Open Space

Eine bahnbrechende Methode der Personal- und Organisationsentwicklung


Kontakt:

Dipl.-Kff. Carole Kuklinski-Maleh, CAMA Institut für Kommunikationsentwicklung, Brehmstr. 38 D-30173 Hannover Tel. 0511/ 283 20 55 Fax. 0511 / 811 25 36 E-Mail: Info@cama-institut.de; Homepage: www.cama-institut.de

Carole Kuklinski-Maleh ist Diplomkauffrau und hat sich mit Ihrem Unternehmen CAMA Institut für Kommunikationsentwicklung darauf spezialisiert, Veränderungsprozesse mit Großgruppenverfahren, wie zum Beispiel Open Space, Zukunftskonferenz, Real Time Strategic Change und Appreciative Inquiry einzuleiten und zu steuern. Hierzu hat sie zahlreiche Fachartikel veröffentlicht und bildet regelmäßig Berater-Kollegen weiter. Ferner hat sie zur Verbreitung der Open Space-Methode wichtige Beiträge geleistet mit ihren Büchern: "Open Space: Effektiv arbeiten mit großen Gruppen" und "Open Space im Einsatz, Praxisbeispiele: Interessante Highlights, problematische Situationen, spannende Ergebnisse".

(Bei diesem Text handelt es sich um einen "Nachdruck" des gleichnamigen Aufsatzes von Carole Maleh: Open Space: Eine bahnbrechende Methode der Personal- und Organisationsentwicklung. - in: Personal. Zeitschrift für Hman Ressource Management, 11/2000)


Open Space ist eine Konferenzmethode der besonderen Art. Open Space ist alles andere als eine Einbahnstraßen-Konferenz. Es gibt kein geplantes Veranstaltungsprogramm und keine Person, die die Konferenz moderiert oder Vorträge hält. Welche Veranstaltungsinhalte bearbeitet werden und welchen Ablauf die Veranstaltung nehmen wird, entscheiden die Teilnehmenden vor Ort. Nur das Leitthema ist vorgegeben. Die Organsationsentwicklerin Carole Maleh schreibt, was es mit dieser Methode auf sich hat und warum sie so erfolgreich ist.
Es war zu den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta. Auf dem Olympic Village-Gelände hatten Firmen die Möglichkeit, sich mit einem eigenen Pavillon der "Welt" zu präsentieren. Darunter war auch die Firma AT&T, der zuerst ein Standort am Rande des Geländes zugewiesenen wurde. Doch das Konzept, das AT&T schließlich vorlegte, gefiel dem Olympischen Komitee so gut, dass ihnen ein anderer Standort auf dem Gelände zugeteilt wurde, direkt im Zentrum des Olympic Village. Da gab es nur ein Problem: Das entwickelte Konzept war nur für 5.000 Besucher pro Tag gedacht. Doch an dem neuen Standort wurden 75.000 Besuchern täglich prognostiziert. AT&T musste sein Konzept also verändern. Für die Konzeptanpassung blieben nur noch wenige Monate Zeit. Zu wenig Zeit, um mit der bisherigen Arbeitsweise erfolgreich zu sein.
Eine Open Space-Konferenz wurde mit den 23 Mitgliedern des Designteams einberufen. Die anfängliche Skepsis verschwand bald, als deutlich wurde, was das Ergebnis dieser Konferenz sein würde: Nach nur zwei Tagen hatten sie ein völlig neues Präsentationskonzept entwickelt. Sogar die Details waren ausgearbeitet. Der Stand dieses Designs war zu diesem Zeitpunkt bereits weiter fortgeschritten als der des vorherigen Konzeptes, das die gleiche Gruppe in fast einem Jahr entwickelt hatte.
1996 schloss die Firma Bosch AG in der Normandie ihr gesamtes Werk für eine zweitägige Open Space-Veranstaltung. Ziel war es, das Werk für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen. Unter anderem sollte eine Vision für das Jahr 2005 entstehen. Die Lernende Organisation sollte praktiziert und die Unternehmenskultur verändert werden. Eine flexible und funktionsübergreifende Zusammenarbeit aller Bereiche wurde angestrebt. 960 Personen nahmen teil. Eine für die Verantwortlichen damals unglaubliche Größenordnung. An zwei Tagen arbeiteten die Teilnehmenden an über 140 Themen mit aktuellem Veränderungsbedarf. Es entstand eine Vielzahl von Projekten, die nach der Veranstaltung fortgesetzt wurden.
Diese Beispiele zeigen, in welcher Bandbreite Open Space durchgeführt werden kann. Ob es 23 Personen sind, die ein neues Konzept entwickeln möchten oder fast 1.000 Personen, die für die Zukunft ihrer Organisation neue Perspektiven schaffen wollen. Open Space funktioniert als Instrument für einen schnellen Wandel.
Doch was genau ist Open Space? Es ist eine Konferenzmethode und auch ein Instrument der Personal- und Organisationsentwicklung. Es wird eingesetzt, wenn es darum, geht, schnelle und kreative Ansätze für Veränderungsprozesse zu finden. Wenn gleichzeitig mit dem Wandel die Identifikation aller Beteiligten mit der Organisation verbessert werden soll. Open Space ist ein Verfahren, welches das Potenzial der Betroffenen hocheffektiv erschließt.


