes Budget
C.3.4 Organisationsstruktur
Innerhalb der GWA-Institution und bei freiberuflichen GWAers ist sowohl die Ausführung wie auch die Fachentwicklung im gleichen Team organisiert. Meistens findet GWA in grossen Institutionen statt, in denen GWA einen Teil eines multidisziplinären Teams ausmacht, das für ein bestimmtes Gebiet eingesetzt ist. GWA können auch von einem zentralen Pool aus operieren. Die Fachgruppe ist deshalb der Ort für gemeinsame Geschäfte.
Fachgruppenvarianten
Variante
Form
Kompetenz
GWA Institution
Pool pro Gebiet
Ausführend und planend
Breite soziale Institution
Fachgruppe für ein bestimmtes Gebiet
Ausführend, ausführungsübersteigend
GWA Unternehmung
Solo , verschieden
C.4 Zusammenarbeit mit BürgerInnen
C.4.1 Klima, Stärken und Schwächen
Kollektive Gebilde können die gleichen Eigenschaften haben wie Menschen. Man kann von der Wechselwirkung zwischen individueller und kollektiver Interventionen sprechen. Auf individuellem Niveau haben sie einen viel grösseren Einfluss, wenn sie auch gleichzeitig auf kollektiver Ebene eingesetzt werden und umgekehrt. Das Gleiche gilt für Unterstützung im selben Arbeitsgebiet um problemlösend und chancenerweiternd zu intervenieren.
Aspekte des sozialen Klimas
Ausdruck der Gesellschaft
stark
schwach
Bild
Offenheit gegenseitig und nach der externen Umgebung
Wir – sie Stereotyp
Atmosphäre
sicher und vertraut
Angst und Misstrauen
Kollektives handeln
reguliert und ritualisiert
Zufällig, explosiv
Selbstbild
Selbsthelfend, selbstverantwortlich
Opferhaltung, abhängig
C.4.2 Soziokulturelle Variablen
Diese Variablen stammt aus der klassischen Soziologie und bietet Anknüpfungspunkte um den internen Zusammenhang eines sozialen Systems zu analysieren. Ein heterogenes und multikulturelles Quartier hat immer kulturelle Nischen. Auf unterem Niveau kann man von einer starken eigenen Kultur sprechen, die aber die Kultur insgesamt nicht wesentliche beeinflusst. Dort wo die kulturellen Nischen das Kollektiv berührt, im öffentlichen Raum, entstehen Spannungen. Eine Aufgabe der GWA ist es die kulturellen Nischen in einer Teilkultur zu verbinden und einen gemeinsamen Umgang miteinander zu stimulieren. Der Inhalt der Nutzung des öffentlichen Raums soll sich an der Tatsache orientieren, dass alle Teil eines grösseren Gesamten ausmachen.
C.4.3 Aspekte des kulturellen Klimas
Elemente der Kultur
stark
schwach
Normen und Werte
gemeinsam
Heterogen/Konflikte
Kollektive Rituals
Feste und Feiern
jeder für sich selber
Kulturübertragung
Aktiv für Kinder und Jugend
passiv für Kinder und Jugend
Soziale Kontrolle
Einander im Auge behalten
allein das Auge für den Eigenbelang
Positionszuweisung
akzeptiert soziale Rollen
Interessen oder Machtstreit um die Führung
C.4.4 Soziolökonomische Variablen
Sozialökonomische Variablen sind starke Indikatoren von sozialem Rückstand, aber schwierig zu beeinflussen. Auf Makroniveau kann die GWA wenig leisten, umso mehr beim Stimulieren von "kleinschaligen" Initiativen, kleinen Kooperativen auf verschieden Terrains.
Parameter:
C.5 Zugang
C.5.1 Politik und Programm
Die GWA nimmt die Lebenswelt als Ausgangspunkt, sie ist selber aber kein Teil davon. Ihre Position ist im Spannungsfeld zwischen Bürger, Institution und Behörden. GWA muss freien Zugang zu allen Zuständigen haben. Im Besondern muss die GWA Zugang zu den Behörden haben, weil diese ein wichtiger Teil im Prozess der GWA sind. Die GWA kann aus strategischen Überlegungen in einer zeitlich begrenzten Phase Partei ergreifen. Unternimmt sie aber zu viel gegen das (politische) Programm wird sie eine Schattenbehörde. Sie kann andererseits die BewohnerInnen übergehen, wenn sie sich technokratisch zu sehr an Fachleuten orientiert. Die GWA ist in diesem Sinn eine "Gleichgewichtskunst".
C.5.2 Unternehmungen und Dienstleistungen
Die folgenden Kategorien sind nicht abschliessend.
Die Instanzen die hier genannt werden liefern einen Beitrag zur Lebensqualität und Sicherheit. Manchmal fehlen Betriebe oder Einrichtungen oder es besteht ein Problem mit der Gemeinschaft. Die GWA kann diese Instanzen sowohl in der Eigenschaft als Hilfsquelle oder auch in der Eigenschaft als Zielsystem nutzen.