Die Open Space-Veranstaltung

Ein neues Beispiel aus der Open Space-Praxis: Drei Tage im März 1999. Ungefähr 300 Personen werden erwartet. Führungskräfte verschiedener Hierarchieebenen wurden eingeladen: Meister, Schichtleiter, Abteilungs-, und Bereichsleiter sowie Mitglieder des Vorstandes. Mitarbeiter verschiedener Funktionen u. a. aus den Abteilungen Einkauf, Buchhaltung, Controlling, Versand und Rechtswesen sind ebenfalls gekommen. Sogar Repräsentanten einiger Lieferanten und Kunden sind der Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt. Sie alle sind zusammengekommen, um in diesen drei Tagen zum Thema: "Die Zukunft unseres Unternehmens" etwas beizutragen. Denn das einladende Unternehmen hat stark unter dem zunehmenden Konkurrenzkampf der letzten Jahre gelitten.
Die Gestaltung des Veranstaltungsraumes erscheint einigen merkwürdig - ungewohnt das Plenum. Der Stuhlkreis in der Mitte des Raumes wirkt viel zu groß für den Teilnehmerkreis. Unsicher schauen die Ankommenden umher. An den Wänden hängen eine leere Zeit- und Raumtafel, eine Nachrichtenwand und viele Plakate.
Langsam nehmen alle im Stuhlkreis Platz und nach wenigen Minuten beginnt die Veranstaltung. Die Unternehmensleitung erläutert kurz den Anlass: Das Unternehmen verliert Marktanteile und die Umsatzzahlen sinken. Es muss etwas getan werden, um diese Entwicklung aufzuhalten, und zwar schnell. Deswegen hat er dieses Zusammenkommen veranlasst. Ihr schwebt vor, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Die Teilnehmenden bestimmen die Themen der Veranstaltung

Das war das Stichwort für die Moderatorin. Sie betritt das Kreisinnere und erklärt, was Open Space ist und dass die bis jetzt noch leere Zeit- und Raumtafel von den Teilnehmenden selbst mit Themen gefüllt werden wird. Die Zeit- und Raumtafel bildet sozusagen das "Skelett" des Veranstaltungsprogramms, welches sich aus den Themen der Teilnehmenden entwickeln wird. Denn die Teilnehmer bestimmen selbst, wie die Veranstaltung ablaufen wird.
Open Space - so heißt es - ermöglicht, dass jeder Teilnehmer, ob Vorgesetzter oder Mitarbeiter, mal Referent, mal Zuhörer ist. Alle Anwesenden sind kompetent. Sie alle sind die Experten für diese Situation. Sie werden die Möglichkeit haben, die für sie wichtigen Themen in Bezug auf das Leitthema an die Zeit- und Raumtafel zu bringen und somit den anderen Teilnehmern zur Diskussion vorzuschlagen. Gearbeitet wird in kleinen Gruppen.
Die Moderatorin verlässt das Kreisinnere und überlässt ihn den Teilnehmenden. Nun kann jeder sein Thema vorstellen, das ihm oder ihr auf den Nägeln brennt und zu dem er oder sie mit anderen arbeiten möchte. Es sollen nur Themen benannt werden, für die die Teilnehmer Verantwortung übernehmen möchten. Der erste Teilnehmer geht in die Mitte und nimmt sich eines der dort liegenden leeren DIN A3-Blätter. Er schreibt seinen Namen sowie sein Thema darauf und stellt sich und das Thema den anderen kurz vor: "Mein Name ist..., mein Thema ist...". Auf der Zeit- und Raumtafel wählt er daraufhin eine Zeit und einen Raum und hängt sein Blatt in das entsprechende Feld. Sein Workshop beginnt um 9:00 Uhr und findet im Raum A statt. Die Zweite geht in die Mitte, der Dritte und viele mehr. Schnell ist die Zeit- und Raumtafel mit Workshop-Themen gefüllt. Die Tagesordnung für zwei Tage ist gebildet!

Hochproduktiv durch Selbstbestimmung und Selbstorganisation

Nun können sich alle Teilnehmer nach ihrem Interesse für die Themen in die jeweiligen Workshops eintragen. Der Stuhlkreis löst sich auf. Alle steuern die Zeit- und Raumtafel an und schreiben sich in die sie interessierenden Arbeitsgruppen ein. Ist das getan, brechen die Teilnehmer auf, um in die jeweiligen Gruppen zu gelangen. Mal finden vier Workshops parallel statt, mal sind es zehn. Manchmal befinden sich fünf Personen in einem Workshop, mal 25. Ab jetzt arbeiten die Teilnehmenden eigenständig.
Diese Phase der parallel laufenden Workshops ist überaus lebendig. Die Zeit- und Raumtafel verändert sich immer wieder. Workshops werden verschoben, zusammengelegt, fallen aus oder neue werden benannt. Arbeitsanweisungen gibt es nicht, weder von der Moderatorin noch von der Firmenleitung. Die Teilnehmer handeln nach ihrer Vorstellung und machen Pausen, wenn sie genug gearbeitet haben. Sie sind auf sich gestellt und genießen es.
Zwei Tage arbeiten die Mitarbeiter des Unternehmens in wechselnden Gruppen zu verschiedenen Themen und mit immer wieder anderen Menschen. Kontakte entstehen, die vorher kaum denkbar waren. Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Bereichen und haben andere Denkansätze. Das führt zu einem Bündel von vielfältigen neuen Ideen, kreativen Ansätzen und innovativen strategischen Vorschlägen. Die Anwesenden beginnen, die bestehende Situation zu verändern. Sie tun dies gemeinsam. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl entsteht.
Es kann beobachtet werden, dass aufgrund der entstehenden Selbstorganisation und Selbstbestimmung ein hochproduktiver Prozess in den Diskussionsgruppen stattfindet. Die Menschen werden während der Veranstaltung von der Firmenleitung ernst genommen und nehmen dies wahr. Sie erkennen, dass es wirklich auf sie und auf ihre Arbeit ankommt. Sie selbst ermöglichen die Veränderung der Situation. Dies hebt ihr Selbstwertgefühl. Jeder fühlt und zeigt sich verantwortlich für sein Thema und für das, was auf der Veranstaltung geschieht. Sie fühlen sich nicht nur verantwortlich, sondern identifizieren sich auch mit ihren Ergebnissen und dem Unternehmen. Die Verantwortung und Identifikation führt zur Akzeptanz der Ergebnisse bei den Mitarbeitern. So lässt sich auch erklären, wie die hohe Bereitschaft der Mitarbeiter entsteht, die selbst erarbeiteten Veränderungsmaßnahmen im Anschluss an die Veranstaltung umzusetzen.

Der dritte Tag: Ergebnisse sichern

Am dritten Tag werden die Gruppenergebnisse zusammengeführt. Bereits in den Workshops dokumentieren die Teilnehmenden ihre Ergebnisse selbst. Die einzelnen Protokolle der Gruppen werden zu einem Dokumentationsband zusammengetragen und den Teilnehmenden am Morgen des dritten Tages zur Verfügung gestellt. Es wird gelesen und später nach Aufforderung der Moderatorin gewichtet. Die wichtigsten Berichte erhalten Punkte von den Teilnehmenden. So wird deutlich, welche Berichte bzw. Ergebnisse den Personen bezüglich der Umsetzung am bedeutendsten sind. Die Ergebnisse mit den meisten Punkten sollen bevorzugt umgesetzt werden. Am letzten Tag der Konferenz geht es auch darum, Umsetzungsgruppen zu bilden. Der Weg, die Ergebnisse im Unternehmen umzusetzen, wird an diesem Tag geebnet. Jeder Interessierte kann sich themenbezogenen Umsetzungsgruppen zuordnen. Erste Maßnahmen und Schritte werden noch auf der Veranstaltung von den Teilnehmenden festgelegt.

Ablauf einer dreitägigen Open Space-Veranstaltung

1. Tag 2. Tag 3. Tag
Einführung, Themen sammeln Morgennachrichten Morgennachrichten

1. Workshop-Einheit

z. Workshop-Einheit

3. Workshop-Einheit

4. Workshop-Einheit

5. Workshop-Einheit

6. Workshop-Einheit

7. Workshop-Einheit

Berichte lesen, priorisieren,

Umsetzungsgruppen bilden,

Maßnahmen definieren

Abschlussrunde
 
Abendnachrichten Abendnachrichten

Anwendung von Open Space

Open Space ist überall dort einsetzbar, wo viele Menschen gemeinsam in Organisationen wirken. Das kann unter anderem in Unternehmen, sozialen Einrichtungen, in der öffentlichen Verwaltung, Gemeinden, Städten, Krankenhäusern, Schulen, Kirchen oder Vereinen sein. Aber auch dort, wo Menschen aus verschiedenen Organisationen, Institutionen oder Netzwerken miteinander kooperieren, ist der Einsatz der Methode möglich und bereits erprobt.