Gebiet und Instanzen
Orte der Lebensqualität
Instanz
Wohnen
- Wohnbaugenossenschaft
- Projektentwickler
- Institutionelle Investoren
- Spekulanten
Wissen
- Bildungsinstitutionen
- Öffentliche Bibliotheken
- Datenbanken
Arbeiten
- Gewerbe
- Handelskammer
- Investitionsfonds
Sorge
- Erste Hilfe Institutionen
- Prävention
- Sozialpsychiatrie
- Quartierräume
Sicherheit
- Polizei
Kultur und Sport
- Theater und Museum
- Schwimmbad
- Sportorganisationen/ Anlagen
- Kreativitätszentren
Öffentliche und kommerzielle Dienste
- Multifunktionelle Räume
- Läden
- Bank und Post
- Öffentliche Dienste
- Sportorganisatoren
C.5.3 Recht
Richterliche Entscheide in Zusammenhang mit Konflikten zwischen Bürgern sind wichtig, wenn ein Durchbruch nötig ist. Selten ist die Situation damit gelöst, "weil man doch wieder zusammenarbeiten muss". Darum wird zunehmend Mediation eingesetzt, die Bürger anspornt selber zu einer Lösung zu kommen. GWA kann diese Rolle in ihren Arbeitsfeldern ausfüllen. Die GWA unterstützt Gruppe, um zu ihrem Recht zu kommen, auch wenn es nicht im Interesse des Finanziers/Auftraggebers der GWA selber ist.
Modalitäten
Inhalt
Rechtmässiges Prozedere
Administrative Entscheide
Rechtmässigkeit des Programms
Zivilrecht
Recht der BürgerInnen untereinander und BürgeInner gegenüber Institutionen und Betrieben
Zivilrecht
Bürgerfriede
Mediation
Konsument versus Produzent
C.6 Ressourcen
C.6.1 Koalitionen und Allianzen
In der Gemeinwesenarbeit werden Gruppen unterschieden, die sich rund um ein Thema organisieren (z.B. gegen den Abbruch ihres Quartiers) und Gruppen die ein eher permanenten Charakter und ein breiteres Programm haben. Themengebundene Gruppen richten sich primär auf eine Allianz innerhalb politische Parteien oder Teilen der Behörde, die ihre Interessen unterstützen. Permanente Gruppen richten sich auch auf eine nachhaltige Verbreiterung ihres Einflusses und auf Resultate.
Varianten
Form
Mit wem
Themengebundene Allianzen
Arbeiten zusammen mit gleichgesinnten Gruppen, Abteilungen innerhalb der Behördenorganisation und Institutionen der politischen Parteien
Lokale Unterstützungsnetzwerk
Kirche, Quartierschule, Quartierpolizei und andere Profis aus dem Quartier, Universität und Hochschulen, Betriebe und Medien
C.6.2 Externe Finanzierung
Beim Start des GWA-Prozesses ist ein konkreter Erfolg für die Bewohner eine wichtige Stimulanz zur weiteren Selbstorganisation und Aktivierung. Es ist bei der Annahme eines Auftrages sinnvoll über ein Projektbudget zu verhandeln.
Wohl lehrt die Erfahrung, dass die Wirkungen externer Finanzierung auf den GWA-Prozessen von kurzer Dauer sind. Darum müssen diese Aufträge zum Langzeit- Einsatzprogramm der GWA passen. Bei stetem Wechsel und immer wieder neuen Finanzierungen für Miniprojekte verschwindet der Erfolg und führt später zu Passivität.
Beitrag
Abhängigkeit
Identifikation, Resultat
Effekt Fundraising auf Prozess
100% Dritte
hoch
beschränkt
Beschleunigung kurzfristig
Gemischte Finanzierung
verteilt
recht gross
Beschleunigung mit guten Langzeiteffekten
100% selber
unabhängig
sehr gross
Guter Langzeiteffekt
C.6.3 Wissenschaft und Forschung
Die GWA kennt eigene Forschungsmethoden, darunter allerlei Varianten von community self servy. Wissenschaftliche Forschung ist eine Ergänzung. Geht es um das Programm der Behörden und Instanzen wird dieses mit viel Expertenpower präsentiert.
Wissenschaftliche Forschung über GWA-Prozesse und Methoden ist unentbehrlich für die Berufsentwicklung. Institutionen mit GWA in ihrem Aufgabenpaket unterhalten Beziehungen mit Forschungsinstituten, darunter Hochschulen und Universitäten in der Region.
Modalitäten
Form
Funktion
Evaluation Forschung
Methodik und Fachentwicklung
Alternative Forschung
Gegenexpertise
Machbarkeitsforschung
Strategische Planung
Lebensqualitätsforschung
Mobilisierung