Voraussetzungen für den Einsatz von Open Space

Die Art der Organisation oder des Systems ist nicht entscheidend für den Einsatz von Open Space. Vielmehr sind dafür folgende Überlegungen von Bedeutung:

  • Es sollte sich bei dem Anlass der Veranstaltung um eine Situation handeln, die bei den Eingeladenen Leidensdruck bzw. Betroffenheit hervorruft.
  • Die Situation sollte so dringlich sein, dass schnellstmöglich gehandelt werden sollte.
  • Zur Bewältigung anstehender Veränderungen ist es sinnvoll, Menschen aus unterschiedlichen Funktionen, verschiedenen Hierarchieebenen, Nationalität, Herkunft, Altersgruppe etc. zusammenzubringen.
  • Das Leitthema muss komplex sein, damit genug Spielraum für Workshops besteht und
  • die Teilnahme an der Veranstaltung muss freiwillig geschehen.

Erfolgsvoraussetzungen von Open Space

  • Persönliche Betroffenheit der Teilnehmenden.
  • Dringender Handlungsbedarf in der Situation.
  • Heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden.
  • Leitthema ist komplex.
  • Teilnahme ist freiwillig.
  • Keine vordefinierte Antwort auf die Situation oder Fragestellung.
  • Vertrauen der Organisationsleitung in die Kompetenz der Mitarbeiter, in den Einsatz einer unkonventionellen Methode und in unerwartete Ergebnisse.
  • Die Organisationsleitung ist einer Weiterverfolgung der Ergebnisse gegenüber aufgeschlossen.

Die Organisationsleitung sollte Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Sie muss dem Einsatz einer unkonventionellen Methode, unerwarteten Ergebnissen und einer Weiterverfolgung der Ergebnisse gegenüber unbedingt aufgeschlossen sein. Schließlich ist es wichtig zu betonen, dass die Antwort auf die zu bewältigende Situation oder die Fragestellung der Veranstaltung vorher nicht bekannt ist. Es sollten weder von der Organisationsleitung noch von anderen vor der Veranstaltung Lösungsstrategien erarbeitet worden sein, die dann mit zur Veranstaltung gebracht werden.
Treffen diese Voraussetzungen zu, kann davon ausgegangen werden, dass Personen, die zur Veranstaltung kommen, etwas zur Veränderung beitragen wollen und die Umsetzung in die eigenen Hände nehmen möchten. Durch den eingeleiteten Veränderungsprozess wird dann eine nachhaltige Wirkung erreicht. Ferner werden die unterschiedlichen Menschen aufgrund ihrer voneinander abweichenden Denkweisen und Erfahrungen vielfältige Workshop-Themen sowie eine Fülle von kreativen Ideen und Lösungsansätzen zur Veränderung entwickeln. Und schließlich motiviert der bestehende hohe Veränderungsdruck die Teilnehmenden, schnell und zielorientiert zu arbeiten.

Anwendungsanlässe

Für Open Space gibt es viele Anwendungsanlässe. So kann diese Methode beispielsweise eingesetzt werden, um Veränderungsprozesse mit einer Auftaktveranstaltung in Gang zu bringen, Fusionen von Unternehmen mit Unterstützung der Mitarbeiter zu planen und umzusetzen, die Leistungsfähigkeit im Unternehmen bzw. in der Organisation zu steigern oder auszubauen, die Neuausrichtung des Unternehmens bzw. der Organisation, einer Abteilung oder Filiale anzusteuern, den Kundenservice zu verbessern, die Zusammenarbeit unter Kooperationspartnern, Abteilungen, Mitarbeitern etc. zu verbessern, Ideen für neue Projekte, Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Abläufe zu entwickeln und vieles mehr.

Anwendungsanlässe von Open Space (z.B.)

  • Veränderungsprozesse mit einer Auftaktveranstaltung in Gang bringen.
  • Fusionen von Unternehmen mit Unterstützung der Mitarbeiter planen und umsetzen.
  • Die Leistungsfähigkeit im Unternehmen bzw. in der Organisation steigern oder ausbauen.
  • Die Neuausrichtung des Unternehmens bzw. der Organisation, einer Abteilung oder Filiale ansteuern.
  • Den Kundenservice verbessern.
  • Die Zusammenarbeit unter Kooperationspartnern, Abteilungen, Mitarbeitern etc. verbessern.
  • Ideen für neue Projekte, Produkte, Dienstleistungen, Prozesse oder Abläufe entwickeln und
  • vieles mehr.

Der Einsatz von Open Space hat Grenzen

Obwohl Open Space für viele Anlässe anwendbar ist, gibt es auch bei dieser Methode Grenzen. Open Space ist zum Beispiel nicht dafür einsetzbar, Mitarbeiter für vordefinierte Ziele und Strategieentwürfe zu begeistern. Ferner eignet sie sich nicht, um gezielt Informationen zu vermitteln. Geplante Vorträge, Präsentationen, Beiträge, Diskussionen oder Videoaufführungen zum Leitthema finden nicht statt. Open Space kann nicht ersatzweise für Seminare, Trainings oder Informationsveranstaltungen durchgeführt werden. Open Space ist zwar geeignet, um konfliktäre Themen zu behandeln. Doch ist diese Methode nicht zur Schlichtung von Konflikten zweckmäßig. Dazu bedarf es mehr Steuerung, als dies bei Open Space möglich ist.
Beim Einsatz von Open Space ist von großer Bedeutung, dass die Organisationsleitung einer Umsetzung der Veranstaltungs-Ergebnisse gegenüber aufgeschlossen ist. Sie muss dafür Ressourcen, wie Zeit, Budget und Personal zur Verfügung stellen. Hat die Organisationsleitung jedoch nicht die Absicht, einen Realisierungsrahmen zu gewähren, führen die Ergebnisse der Veranstaltung ins Leere und könnten eine nachhaltige Frustration bei den Betroffenen auslösen.

Grenzen von Open Space

  • Organisationsleitung blockiert Umsetzung der Ergebnisse.
  • Es gibt vordefinierte Ziele und Strategieentwürfe.
  • Informationen sollen vermittelt werden.
  • Starke Konflikte sollen bewältigt werden.

Was macht Open Space zu einem erfolgreichen Instrument?

Open Space unterscheidet sich ganz offensichtlich von traditionellen Konferenzmodellen, wo zwar viele Personen teilnehmen, aber nur wenige reden. Lange vor dem ersten Veranstaltungstag ist das Programm geschrieben. Die Redner - als sogenannte Experten -sind eingeladen und in der Regel auf einem höher stehenden Podest vor den vielen hintereinander aufgebauten Reihen plaziert. Vorne, etwas höher, wird geredet, und hinten, unten, wird zugehört.

Alle tragen Verantwortung für den Prozess

Der Einsatz von Open Space ist vor allem deshalb ein Erfolg, weil die Teilnehmenden die ganze Konferenz über Zeit haben, mit anderen nach ihrem Engagement zu ihren eigenen Themen zu arbeiten, Ideen zu entwickeln und auch zu planen, wie sie diese umsetzen möchten. Kein Teilnehmer muss sich etwas anhören, woran er nicht interessiert ist. Jede Person trägt an den Tagen der Konferenz das bei, was ihr am Herzen liegt und was sie bewegen möchte. Alle tragen die Verantwortung für den Erfolg der Konferenz.
Getragen und unterstützt wird das individuelle Engagement der teilnehmenden Personen durch ein Regelwerk, bestehend aus vier Leitlinien und einem "Gesetz".

Das Regelwerk

  1. Leitlinie: Wer kommt, ist die richtige Person
    Ob 10 oder 1.000 Personen zu einer Open Space-Veranstaltung kommen, es sind genau die richtigen Teilnehmer. Und zwar die richtigen, um am Leitthema zu arbeiten und die Situation zu verändern. Denn bei Open Space besteht die Annahme, dass die Personen kommen werden, die zu der Situation etwas beitragen wollen. Deren Wissen ist ausreichend, um einer Veränderung etwas beizusteuern. Jede Person wird als Experte anerkannt. Auch für die Workshops gilt, jene die kommen, sind genau die richtigen, um am Workshop-Thema zu arbeiten. Sie haben das Interesse und die Motivation, sich mit dem Workshop-Thema intensiv auseinanderzusetzen. Den notwendigen Antrieb haben allerdings nur Teilnehmende, die sich freiwillig zur Teilnahme entschließen konnten.
  2. Leitlinie: Offenheit für das, was passiert
    Diese Leitlinie soll die Teilnehmenden anspornen, unerwarteten Dingen gegenüber aufgeschlossen zu sein, die sich ihnen bietenden Möglichkeiten anzunehmen und sich von den eigenen Erwartungen etwas zu entfernen. Eine Offenheit gegenüber neuen und unerwarteten Erkenntnissen, Ideen oder Ereignissen, macht sie frei für ein Voneinander Lernen.
  3. Leitlinie: Es beginnt, wenn die Zeit reif ist
    Ideen, Motivation und gute Anregungen kommen, wenn die Zeit dafür reif ist. Die Gruppen fangen mit der Arbeit an, wenn sie sich für produktiv halten. Die Verantwortung für das Zeitmanagement wird an die Gruppe abgegeben. Zeiten des Arbeitens und der Pausen werden von den Teilnehmenden bestimmt. Sie sollen ein Gefühl für den Zeitpunkt ihrer Kreativität und Effektivität entwickeln und eigenständig danach handeln.
  4. Leitlinie: Vorbei ist vorbei
    Diese Leitlinie ist das Gegenstück zur dritten Leitlinie. So kann es sein, dass ein Workshop nach 20 Minuten vorbei ist. Alle wichtigen Aspekte sind genannt. In diesem Fall ist es nutzlos, in der Gruppe auszuharren und Energie und Lust zu verlieren, bis die vorab veranschlagte Zeit abgesessen ist und die nächste Workshop-Einheit beginnt. Besser ist es, den Workshop zu schließen und sich anderen Dingen zu widmen, wie zum Beispiel in eine andere Gruppe zu gehen oder eine neue zu gründen. Ist nach Ablauf der Zeiteinheit das Thema einer Gruppe noch nicht abgeschlossen, kann weitergearbeitet werden, bis das Thema vollständig abgehandelt ist.

Das "Gesetz der zwei Füße"

Dieses Gesetz" bedeutet, dass jede Person, die sich während der Veranstaltung in einer Situation befindet, in der sie weder etwas lernen noch beitragen kann, die eigenen zwei Füße benutzen und dort hingehen soll, wo sie produktiv sein kann. Als zwei Erscheinungsformen des Gesetzes seien hier die "Hummel" und der "Schmetterling" genannt.

  • Als "Hummeln" werden die Personen bezeichnet, welche an vielen Workshops Interesse haben. Sie gehen von einem zum anderen und bringen sich hier und dort ein. Sie bleiben solange, wie sie zum Thema etwas lernen oder beitragen können. Gerade erworbene Ideen, Gedanken oder Anregungen werden in die neue Gruppe getragen und dort fallengelassen, aufgenommenes Wissen in die nächste Gruppe gebracht. Manchmal ist es auch nur die pure Anwesenheit einer neu dazugekommenen Person, die der Gruppe einen neuen Schub gibt. Es findet eine gegenseitige Befruchtung statt - eben wie in der Natur: Die Hummel fliegt von Blüte zu Blüte, nimmt Pollen von der einen Blüte auf und setzt sie auf einer anderen wieder ab.
  • Die "Schmetterlinge" sind anders. Diese Bezeichnung gilt für Personen, die etwas unentschlossen sind, also nicht sofort den Antrieb verspüren, in eine Gruppe zu gehen. Sie halten sich vornehmlich am Büfett oder in einer Sitzecke auf, rauchen eine Zigarette oder lassen sich im Garten nieder. Auf den ersten Blick wirken die Schmetterlinge nutzlos. Doch sie leisten für die Veranstaltung einen wichtigen Beitrag. Sie markieren eine Stätte des Nichtarbeitens und geben dadurch Ruhe an ihr Umfeld ab. Es ist zu beobachten, dass sich besonders zwischen Schmetterlingen und Vorbeikommenden intensive Gespräche entwickeln. Diese führen entweder dazu, dass die Teilnehmer Anregungen für laufende Arbeitsgruppen erhalten, in diese gehen oder selbst einen neuen ungeplanten Workshop durchführen.

Regelwerk von Open Space

Vier Leitlinien

  1. Wer kommt, ist die richtige Person.
  2. Offenheit für das, was geschieht.
  3. Es beginnt, wenn die Zeit reif ist.
  4. Vorbei ist vorbei.

Das "Gesetz der zwei Füße"


Was wird mit dem Einsatz von Open Space erreicht?

Beim Personal

Die Teilnehmenden entwickeln Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Mut zeigt besonders die erste Person, die in die Mitte des Kreises geht. In die Mitte des Kreises zu gehen und vor allen Anwesenden zu sprechen zeigt viel Verantwortung für das Thema und einen starken Drang, nach möglichen Lösungsstrategien suchen zu wollen. Im Verlauf der Veranstaltung erkennen die Teilnehmenden ihre Fähigkeit, Lösungen zu entwickeln und Umsetzungsschritte dafür festzulegen. Nicht selten äußern sich die Teilnehmer dahingehend, dass sie erstaunt sind, zu so guten Ergebnissen gekommen zu sein.
In der Regel leitet jeder Workshop-Einberufer seine Arbeitsgruppe. Auch Menschen, die bisher noch nie moderiert haben, entdecken ihre Fähigkeit dazu. Sie leiten die Diskussion, führen Protokoll und stellen die Ergebnisse dar. Die entdeckten Führungspotenziale machen den Teilnehmenden die Wichtigkeit ihrer eigenen Person deutlich und fördern damit ihr Selbstbewusstsein.
Die Teilnehmenden entwickeln Kommunikationsfähigkeiten. Das bloße Erscheinen der Betroffenen bei dieser Veranstaltung signalisiert ihre Bereitschaft, gemeinsam mit anderen an der Problematik arbeiten zu wollen. Denn sie sind alle freiwillig erschienen. Darüber hinaus ist zu erkennen, wie redsam die Anwesenden sind. Ein ständiges Stimmengewirr erfüllt die Arbeitsräume. Jeder kommt zum Reden. Vorgesetzte haben keine Sonderstellung. Vorerst schüchterne Personen trauen sich, ihre Meinung zu äußern, manchmal nicht nur in der kleinen Arbeitsgruppe, sondern vor der gesamten Gruppe.

In der Organisation

Mit dem Einsatz von Open Space können Unternehmungen schnell auf sich verändernde Umstände reagieren. Dies wird möglich, durch das Zusammenkommen vieler betroffener Menschen. Durch deren Wissen, Intelligenz, Interesse und Engagement entstehen viele Workshop-Themen. Zu denen wiederum werden vielfältige Ideen, Handiungsansätze und Perspektiven entworfen bzw. gesammelt. Schnell kann auch deshalb auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert werden, weil die Anwesenden nur die "wirklich" wichtigen Themen vorschlagen und sich nach ihrem Engagement für diese organisieren. Verschwendete Zeit und Energie gibt es nicht. Sie arbeiten intensiv, denn sie sind alle freiwillig zu dieser Veranstaltung erschienen. Der Freiraum für individuelle Kreativität spornt sie an, ebenso wie die Verantwortung für das Geschehen.
Da die Teilnehmenden aus verschiedenen Hierarchien sowie Funktionen kommen, werden die auf der Veranstaltung erarbeiteten Handlungsansätze gleichzeitig in den verschiedenen Abteilungen sofort im Arbeitsalltag umgesetzt. Gleichzeitiger Wandel wird dadurch initiiert.
Bei Veränderungsprozessen, die mit der Open Space-Methode eingeleitet bzw. begleitet werden, wird eine nachhaltige Wirksamkeit der Veränderung erreicht. Denn die Teilnehmer bestimmen erstens die Themen, zweitens die Inhalte ihrer Workshops und drittens definieren sie ihre Ziele, die sie mit eigens formulierten Maßnahmen erreichen möchten. Sie sind die einzigen Personen, die Impulse für die Veränderung geben. Es ist "ihre" Veränderung - eine Veränderung von "innen". Niemand zwingt ihnen in diesem Prozess Maßnahmen auf. Sie sind der Veränderung gegenüber motiviert und tragen ihr Engagement als Multiplikatoren an Personen weiter, die nicht teilgenommen haben. Dadurch wird für die Ergebnisse höchste Akzeptanz erreicht - unabdingbar für die Nachhaltigkeit des Prozesses.
Mehrere parallel laufende Arbeitsgruppen machen die Kommunikation vieler Menschen zur gleichen Zeit möglich. So können bis zu 1.000 Personen an einer Veranstaltung teilnehmen. Vertreter verschiedener Funktionen und Hierarchien informieren einander und erhalten hierdurch zur gleichen Zeit denselben Wissensstand. Darüber hinaus entwickeln sie ein gegenseitiges Verständnis: Beides schafft die Grundlage für eine effektivere Zusammenarbeit. Begünstigt wird dieses durch die gute Arbeitsatmosphäre und das entstehende Gemeinschaftsgefühl.
Bei der Frage, was mit dem Einsatz von Open Space erreicht wird, muss natürlich auch erwähnt werden, dass sich das Führungskräfte-Mitarbeiter-Verhältnis unweigerlich ändert. Oft erzeugt Open Space ein größeres gegenseitiges Vertrauen. Einerseits der Mitarbeiter gegenüber der Führung, dass diese die von den Mitarbeitern erarbeiten Lösungsvorschläge annimmt und die Umsetzung zulässt. Und andererseits Vertrauen der Führung gegenüber den Mitarbeitern, dass diese die Kompetenz und Motivation besitzen, die Situation im Sinne der Organisation zu verändern.

Was wird mit dem Einsatz von Open Space erreicht?
Beim Personal In der Organisation
  • Verantwortung für das Thema, die Ergebnisse und den Prozess
  • Identifikation mit dem Thema, der Situation und dem Unternehmen
  • Gestärktes Selbstbewusstsein
  • Gemeinschaftsgefühl
  • Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten
  • Moderations- und Kommunikationsbereitschaft sowie -fähigkeit 
  • Vielfältige Ideen, Maßnahmen, Ziele
  • Bearbeitung "wirklich" wichtiger Themen
  • Schnelle Reaktion auf Veränderungsanlässe
  • Nachhaltige Wirksamkeit der Veränderung durch Akzeptanz der Ergebnisse
  • Gleichzeitiger Wandel in verschiedenen Bereichen in der Organisation
  • Gleicher Wissensstand der Teilnehmenden
  • Effektive Kommunikation in großen Gruppen

Was ist wichtig für den nachhaltigen Erfolg von Open Space?

Es ist besonders wichtig, noch vor der Veranstaltung Maßnahmen und Strukturen zu definieren, die notwendig sind, um die Ergebnisse effektiv und dauerhaft in der Organisation umsetzen zu können. All zu schnell könnte sonst die Veränderungsenergie der Teilnehmenden verpuffen. Deshalb sollten folgende Voraussetzungen für die nun anstehenden Veränderungen gegeben sein:

  • Die Gruppen dürfen ihre Ergebnisse selbst umsetzen. Das Management nimmt ihnen die Initiative nicht aus der Hand, sondern ist bereit, ihnen dafür die notwendige Unterstützung zu geben.
  • Die in den Umsetzungsgruppen aktiven Personen und das Management stehen in regelmäßigem Kontakt. So findet ein permanenter Informationsaustausch statt und Widerstände oder Probleme können frühzeitig lokalisiert und bearbeitet werden.
  • Die Umsetzungsfortschritte aller Gruppen werden im Unternehmen bzw. in der Organisation transparent gemacht. Es gibt eine Informationssammelstelle, die jedem Interessierten die Möglichkeit gibt, sich über laufende Projekte zu informieren, Anregungen zu geben oder mitzuwirken.
  • Am sinnvollsten ist es, wenige Wochen nach der Veranstaltung eine Follow-up-Veranstaltung durchzuführen.

Fazit

Open Space kann für die unterschiedlichsten Fragestellungen, Unternehmen bzw. Organisationen und Teilnehmerzahlen erfolgreich eingesetzt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich bei Open Space um einen Baustein innerhalb eines Veränderungsprozesses handelt. Die Veranstaltungs-Ergebnisse müssen in einen weiteren Prozess münden.
Die Methode ermöglicht es, viele, wenn nicht sogar alle Betroffenen einer Organisation in den Prozess einzubinden. Ungeahnte Potenziale werden freigelegt und damit die schnelle Reaktion auf Veränderungsanlässe möglich gemacht. Open Space ist eine Konferenzmethode ohne vorgeplante Veranstaltungsagenda und eingeladene Redner. Besonders dies macht es möglich, dass sich die Teilnehmenden mit all ihrer Kompetenz einbringen können.
Im Sinne der Lernenden Organisation ist der Einsatz von Open Space eine Schlüsselmethode. Viele deutsche Unternehmen und Organisation setzen Open Space bereits regelmäßig als Instrument der Personal- und Organisationsentwicklung ein. Ein Zeichen dafür, dass sich das Management zunehmend in die Karten sehen lässt und Teile der Verantwortung für das unternehmerische Geschehen an die betroffenen Personen abgeben kann.


Literatur

  • Bunker, B. und Alban, B., Large Group Interventions, Engaging the Whole System for Rapid Change, Jossey-Bass Inc. Publishers, San Francisco 1997
  • Holman, P., und Devane, T., The Change Handbook, Group Methods for Shaping the Future, Berrett-Koehler Publishers, San Francisco 1999
  • Maleh, C., Open Space: Effektiv arbeiten mit großen Gruppen, Ein Handbuch für Anwender, Entscheider und Berater, Beltz Verlag Weinheim 2000, z. Auflage
  • Maleh C., Open Space im Einsatz, Praxisbeispiele: Interessante Highlights, problematische Situationen, spannende Ergebnisse, Beltz Verlag Weinheim 2001
  • Owen, H., Open Space Technology, A User's Guide, Berrett-Koehler Publishers, San Francisco 1997, z. Auflage
  • Owen, H., Open Space Technology, Ein Leitfaden für die Praxis, Klett-Cotta Stuttgart 2001
  • Petri, K., Let's Meet in Open Space! Die Story von Kaffeepausen, Chaotischen Attraktoren und Organisationstransformation, in: Organisationsentwicklung, Heft 2/96, S. 56-65
  • zur Bonsen, M., Mit der Konferenzmethode Open Space zu neuen Ideen, in Harvard Business Manager Heft 3/1998